Urteil des FG Schleswig-Holstein vom 15.03.2017

FG Schleswig-Holstein: verkehr, steuerbefreiung, einbau, fahrzeug, begriff, kennzeichen, diesel, werk, händler, einspruch

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Finanzgericht 3.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahre:
2007, 2008
Aktenzeichen:
3 K 167/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 3c Abs 1 S 1 KraftStG 2002
vom 24.03.2007
Kraftfahrzeugsteuer - Förderung nachträglich eingebauter
Rußpartikelfilter bei Diesel-PKW nur bei Nachrüstung nach
der Erstzulassung
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Steuerbefreiung für besonders partikelreduzierte
Personenkraftwagen nach § 3 c KraftStG streitig.
Die Klägerin erwarb am 02. Oktober 2006 einen PKW der Marke Honda Accord,
amtliches Kennzeichen .... Im Rahmen der Kaufvertragsverhandlungen vereinbarte
die Klägerin die Nachrüstung des Neuwagens mit einem Partikelfiltersystem. Am 4.
Oktober 2006 wurde der PKW nach erfolgten Einbau des Partikelfilters auf die
Klägerin zugelassen. Mit Kfz-Steuerbescheid vom 25. Oktober 2006 wurde das mit
einem Dieselmotor ausgerüstete Kfz in die Emmissionsklasse D4/Euro 4,
Schlüsselnummer 62, eingestuft und unter Anwendung des § 9 Abs. 1 Nr. 2a
KraftStG eine Steuer in Höhe von € 15,44 je angefangene 100 ccm Hubraum
festgesetzt.
Mit Schreiben vom 10. September 2007 beantragte die Klägerin die steuerliche
Förderung des streitgegenständlichen Kfz im Hinblick auf den Einbau des
Rußpartikelfilters gemäß § 3 c KraftStG vom 24. März 2007. Dies lehnte der
Beklagte mit Bescheid vom 18. September 2007 ab, da das streitgegenständliche
Kfz nicht nachträglich sondern bereits im Zeitpunkt der Erstzulassung mit einem
Partikelfilter ausgerüstet gewesen sei.
Den hiergegen eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung
vom 23. Oktober 2007 als unbegründet zurück. Auf den Inhalt der zitierten
Schreiben wird Bezug genommen.
Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, die Entscheidung des FA begründe sich
weder unter Heranziehung des Wortlautes noch der Gesetzesbegründung zu § 3 c
KraftStG. Tatsächlich umfasse der Begriff “nachträglich” auch den vorliegenden
Umstand, dass ein gebautes, aber noch nicht zugelassenes Kfz zunächst erst
technisch entsprechend nachgerüstet und anschließend zugelassen werde. Im
Übrigen wird auf die Klagbegründung vom 20. November 2007 Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt, das FA unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom
18. September 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Oktober 2007
zu verpflichten, die KraftSt für das Kfz mit dem amtlichen Kennzeichen ... unter
Anerkennung der Steuerbefreiung für besonders partikelreduzierte
Personenkraftwagen gemäß § 3 c KraftStG neu festzusetzen.
Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht es sich auf seine Einspruchsentscheidung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
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Der Ablehnungsbescheid vom 18. September 2007 in der Fassung der Einspruchs-
entscheidung vom 23. Oktober 2007 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht
in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Zutreffend geht der Beklagte davon
aus, dass die Voraussetzungen des § 3 c KraftStG nicht vorliegen.
Gemäß § 3 c Abs. 1 KraftStG ist das Halten von besonders partikelreduzierten
Personenkraftwagen mit Selbstzündungsmotor befristet von der Steuer befreit,
wenn das Fahrzeug in der Zeit vom 01. Januar 2006 bis zum 31. Dezember 2009
nachträglich technisch so verbessert wird, dass es einer der
Partikelminderungsstufen PM 1 bis PM 4 nach § 47 Abs. 3a der Straßenverkehrs-
Zulassungs-Ordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. September
1988 (BGBl. I S. 1793), die zuletzt durch Art. 437 der Verordnung vom 31. Oktober
2006 (BGBl. I S. 2407) geändert worden ist, der Partikelminderungsstufen PM 01,
PM 0 oder der Partikelminderungsklassen PMK 01, PMK 0 bis PMK 4, sobald dafür
die Voraussetzungen in der Straßenverkehrs-Zulas-sungs-Ordnung geregelt und in
Kraft getreten sind, entspricht. Die Steuerbefreiung wird nur für
Personenkraftwagen gewährt, die bis zum 31. Dezember 2006 erstmals
zugelassen wurden. Sie beginnt an dem Tag, an dem nach Feststellung der Zulas-
sungsbehörde die Voraussetzungen hierfür erfüllt waren. Die Steuerbefreiung
endet, sobald die Steuerersparnis auf der Grundlage des jeweiligen Steuersatzes
nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 KraftStG den Betrag von 330 € erreicht hat. Sie wird für jedes
Fahrzeug nur einmal gewährt.
Zwar wurde das Fahrzeug der Klägerin am 4. Oktober 2006 und damit vor Ablauf
des 31. Dezember 2006 erstmals zum Verkehr zugelassen. Indessen wurde es
nicht nachträglich technisch so verbessert, dass es einer der im Gesetz
angeführten Partikelminderungs-stufen oder -klassen entspricht.
