Urteil des KG Berlin vom 01.07.2004

KG Berlin: datum, bedingung, vollmacht, vergütung, gebühr, link, quelle, gegenleistung, sammlung, anmerkung

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Gericht:
KG Berlin 1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 W 360/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 61 Abs 1 S 1 RVG, § 15 Abs 1
RVG, § 60 Abs 1 RVG, § 130 Nr 6
ZPO, § 253 Abs 4 ZPO
Rechtsanwaltsvergütung: Anzuwendendes Gebührenrecht bei
Beiordnung eines Rechtsanwaltes nach dem 1. Juli 2004
Leitsatz
Wird dem Kläger aufgrund eines vor dem 1. Juli 2004 gestellten Antrags nach diesem Datum
Prozesskostenhilfe gewährt, richtet sich die anwaltliche Vergütung nach RVG, wenn, wie es
regelmäßig der Interessenlage entspricht, der Rechtsanwalt des Klägers zunächst nur mit der
Stellung des PKH-Antrags beauftragt war und der Verfahrensauftrag unter der Bedingung der
positiven PKH-Entscheidung erteilt wurde (entgegen OLG Köln, AGS 2005, 448).
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Das Rechtsmittel ist zulässig. Es kann insoweit dahinstehen, ob die Vorschriften der
BRAGO oder des RVG Anwendung finden, weil die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt sind.
Der Beschwerdewert in Höhe von 50,- Euro gemäß § 128 Abs. 4 S. 1 BRAGO ist erreicht
bzw. die Beschwerde durch das Landgericht gemäß §§ 56 Abs. 2 S. 1 Alt. 2, 33 Abs. 3 S.
2 RVG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen worden. Die Beschwerde ist auch
innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 33 Abs. 3 S. 3 RVG eingelegt worden.
II. Die Vergütung des dem Kläger beigeordneten Rechtsanwalts richtet sich vorliegend
nach den Vorschriften des RVG.
Gemäß § 61 Abs. 1 S. 1 RVG sind die BRAGO und Verweisungen hierauf weiter
anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im
Sinne des § 15 RVG vor dem 1. Juli 2004 erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem
Zeitpunkt gerichtlich bestellt oder beigeordnet worden ist. Werden mehrere dieser
Tatbestände erfüllt, kommt es für die Frage, welches Vergütungsrecht Anwendung
findet, auf den Zeitpunkt an, zu dem erstmals einer der Tatbestände erfüllt ist (BT-Drs.
15/1971, S. 203 re. Sp. zu § 60 RVG-E).
1. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass es vorliegend nur auf den
Zeitpunkt der (unbedingten) Auftragserteilung für das Klageverfahren ankommt, weil die
Beiordnung des Klägervertreters jedenfalls nach dem 1. Juli 2004 erfolgt ist. Der
entsprechende Beschluss des Prozessgerichts war erst am 12. August 2004 ergangen
und damit nach dem gemäß § 61 Abs. 1 S. 1 RVG maßgeblichen Zeitpunkt gegenüber
dem Klägervertreter wirksam geworden (vgl. OLG Stuttgart, AnwBl 1980, 114; HansOLG
Hamburg, JurBüro 1976, 184f.; Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl., § 60, Rdn. 13).
Dagegen spricht nicht die in dem Beschluss enthaltene Bestimmung, die Bestellung
erfolge rückwirkend zum 18. Juni 2004. Zu Recht hat das Landgericht dieser Bestimmung
für die Frage des maßgeblichen Zeitpunkts keine Bedeutung beigemessen, weil § 61
Abs. 1 S. 1 RVG allein auf den Erlass des Beiordnungsbeschlusses abstellt.
2. Kam es danach allein auf den Zeitpunkt der Auftragserteilung an, musste dem
Einwand der Beteiligten, dem Klägervertreter sei bereits vor dem 1. Juli 2004 ein
unbedingter Auftrag zur Erhebung der Klage erteilt worden, nicht weiter nachgegangen
werden. Es entspricht regelmäßig der Interessenlage, dass der Rechtsanwalt des Klägers
zunächst nur mit der Stellung des PKH-Antrags beauftragt ist und der Verfahrensauftrag
unter der Bedingung der positiven PKH-Entscheidung erteilt wird (v. Eicken, AnwBl 1975,
339, 343; Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 16. Aufl., VV 3335, Rdn.
8f.). Dies ist vom Klägervertreter hier entsprechend vorgetragen worden. Es wird
bestätigt durch sein prozessuales Verhalten. So wurde in dem PKH-Antrag vom 18. Juni
2004 ausdrücklich auf den beigefügten Entwurf einer Klageschrift verwiesen. Dieser
Entwurf entsprach noch nicht den Anforderungen an eine Klageschrift, weil er nicht
unterschrieben war, vgl. §§ 253 Abs. 4, 130 Nr. 6 ZPO. Erst nach Bewilligung der
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unterschrieben war, vgl. §§ 253 Abs. 4, 130 Nr. 6 ZPO. Erst nach Bewilligung der
Prozesskostenhilfe und seiner Beiordnung hat der Klägervertreter dann eine
unterschriebene Klageschrift eingereicht.
