Urteil des KG Berlin vom 14.03.2017

KG Berlin: stadt, mietvertrag, aufrechnung, sicherungsabtretung, kündigung, anschlussberufung, pachtvertrag, anfechtbarkeit, mietzins, vermietung

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Gericht:
KG Berlin 7. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 U 110/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 91 Abs 1 InsO, § 110 InsO
Insolvenzrecht: Vorrang der insolvenzrechtlichen Vorschriften
über die Vorausabtretung im Mietverhältnis gegenüber der
Insolvenzanfechtung; zum Forderungs- bzw. Absonderungsrecht
bei Entstehen einer voraus abgetretenen oder verpfändeten
Forderung nach Insolvenzeröffnung
Leitsatz
§ 110 InsO ist insoweit Spezialvorschrift gegenüber den Vorschriften über die
Insolvenzanfechtung, als dort die Wirksamkeit einer Vorausabtretung geregelt ist. Die
Bestimmungen über die Insolvenzanfechtung greifen nur insoweit ein, als sie nicht auf den in
§ 110 InsO geregelten Besonderheiten beruhen.
Entsteht die im voraus abgetretene, verpfändete oder gepfändete Forderung erst nach
Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so erwirbt der Gläubiger bzw. Pfandgläubiger zu Lasten
der Masse nach § 91 Abs. 1 InsO kein Forderungs- und kein Absonderungsrecht mehr.
Tenor
Auf die Berufungen der Klägerin werden die am 15. März 2007 und am 3. April 2007
verkündeten Urteile der Zivilkammer 14 des Landgerichts Berlin – 14.O.282/06 und
14.O.32/07 – teilweise abgeändert und wie folgt einheitlich neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 31.916,05 Euro nebst Zinsen in Höhe
von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2006 sowie weitere
10.638,68 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit 5. Juli 2003 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage, soweit sie nicht von den Parteien übereinstimmend in der
Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, abgewiesen.
Die weitergehende Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung des Beklagten
werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz im Verfahren 14 O 32/07 haben die
Klägerin zu 96 % und der Beklagte zu 4% zutragen. Von den Kosten des Rechtsstreits in
erster Instanz im Verfahren 14 O 282/06 werden der Klägerin 9% und dem Beklagten 91
% auferlegt. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 86% und der
Beklagte zu 14% zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung der
Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden,
wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden
Betrages leistet. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung des Beklagten wegen der
Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn
nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden
Betrages leistet.
Gründe
Zum Sachverhalt:
Die Stadt W hat der Insolvenzschuldnerin ein Grundstück zu einem symbolischen
Zins verpachtet und zugleich vereinbart, dass die Insolvenzschuldnerin die auf dem
Grundstück vorhandenen Gebäude saniert und sodann an die Stadt W vermietet.
Grundlage des Mietzinses waren die der Insolvenzschuldnerin entstanden Kosten der
Sanierung. Die Mietzinsforderung hat die Insolvenzschuldnerin an die beklagte Bank zu
Sicherheit abgetreten, die das Bauvorhaben finanziert hat.
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Zwischen den Parteien besteht Streit um den Umfang und die Wirksamkeit der
Sicherungsabtretung. Das Urteil des Senats, mit dem die Entscheidung des
Landgerichts teilweise abgeändert worden ist, ist rechtskräftig.
A.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz einschließlich der
dort von den Parteien gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe der
angefochtenen Urteile wird auf das am 15. März 2007 verkündete Urteil der Zivilkammer
14 des Landgerichts Berlin – 14.O.282/06 – und das am 3. April 2007 verkündete Urteil
der Zivilkammer 14 des Landgerichts Berlin – 14.O.32/07 – Bezug genommen.
Gegen die ihr am 26. März 2007 und am 17. April 2007 zugestellten Urteile hat die
Klägerin am 23. April 2007 und am 18. Mai 2007 (Tag nach Himmelfahrt) Berufung
eingelegt und die Berufungen nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfristen bis
zum 13. Juni 2007 und 18. Juli 2007 jeweils an diesen Tagen begründet.
Mit am 28. Juni 2007 zugestellter Verfügung wurde dem Beklagten aufgegeben, binnen
eines Monats zur Berufungsbegründung vom 13. Juni 2007 Stellung zu nehmen. Mit
Schriftsatz vom 20. Juli 2007, bei Gericht am 23. Juli 2007 eingegangen, hat der Beklagte
gegen das Urteil vom 15. März 2007 Anschlussberufung eingelegt.
