Urteil des FG Schleswig-Holstein vom 15.03.2017

FG Schleswig-Holstein: treu und glauben, zwangsvollstreckung, aufrechnung, abtretung, vollstreckungsverfahren, gegenseitigkeit, gerichtsakte, erlass, vollstreckungsverfügung, vollstreckungstitel

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Finanzgericht 2.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 V 378/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 151 FGO, § 155 FGO, § 767
ZPO, § 769 ZPO
Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus
einem Kostenfestsetzungsbeschluss
Tatbestand
I. Der Antragsteller begehrt die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung
aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss bis zur Entscheidung über eine
Vollstreckungsabwehrklage.
Mit Urteil vom 13. Juni 2007 wurde der Antragsteller im Verfahren 2 K 95/06 zur
Tragung der Kosten verurteilt. Im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2. Juli 2007
setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die an den Antragsgegner zu 2.) zu
erstattenden Kosten auf 1.994,56 EUR nebst Verzinsung von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz nach § 247 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) seit dem 18.
Juni 2007 fest. Bereits am 16./17. November 2006 und nochmals am 9. Juli 2007
hat der Antragsgegner zu 2. seinen künftigen Anspruch bzw. seinen Anspruch in
Höhe von 1.994,56 EUR gegen den Antragsteller auf Erstattung der Anwaltskosten
an die Antragsgegner zu 2. abgetreten. Mit Schreiben vom 24. Juli 2007 erklärte
der Antragsteller gegenüber den Antragsgegnern zu 1.) als Vertreter des
Antragsgegners zu 2.) hinsichtlich der Kosten in Höhe von 1.994,56 EUR zuzüglich
16,43 EUR Zinsen - insgesamt 2.010,99 EUR - die Aufrechnung nach § 387 BGB
mit Haftungsschulden des Antragsgegners zu 2.), fällig am 2. Juli 2007.
Die Antragsgegner zu 1.) haben in ihren Schreiben vom 13. und 27. Juli 2007
Bedenken gegen die Wirksamkeit der Aufrechnung geäußert.
Die Antragsgegner zu 1.) beantragten am 14. August 2007 hinsichtlich des
Kostenfestsetzungsbeschlusses eine Titelumschreibung zu ihren Gunsten. Diesem
Antrag folgte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit Entscheidung vom 19.
November 2007.
Mit Schreiben vom 23. November 2007 haben die Antragsgegner zu 1.) den
Antragsteller zur Begleichung der Kosten bis zum 30. November 2007
aufgefordert.
Am 4. Dezember 2007 hat der Antragsteller auch gegenüber den Antragsgegnern
zu 1.) gemäß § 406 BGB die Aufrechnung des Kostenerstattungsanspruchs mit
Haftungsschulden erklärt.
Mit der am 11. Dezember 2007 bei Gericht eingegangenen
Vollstreckungsabwehrklage begehrt der Antragsteller, die Zwangsvollstreckung
aus den vollstreckbaren Kostenbeschlüssen vom 2. Juli 2007 und 19. November
2007 für unzulässig zu erklären. Dieses Verfahren wird hier unter dem
Aktenzeichen 2 K 377/07 geführt. Gleichzeitig sucht der Antragsteller um
einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 769
Zivilprozessordnung (ZPO) nach. Zur Begründung führt er Folgendes aus:
Das Rechtsschutzbedürfnis für diesen Antrag sei gegeben. In seinem Urteil vom 2.