Die dem Verfahrensauftrag zugrunde liegende Vollmacht musste nicht zur Akte gereicht
werden, weil es insbesondere auf das Datum ihrer Erteilung nicht ankam. Das Datum der
Verfahrensvollmacht lässt nicht auf darauf schließen, ob ein bedingter oder unbedingter
Verfahrensauftrag erteilt worden ist, weil die Vollmacht nichts über das Innenverhältnis
zwischen Mandant und Verfahrensbevollmächtigtem aussagt (v. Eicken, a.a.O., 340;
Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert/Müller-Rabe, a.a.O., Rdn. 10).
3. Umstritten ist, ob es bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts im Fall der
Erteilung eines durch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bedingten
Verfahrensauftrags auf den Zeitpunkt ankommt, zu dem der unbedingte Auftrag für das
Prozesskostenhilfeverfahren erteilt wurde (so OLG Köln, AGS 2005, 448 mit
zustimmender Anmerkung Schneider; Baumgärtel/Föller/Hergenröder/Houben/Lompe,
RVG, 5. Aufl., § 61, Rdn. 4; Hartung/Römermann, RVG, § 60, Rdn. 27) oder ob der
Zeitpunkt des Bedingungseintritts maßgeblich ist (so AG Tempelhof-Kreuzberg, JurBüro
2005, 365; Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert/Müller-Rabe, a.a.O., § 60 RVG, Rdn. 29;
Bischof/Jungbauer/Podlech-Trappmann, RVG, § 61, Rdn. 26; Goebel/Gottwald, RVG, § 61,
Rdn. 27; Mayer/Kroiß/Klees, RVG, § 60, Rdn. 10; Braun/Hansens, RVG-Praxis, S. 72;
Müller-Rabe, NJW 2005, 1609, 1610; v. Eicken, a.a.O., 343). Im ersteren Fall ist nach
BRAGO abzurechnen, weil der Auftrag für das PKH-Verfahren vor dem 1. Juli 2004 erteilt
worden war. Im letzteren Fall findet das RVG Anwendung, weil die Bedingung erst durch
den die Prozesskostenhilfe bewilligenden Beschluss vom 12. August 2004 eingetreten
ist, § 158 Abs. 1 BGB.
Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Meinung an. Bereits im Rahmen früherer
Gebührenänderungen ist darauf hingewiesen worden, mit dem Übergangsrecht solle
verhindert werden, dass nach bisherigem Recht erwachsene Gebühren rückwirkend
erhöht werden. Ansonsten sollten die neuen Gebührensätze, die der Gesetzgeber als
angemessene Gegenleistung für die anwaltliche Tätigkeit erkannt habe, möglichst bald
Anwendung finden (von Eicken, AnwBl 1975, 339, 340). Entsprechendes gilt für den
Übergang von der BRAGO zum RVG. Deshalb hat das Landgericht zutreffend darauf
hingewiesen, dass im Rahmen des § 61 Abs. 1 S. 1 RVG in erster Linie auf den erteilten
Auftrag abzustellen sei. Auch bei einer Angelegenheit können mehrere selbständige
Aufträge vorliegen, die für einzelne Handlungen gesonderte, voneinander abgrenzbare
Gebühren auslösen (Müller-Rabe, NJW 2005, 1609, 1610). So liegt es hier. Es handelt
sich bei dem Prozessauftrag nicht lediglich um die - bedingte - Erweiterung eines
unbedingt erteilten Auftrags (so aber Baumgärtel/Föller/Hergenröder/Houben/Lompe,
RVG, 5. Aufl., § 61, Rdn. 4; Schneider, AGS 2005, 448), sondern um einen selbständigen,
durch die Beiordnung bedingten Auftrag, während der unbedingte Auftrag durch die
Bewilligung der Prozesskostenhilfe seine Erledigung gefunden hat. Sowohl nach altem
wie nach neuem Recht werden für das Prozesskostenhilfe- und das Hauptsacheverfahren
unterschiedliche Gebühren ausgelöst. Dass die Gebühr für das
Prozesskostenhilfeverfahren auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist, steht dem nicht
entgegen. Maßgeblich ist, dass beide Gebühren ohne weiteres voneinander abgegrenzt
werden können.
4. Da weitere Einwendungen seitens der Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht
wurden und auch nicht ersichtlich sind, konnte der Klägervertreter an Gebühren und
Auslagen nach dem RVG insgesamt 1.021,96 Euro berechnen, so dass durch das
Landgericht zutreffend über die angefochtene Festsetzung hinaus weitere Gebühren und
Auslagen in Höhe von 142,68 Euro festgesetzt worden sind.
III. Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet, §
56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG.
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