Urteil des KG Berlin vom 11.07.2006

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Gericht:
KG Berlin Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
17 UF 104/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 1603 Abs 2 S 1 BGB
Minderjährigenunterhalt: Zurechnung eines fiktiven Brutto-
Stundenlohns bei fehlendem Nachweis von Stellenbewerbungen
der arbeitslosen unterhaltspflichtigen Köchin
Tenor
1. Der Antrag der Antragsgegnerin, ihr unter Beiordnung ihres Verfahrens-
bevollmächtigten für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu be-willligen, wird
zurückgewiesen.
2. Dem Antragsteller wird – unter Beiordnung seiner Verfahrensbevollmächtigten -
ratenfreie Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren bewilligt.
Gründe
I.
Durch am 11. Juli 2006 verkündetes Urteil ist die Ehe der Parteien geschieden, der
Versorgungsausgleich ausgesetzt und die Antragsgegnerin zur Zahlung von Unterhalt
für die beiden beim Antragsteller lebenden Kinder verurteilt worden. Gegen die
Entscheidung zum Kindesunterhalt hat sie – unter Berufung auf ihre fehlende
Leistungsfähigkeit - Berufung eingelegt und gleichzeitig beantragt, ihr für das
Berufungsverfahren unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten
Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Der dahingehende Antrag war zurückzuweisen. Die beantragte
Prozesskostenhilfebewilligung unter gleichzeitiger Anwaltsbeiordnung kommt derzeit
nicht in Betracht, weil dem Rechtsmittel der Antragsgegnerin – jedenfalls auf der
Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstandes – die hierfür erforderliche
Erfolgsaussicht fehlt.
Die Beklagte trifft gegenüber ihren minderjährigen Kindern eine verstärkte
Erwerbsobliegenheit (§ 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB). Danach hat sie sich entsprechend ihrer
Vorbildung, ihren Fähigkeiten und der Arbeitsmarktlage um eine Berufstätigkeit zu
bemühen, die es ihr ermöglicht, ihren Kindern den nötigen Unterhalt zur Verfügung
zustellen. Insoweit hat das Amtsgericht in dem angegriffenen Urteil allerdings zu Recht
ausgeführt, dass der bisherige Vortrag der Antragsgegnerin nicht ausreicht, ihre
mangelnde oder eingeschränkte Leistungsfähigkeit zu belegen, insbesondere nicht
festgestellt werden kann, dass sie sich – allein durch Vorlage einer Bewerbungsliste, die
insgesamt lediglich 33 den Zeitraum von November 2004 bis Dezember 2005
betreffende „Anfragen“ enthält – intensiv, ernsthaft und nachhaltig um die Erlangung
einer Volltagstätigkeit bemüht hätte. Hiergegen richtet sich die Berufung ersichtlich auch
nicht.
Mit ihrem Rechtsmittel wendet sich die Antragsgegnerin vielmehr (nur) gegen die Höhe
der ihr aus fiktiver Erwerbstätigkeit zugerechneten Einkünfte. Diesbezüglich hat sich das
Amtsgericht an dem Verdienst orientiert, den die Antragsgegnerin seiner Auffassung
nach in ihrem erlernten – indes nicht ausgeübten – Beruf als Köchin erzielen könnte, und
ihr insoweit fiktives Einkommen auf Basis eines Brutto-Stundensatzes von 10 €
zugerechnet. Das ist nach Auffassung des Senats – im Hinblick darauf, dass die tarifliche
Bruttogrundvergütung für Köche ab November 2004 im Tarifbereich Ost (ohne Berlin-
Ost) zwischen 1.554 und 1.778 € und im Tarifbereich West (+ Berlin-Ost) zwischen 1.634
und 1.975 € liegt, und unter Berücksichtigung, dass nach den diversen vom Antragsteller
erst- wie zweitinstanzlich vorgelegten Stellenangeboten Köche in Vollzeittätigkeit sowohl
auf individueller als auch auf tarifliche Entlohnungsbasis gesucht werden - grundsätzlich
nicht zu beanstanden ist. Bei dieser Sachlage und vor dem Hintergrund, dass weiterhin
jeglicher Nachweis über konkrete Stellenbewerbungen der Beklagten fehlt, kann der von
der Antragsgegnerin in der Berufung erhobenen Behauptung, neun namentlich von ihr
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der Antragsgegnerin in der Berufung erhobenen Behauptung, neun namentlich von ihr
benannte Unternehmer würden für Köche in Vollzeitbeschäftigung lediglich Brutto-
Stundenlöhne von 6 – 7 € zahlen bzw. eine höhere Entlohnung nur für Teilzeittätigkeiten
anbieten, keinerlei maßgebliche Aussagekraft zukommen. Die Antragsgegnerin
verkennt, dass sich – gerade in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit – regelmäßig erst nach
erfolglosen intensiven und nachhaltigen Bemühungen beurteilen lässt, ob und zu
welchen Bedingungen im Einzelfall eine Beschäftigungschance auf dem Arbeitsmarkt
bestand oder besteht bzw. auszuschließen ist. Jedenfalls lässt die Tatsache, dass im
Einzelfall untertariflich bezahlt wird, keinesfalls die Schlussfolgerung zu, dass auch sie
selbst keine Beschäftigung zu der vom Amtsgericht angenommenen Entlohnung finden
könne. Solange aber – eben im Hinblick auf das Fehlen aussagekräftiger (abschlägiger)
Bewerbungsunterlagen - ernsthafte Zweifel daran bestehen, dass bei angemessenen
Bemühungen eine Beschäftigungschance von vornherein auszuschließen ist, geht das
zu Lasten des Unterhaltsverpflichteten.
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Rechtsmittel aufrecht hält oder dieses – im Kosteninteresse - zurücknimmt.
II.
Dem bedürftigen Antragsteller war antragsgemäß Prozesskostenhilfe unter gleichzeitiger
Beiordnung seiner Verfahrensbevollmächtigten zu bewilligen (§§ 119 Abs. 1 Satz 2, 121
Abs. 1 ZPO).
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