Urteil des FG Schleswig-Holstein vom 15.03.2017

FG Schleswig-Holstein: treu und glauben, widerruf, einkünfte, computer, familienrecht, einspruch, begriff, höchstbetrag, ernährung, wohnung

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Finanzgericht 5.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2004
Aktenzeichen:
5 K 198/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 10 Abs 1 Nr 1 EStG 2002, §
22 Nr 1a EStG 2002, § 850b
Abs 1 Nr 2 ZPO
Im Rahmen des Realsplittings erstattete Einkommensteuer
gehört zur Unterhaltsleistung
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob in das so genannte “begrenzte
Realsplitting” auch Zahlungen des Gebers an den Unterhaltsberechtigten, hier die
Klägerin, einzubeziehen sind, die dem Ausgleich steuerlicher Nachteile aufgrund
des in den Vorjahren durchgeführten begrenzten Realsplittings auf Seiten des
unterhaltsberechtigten Ehegatten dienen.
Die Klägerin erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit. Sie
lebt von ihrem Ehemann getrennt und erhält von diesem Unterhaltszahlungen.
Unter dem 9. Oktober 1997 hatte die Klägerin eine Anlage U für
Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden
Ehegatten zur Einkommensteuer(ESt)-Erklärung (des Ehemannes) für 1996
unterzeichnet und dem Antrag auf Abzug von Barleistungen in Höhe von
28.908,00 DM (Unterhaltsleistungen) zugestimmt. Die vorgedruckte
Zustimmungserklärung dieser Anlage enthält unter anderem folgende Sätze:
“Sie ( ) gilt - solange sie nicht widerrufen wird - auch für alle
darauf folgenden Kalenderjahre.
Mir ist bekannt, dass ich die Zustimmung nur vor Beginn des Kalenderjahres, für
das sie erstmals nicht gelten soll, gegenüber dem für mich zuständigen Finanzamt
widerrufen kann.”
Im Streitjahr zahlte der getrennt lebende Ehemann insgesamt 3.093,89 EUR an
die Klägerin. In Höhe von 1.881,73 EUR (6 Zahlungen à 221,38 EUR, 1 Zahlung à
442,76 EUR und 1 Zahlung à 110,69 EUR) handelt es sich - zwischen den
Beteiligten unstreitig - um laufende Unterhaltszahlungen. Hinsichtlich der darüber
hinausgehenden Zahlungen in Höhe von 1.212,16 EUR (3 Zahlungen à 200,00
EUR, 1 Zahlung à 400,00 EUR und 1 Zahlung à 212,16 EUR) wurden von dem
Ehemann steuerliche Nachteile, die bei der Klägerin aufgrund des Realsplittings in
zurückliegenden Jahren eingetreten waren, ausgeglichen. Dem lag zu Grunde,
dass der getrennt lebende Ehemann der Klägerin sich im Hinblick auf die
Durchführung des begrenzten Realsplittings bereit erklärt hatte, “die anfallende
Steuer meiner Frau auf die Unterhaltsbezüge zu übernehmen” (schriftliche
Erklärung vom 18. Oktober 1996). Aus der Durchführung des begrenzten
Realsplittings war bei der Klägerin für die Jahre 1999, 2000 und 2001 insgesamt
ESt in Höhe von 2.412,16 EUR entstanden. In einem Schreiben seiner Anwälte vom
28. Juli 2003 hatte der Ehemann der Klägerin erklärt, diesen Erstattungsanspruch
in monatlichen Raten in Höhe von 200,00 EUR, beginnend zum August 2003, zu
bedienen (zur Verwaltungsakte gereichte Kopie).
Unter Berücksichtigung der von dem Ehemann der Klägerin im Streitjahr geltend
gemachten Unterhaltszahlungen in Höhe von 3.094,00 EUR als sonstige Einkünfte
setzte das Finanzamt die ESt der Klägerin für das Streitjahr mit Bescheid vom 25.
November 2005 auf der Grundlage eines zu versteuernden Einkommens in Höhe
von 23.464,00 EUR auf 3.901,00 EUR fest.
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Gegen diesen ESt-Bescheid legte die Klägerin fristgemäß Einspruch unter
anderem mit der Begründung ein, sie habe der Anlage U bereits für 2003
widersprochen gehabt, so dass die Anlage für 2004 an Gültigkeit verloren habe.
