Urteil des KG Berlin vom 14.03.2017

KG Berlin: kollision, fahrstreifen, anhörung, fahrspur, könig, mitverschulden, mithaftung, auflage, fahrzeugführer, distanz

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Gericht:
KG Berlin 12.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 U 208/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 7 Abs 5 StVO, § 17 Abs 3
StVO, § 513 Abs 1 ZPO, § 522
Abs 2 ZPO, § 529 ZPO
Leitsatz
Der im Falle des typischen Auffahrunfall gegen den Auffahrenden sprechende
Anscheinsbeweis ist entkräftet, wenn der Vorausfahrende in unmittelbarem zeitlichen und
örtlichen Zusammenhang mit dem Unfall in den vom Auffahrenden befahrenen Fahrstreifen
gewechselt ist; in einem solchen Fall haftete der Fahrstreifenwechsler wegen des für eine
Verletzung der Sorgfaltspflichten aus § 7 Abs. 5 StVO sprechenden Anscheinsbeweises allein.
Aus dem Schadensbild an den unfallbeteiligten Fahrzeugen kann nichts zu der Frage
abgeleitet werden, ob ein Auffahren in unmittelbarem zeitlichem und örtlichem
Zusammenhang mit dem unstreitigen Fahrstreifenwechsel des Vorausfahrenden stand.
(Berufung zurückgewiesen durch Beschluss vom 21. Oktober 2010)
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO durch Beschluss
zurückzuweisen.
Gründe
I.
Der Kläger macht Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall geltend.
Am 6. November 2008 befuhr der Kläger mit seinem Taxi zunächst den rechten
Fahrstreifen der Residenzstraße in Fahrtrichtung Lindauer Allee. Er wechselte dann in
den linken Fahrstreifen, den die Beklagte zu 1) mit dem von dem Beklagten zu 2)
gehaltenen und bei der Beklagten zu 3) gegen Haftpflicht versicherten Kfz hinter dem
klägerischen Kfz befuhr. Unter im Einzelnen von den Parteien unterschiedlich
geschilderten Umständen kam es dann zur Kollision zwischen den beiden Kfz.
Der Kläger hat behauptet, nachdem er einige Distanz auf dem linken Fahrstreifen
zurückgelegt habe, habe er wegen eines vor ihm auf den linken Fahrstreifen
wechselnden Kfz anhalten müssen. Nach ungefähr drei Sekunden sei das
Beklagtenfahrzeug aufgefahren.
Der Kläger hat gemeint, der Beweis des ersten Anscheins streite für das Verschulden
der aufgefahrenen Beklagten zu 1).
Der Kläger hat klageweise Schadensersatz wegen der Beschädigung seines Kfz in Höhe
von 4.757,82 EUR und Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von
481,50 EUR sowie die Feststellung verlangt, dass die Beklagten verpflichtet seien, ihm
weiteren materiellen Schaden zu ersetzen.
Die Beklagten haben behauptet, der Kläger habe, kurz nachdem er auf die linke
Fahrspur gezogen sei, verkehrsbedingt abbremsen müssen. Noch während des
Fahrstreifenwechsels habe sich der Unfall ereignet.
Das Landgericht hat die Klage nach Anhörung des Klägers und der Beklagten zu 1) sowie
der Einvernahme von zwei Zeugen zum Hergang des Unfalls abgewiesen. Zur
Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klage sei unbegründet, weil der Kläger allein für seinen Unfallschaden hafte, da er
den gegen sich als Fahrspurwechsler sprechenden Anscheinsbeweis nicht erschüttert
habe. Der Anscheins-beweis zulasten des Klägers greife ein, da das Klägerfahrzeug
unstreitig vor der Kollision den Fahrstreifen gewechselt habe und sich der Unfall in einem
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unstreitig vor der Kollision den Fahrstreifen gewechselt habe und sich der Unfall in einem
engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Fahrstreifenwechsel ereignet
habe. Die geltend gemachte Standzeit seines Fahrzeugs von drei Sekunden beseitige,
selbst wenn man diese Dauer als richtig unterstellen würde, den zeitlichen
Zusammenhang nicht.
