Urteil des FG Schleswig-Holstein vom 14.03.2017

FG Schleswig-Holstein: auflösung der gesellschaft, einkünfte, vermietung, verpachtung, beigeladener, kreditvertrag, trennung, gesellschafter, anschaffungskosten, miteigentümergemeinschaft

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Finanzgericht 1.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahre:
1994, 1995, 1996
Aktenzeichen:
1 K 50128/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 9 EStG 1990, § 21 Abs 1
EStG 1990, § 180 Abs 1 Nr 2a
AO, § 426 BGB, § 722 BGB
Zurechnung disquotal getragener Aufwendungen einer
GbR/Grundstücksgemeinschaft
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über Verteilung gesondert und einheitlich festgestellter
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung betreffend die Jahre 1994 bis 1996.
Die Klägerin und ihr mit Beschluss vom 19. Januar 2005 beigeladener früherer
Ehegatte waren bis 1996 verheiratet. Ab 1995 lebten sie dauerhaft getrennt.
Zuvor erwarben sie jeweils zur ideellen Hälfte eine Eigentumswohnung in X (1989)
sowie ein Reihenhausgrundstück in Y (1994). Beide Objekte wurden zu
Vermietungszwecken genutzt. Durch Scheidungsfolgenvereinbarung vom 25.
November 1996, auf deren Inhalt Bezug genommen wird, vereinbarten sie den
Übergang der Eigentumsanteile der Klägerin auf den Beigeladenen. Mit
Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen 1994 bis 1996 vom 11. August 1999 stellte der Beklagte
- das Finanzamt (FA) - Einkünfte der Miteigentümer aus Vermietung und
Verpachtung in folgender Höhe fest: 1994 ./. 170.262 DM, 1995 /. 41.224 DM, 1996
./. 18.516 DM und verteilte sie auf die Feststellungsbeteiligten wie folgt:
Klägerin Beigeladener
1994 ./. 61.698 DM ./. 108.654 DM
1995 ./. 7.770 DM ./. 33.454 DM
1996
5.178 DM ./. 23.694 DM
Hiergegen erhob der Beigeladene am 10. September 1999 Einspruch, mit
welchem er eine vollständige Zurechnung der Verluste auf seine Person begehrte.
Mit Schreiben vom 17. August 2001 zog das FA die Klägerin gemäß § 360 Abs. 1
und 3 der Abgabenordnung (AO) zum Einspruchsverfahren hinzu. In seiner
Einspruchsentscheidung vom 17. März 2004 änderte es die angefochtenen
Feststellungsbescheide. Es stellte die Summe der Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung 1994 auf ./. 170.262 DM, 1995 auf ./. 41.223 DM und 1996 auf ./.
15.490 DM fest und verteilte sie auf die Beteiligten wie folgt:
Klägerin Beigeladener
1994 ./. 2.566 DM ./. 167.696 DM
1995 ./. 2.344 DM ./. 38.879 DM
1996 ./. 2.185 DM ./. 13.305 DM
Einnahmen, Werbungskosten und Sonderabschreibungen des 1994 erworbenen
Objekts in Y seien vollständig dem Beigeladenen zuzurechnen, weil dieser die
Mieten allein vereinnahmt habe und auch allein mit den Kosten belastet gewesen
sei. Dies ergebe sich daraus, dass er die alleinige Finanzierung des Objekts
glaubhaft gemacht habe. Auf den näheren Inhalt der Einspruchsentscheidung wird
verwiesen.
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Mit ihrer am 7. April 2004 erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Zuordnung der
in der Einspruchsentscheidung festgestellten Gesamteinkünfte auf die
Miteigentümer zu jeweils 50%. Die früheren Eheleute seien zu gleichen Teilen
Gesellschafter einer Grundstücksgesellschaft gewesen. Sie hätten die zur
Finanzierung der Anschaffungskosten erforderlichen Fremdmittel gemeinsam
besorgt und die sich aus der Darlehensaufnahme ergebenden Lasten bis zur
Auflösung der Gesellschaft zu gleichen Teilen getragen. Die Klägerin habe durch
laufende Überweisungen an den Beigeladenen sichergestellt, dass beide
Investoren gleichhohe Beträge aufgebracht hätten. Auf diese Weise habe sie alle
Anschaffungskosten bis zur Auflösung der Grundstücksgesellschaft hälftig
mitfinanziert. Die gegenläufigen Angaben des Beigeladenen im Verwaltungs- und
Einspruchsverfahren seien nicht mit ihr abgestimmt gewesen und inhaltlich
unzutreffend.
Die Klägerin beantragt, wie erkannt.
Das FA und der Beigeladene beantragen, die Klage abzuweisen.
Das FA verweist auf die Gründe der Einspruchsentscheidung, welche durch das
Klagevorbringen nicht entkräftet seien. Die von der Klägerin behauptete hälftige
Kostenbeteiligung auch hinsichtlich des Objekts in Y sei nicht nachgewiesen.
Der Beigeladene macht im Wesentlichen geltend:
Er habe die Mieteinkünfte in 1994 - 1996 allein erzielt. Eine
Grundstücksgesellschaft sei zu keiner Zeit vereinbart worden, es habe sich
lediglich um eine Bruchteilsgemeinschaft gehandelt, so dass auch das angeführte
BFH-Urteil vom 23. November 2004 IX R 50/01 nicht einschlägig sei. Die
Behauptungen der Klägerin zur Kostenübernahme im Innenverhältnis seien
unzutreffend. Die Kosten seien ausschließlich von ihm getragen worden. Die
Klägerin habe sich geweigert, den Kreditvertrag zur Finanzierung des Objekts in Y
zu unterzeichnen. Eine Mahnung der Landesbezirkskasse bezüglich des
vorgenannten Objekts habe sie im September 1995 an ihn weitergeleitet mit der
wörtlichen Bemerkung, „Ich möchte damit nicht behelligt werden“. Dies zeige sehr
deutlich, dass die Klägerin jedenfalls hinsichtlich des Yér Objekts bis zum Abschluss
der Scheidungsfolgenvereinbarung eine nur noch formale Miteigentümerin
gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das
Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25. Juni 2008 verwiesen.