Vorsorglich widerrief sie (nochmals) ab sofort die Einbeziehung sonstiger
Unterhaltsleistungen. Die von dem Ehemann geltend gemachten Zahlungen von
monatlich 200,00 EUR für Januar bis Juli und 110,00 EUR für August 2004 seien
keine Unterhaltszahlungen.
Mit Schreiben vom 28. Juni 2006 widerrief die Klägerin “nochmals ausdrücklich und
vorsorglich” ihre Zustimmung zur Anlage U für 2004 und die Folgejahre.
Auf Anfrage des Finanzamts im Rahmen des Einspruchsverfahrens teilte das
vormals für die Klägerin zuständige Finanzamt ... mit Schreiben vom 16. Januar
2006 mit, dass ein Widerruf der Anlage “U” nicht vorläge bzw. nicht habe
festgestellt werden können. Ebenso bestätigte das für den Ehemann der Klägerin
zuständige Finanzamt ... in einem Telefongespräch am 4. Juli 2006 gegenüber dem
Beklagten, dass ein Widerruf der Anlage U dort nicht vorläge, sondern lediglich die
von der Klägerin am 9. Oktober 1997 unterzeichnete Anlage U 1996.
Mit Einspruchsentscheidung vom 8. August 2006 wies das Finanzamt den
Einspruch als unbegründet zurück. Ein Widerruf der Zustimmung zur Durchführung
des begrenzten Realsplittings läge für das Streitjahr (2004) nicht vor, so dass die
gesamten Unterhaltszahlungen der Besteuerung zu unterwerfen seien. Bei den
Ausgleichszahlungen für die Jahre 1999 bis 2001 handele es sich ebenfalls um
Unterhaltszahlungen. Durch die Durchführung des Realsplittings seien der Klägerin
steuerliche Nachteile entstanden. Sie habe im Ergebnis hierdurch weniger
Unterhalt erhalten als ihr zugestanden habe. Die Rückzahlung diene dem Zweck,
der Klägerin den ihr zustehenden Unterhalt auch ungeschmälert zukommen zu
lassen und stelle somit “Unterhaltszahlung” im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1
Einkommensteuergesetz (EStG) dar. Auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung
im Übrigen wird Bezug genommen.
Mit der hiergegen fristgemäß erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Ziel, die
Ausgleichszahlungen ihres getrennt lebenden Ehemannes in Höhe von insgesamt
1.212,16 EUR nicht der ESt unterwerfen zu müssen, weiter. Sie trägt im
Wesentlichen Folgendes vor:
Der Betrag in Höhe von monatlich 200,00 EUR, welcher zum Ausgleich der
steuerlichen Nachteile von ihrem Ehemann an sie auszuzahlen war, könne nicht
zur Unterhaltsabsetzung im Rahmen steuerlicher Vergünstigungen herangezogen
werden. Es handele sich hierbei nicht um Unterhaltszahlungen sondern um einen
Schadensersatz, welcher steuerlich nicht auf der Grundlage einer
Unterhaltszahlung zu berücksichtigen sei. Ihr Entgegenkommen, monatliche
Ratenzahlungen in Höhe von 200,00 EUR zu akzeptieren, könne nunmehr nicht zu
ihrem Nachteil gereichen. Es handele sich auch nicht um eine laufende oder
einmalige Barzuwendung, da sie lediglich damit einverstanden gewesen sei, dass
der ihr entstandene Schaden in monatlichen Raten zurückgezahlt werde. Unterhalt
sei eine Barzuwendung, welche dem Unterhaltsberechtigten zum Unterhaltsbedarf
gezahlt werde. Unterhalt sei in der Regel auch laufend zu bezahlen. Hierunter
fielen selbstverständlich nicht Zahlungen aus dem Ausgleich von steuerlichen
Nachteilen, da hier die Gegenleistung der Unterschrift der Anlage U
gegenüberstehe.
Sie habe im Übrigen die Unterhaltszahlungen der vergangenen Jahre nur deshalb
zu versteuern, weil sie selbst über eigene Einkünfte verfüge. Allein die
Unterhaltszahlungen unterlägen keiner Versteuerung aufgrund der geringen Höhe,
so dass hier der Unterhaltsverpflichtete den Steuervorteil für sich in Anspruch
nehmen könne. Lediglich durch ihre Nachversteuerung seien diese
Ausgleichsverpflichtungen entstanden, welche mit Unterhaltszahlungen überhaupt
keinen Bezug hätten. Mit diesem Ausgleich solle lediglich gewährleistet werden,
dass die tatsächlichen Unterhaltszahlungen, welche vereinbart wurden, fließen und
nicht durch irgendwelche Steuernachzahlungen reduziert würden.