April 1987 (Sammlung amtlich nicht veröffentlichte Entscheidungen des
Bundesfinanzhofs
-BFH/NV- 1987, 789) habe der BFH ausgeführt, dass das Rechtsschutzbedürfnis
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-BFH/NV- 1987, 789) habe der BFH ausgeführt, dass das Rechtsschutzbedürfnis
des Finanzamts für eine Vollstreckungsabwehrklage selbst nach Rücknahme des
vom Kostengläubiger beim Finanzgericht gestellten Antrags auf Vollstreckung aus
einem Kostenfestsetzungsbeschluss und Einstellung des Antragsverfahrens
erhalten bleibe, da der Vollstreckungsantrag nicht fristgebunden sei und auch
nach seiner Rücknahme erneut gestellt werden könne. Zwar müsse in dem
Verfahren nach §§ 151, 152 Finanzgerichtsordnung (FGO) - im Unterschied zur
Zwangsvollstreckung nach der ZPO - stets das Finanzgericht als
Vollstreckungsgericht tätig werden. Dieser Unterschied besage aber nichts
darüber, ob und wie lange die Zwangsvollstreckung aus dem Titel drohe und
folglich ein Rechtsschutzbedürfnis des Schuldners für die
Vollstreckungsabwehrklage gegeben sei. Mit diesem Urteil habe der BFH
klargestellt, dass das Rechtsschutzbedürfnis des Finanzamts für eine
Vollstreckungsabwehrklage nicht davon abhänge, ob bereits ein Antrag auf
Vollstreckung nach § 152 FGO gestellt worden sei. Vorliegend sei ein
Rechtsschutzbedürfnis für die erhobene Vollstreckungsabwehrklage gegeben, da
das Finanzamt wegen des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 2. Juli 2007 und
der Titeländerung vom 19. November 2007 mit der Einleitung von
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durch die Antragsgegner rechnen müsse. Die
drohende Zwangsvollstreckung und damit auch das Rechtsschutzbedürfnis für die
Vollstreckungsabwehrklage würden erst dann entfallen, wenn der Gläubiger den
Titel an den Schuldner herausgebe (BFH-Urteil vom 2. April 1987, a.a.O.).
Die geltend gemachte Kostenforderung sei durch die Aufrechnungen vom 24. Juli
2007 und 4. Dezember 2007 erloschen (§ 226 Abs. 1 Abgabenordnung -AO- i.V.m.
§§ 389, 406 BGB). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs
(BFH) sei das Finanzamt berechtigt, gegenüber dem prozessualen
Kostenerstattungsanspruch mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis
aufzurechnen. Die am 24. Juli 2007 abgegebene Aufrechnungserklärung stelle eine
wirksame Willenserklärung im Sinne des § 388 BGB dar. Die Tatsache, dass eine
Aufrechnungslage gegeben sei, dürfte unstreitig sein. Die Aufrechnung bewirke
nach § 226 Abs. 1 AO i.V.m. § 389 BGB, dass die Forderungen, soweit sie sich
decken würden, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur
Aufrechnung geeignet einander gegenüber standen. Dabei sei nicht auf die
Festsetzung oder die Fälligkeit eines Steueranspruchs bzw. eines
Steuererstattungsanspruchs abzustellen, sondern auf dessen abstrakte materiell-
rechtliche Entstehung (BFH-Urteil vom 3. Mai 1991, BFH/NV 1992, 77). Materiell-
rechtlich würden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis bereits mit der
Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes entstehen; auf die Kenntnis des
Finanzamts oder des Steuerpflichtigen über Grund und Höhe der
abstrakt entstandenen Ansprüche komme es nicht an. Ein Haftungsanspruch des
Finanzamts entstehe, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen des
Haftungstatbestandes erfüllt seien; es bedürfe hierzu nicht des Erlasses eines
Haftungsbescheids. Die Haftungsansprüche des Finanzamts gegen den
Antragsgegner zu 2.) seien bereits im Jahr 2000 entstanden. Das Schleswig-
Holsteinische Finanzgericht habe im Urteil vom 13. Juni 2007 entschieden, dass
das Finanzamt zu Recht davon ausgegangen sei, dass der Antragsgegner zu 2.)
die Voraussetzungen für eine Inhaftungnahme für die nicht abgeführte Lohnsteuer
pp. Januar bis August 2000 erfüllt habe. Die seitens der Antragsgegner zu 1.)
vorgelegten Abtretungserklärungen vom 17. November 2006 und 9. Juli 2007
könnten keinen Anspruch der Antragsgegner zu 1.) auf Auszahlung der
festgesetzten Kosten begründen; denn dieser Anspruch sei durch die am 4.