Die steuerlichen Vorgänge sind beigezogen worden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die vom FA in den angefochtenen Bescheiden festgestellten Einkünfte aus
Vermietung und Verpachtung sind zwar der Gesamthöhe nach nicht zu
beanstanden. Die Verteilung der Einkünfte verletzt jedoch die Klägerin in ihren
steuerlichen Rechten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob hier von einer BGB-
Gesellschaft oder einer Miteigentümergemeinschaft auszugehen ist. In beiden
Fällen steht der Klägerin als hälftige Miteigentümerin der Objekte ein Anspruch auf
hälftige Zurechnung der Verluste bis zum Übergabestichtag 25. November 1996
zu.
Eine gemeinschaftliche Einkünfteerzielung im Sinne des § 180 Abs. 1 Nr. 2 a AO ist
dann gegeben, wenn die Vermietung durch eine BGB-Gesellschaft im Sinne der §§
705 ff. BGB oder durch eine Miteigentümergemeinschaft, also eine
Bruchteilsgemeinschaft im Sinne der §§ 741 ff. BGB erfolgt. Die Einkünfte sind
grundsätzlich nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile auf die einzelnen
Gemeinschafter zu verteilen. Eine anderweitige Einkünftebeteiligung kann
grundsätzlich nur dann angenommen werden, wenn diese auch zwischen den
Miteigentümern in Abweichung von der anteilsbezogenen Regelung in den §§ 743
Abs. 1, 748 BGB bzw. im Falle der Personengesellschaft von der Pro-Kopf-Regelung
in § 722 Abs. 1 BGB schuldrechtlich vereinbart wird und die Vereinbarung
einkommensteuerrechtlich anzuerkennen ist (vgl. BFH, Urteile vom 23. November
2004 IX R 59/01, BStBl II 2005, 454 und vom 27. Juni 1978 VIII R 168/73, BStBl II
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2004 IX R 59/01, BStBl II 2005, 454 und vom 27. Juni 1978 VIII R 168/73, BStBl II
1978, 674; FG München, Urteil vom 22. Juni 2006 15 K 3577/03, EFG 2006, 1887).
Dies ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn die Vereinbarung ihren Grund im
Gemeinschafts- bzw. Gesellschaftsverhältnis hat und sie keine
Einkommensverwendung darstellt. Für eine abweichende Zurechnung reicht es
nicht aus, dass ein Gesellschafter bzw. Miteigentümer höhere Ausgaben getragen
hat, als es der gesetzlichen Regelung bzw. seiner gesellschaftsrechtlichen
Beteiligung entspricht (BFH, Beschluss vom 23. Juli 2004 IX B 61/04, BFH/NV 2005,
41).
Gemessen an diesem Maßstab bestehen hinsichtlich beider Mietobjekte keine
zureichenden Gründe für eine von den Eigentums- bzw. Anteilsverhältnissen
abweichende Einkünfteverteilung.
Im Streitfall ist zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen weder eine
schriftliche Regelung noch sonst eine aussagekräftige Vereinbarung über den
jeweiligen Umfang ihrer Beteiligung an den Mieteinkünften getroffen worden. Der
Scheidungsfolgenvereinbarung vom 25. November 1996 lässt sich hierzu ebenfalls
nichts Relevantes entnehmen. Es lässt sich auch nicht mit der erforderlichen
Sicherheit feststellen, dass die Feststellungsbeteiligten im Wege der konkludenten
Verständigung eine vom gesetzlichen Regelfall abweichende Einkünfteverteilung
gewollt hatten. Allein die Tatsache, dass sich die Klägerin im Zuge der Trennung
der Eheleute möglicherweise weigerte, den bereits mündlich mit der Bank
vereinbarten Kreditvertrag zu unterzeichnen und auch sonst keine Kosten für das
neu erworbene Objekt in Y mehr übernehmen wollte, reicht zu einer solchen
Annahme nicht aus. In Trennungsfällen erfolgt die vermögensrechtliche
Auseinandersetzung üblicherweise erst im Scheidungsverfahren bzw. durch
privatautonome Scheidungsfolgenvereinbarung. Diese sieht aber gerade keine
disquotale Zurechnung der Einkünfte aus den gemeinsamen Mietobjekten vor.
Unerheblich ist auch, dass der Beigeladene möglicherweise den weit
überwiegenden Teil der Aufwendungen für die Mietobjekte getragen hat. Dies
schon deshalb, weil es sich insoweit auch um ehebedingte Zuwendungen und
damit um eine Einkommensverwendung handeln kann und es sich für die Zeit
nach der Trennung mit Rücksicht auf seinen Aufwendungsersatzanspruch gemäß §
748 BGB bzw. § 426 BGB ohnehin nur um eine vorläufige Leistung handelte. Eine
abschließende Regelung der hiermit verbundenen Fragen wurde erst in der
Scheidungsfolgenvereinbarung getroffen.
Nach allem ist der Klage mit der Kostenfolge aus den §§ 135 Abs. 1, 3 und 5, 139
Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) stattzugeben. Der
Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 151, 155 FGO
i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. Gründe für die Zulassung der
Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO sind nicht ersichtlich.