Das Finanzamt könne die Zahlungen zum Ausgleich des steuerlichen Nachteils
auch nicht als Unterhaltszahlungen ansehen, da sie auch ohne Ausgleich des
steuerlichen Nachteils den ihr zustehenden Unterhalt ungeschmälert erhalten
habe. Die Unterschrift der Anlage U2 diene ausschließlich dem
Unterhaltsverpflichteten, der hierdurch einen steuerlichen Vorteil erhalte und im
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Unterhaltsverpflichteten, der hierdurch einen steuerlichen Vorteil erhalte und im
Gegenzug der Unterhaltsberechtigten den hieraus entstehenden Nachteil
auszugleichen habe.
Im Übrigen habe sie bereits beim Finanzamt ... im Jahre 2003 die Zustimmung zur
Absetzmöglichkeit über die Anlage U2 widerrufen. Sie wiederhole ausdrücklich und
widerrufe vorsorglich nochmals die Zustimmung zur Absetzung der
Unterhaltszahlung über die Anlage U2 für das Jahr 2004 und die Folgejahre
(Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten vom 11. September 2006).
Mit Bescheid vom 2. Mai 2007 änderte das Finanzamt den ESt-Bescheid für das
Streitjahr nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) und setzte
unter erstmaliger Berücksichtigung des Werbungskosten-Pauschbetrages in Höhe
von 102 € gemäß § 9a Nr. 3 EStG bei den strittigen Einkünften aus
Unterhaltsleistungen (bisher: 3.094 EUR, neu: 2.992 EUR) die ESt auf ... EUR fest.
Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin wurde über die beabsichtigte Änderung
vorab telefonisch durch den Berichterstatter informiert.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, den ESt-Bescheid für 2004 vom 25. November
2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. August 2006, geändert durch
Bescheid vom 2. Mai 2007 zu ändern und die ESt ohne Einbeziehung der
Ausgleichszahlungen des getrennt lebenden Ehemannes in Höhe von 1.212,16
EUR als sonstige Einkünfte entsprechend niedriger festzusetzen.
Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Finanzamt hält an seiner Rechtsauffassung fest, wonach die von dem
Ehemann der Klägerin an sie geleisteten Zahlungen in Höhe von 1.212,00 EUR als
Unterhaltszahlungen im Rahmen des Realsplittings nach § 22 Nr. 1 a EStG der
Besteuerung zu unterwerfen seien. Es sieht die Zahlungen zum Ausgleich des
steuerlichen Nachteils als “Unterhaltszahlungen” an, weil sie dem Zweck dienten,
der Klägerin den ihr zustehenden Unterhalt im Ergebnis ungeschmälert
zukommen zu lassen. Soweit die Klägerin im Klageverfahren erneut vortrage, sie
habe ihre Zustimmung dem Finanzamt ... gegenüber widerrufen, sei darauf
hinzuweisen, dass sowohl das Finanzamt ... mitgeteilt habe, ein Widerruf der
Anlage U (für 1996) läge nicht vor bzw. habe nicht festgestellt werden können, als
auch die Akte des Ehemannes bei dem zuständigen Finanzamt ... im Rahmen des
Einspruchsverfahrens nochmals durchgesehen worden sei und sich danach
lediglich eine Anlage U1996, von der Klägerin am 9. Oktober 1997 unterzeichnet,
dort befände, nicht jedoch ein Widerruf der Zustimmungserklärung.
Mit Beschluss des Senats vom 20. Dezember 2006 ist der Rechtsstreit gemäß § 6
Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Berichterstatter zur Entscheidung
übertragen worden.
Auf telefonische Anfrage des Berichterstatters teilte der zuständige
Sachbearbeiter des Finanzamts ..., Herr ..., am 18. April 2007 mit, dass weder aus
dem Datensichtgerät (Computer) der Eingang eines Widerrufschreibens der
Klägerin erkennbar ist, noch die - auf Bitte des Berichterstatters - nochmals
durchgesehenen im Keller archivierten steuerlichen Unterlagen der Klägerin einen
Widerruf der Anlage U bzw. der Zustimmung zur Durchführung des begrenzten
Realsplittings enthalten (Gesprächsnotiz Blatt 58 der Gerichtsakte).