Dezember 2007 abgegebene Aufrechnungserklärung des Finanzamts, in der
gegenüber den Antragsgegnern zu 1.) als Neugläubiger die Kosten mit dem gegen
den Antragsgegner zu 2.) als Zendenten bestehenden Haftungsanspruch
aufgerechnet worden seien, erloschen. Gemäß § 406 BGB könne der Schuldner
eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende Forderung auch dem neuen
Gläubiger gegenüber aufrechnen, es sei denn, dass er bei dem Erwerb der
Forderung von der Abtretung Kenntnis hatte oder dass die Forderung erst nach
Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig geworden
sei. Das Finanzamt dürfe also mit seiner vor Kenntnis der Abtretung erworbenen
Gegenforderung auch gegenüber dem Steuerberater oder Rechtsanwalt als
Neugläubiger aufrechnen; denn der durch eine Abtretung eingetretene Verlust der
Gegenseitigkeit sei nicht relevant, wenn die Gegenseitigkeit nach § 226 Abs. 2 AO
i.V.m. § 406 BGB als fortbestehend angesehen werden müsse. Die
Ausnahmetatbestände, die nach § 406 Halbsatz 2 BGB die Aufrechnung hindern
könnten, seien vorliegend nicht gegeben.
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Die Aufrechnung durch das Finanzamt verstoße auch nicht gegen den Grundsatz
von Treu und Glauben. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sei die
Aufrechnung mit einem Steueranspruch gegen einen Kostenerstattungsanspruch
des Steuerpflichtigen auch dann zulässig, wenn der Kostenerstattungsanspruch
gerade aus dem finanzgerichtlichen Verfahren über die Rechtmäßigkeit des später
zur Aufrechnung gestellten verbleibenden Steueranspruchs resultiere (BFH-Urteil
vom 7. August 2007, BFH/NV 2008, 300 m.w.N.).
Der Antragsteller beantragt, die Zwangsvollstreckung aus den
Kostenfestsetzungsbeschlüssen vom 2. Juli 2007 und 19. November 2007 bis zur
Entscheidung über die Vollstreckungsabwehrklage (2 K 377/07) einzustellen.
Die Antragsgegner beantragen, den Antrag zurückzuweisen.
Die Antragsgegner erwidern wie folgt:
Der Antragsteller übersehe, dass es einen vollstreckbaren
Kostenfestsetzungsbeschluss des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 2.
Juli 2007 zu keinem Zeitpunkt gegeben habe, da lediglich zu dem
Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19. November 2007 eine vollstreckbare
Ausfertigung erteilt worden sei. Nach der Titelumschreibung könne es auch nur
noch den vollstreckbaren Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19. November 2007
geben. Der Antragsgegner zu 2.) sei schon nicht passivlegitimiert. Der
Antragsteller hätte sich aussuchen müssen, wen er verklagen wolle. Fehlerhaft
gehe er davon aus, dass er sicherheitshalber beide Antragsgegner in Anspruch
nehmen könne. Die daraus resultierenden rechtlichen Folgen würden zu seinen
Lasten gehen. Die von dem Antragsteller gezogenen Schlussfolgerungen, beide
Antragsgegner verklagen zu können, seien weder von der Rechtsprechung noch
vom Inhalt der Zitatsstelle gedeckt. Nach dem ZPO-Kommentar von
Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Rn. 40 zu § 767 ZPO, sei eine Klage
unter Umständen gegen den neuen und alten Gläubiger notwendig, wenn beider
Verhalten hierzu Anlass gebe und keine klare Situation vorliege. Eine solche
unklare Situation sei vorliegend nicht gegeben. Mit der Titelumschreibung durch
Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 19. November 2007
sei nach der Abtretung klargestellt worden, dass der Titel nicht mehr auf den
Antragsgegner zu 2.), sondern auf die Antragsgegner zu 1.) laute. Sie seien einzig
und allein passivlegitimiert und nicht der Antragsgegner zu 2.). Hinzu komme noch
der Umstand, dass der Antragsgegner zu 2.) zu keinem Zeitpunkt gegenüber dem
Antragsteller die Zahlung der im Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten zu
erstattenden Kosten an sich verlangt habe. Dies behaupte nicht einmal der
Antragsteller. In den von dem Antragsteller eingereichten Schreiben der
Antragsgegner zu 1.) vom 13. Juli, 27. Juli und 23. November 2007 werde jedes Mal
wegen der erfolgten Abtretung des Anspruchs die Zahlung an die Antragsgegner
zu 1.) gefordert. Umso mehr hätte der Antragsteller lediglich die Antragsgegner zu
1.) gemäß § 767 ZPO und nicht den Antragsgegner zu 2.) in Anspruch nehmen
können. Insoweit werde auch auf die Kommentierung in Zöller (Kommentar zur
ZPO, § 767 Rn. 9) verwiesen, wonach derjenige zu verklagen sei, dem die Klausel
erteilt worden sei oder der die Zwangsvollstreckung im eigenen Namen betreibe.