Mit Beschluss vom 6. November 2007 hat der Senat die Verfahren 7 U 110/07
(14.O.32/07 Landgericht Berlin ) und 7 U 199/07 (14.O.282/06 Landgericht Berlin) zur
gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden.
Die Klägerin trägt unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen ergänzend vor,
das Landgericht habe zu Unrecht den Zahlungsanspruch für die Zeit ab 1. Januar 2003
in voller Höhe und die Forderung für das 4. Quartal 2002 zu Unrecht in Höhe von
21.277,00 Euro abgewiesen. Es sei weder eine Anfechtbarkeit der Sicherungsabtretung
gegeben noch sei § 110 InsO anwendbar, denn die Mietzinsthese des Landgerichts sei
rechtlich fehlerhaft. Selbst wenn man ihr folgen würde, bestünde aber jedenfalls
hinsichtlich der abgetretenen Forderungen bis einschließlich Januar 2003 ein
Absonderungsanspruch. Zu Unrecht habe das Landgericht auch den Auskunftsanspruch
abgewiesen, da ihr dieser nicht nur aufgrund des Absonderungsrechts, sondern auch als
einfache Insolvenzgläubigerin zustehe. In der Folge sei auch die hinsichtlich der
Erledigungserklärung vom Landgericht getroffene Kostenentscheidung unrichtig.
Die Klägerin beantragt,
I. unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 3. April 2007 –
14.O.32/07 – den Beklagten zu verurteilen,
1. an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 100.000,-Euro zuzüglich Zinsen in
Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für einen Teilbetrag in Höhe von
35.072,58 Euro seit dem 24. Juni 2003, für einen weiteren Teilbetrag in Höhe von
35.072,58 Euro seit dem 1. Juli 2003 und für den restlichen Teilbetrag in Höhe von
29.854,84 Euro seit dem 1. Oktober 2003 zu zahlen;
2. über den vom Beklagten auf Seite 2 der Klageerwiderung vom 6. März 2007
mitgeteilten Gesamtbetrag in Höhe von 1.459.562,03 Euro hinaus der Klägerin Auskunft
zu erteilen über die von ihm vereinnahmten Zahlungen in Betragshöhe und
Eingangsdatum, die die Stadt W. oder Dritte auf Grund des notariellen Vertrags zwischen
der Stadt W. und der M. vom 25. Oktober 1993 (UR-Nr. 2735/1993 des Notars …) an ihn
geleistet haben;
II. unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 15. März 2007 –
14.O.282/06 – den Beklagten zu verurteilen, über den bereits durch das Landgericht
zugesprochenen Teilbetrag in Höhe von 10.638,68 Euro hinaus an die Klägerin einen
weiteren Betrag in Höhe von 21.277,37 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung des Mahnbescheids am 31.
Januar 2006 zu zahlen und die Anschlussberufung des Beklagten zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufungen der Klägerin zurückzuweisen und das Urteil des Landgerichts
Berlin vom 15. März 2007 – 14.O.282/06 – abzuändern und die Klage auch insoweit
abzuweisen, als der Klägerin ein über den Betrag von 8.250,11 Euro hinausgehender
Zahlungsanspruch zuerkannt wurde.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil vom 3. April 2004 und trägt insoweit vor, die
Werkvertragsthese der Klägerin sei unrichtig und entspreche weder dem damaligen
Willen der Schuldnerin und der Stadt W. noch der eigenen damaligen Einschätzung des
Vertragsverhältnisses durch die Klägerin.
Zum angefochtenen Urteil vom 15. März 2007 macht er geltend, die Klägerin verkenne,
dass er für das 4. Quartal 2002 tatsächlich nur 27.200,90 Euro erhalten habe. Abzüglich
von 9% könne die Forderung daher nur maximal 24.452,82 Euro betragen. Zutreffend
sei jedoch von einer Anfechtbarkeit betreffend die Mietzinsansprüche für November und
Dezember 2002 gemäß § 130 Abs.1 Nr.1 InsO auszugehen. Der Erlösauskehranspruch
belaufe sich nur daher nur auf einen anteiligen Betrag von 8.250,11 Euro, den die
Klägerin hinsichtlich der vom Beklagten für September 2002 vereinnahmten Miete
geltend machen könne.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
B.