Demgegenüber greife ein Anscheinsbeweis gegen das auffahrende Beklagtenfahrzeug
nicht ein. Im Falle eines unstreitigen Fahrstreifenwechsels des Vorausfahrenden setze
der Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden voraus, dass beide Fahrzeuge unstreitig
oder erwiesenermaßen so lange in einer Spur hintereinander gefahren seien, dass sich
beide Fahrzeugführer auf die vorangegangene Fahrzeugbewegung hätten einstellen
können. Diese Umstände habe der Kläger zu beweisen. Diese ergäben sich nicht aus
dem zu unbestimmten Sachvortrag des Klägers und auch die Anhörung des Klägers und
der Beklagten zu 1) sowie die Beweisaufnahme hätten keine zur Überzeugung des
Gerichts feststehende Tatsachen erbracht, die den Schluss auf einen Anscheinsbeweis
gegen die aufgefahrene Beklagte zu 1) zuließen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine Klageanträge
weiter verfolgt. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus:
Nach seiner Auffassung streite für eine Haftung der Beklagten zu 1) der zu ihren Lasten
gehende Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden, weil es sich um einen typischen
Auffahrunfall mit Teilüberdeckung von Heck und Front handle. Kein typischer
Auffahrunfall solle nur dann vorliegen, wenn eine Eckkollision bei Schrägstellung der
Längsachse des Vorausfahrenden gegeben sei. Das habe das Erstgericht verkannt.
Bereits das Schadensbild spreche dafür, dass es einen “geraden” Heckaufprall gegeben
habe. Über die streitige Tatsache des Schadensbildes hätte das Landgericht Beweis
erheben müssen.
Zudem habe sich sowohl aus dem Klägervortrag als auch aus dessen Anhörung
ergeben, dass beide Fahrzeuge bereits so lange in einer Spur hintereinander gefahren
seien, dass sich beide Fahrzeugführer auf die vorangegangenen Fahrbewegungen hätten
einstellen können. Dafür spreche zum einen der Umstand, dass der Kläger bereits ein
bis zwei Sekunden vor dem Aufprall gestanden habe, zum anderen habe die Beklagte
selbst nicht behauptet, eine Vollbremsung getätigt zu haben. Daher müssten beide
Fahrzeuge bereits eines gewisse Zeit hintereinander in einer Fahrspur gefahren sein und
die Beklagte zu 1) hätte sich auf die Fahrbewegung einstellen können.
Das Landgericht werte die Aussagen der Zeugen N. und S. unzutreffend. Es sei Sache
der Beklagten, den gegen sie sprechenden Anscheinsbeweis zu entkräften. Sie hätte
daher beweisen müssen, dass der Kläger erst wenige Augenblicke vor dem Unfall den
Fahrstreifen gewechselt habe. Das sei ihr aber nicht gelungen. Das Landgericht habe
verkannt, dass es auf die Glaubwürdigkeit der beiden Zeugen angekommen sei.
Ein gegen den Kläger gerichteter Anscheinsbeweis komme nicht in Betracht. Es könne
nicht von einer Eckkollision ausgegangen werden und das gegen ihn eingeleitete
Ordnungswidrigkeitenverfahren sei eingestellt worden.
II.
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat keine grundsätzliche
Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 522 Abs. 2 S. 1
ZPO.
Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung erfolgreich nur darauf gestützt werden, dass
die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder
nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung
rechtfertigen. Beides ist hier indes nicht der Fall.
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger haftet für den Unfall
allein. Ihm steht daher gegen die Beklagten als Gesamtschuldner kein Anspruch auf
Schadensersatz gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, § 823 BGB i. V. m. § 115 Abs. 1 Nr. 1, 2 VVG
zu.
1. Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass sich der Unfall für keinen der
Unfallbeteiligten als unabwendbares Ereignis gemäß § 17 Abs. 3 StVO darstellte.
Ein solches liegt gemäß § 17 Abs. 3 StVG nur vor, wenn der Fahrer jede nach den
Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat und auch durch diese das
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Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat und auch durch diese das
Unfallereignis nicht abgewendet werden konnte. Hierzu gehört sachgemäßes,
geistesgegenwärtiges Handeln, das über den gewöhnlichen und persönlichen Maßstab
hinausgeht und alle möglichen Gefahrenmomente berücksichtigt (Senat, Urteil vom 24.
Oktober 2005 – 12 U 264/04, juris, Tz. 3; vgl. ferner Hentschel/König/Dauer,
Straßenverkehrsrecht, 40. Auflage, § 17 StVG, Rn. 22 m. w. Nachw.).