Hinsichtlich des weiteren Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten im
Übrigen wird auf die vorbereitenden Schriftsätze sowie 1 Hefter ESt-Vorgänge
ergänzend Bezug genommen. Diese waren beigezogen und Gegenstand der
Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen sind rechtmäßig und verletzen die
Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das Finanzamt hat zu
Recht die von dem getrennt lebenden Ehemann der Klägerin an diese im Streitjahr
geleisteten Ausgleichszahlungen in Höhe von 1.212,16 EUR für steuerliche
Nachteile, die der Klägerin aus der Durchführung des begrenzten Realsplittings in
zurückliegenden Jahren erwachsen sind, als sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 1 a
EStG steuererhöhend erfasst.
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Die Ausgleichszahlungen des von der Klägerin getrennt lebenden Ehemannes sind
Unterhaltsleistungen und damit sonstige Einkünfte der Klägerin im Sinne des § 22
EStG. Zu den sonstigen Einkünften zählen gemäß Nr. 1 a dieser Vorschrift auch
Einkünfte aus Unterhaltsleistungen, soweit sie nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG vom
Geber abgezogen werden können. Nach der für das Streitjahr geltenden Regelung
des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG können Unterhaltsleistungen an den geschiedenen
oder dauernd getrennt lebenden unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen
Ehegatten bis zu 13.805,00 EUR im Kalenderjahr als Sonderausgaben abgezogen
werden, wenn der Geber dies mit Zustimmung des Empfängers beantragt. Die
Zustimmung ist mit Ausnahme der nach § 894 Abs. 1 der Zivilprozessordnung
(ZPO) als erteilt geltenden bis auf Widerruf wirksam (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2
EStG). Der Widerruf ist vor Beginn des Kalenderjahres, für das die Zustimmung
erstmals nicht gelten soll, gegenüber dem Finanzamt zu erklären (§ 10 Abs. 1 Nr.
1 Satz 4 EStG).
Der Begriff “Unterhaltsleistungen” ist in § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht definiert. Er
entspricht dem in § 33 a Abs. 1 EStG verwendeten Begriff “Aufwendungen für den
Unterhalt” (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 12. April 2000, XI R 127/96,
Bundessteuerblatt
-BStBl- II 2002, 130), denn der Gesetzgeber hat mit der Einführung des
Realsplittings den Steuerpflichtigen bewusst das Wahlrecht zwischen dem Abzug
als Sonderausgabe oder als außergewöhnliche Belastung eingeräumt (vgl. Hutter
in Blümich, EStG, Stand: März 2006, § 10 Rz. 60 m.w.N.). Danach sind
Unterhaltsleistungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG die typischen
Aufwendungen zur Bestreitung der Lebensführung, z.B. für Ernährung, Kleidung,
Wohnung (BFH-Beschluss vom 3. Juni 2002, XI B 206-208/01, Sammlung amtlich
nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH/NV- 2002, 1300;
BFH-Urteil vom 12. April 2000, XI R 127/96, a.a.O.). Ebenso gehört zum Unterhalt
auch die auf die Unterhaltsleistungen entfallende ESt nebst Solidaritätszuschlag
und gegebenenfalls die Kirchensteuer (Lindberg in Frotscher, EStG, § 10 Rz. 21;
Nolde in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 10 Rz. 27; Hutter in Blümich, a.a.O.,
Rz. 62; Söhn in Kirchhof/Söhn, EStG, Rn. C20; Steiner in Lademann, EStG, § 10
Anm. 64; offen: Schmidt/Heinicke, EStG, 25. Aufl. 2006, § 10 Rz. 50).
Dies beruht darauf, dass die Erklärung bzw. Vereinbarung, mit der sich der von der
Klägerin getrennt lebende Ehemann verpflichtet hat, die seiner Ehefrau aus dem
begrenzten Realsplitting erwachsenden steuerlichen Nachteile auszugleichen,
unterhaltsrechtlichen Charakter hat. Denn die Verpflichtung des
ausgleichsberechtigten Ehegatten zur Zustimmung zum begrenzten Realsplitting
gegen Ausgleich der ihm hierdurch (gegebenenfalls) erwachsenden steuerlichen
Nachteile beruht auf einer Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben im
Rahmen des zwischen getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten
bestehenden gesetzlichen Unterhaltsrechtsverhältnisses (vgl. Urteil des
Bundesgerichtshofs -BGH- vom 23. März 1983, IV b ZR 369/81, Zeitschrift für das
gesamte Familienrecht -FamRZ- 1983, 576). Der Erstattungs- oder
Freistellungsanspruch des unterhaltsberechtigten Ehegatten aus dem begrenzten
Realsplitting ist demgemäß weder, wie die Klägerin meint, ein
Schadensersatzanspruch noch ein isolierter Anspruch nach § 242 des Bürgerlichen
Gesetzbuches (BGB), sondern ein Anspruch im Rahmen des gesetzlichen
Unterhaltsrechtsverhältnisses, der als solcher Unterhaltsqualität besitzt (vgl. BGH-
Urteil vom 29. Januar 1997, XII ZR 221/95, Neue Juristische Wochenschrift -NJW-
1997, 1441). Der Ausgleichsanspruch sichert den Unterhaltsanspruch des
Berechtigten. Das führt zu seiner Unpfändbarkeit nach Maßgabe des § 850 b Abs.