I. Verfahren 7 U 110/07 (14 O 32/07 Landgericht Berlin)
Die Berufung der Klägerin ist nur zu einem geringen Teil begründet,
1. Zahlungsantrag
Das Landgericht hat zu Unrecht einen Zahlungsanspruch aus § 170 Abs.1 S.1 InsO in
vollem Umfang verneint und die Zahlungsklage abgewiesen, denn die Klägerin ist für die
Zahlung, die die Stadt W. auf den Monat Januar 2003 geleistet hat,
absonderungsberechtigte Gläubigerin und hat diesem Umfang Anspruch auf Auskehr
des Erlöses gemäß §§ 170,171 InsO.
a) Die Insolvenzschuldnerin hatte der Klägerin im Zusammenhang mit den
Kreditverträgen im Jahre 1993 zur Sicherheit die ihr aus dem Pacht-/Mietvertrag mit der
Stadt W. zustehenden Forderungen abgetreten. Dass die damalige Sicherungsabtretung
grundsätzlich wirksam war, ist zwischen den Parteien nicht im Streit. Zutreffend hat
bereits das Landgericht ausgeführt, dass diese Sicherungsabtretung ein Recht auf
abgesonderte Befriedigung begründet, jedoch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens
getroffene Verfügungen des Vermieters/Verpächters von Räumen für die Zeit danach
gemäß § 110 InsO nur insoweit wirksam sind, als sie sich auf den im Zeitpunkt der
Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Kalendermonat beziehen. Weitergehende
Vorausverfügungen, zu denen auch die Abtretung zählt, sind daher unwirksam.
aa) § 110 InsO ist hier entgegen der Auffassung der Klägerin einschlägig, denn die
streitgegenständliche Vorausabtretung betrifft aus den zutreffenden Gründen des
angefochtenen Urteils, auf die zwecks Vermeidung von Wiederholungen Bezug
genommen wird und denen der Senat folgt, eine Forderung aus einem Mietverhältnis
und nicht eine Forderung aus einem Abzahlungswerkvertrag zwischen der
Insolvenzschuldnerin und der Stadt Werder.
Nach § 133 BGB ist der wirkliche - möglicherweise ungenau oder sogar unzutreffend
geäußerte - Wille des Erklärenden als eine so genannte innere Tatsache zu ermitteln.
Wird der tatsächliche Wille des Erklärenden bei Abgabe einer empfangsbedürftigen
Willenserklärung festgestellt, und hat der andere Teil die Erklärung ebenfalls in diesem
Sinne verstanden, dann bestimmt dieser Wille den Inhalt des Rechtsgeschäfts, ohne
dass es auf Weiteres ankommt (BGH NJW 1984, 721; NJW 2002, 1038, 1039).
Danach kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Stadt W. mit der
Insolvenzschuldnerin keinen Abzahlungswerkvertrag, sondern einen Mietvertrag
abschließen wollte. Selbst die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem
Senat eingeräumt, dass die Vertragsparteien möglicherweise aus haushaltsrechtlichen
Gründen keinen Werkvertrag abschließen wollten. Dass sich der vereinbarte Mietzins im
Ergebnis an dem Werklohn orientiert, steht einem Mietvertrag nicht entgegen; denn es
bleibt den Vertragsparteien im Rahmen der Vertragsfreiheit unbenommen, wie sie den
Mietzins ermitteln. Dabei spielen in aller Regel Investitionen des Vermieters in den
Mietgegenstand eine wesentliche Rolle, so dass der dem Mietzins zugrunde gelegte
Werklohn entgegen der Ansicht der Klägerin keineswegs gegen einen Mietvertrag spricht.
Davon ist offensichtlich auch die Klägerin ausgegangen. Selbst in dem Darlehensvertrag
zwischen der Klägerin und der Insolvenzschuldnerin ist der Vertrag als „Mietvertrag“ und
in der Abtretungsurkunde vom 16. Dezember 1993 als Pacht-/Mietvertrag bezeichnet
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in der Abtretungsurkunde vom 16. Dezember 1993 als Pacht-/Mietvertrag bezeichnet
(Bd. II, Anl. K 2) Diese Bezeichnung ist daher die rechtlich zutreffende Einordnung, zumal
sie unter notarieller Mitwirkung erfolgt ist (Bd. II, Anl. K 1).
Die Konstruktion über einen Mietvertrag mag ungewöhnlich sein, ist aus den dargelegten
Gründen von den damaligen Vertragsparteien aber gerade so gewünscht worden und
damit ist und bleibt es rechtlich ein Mietvertrag. Es mag auch sein, dass die
Zahlungspflichten der Stadt W. im Wesentlichen nur die Instandsetzungskosten
abdeckten. Die Insolvenzschuldnerin war aber jedenfalls unabhängig davon für die Dauer
des Mietvertrages zur Gebrauchsgewährung verpflichtet und insoweit auch zur laufenden
Instandhaltung.