Entsprechender Vortrag fehlt von beiden Seiten. Von einem unabwendbaren Ereignis
kann daher für beide Unfallbeteiligte nicht ausgegangen werden.
2. Zu Recht hat das Landgericht daher, weil das Unfallgeschehen weder für den Kläger
noch für die Beklagte zu 1) unvermeidbar i. S. d. § 17 Abs. 3 StVG gewesen ist, eine
Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge nach § 17 Abs.
1 und 2 StVG vorgenommen.
a) Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass die für einen Auffahrunfall
entwickelten Rechtsgrundsätze zu Lasten der Beklagten zu 1) vorliegend keine
Anwendung finden.
(1) Im Fall eines Auffahrunfalls spricht der Anscheinsbeweis dafür, dass der Auffahrende
den Unfall verursacht hat (BGH, NZV 2007, 354, Tz. 5). Der Anscheinsbeweis ist jedoch
entkräftet, wenn sich die Kollision beider Fahrzeuge in einem unmittelbaren zeitlichen
und örtlichen Zusammenhang mit dem Fahrstreifenwechsel ereignet hat (Senat, NJW-
Spezial 2010, 555; NZV 2008, 198, 199; NZV 2006, 374, 375; KGR 1997, 223, 224; KG,
22. ZS, KGR 2003, 272, 273; OLG Köln, NZV 2004, 29, 30; OLG Naumburg, VRS 100,
173).
(2) So liegt der Fall hier.
Die Beklagte zu 1) hat vorgetragen, der Unfall habe sich direkt während des
Spurwechsels ereignet (Klageerwiderungsschriftsatz vom 26. Mai 2009, S. 2). Die
Entfernung des Taxis zu ihrem Fahrzeug sei ihr sehr nah vorgekommen, als es in ihre
Fahrspur herüber gewechselt sei (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 6. Oktober
2009).
Diesem Vorbringen ist der Kläger nicht hinreichend substanziiert entgegengetreten. Das
Landgericht hat zu Recht angenommen, dass sich der Kläger im Hinblick auf die
entscheidende Zeitspanne zwischen Fahrstreifenwechsel und anschließender Kollision zu
unbestimmt geäußert habe. Er hat lediglich angegeben, “einige Distanz” auf der linken
Fahrspur zurückgelegt zu haben (Klageschrift, S. 3) und auf den ausdrücklichen Hinweis
des Landgerichts in der Verfügung vom 2. Juni 2009 lediglich ergänzt, er habe “einige
Zeit vor dem Unfall die rechte Fahrbahn” befahren (Schriftsatz vom 3. Juli 2009). Damit
hat der Kläger sich weder in zeitlicher noch in räumlicher Hinsicht ausreichend konkret
eingelassen.
Auch in seiner persönlichen Anhörung konnte der Kläger nicht angeben, wie weit das
Fahrzeug der Beklagten bei seinem Fahrstreifenwechsel entfernt gewesen sei.
Es ist daher davon auszugehen, dass sich der Fahrstreifenwechsel des Klägers nur
wenige Augenblicke vor der Kollision ereignet hat.
(3) Gegen diese Annahme spricht entgegen der Ansicht der Berufung nicht, dass der
Kläger behauptet hat, er habe schon zwei bis drei Sekunden gestanden, bevor es zum
Unfall gekommen sei. Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass dieser
Vortrag, selbst wenn man ihn als richtig unterstellte, den zeitlichen Zusammenhang
zwischen dem Fahrstreifenwechsel und der nachfolgenden Kollision nicht beseitigte.
Denn aus dieser relativ kurzen Zeitspanne lässt sich nicht der Schluss ziehen, die
Beklagte zu 1) hätte noch genügend Zeit gehabt, um sich auf die Fahrbewegung des
Klägers einzustellen. Selbst fünf Sekunden zwischen Fahrstreifenwechsel und
nachfolgender Kollision können noch die Annahme rechtfertigen, dass ein atypischer
Geschehensablauf vorliegt, der einen Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden nicht
mehr zulässt (Senat, NJW-Spezial 2010, 555).