1 Nr. 2 ZPO (BGH-Urteil vom 11. Mai 2005, XII ZR 108/02, NJW 2005, 2223) und
bedeutet damit zugleich, dass die Aufrechnung gegen den Anspruch
ausgeschlossen ist, § 394 BGB (BGH-Urteil vom 29. Januar 1997, XII ZR 221/95,
a.a.O.).
Der Ausgleichsanspruch wird als Ausfluss des zwischen dauernd getrennt lebenden
bzw. geschiedenen Ehegatten bestehenden gesetzlichen Unterhaltsverhältnisses
unter Billigkeitsgesichtspunkten gewährt, um dem Unterhaltsgläubiger die
Zustimmung zum begrenzten Realsplitting zumutbar zu machen. Das ist nur der
Fall, wenn gewährleistet ist, dass dem Berechtigten der ihm zustehende Unterhalt
im Ergebnis ungeschmälert verbleibt (BGH-Urteil vom 29. Januar 1992, XII ZR
248/90, NJW 1992, 1391 ff.). Ohne Ausgleichspflicht des Unterhaltsverpflichteten
würden dem Unterhaltsberechtigten die Unterhaltsleistungen - im Ergebnis - nicht
ungeschmälert zufließen (vgl. Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 9.
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ungeschmälert zufließen (vgl. Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 9.
Februar 1990, 10 UF 361/89, FamRZ 1990, 757).
Das wird auch von der Klägerin offenbar nicht anders gesehen. Zwar trägt sie vor,
dass sie “auch ohne Ausgleich des steuerlichen Nachteils den ihr zustehenden
Unterhalt ungeschmälert erhalten” habe. Im Sinne einer Befriedigung des
laufenden Unterhaltsanspruchs mag dies zutreffen, gilt zeitlich und im Ergebnis
jedoch nur so lange, bis die Klägerin für das jeweilige Zuflussjahr der
Unterhaltszahlungen zur Steuerzahlung mittels Steuerbescheid herangezogen
wurde. Die Klägerin führt insoweit selbst aus, der Ausgleich durch den getrennt
lebenden Ehemann solle gewährleisten, “dass die tatsächlichen
Unterhaltszahlungen, welche vereinbart sind, fließen und nicht durch irgendwelche
Steuernachzahlungen reduziert werden”. Genau letzteres, nämlich das
Erfordernis, dass die Unterhaltszahlungen dem Unterhaltsberechtigten trotz
Durchführung des begrenzten Realsplittings ungeschmälert (“nicht reduziert”)
verbleiben, führt dazu, dass der Ausgleichsanspruch Unterhaltsqualität besitzt.
Zwar dient der Anspruch nicht der Befriedigung des laufenden Lebensunterhalts,
denn dieser ist bereits gezahlt, sondern gleicht einen konkret entstehenden
Nachteil des Unterhaltsberechtigten aus. Die Ausgleichsverpflichtung darf jedoch
nicht isoliert und unabhängig von der Unterhaltsverpflichtung gesehen werden.
Denn erst durch den auf Treu und Glauben beruhenden Ausgleich der steuerlichen
Nachteile kommt der Unterhaltsberechtigte dauerhaft in den Genuss der ihm
zustehenden - typischen - Unterhaltsleistungen.
So hat auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 15. Juli 1987
(1 BvR 54/87, NJW 1988, 127), in dem es unter anderem um die
Verfassungsmäßigkeit der Begrenzung der steuerlichen Anerkennung von
Unterhaltszahlungen an den dauernd getrennt lebenden oder geschiedenen
Ehegatten ging (der seinerzeitige Höchstbetrag für das begrenzte Realsplitting lag
bei 9.000,00 DM), die - unter Umständen - entstehende Ausgleichspflicht des
Unterhaltsverpflichteten für steuerliche Nachteile des Unterhaltsberechtigten
ergänzend in den Vergleich zum sozialhilferechtlich gewährleisteten
Existenzminimum mit einbezogen und ist damit offenbar ebenfalls (inzident) von
der Unterhaltsqualität des Ausgleichsanspruchs und der Abzugsfähigkeit auch
dieser Zahlungen im Rahmen des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausgegangen.