Dass der Stadt W. der Gebrauch des Mietobjekts schon vor Vertragsschluss zustand, ist
entgegen der Ansicht der Klägerin so nicht richtig. Der mit den Verträgen bezweckte
Gebrauch war jedenfalls erst nach der Investition durch die Insolvenzschuldnerin und die
Vermietung an die Stadt W. möglich. Die Insolvenzschuldnerin hatte einen Anspruch auf
Überlassung des Gebrauchs aus dem Pachtvertrag.
Da hier das Insolvenzverfahren nach dem unstreitigen Tatbestand des angefochtenen
Urteils mit Beschluss des AG Charlottenburg vom 1.Januar 2003 eröffnet wurde, ist die
Vorausabtretung für den Monat Januar 2003 noch wirksam und erst ab Februar 2003
unwirksam, wie es auch der Beklagte selbst in der Klageerwiderung ausgeführt hat.
bb) Die Abtretung für den Monat Januar 2003 ist auch nicht gemäß § 91 Abs. I InsO
unwirksam. § 110 InsO ist insoweit Spezialvorschrift (Marotzke in Heidelberger
Kommentar zur InsO, 4. Aufl., § 110 Rn. 4).
Schließlich unterliegt die Abtretung nicht der Insolvenzanfechtung gemäß §§ 130, 131
InsO; denn § 110 InsO ist jedenfalls insoweit Spezialvorschrift, als dort die Wirksamkeit
einer Vorausabtretung geregelt ist. Die Bestimmungen über die Insolvenzanfechtung
greifen nur insoweit ein, als sie nicht auf den in § 110 InsO geregelten Besonderheiten
beruhen (Marotzke, a.a.O.).
cc) Danach ergibt sich folgende Berechnung:
Die Stadt W. schuldete bei vierteljährlicher Mietzahlung unstreitig 35.072,58 Euro,
sodass auf den Monat Januar 2003 ein Drittel dieses Betrages, mithin 11.690,86 Euro
entfallen. Der Absonderungsanspruch besteht nach Maßgabe der §§ 170, 171 InsO
jedoch nur insoweit, als nach Vorwegabzug von Kosten der Feststellung (4%) und der
Verwertung (5%) ein Erlös verbleibt. 9% von 11.690,86 Euro ergibt 1.052,18 Euro, der
auszukehrende Erlös damit 10.638,68 Euro .
b) Einen weitergehenden Zahlungsanspruch hat die Klägerin nicht. Insbesondere kann
sie keine Auskehr des Erlöses verlangen, den der Beklagte nach der Kündigung des
Pacht-/Mietvertrages durch die Stadt W. nach der Insolvenzeröffnung vereinnahmt hat.
aa) Diesem Anspruch steht § 110 InsO entgegen, der hinsichtlich der Auskehr des
Mietzinses bei Vorausabtretungen eine abschließende Regelung trifft. Dabei spielt es
entgegen der Ansicht der Klägerin keine Rolle, dass der Ersatz der
Modernisierungskosten durch die Stadt W. aus Abschnitt I. § 8 Abs. 3 des Pacht-
/Mietvertrags im Abschnitt über den Pachtvertrag geregelt ist. Das Vertragswerk kann
insolvenzrechtlich nicht in verschiedene selbständige Teile zerlegt werden, sondern muss
entsprechend dem Willen der Vertragsparteien als ein einheitliches Ganzes betrachtet
werden. Danach sind der Pachtvertrag und der Mietvertrag eng und unmittelbar
miteinander verknüpft und die Kündigung des Pachtvertrages hat zwangsläufig auch die
Beendigung des Mietvertrages zur Folge, weil der Insolvenzschuldnerin mit der
Beendigung des Pachtvertrages die Grundlage für die Vermietung entzogen wird. Die
Zahlungspflicht der Stadt W. im Falle der Kündigung bezieht sich daher nicht auf den
Pachtvertrag, sondern dient dazu, der Insolvenzschuldnerin die Einnahmen zu erstatten,
die sie sonst im Falle der Vermietung gehabt hätte.