Zudem hat der Kläger in seiner Anhörung angegeben, er habe gerade gestanden als es
hinten knallte. Erst auf Nachfrage des Gerichts gab er an, er dächte, er habe bereits ein
paar Sekunden vor dem Unfall gestanden, ca. zwei (Protokoll der mündlichen
Verhandlung vom 6. Oktober 2009). Das zeigt, dass auch der Kläger nur von einer sehr
kurzen Standzeit seines Kfz ausgeht und die Zeitspanne von zwei Sekunden allenfalls
eine vage Schätzung darstellt.
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(4) Da der Kläger dem Vorbringen der Beklagten zum unmittelbaren zeitlichen
Zusammenhang zwischen Fahrstreifenwechsel und nachfolgender Kollision schon nicht
hinreichend substanziiert entgegen getreten ist, kam es nicht mehr darauf an, ob die
Beklagte ihre Darstellung des Sachverhalts beweisen kann. Das Landgericht konnte
daher offen lassen, ob die Aussagen der Zeugen N. und S. glaubhaft gewesen sind. Auf
die Angriffe der Berufung gegen diese Beweiswürdigung des Landgerichts kommt es
daher ebenfalls nicht an.
(5) Dass die Beklagte zu 1) nicht angegeben habe, eine Vollbremsung getätigt zu
haben, führt ebenfalls nicht zu einer anderen Bewertung. Die Beklagte zu 1) hat
jedenfalls angegeben, “stark” gebremst zu haben (Protokoll der mündlichen
Verhandlung vom 6. Oktober 2009), was jedenfalls nicht den Schluss zulässt, die
Beklagte zu 1) hätte den Unfall bei gebotener Aufmerksamkeit verhindern können.
(6) Fehl geht der Angriff der Berufung, das Landgericht hätte Beweis über die streitige
Tatsache des Schadensbildes erheben müssen.
Es kann nämlich als richtig unterstellt werden, dass es zu einer Überdeckung von Heck
und Front bei der Kollision gekommen ist. Denn hierauf kommt es im Ergebnis nicht an.
Zwar trifft es zu, dass der Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden nur dann eingreifen
kann, wenn bei den Fahrzeugen jedenfalls eine Teilüberdeckung von Heck und Front
vorliegt (Senat, NZV 2008, 197). Daraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden,
wie die Berufung meint, dass nur dann kein typischer Auffahrunfall vorliege, wenn eine
“Eckkollision bei Schrägstellung der Längsachse des Vorausfahrenden” gegeben sei.
Diese Ansicht trifft nicht zu. Das atypische Schadensbild eines Schrägaufpralls bei
knapper Überdeckung stellt sich u. U. als Indiz für einen behaupteten
Fahrstreifenwechsel dar (Senat, NZV 2006, 374, 375). Vorliegend ist der
Fahrstreifenwechsel aber unstreitig.
Das Fehlen eines Schadensbildes für einen Schrägaufprall schließt zwar aus, dass sich
die Kollision gewissermaßen noch während des Fahrstreifenwechsels ereignet hat, nicht
aber, dass der Fahrstreifenwechsler den Anhalteweg des nachfolgenden
Verkehrsteilnehmers derart verkürzt hat, dass diesem ein rechtzeitiges Anhalten nicht
mehr möglich war.
Das Schadensbild kann daher nur etwas über die Wahrscheinlichkeit eines
Fahrstreifenwechsels aussagen, nicht aber über die zeitliche Spanne, die die späteren
Unfallfahrzeuge nach dem Fahrstreifenwechsel bis zur Kollision hintereinander
hergefahren sind.
b) Stattdessen hat das Landgericht zu Recht einen gegen den Kläger sprechenden
Anscheinsbeweis angenommen.
(1) Nach § 7 Abs. 5 StVO verlangt jeder Fahrstreifenwechsel die Einhaltung äußerster
Sorgfalt, so dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Er
setzt ausreichende Rückschau voraus und ist rechtzeitig und deutlich durch
Fahrtrichtungsanzeiger anzukündigen. Ereignet sich der Unfall in einem unmittelbarem
zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Fahrstreifenwechsel des
vorausfahrenden Verkehrsteilnehmers, spricht der Anscheinsbeweis dafür, dass dieser
die ihm gemäß § 7 Abs. 5 StVO obliegende Sorgfaltspflicht bei einem
Fahrstreifenwechsel nicht in ausreichendem Maße beachtet und den Unfall verursacht
und verschuldet habe (Senat, NZV 2005, 527, 528; VRS 106, 23; KGR 1997, 223, 224).