Eine nachträgliche technische Verbesserung im Sinne von § 3 c Abs. 1 Satz 1
KraftStG erfordert nach Auffassung des Gerichts, dass die Nachrüstung - etwa mit
einem Rußpartikelfilter - nach der erstmaligen Zulassung des Fahrzeuges erfolgt
(vgl. Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 10. Januar 2008, 3 K
100/07; Zens, NWB Fach 8, S. 1567, 1569; Strodthoff, Kraftfahrzeugsteuer, § 3 c
Rdnr. 10 [Stand September 2007]).
Der Wortlaut des § 3 c Abs. 1 Satz 1 KraftStG ist auslegungsbedürftig und lässt
mehrere Interpretationen zu. Mit der Verwendung des Begriffs “nachträglich”
werden jedenfalls die Kfz von einer Förderung ausgeschlossen, die bereits ab Werk
- das heißt ursprünglich - mit der erforderlichen Partikelminderungstechnik
ausgerüstet sind. Dem Gesetzeswortlaut ist jedoch nicht klar zu entnehmen, ob
sich der Begriff “nachträglich” auf den Zeitpunkt nach der werkseitigen Herstellung
des Fahrzeuges oder auf den Zeitpunkt nach dessen Erstzulassung bezieht. Der
Wortlaut lässt vielmehr beide Auslegungen zu.
Mit der Einführung des § 3 c Abs. 1 KraftStG verfolgte der Gesetzgeber die
Schaffung finanzieller Anreize zur Nachrüstung im Verkehr befindlicher Fahrzeuge.
Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung kann die Partikelbelastung durch
Personenkraft-wagen mit Dieselmotor dadurch effizient reduziert werden, dass im
Verkehr befindliche Fahrzeuge mit moderner Partikelminderungstechnik
nachgerüstet werden. Vordringlich sei daher die Nachrüstung von Altfahrzeugen.
Die Vorschrift des Kraftfahrzeug-steuergesetzes werde geändert, um steuerliche
Anreize für den nachträglichen Einbau von Partikelminderungstechnik in
Personenkraftwagen mit Dieselmotor zu schaffen, damit von diesen deutlich
geringere gesundheitliche Gefährdungen und Belastungen für die Umwelt
ausgingen. Nachgerüstete im Verkehr befindliche Fahrzeuge würden befristet
steuerlich befreit, während nicht nachgerüstete zugelassene Fahrzeuge und
Neufahrzeuge, die den voraussichtlichen Euro-5-Grenzwert für Partikelmasse
(0,005 g/km) nicht einhielten, erhöht besteuert würden (vgl. BT-Drs. 16/4010, S. 1).
Dem Gesetzgeber ging es somit darum, bereits im Verkehr befindliche -
zugelassene - Dieselfahrzeuge zu fördern. Weder mit Partikelminderungstechnik
ausgerüstete Neufahr-zeuge noch vor ihrer Erstzulassung mit einer solchen
Technik “nach”-gerüstete Pkw sollen danach gefördert werden (vgl. auch
Strodthoff, a.a.O., § 3 c KraftStG Rdnr. 10). Mit Partikelminderungstechnik
ausgerüstete Neufahrzeuge und mit einer solchen Technik vor Erstzulassung
“nach”-gerüstete Pkw werden nach dem Konzept des Gesetzgebers insoweit
steuerlich begünstigt, als auf sie kein Zuschlag nach § 9 a KraftStG zu erheben ist.
Das KraftStG legt insgesamt klare Abgrenzungsmaßstäbe an. So knüpft die
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Das KraftStG legt insgesamt klare Abgrenzungsmaßstäbe an. So knüpft die
Kraftfahr-zeugsteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG an das Halten von
inländischen Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen an. Dies setzt bei
zulassungspflichtigen Fahrzeugen die straßenverkehrsrechtliche Zulassung voraus
(vgl. BFH-Urteil vom 13. Januar 1987 VII R 147, 148, 150/84, BFHE 148, 542, BStBl
II 1987, 272). Eine Anwendung des in diesem Fall gegebenen klaren
Abgrenzungskriteriums liegt auch im Streitfall nahe, um das Merkmal
“nachträglich” leicht feststellbar zu machen. Würde hingegen auf die werkseitige
Herstellung des Fahrzeuges abgestellt, wären Abgrenzungs-schwierigkeiten im
Hinblick auf die zeitliche Einordnung der Ausrüstung mit Rußpar-tikelfiltern
vorgezeichnet, etwa wenn der Filter vom Werk als Sonderausstattung vor der
Auslieferung eingebaut würde oder wenn - wie im Streitfall - das Kfz als
Neufahrzeug an den Händler ausgeliefert und erst beim Händler, aber vor
Zulassung auf den Erwerber mit einem Rußpartikelfilter ausgerüstet würde.
Dass der Gesetzgeber die Steuerbefreiung mit der straßenverkehrsrechtlichen
Zulassung verknüpfen will, kommt im Übrigen auch dadurch zum Ausdruck, dass
sie nur für solche Personenkraftwagen gewährt wird, die bis zum 31. Dezember
2006 erstmals zugelassen wurden (§ 3 c Abs. 1 Satz 2 KraftStG) und dass Zeiten
vorübergehender Stilllegung und Zeiten außerhalb des auf einem
Saisonkennzeichen nach § 23 Abs. 1 b der Straßenver-kehrs-Zulassungs-Ordnung
angegebenen Betriebszeitraums bei der Berechnung der befristeten
Steuerbefreiung berücksichtigt werden (§ 3 c Abs. 4 KraftStG).
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 135 Abs. 1 , 79 a Abs. 3 und 4 sowie 90
Abs. 2 FGO.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf den
auslegungsbedürftigen Begriff ”nachträglich” in § 3 c Abs. 1 Satz 1 KraftStG
zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).