bb) Ein weitergehender Zahlungsanspruch besteht auch dann nicht, wenn man sich der
Ansicht der Klägerin anschließt und den Erstattungsanspruch aus Abschnitt I. § 8 Abs. 3
des Pacht-/Mietvertrags nicht der Regelung des § 110 InsO unterstellt. Entsteht die im
voraus abgetretene, verpfändete oder gepfändete Forderung erst nach Eröffnung des
Insolvenzverfahrens, so erwirbt der Gläubiger bzw. Pfandgläubiger zu Lasten der Masse
nach § 91 Abs. 1 InsO kein Forderungs- und kein Absonderungsrecht mehr(BGH ZIP
2003, 808). Das ist hier der Fall; denn die Forderung konnte erst aufgrund der Kündigung
der Stadt W. entstehen. Ohne die Kündigungserklärung bestand überhaupt kein
Anspruch der Insolvenzschuldnerin auf Kostenerstattung. Es handelt sich damit um eine
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Anspruch der Insolvenzschuldnerin auf Kostenerstattung. Es handelt sich damit um eine
zukünftige Forderung, die von einer Gestaltungserklärung abhängt und ohne diese
Erklärung nicht besteht. Da die Stadt W. das Vertragsverhältnis mit der
Insolvenzschuldnerin unstreitig erst nach der Insolvenzeröffnung gekündigt hat, konnte
die Klägerin den sich aus Abschnitt I. § 8 Abs. 3 des Pacht-/Mietvertrages ergebenden
Erstattungsanspruch nicht mehr insolvenzfest erwerben.
c) Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286,288 BGB in Verbindung mit der unstreitigen
Zahlungsaufforderung vom 24. Juni 2003 (Bd. II, Anl. K 7), jedoch erst mit Ablauf der
darin gesetzten Frist zum 4. Juli 2003.
2. Auskunftsantrag
Die Berufung hinsichtlich des Auskunftsanspruch ist nicht begründet, das Landgericht
hat diesen Anspruch ohne Rechtsfehler abgewiesen. Der Klägerin fehlt insoweit das
erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
a) Grundsätzlich ergibt sich zwar aus § 167 InsO ein Auskunftsanspruch des
absonderungsberechtigten Gläubigers. Wie zuvor ausgeführt, ist das Absonderungsrecht
aber nur noch bezüglich der Miete für Januar 2003 begründet. Diese ist aus der unstreitig
bis zur Kündigung durch die Stadt W. gezahlten vierteljährlichen Mietzahlung zu
errechnen, ohne dass es einer Auskunft bedarf und bedurfte.
Da aus obigen Gründen bezüglich der für die Zeit ab Februar 2003 erhaltenen Beträge
kein Absonderungsrecht wegen Unwirksamkeit der Vorausverfügung nach § 110 InsO
besteht, hat die Klägerin auch keinen Auskunftsanspruch, welche Einzelbeträge der
Beklagte zu welchem Zeitpunkt für diesen nachfolgenden Zeitraum erhalten hat.
b) Der Klägerin steht insoweit auch als einfache Insolvenzgläubigerin kein
Auskunftsanspruch zu.
Der Insolvenzverwalter erfüllt seine Auskunftspflicht gegenüber den Gläubigern des
Insolvenzverfahrens durch Berichterstattung in den Gläubigerversammlungen. Zur
weiteren Berichterstattung ist er grundsätzlich nicht verpflichtet, es sei denn, die
Gläubigerversammlung habe kürzere Berichtstermine festgelegt (Uhlenbruck, InsO,
12.Aufl. § 80 Rn.138). Dass der Beklagte insoweit seinen Auskunftspflichten nicht oder
nicht gehörig nachgekommen ist, ist weder dargetan noch ersichtlich.
c) Dem entsprechend hat das Landgericht der Klägerin auch zutreffend die Kosten
hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils des Auskunftsanspruchs gemäß § 91 a ZPO
auferlegt.
II. Verfahren 7 U 199/07 (14 O 282/06 Landgericht Berlin)
1. Berufung der Klägerin
Die Berufung, mit der die Klägerin im Grunde die ursprüngliche Klageforderung weiter
verfolgt, jedoch den vom Landgericht vorgenommenen Abzug von 9% aus §§ 170,171
InsO akzeptiert und daher ihren Antrag entsprechend angepasst hat, ist begründet.
a) Zwischen den Parteien ist nach den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vor
dem Senat nicht mehr im Streit, dass der Beklagte auch insoweit in seiner Eigenschaft
als Insolvenzverwalter in Anspruch genommen wird.