(2) Bereits oben ist ausgeführt worden, dass hier von einer Kollision in unmittelbarem
zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Fahrstreifenwechsel des Klägers
auszugehen ist. Daher spricht gegen den Kläger der Beweis des ersten Anscheins, dass
er sorgfaltswidrig den Unfall verursacht hat.
Aus den bereits oben erörterten Gründen spricht auch hier eine etwaigenfalls nicht
vorliegende Schrägkollision nicht gegen eine typische, den Anscheinsbeweis gegen den
Fahrstreifenwechsler begründende Sachverhaltskonstellation. Auch im Fall einer Kollision
mit Überdeckung von Heck und Front kommt der Anscheinsbeweis gegen den
Fahrstreifenwechsler in Betracht.
(3) Diesen gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis hat der Kläger nicht zu entkräften
vermocht. Im Gegenteil, bereits aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich, dass er den
Sorgfalts-anforderungen des § 7 Abs. 5 StVO nicht gerecht geworden ist.
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Die gemäß § 7 Abs. 5 StVO zu beachtende äußerste Sorgfalt beim Fahrstreifenwechsel
erfordert nämlich eine ausreichende Rückschau. Diese setzt voraus, dass der Kraftfahrer
vor dem Fahrstreifenwechsel nach links in den Innen- und Außenspiegel blickt und sich
nach links umsieht (OLG Brandenburg, Urteil vom 21. Juni 2007 – 12 U 2/07, Juris-Tz. 3;
König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Auflage, § 7 StVO, Rn. 17).
Der Kläger hat in seiner Anhörung angegeben: “Ich habe mich vor dem Fahrspurwechsel
durch einen Blick in den linken Außenspiegel vergewissert, dass hinter mir frei war. Ich
habe dann geblinkt und die Spur gewechselt.” (Protokoll der mündlichen Verhandlung
vom 6. Oktober 2009). Damit hat der Kläger eingeräumt, bei dem Fahrstreifenwechsel
nicht die äußerste Sorgfalt gewahrt zu haben. Denn er hat nicht in den Innenspiegel
gesehen und sich auch nicht durch einen Blick nach hinten links über den nachfolgenden
Verkehr informiert.
Der Kläger hat dann weiter angegeben: “Ich kann nicht sagen, wie weit das Fahrzeug der
Beklagten von meinem Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt entfernt war. Es war dunkel und
die Entfernung ist schwer einzuschätzen. Die Fahrzeuge fuhren alle mit eingeschaltetem
Licht.” (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 6. Oktober 2009).
Aus diesen Angaben muss geschlossen werden, dass der Kläger nachfolgenden Verkehr
erkannt hat, die Entfernung wegen der schlechten Sichtverhältnisse aber nicht
einschätzen konnte und trotzdem den Fahrstreifen gewechselt hat. Hierin liegt ein
grober Verstoß gegen die von § 7 Abs. 5 StVO verlangte äußerste Sorgfalt.
Dass ein gegen den Kläger gerichtetes Ordnungswidrigkeitenverfahren eingestellt
worden sein soll, lässt hingegen keine Schlüsse auf die zivilrechtliche Haftungslage zu
und kann den Kläger daher nicht entlasten.
c) Zutreffend hat das Landgericht eine Alleinhaftung des Klägers angenommen.
Denn nach der Rechtsprechung beider Senate des Kammgerichts, haftet der
Vorausfahrende bei einem sorgfaltswidrigen Fahrstreifenwechsel in der Regel für die
Unfallschäden allein. Eine Mithaftung des anderen Unfallbeteiligten kommt nur dann in
Betracht, wenn der Fahrstreifenwechsler Umstände nachweist, die ein Mitverschulden
des anderen belegen. Allein die Betriebsgefahr des unfallbeteiligten Pkw rechtfertigt
keine Mithaftung des anderen Verkehrsteilnehmers (Senat, NZV 2005, 527, 528; VRS
106, 23, 25; KG, 22. ZS, KGR 2003, 272, 273).
Ein Mitverschulden der Beklagten zu 1) konnte der Kläger hier jedoch nicht belegen.
III.
Es wird angeregt, die Fortführung der Berufung zu überdenken.
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