Dies sei nicht der Antragsgegner zu 2.) gewesen. Außerdem sei gemäß ständiger
Rechtsprechung des BFH und des Bundesgerichtshofs der Vollstreckungsgläubiger
im Sinne der ZPO und FGO, d.h. Passivlegitimierte, derjenige, auf den der Titel
laute, aus dem die Zwangsvollstreckung betrieben werden solle, weshalb gegen
ihn die Vollstreckungsgegenklage zu richten sei. Im Übrigen fehle es für die
Vollstreckungsabwehrklage an der notwendigen Voraussetzung des
Rechtsschutzbedürfnisses. Die Antragsgegner zu 1.) hätten keine Veranlassung
zur Klage gegeben. Entgegen der Ansicht des Antragstellers könne hier nicht auf
die als Anlage 5 eingereichte Zahlungsaufforderung vom 30. November 2007
abgestellt werden. Der Grund hierfür liege darin, dass bis zum Schreiben des
Antragstellers vom 4. Dezember 2007 dieser gegenüber den Antragsgegnern zu
1.) keine Aufrechnung des Kostenerstattungsanspruchs mit Haftungsschulden
erklärt habe. Dies sei erstmals mit dem Schreiben vom 4. Dezember 2007 erfolgt.
Nachvollziehbarerweise sei deshalb der Antragsgegner nach der
Titelumschreibung zuvor mit Schreiben vom 30. November 2007 nochmals zur
Zahlung an die Antragsgegner zu 1.) aufgefordert worden. Dieser
Zahlungsaufforderung sei der Antragsgegner bekanntlich nicht nachgekommen,
sondern habe mit Schreiben vom 4. Dezember 2007 die Aufrechnung mit den
Haftungsschulden gegenüber den Antragsgegnern zu 1.) als neuen Gläubigern des
Kostenerstattungsanspruchs erklärt. Die Antragsgegner zu 1.) hätten nach der
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Kostenerstattungsanspruchs erklärt. Die Antragsgegner zu 1.) hätten nach der
erstmaligen Aufrechnungserklärung weder den Antragsteller nochmals zur
Zahlung aufgefordert noch einen Antrag auf Vollstreckung der Geldforderungen
gemäß § 152 FGO gestellt. Das Rechtsschutzbedürfnis gemäß § 767 ZPO liege
deshalb nicht vor. Vor Klageerhebung gemäß § 767 ZPO hätte der Antragsteller
einen Antrag der Antragsgegner zu 1.) nach § 152 FGO auf Einleitung der
Zwangsvollstreckung beim zuständigen Vollstreckungsgericht abwarten müssen.
Dies habe er nicht getan. Auch aus diesem Grund fehle das Rechtsschutzbedürfnis
für die Klage gemäß § 767 ZPO. Die Antragsgegner zu 1.) hätten dem
Antragsteller auch keinen Anlass zur Klagerhebung gegeben, da zwischen der
erstmaligen Aufrechnungserklärung gemäß § 406 BGB mit Schreiben vom 4.
Dezember 2007 und der Klagerhebung mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2007 nur
drei Tage gelegen hätten. Hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit der Aufrechnung
des Antragstellers gegenüber dem prozessualen Kostenerstattungsanspruch mit
Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis übersehe der Antragsteller, dass
sämtliche zitierten Urteile Sachverhalte betreffen würden, in denen das Finanzamt
mit anderen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis oder nach einem
teilweisen Obsiegen mit dem verbleibenden Haftungsanspruch aufgerechnet habe.
Nur aus diesem Grund habe der BFH die Aufrechnung nicht als treuwidrig
angesehen. Im vorliegenden Fall sei es aber so, dass der Antragsgegner zu 2.) im
Rechtsstreit vor dem Schleswig-Holsteinischen Finanzgericht obsiegt habe und der
Antragsgegner unterlegen gewesen sei. In einem solchen Fall verstoße die
vorgenommene Aufrechnung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.