b) Es kann auf die obigen Ausführungen zu dem nach § 110 InsO erst ab Februar 2003
entfallenen Absonderungsrecht Bezug genommen werden. Entsprechend ist die
Vorausabtretung auch für die hier maßgebliche Zeit (Oktober bis Dezember 2002) noch
als wirksam anzusehen, so dass die Klägerin grundsätzlich vom Beklagten nach §§ 170,
171 InsO Auskehr des Erlöses verlangen kann. Auf die Anfechtbarkeit kann sich der
Beklagte entgegen der Ansicht des Landgerichts demnach nicht berufen.
c) Soweit das Landgericht die von der Stadt W. am 19. März 2003 (Anl. B4, Bd.I, Bl.45)
erklärte Aufrechnung mit Gegenansprüchen in Höhe von 15.538,84 Euro (Gehweg- und
Straßenbeleuchtung) und von 102,26 Euro (Pacht und Mietzahlung für November und
Dezember 2002) als nach § 96 Abs.1 Nr.3 InsO unzulässig angesehen hat, ist diese
Begründung unzutreffend, denn die Stadt W. hat die Aufrechnungsmöglichkeit nicht
durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt. Im Ergebnis ist es aber gleichwohl
richtig, die Aufrechnung nicht zu berücksichtigen.
Nach § 166 Abs.2 InsO darf der Insolvenzverwalter eine vom Insolvenzschuldner zur
Sicherheit abgetretene Forderung einziehen oder in anderer Weise verwerten, etwa
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Sicherheit abgetretene Forderung einziehen oder in anderer Weise verwerten, etwa
durch Verkauf oder Abtretung. Hier hat der Beklagte die Forderung von 35.072,58 Euro
im Umfang der tatsächlichen Zahlungen in Höhe von 27.200,90 Euro eingezogen und
hinsichtlich des Restes „anders“ im Rahmen des nach der Aufrechnung geschlossenen
Vergleichs mit der Stadt W. verwertet (Anl. B8 und B9, Bd. I, Bl.55ff). Die von der Stadt
W. mit Schreiben vom 19. März 2003 (Anl. B4, Bd. I Bl.45) erklärte Aufrechnung war
zwischen der Stadt W. und dem Beklagten anschließend im Streit und ist durch den
Vergleich, der zu der Zahlung vom 8. Oktober 2003 über weitere 7.769,42 Euro geführt
hat, praktisch halbiert worden. Dies muss sich die Klägerin nicht anspruchsmindernd
zurechnen lassen. Denn an sich durfte die Stadt W. gemäß § 406 BGB wegen der
Sicherungsabtretung gegenüber der wirksam an die Klägerin abgetretene Forderung
nicht mit Forderungen aufrechnen, die sie gegen die Insolvenzschuldnerin gehabt hat.
Die Stadt W. hatte ausweislich ihrer unter den Darlehensvertrag gesetzten
Zustimmungserklärung vom 22. Dezember 1993 bereits zu diesem Zeitpunkt Kenntnis
von der Sicherungsabtretung. Die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen gegen
die Insolvenzschuldnerin sind erst weit nach Abtretung und Kenntnis hiervon im
Dezember 2002 fällig geworden. Die Aufrechnung ist daher an sich unwirksam gewesen.
Durch die Einbeziehung in die vergleichsweise Einigung hat der Beklagte die abgetretene
Forderung jedoch „anders“ im Sinne des § 166 Abs.2 InsO für eigene Zwecke verwertet
und muss sich daher so behandeln lassen, als hätte er den Erlös in voller Höhe von
35.072,58 Euro erlangt.
d) Von diesem Erlös sind entsprechend auch der eigenen Forderungsberechnung der
Klägerin im Berufungsverfahren gemäß §§ 170,171 InsO die Kosten von insgesamt 9%
(3.156,53 Euro) für Feststellung und Verwertung abzuziehen, so dass 31.916,05 Euro als
auszukehrender Erlös verbleiben.
e) Der Zinsanspruch ist aus § 286, 288 BGB begründet.
2. Anschlussberufung des Beklagten
Die rechtzeitig eingelegte und damit zulässige Anschlussberufung des Beklagten ist aus
den vorstehenden Gründen nicht begründet.
Abgesehen davon ist weder rechnerisch nachzuvollziehen, wie der Beklagte auf den
zugebilligten Betrag von 8.250,11 Euro kommt, noch ist hier ein von ihm für begründet
erachteter Betrag für „September 2002“ streitgegenständlich gewesen. Die
Klageforderung betraf vielmehr den Zeitraum Oktober bis Dezember 2002.
III.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung
hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr.
10, 711 ZPO.
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