Die Ausgleichszahlungen des von der Klägerin getrennt lebenden Ehemannes im
Streitjahr in Höhe von 1.212,16 EUR für die der Klägerin aus der Durchführung des
begrenzten Realsplittings in den Jahren 1999, 2000 und 2001 entstandenen
steuerlichen Nachteile sind damit Unterhaltsleistungen im Sinne des § 10 Abs. 1
Nr. 1 EStG. Unerheblich dafür ist, entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin,
dass diese Ausgleichszahlungen nur aufgrund des Einverständnisses der Klägerin
in monatlichen Raten entrichtet wurden. Denn für das Vorliegen von
Unterhaltsleistungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG kommt es nicht darauf
an, ob es sich um laufende oder einmalige Leistungen handelt (vgl. Steiner in
Lademann, a.a.O., Anm. 63). Auch die Zahlung des Ausgleichsbetrages in einer
Summe hätte zu Unterhaltsleistungen im Sinne dieser Vorschrift und damit zu
Einkünften im Sinne des § 22 Nr. 1 a EStG auf Seiten der Klägerin geführt.
Ebenso kommt es nicht darauf an, ob die übrigen (“eigenen”) Einkünfte der
Klägerin, wie von ihr behauptet, für sich genommen nicht zur Steuerpflicht geführt
hätten. Denn die unterhaltsrechtliche Ausgleichspflicht besteht unabhängig davon,
ob es auf Seiten des Berechtigten nur aufgrund der Inanspruchnahme des
begrenzten Realsplittings zu einer Steuerfestsetzung kommt oder ob (lediglich)
eine höhere ESt festzusetzen ist. Auszugleichen ist in beiden Fällen der steuerliche
Nachteil auf Seiten des Berechtigten, damit die Unterhaltsverpflichtung nicht -
teilweise - leer läuft.
Die Klägerin hat sich vorliegend auch mit der Durchführung des begrenzten
Realsplittings einverstanden erklärt. Sie hat unter dem Datum 9. Oktober 1997 die
Anlage U für das Jahr 1996 unterschrieben und damit dem Antrag auf Abzug der
(in Abschnitt A des Vordrucks bezeichneten) Unterhaltsleistungen zugestimmt.
Diese Zustimmung wirkt fort. Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass sie, wie §
10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG es vorsieht, vor Beginn des Streitjahres (2004) ihre
Zustimmung wirksam widerrufen hat. Nach Auskunft des Finanzamtes ... liegt ein
derartiger Widerruf, den die Klägerin im Jahr 2003 gegenüber diesem bis Ende
2002 zuständigen Finanzamt erklärt haben will, dort nicht vor (schriftliche
Bestätigung des Finanzamts ... vom 16. Januar 2006 gegenüber dem Beklagten).
Darüber hinaus hat der zuständige Sachbearbeiter des Finanzamts ... auf
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Darüber hinaus hat der zuständige Sachbearbeiter des Finanzamts ... auf
telefonische Anfrage des Berichterstatters die bereits (im Keller) archivierten
steuerlichen Unterlagen der Klägerin (nochmals) durchgesehen und erklärt, dass
ein Widerruf der Anlage U nicht vorläge und auch im Computer der Eingang eines
derartigen Widerrufschreibens nicht vermerkt sei.
Schließlich sind die von dem getrennt lebenden Ehemann der Klägerin insgesamt
in Höhe von 3.094,00 EUR geltend gemachten und von der Klägerin - nach Abzug
des Werbungskosten-Pauschbetrages in Höhe von 102,00 EUR (§ 9 a Satz 1 Nr. 3
EStG) - zu versteuernden Unterhaltsleistungen von der seinerzeitigen
Zustimmungserklärung der Klägerin der Höhe nach erfasst, da die in “Abschnitt A”
der Erklärung aufgeführten Unterhaltsleistungen den - noch über dem seinerzeit
gesetzlich vorgesehenen Höchstbetrag in Höhe von 27.000,00 DM liegenden -
Betrag von 28.908,00 DM ausweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder
grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch erfordert die Fortbildung
des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des BFH (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).