Anderenfalls hätte dies zur Folge, dass der Antragsgegner im Rechtsstreit
unterliege und gegenüber dem daraus folgenden Kostenerstattungsanspruch mit
einer Forderung aufrechnen könne, deren Haftungstatbestand bereits Gegenstand
des Rechtsstreits gewesen sei, den der Antragsteller verloren habe. Ein solcher Fall
sei vergleichbar, indem im Wege der Vollstreckungsabwehrklage mit Aufrechnung
des zuerst eingeklagten materiellen Anspruchs nach Klagerücknahme versucht
werde, die Vollstreckbarkeit des Titels zu beseitigen. In einem solchen Fall könne
keine Vollstreckungsabwehr gemäß § 767 ZPO gewährt werden.
Darüber hinaus stünden dem Antragsteller überhaupt keine Forderungen zu, mit
denen im Rahmen der Klage nach § 767 ZPO die Aufrechnung hätte erklärt werden
können. Die von dem Antragsteller geltend gemachten Forderungen aus dem
Haftungsbescheid vom 29. Juni 2007 würden nicht bestehen, da dieser rechtswidrig
und somit aufzuheben sei. Über den Einspruch gegen diesen Bescheid habe der
Antragsteller bis heute nicht entschieden.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorbereitenden
Schriftsätze sowie die Gerichtsakte des Hauptsacheverfahrens (2 K 377/07) sowie
die Gerichtsakte des Klageverfahrens 2 K 95/06 Bezug genommen. Diese waren
beigezogen und Gegenstand der Entscheidung.
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag ist unzulässig.
Hat der Antragsteller - wie vorliegend im Klageverfahren 2 K 377/07 - gegen die
Vollstreckung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss gemäß §§ 151 Abs. 1 FGO,
767 ZPO Vollstreckungsabwehrklage erhoben, so ist in sinngemäßer Anwendung
des § 769 ZPO auch ein Antrag auf einstweilige Einstellung der Vollstreckung
statthaft (BFH-Beschlüsse vom 22. August 1995, Bundessteuerblatt -BStBl- II
1995, 916; vom 11. Mai 1993 in BFH/NV 1994, 218).
Der danach grundsätzliche statthafte Antrag konnte nach der erfolgten
Titelumschreibung aber nicht mehr gegen den Antragsgegner zu 2.) gerichtet
werden. Nur der Gläubiger des Kostenerstattungsanspruchs kann das Verfahren
auf Durchführung der Vollstreckung gemäß § 151 Abs. 2 Nr. 3, § 152 FGO
betreiben (BFH-Beschluss vom 19. Januar 2007, BFH/NV 2007, 1144). Im Falle
einer Titelumschreibung muss sich die Vollstreckungsabwehrklage und folgerichtig
auch ein Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gegen
denjenigen richten, für den die Klausel umgeschrieben wurde (Hartmann in
Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Kommentar zur ZPO, § 767 Rdnr. 40;
Herget in Zöller, Kommentar zur ZPO, § 767 Rdnr. 9; vgl. auch BFH-Urteil vom 25.
April 1989, BStBl II 1990, 352). Der Antragsgegner zu 2.) ist somit nicht passiv
legitimiert.
Im Übrigen fehlt für den Antrag das Rechtsschutzinteresse. Allerdings wird für das
zivilrechtliche Vollstreckungsverfahren einhellig die Auffassung vertreten, dass das
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zivilrechtliche Vollstreckungsverfahren einhellig die Auffassung vertreten, dass das
Rechts-schutzinteresse des Schuldners an einer Vollstreckungsabwehrklage
gegeben ist, solange die Vollstreckung allgemein droht. Es kommt nicht darauf an,
ob eine bestimmte Vollstreckungsmaßnahme unmittelbar bevorsteht, sondern nur
darauf, ob der Gläubiger überhaupt schon und noch vollstrecken kann. Das
Rechtsschutzbedürfnis liegt grundsätzlich selbst dann vor, wenn der Gläubiger auf
seine Rechte aus dem Vollstreckungstitel verzichtet hat oder wenn die Parteien
sich einig sind, dass eine Zwangsvollstreckung nicht in Betracht kommt, solange
nur der Vollstreckungsgläubiger noch über den Vollstreckungstitel verfügt
(Hartmann a.a.O., Rdnr. 39 m.w.N.; Herget a.a.O., Rdnr. 8). Der Antragsteller weist
zutreffend darauf hin, dass sich der BFH dieser Auffassung auch für das
finanzgerichtliche Vollstreckungsverfahren gegen die öffentliche Hand nach den §§
151 Abs. 1, 152 FGO angeschlossen hat (BFH-Urteil vom 02. April 1987, BFH/NV
1987, 789). Danach bestehen keine verfahrensrechtlichen Gründe, die eine
unterschiedliche Beurteilung des Rechtsschutzbedürfnisses für die Klage nach §
767 ZPO im zivilrechtlichen Vollstreckungsverfahren und in einem streitigen
Verfahren nach der FGO rechtfertigen könnten. Zwar müsse in dem Verfahren
nach den §§ 151, 152 FGO stets das Finanzgericht als Vollstreckungsgericht tätig
werden, in dem es auf Antrag des Gläubigers die Vollstreckungsverfügung - nach
vorheriger Ankündigung an den Schuldner - erlasse, die vorzunehmenden
Vollstreckungsmaßnahmen bestimme und die zuständigen Stellen um deren
Vornahme ersuche, während bei der Zwangsvollstreckung nach der ZPO, soweit
sie durch den Gerichtsvollzieher durchgeführt werde, der Vollstreckungsauftrag
des Gläubigers an diesen genüge. Dieser Unterschied besage aber nichts darüber,
ob und wie lange die Zwangsvollstreckung aus dem Titel drohe und folglich ein
Rechtsschutzbedürfnis des Schuldners für die Vollstreckungsabwehrklage gegeben
sei. Ferner könne auch das Finanzgericht als Vollstreckungsgericht in dem von ihm
zu bestimmenden Verfahren als zuständige Stelle für den Fall der Sachpfändung
den Gerichtsvollzieher einsetzen, während andererseits sonstige
Vollstreckungsmaßnahmen auch in den Fällen der Zwangsvollstreckung nach der
ZPO den (Vollstreckungs-) Gerichten zugewiesen seien (vgl. § 753 Abs. 1 ZPO).
Schließlich enthalte auch die ZPO in § 882 a für die Zwangsvollstreckung gegen
juristische Personen des öffentlichen Rechts eine wie in § 152 FGO ähnliche
Regelung. Soweit in solchen Fällen die Zwangsvollstreckung durch den
Gerichtsvollzieher zu erfolgen habe, sei dieser auf Antrag des Gläubigers ebenfalls
vom Vollstreckungsgericht zu bestimmen. Es sei beiden Vollstreckungsverfahren
gemeinsam, dass die Zwangsvollstreckung nicht von Amts wegen erfolge und
dass der Gläubiger durch sein Recht, Anträge zu stellen und zurückzunehmen,
Herr des Verfahrens bleibe (BFH-Urteil vom 02. April 1987 a.a.O.). Der Senat lässt
offen, ob er dieser Rechtsprechung des BFH im Fall einer
Vollstreckungsgegenklage folgen könnte. Jedenfalls aber im vorliegenden Fall eines
Antrags auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 ZPO sieht
der Senat das Rechtsschutzbedürfnis als nicht gegeben an. Eine sofortige
Vollstreckung aus dem Titel gegen die öffentliche Hand ist ausgeschlossen. Denn
gemäß § 152 Abs. 2 Satz 1 FGO hat das Gericht vor Erlass der
Vollstreckungsverfügung die Behörde aufzufordern, die Vollstreckung innerhalb
einer vom Gericht zu bemessenden Frist abzuwenden. Es verbleibt bei der
Vollstreckung aus Titeln gemäß § 151 Abs. 2 FGO gegen die öffentliche Hand für
diese also genügend Zeit, bei Gericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung gemäß § 769 ZPO i.V.m. § 155 FGO zu stellen, wenn und soweit der
Gläubiger bei Gericht gemäß § 152 Abs. 1 Satz 1 FGO beantragt, die Vollstreckung
gegen die öffentliche Hand zu verfügen (Beschluss des Finanzgerichts Baden-
Württemberg vom 19.11.1992 in EFG 1993, 329; Tipke/Kruse, Kommentar zur FGO,
§ 152 Tz. 5).
Der Antrag war somit als unzulässig abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.