Urteil des FG Schleswig-Holstein vom 14.03.2017

FG Schleswig-Holstein: zahlungsunfähigkeit, vollziehung, geschäftsführer, summarisches verfahren, gesetzlicher vertreter, zahlungseinstellung, adv, anfechtung, härte, erlass

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Finanzgericht 5.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 V 69/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 130 InsO, § 34 Abs 1 AO
1977, § 69 AO 1977, § 191 Abs
1 S 1 AO 1977, § 69 Abs 3
FGO
Ämterübergreifender Informationsaustausch - Kenntnis der
Zahlungseinstellung und Zahlungsunfähigkeit
Tatbestand
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Antragsteller zu Recht als haftende
Person für nicht abgeführte Lohnsteuer (LSt), Kirchensteuer und
Solidaritätszuschlag nebst Säumniszuschlägen in Anspruch genommen worden
ist. Im vorliegenden Eilverfahren begehrt der Antragsteller die Aussetzung der
Vollziehung (AdV) des mit dem Einspruch angefochtenen Haftungsbescheides.
Der Antragsteller war alleiniger Geschäftsführer der inzwischen insolventen X
Baugesellschaft mbH. Diese Gesellschaft hatte im Jahr 2003 als
Auffanggesellschaft den Geschäftsbetrieb der Firma X GmbH übernommen. Dem
Geschäftszweck entsprechend befasste sich die Baugesellschaft mit der
Herstellung und dem Vertrieb von ... . Die Gesellschaft wurde lohnsteuerlich bei
der Antragsgegnerin, umsatzsteuerlich bei dem Finanzamt A geführt.
Für die Monate Januar bis Juli 2004 gab die Gesellschaft die LSt-Anmeldungen
verspätet ab. Für die Monate Februar bis Juli 2004 setzte der Antragsgegner
insoweit Verspätungszuschläge fest. Aufgrund ebenfalls verspäteter Zahlungen
der angemeldeten LSt-Beträge entstanden für die Monate ab März 2004 bis zur
Insolvenzeröffnung (1. Juni 2005) Säumniszuschläge.
Mit Schreiben vom 7. und 10. November 2004 beantragte die Baugesellschaft bei
dem Finanzamt A Ratenzahlung für die rückständige Umsatzsteuer (USt) der
Monate Juli, August und September 2004. Nach Verlängerungsantrag mit
Schreiben vom 6. Januar 2005, der auch die USt-Zahllast für den Monat Oktober
2004 beinhaltete, zahlte die Baugesellschaft in der Zeit von Mitte Januar bis Mitte
März 2005 in mehreren Raten die rückständige USt für die Monate Juli bis
September 2004 in Höhe von rund 215.000 EUR. Die angekündigte Rate für die
USt Oktober 2004 blieb offen. Auf den Inhalt der zur Gerichtsakte gereichten
Schreiben der Baugesellschaft wird Bezug genommen. Eine bereits am 4. Januar
2005 von dem Finanzamt A bei der Sparkasse ausgebrachte Kontenpfändung
verlief erfolglos.
Mit einem am 11. März 2005 beim Amtsgericht eingegangenen Schreiben
beantragte der Antragsteller als Geschäftsführer der Baugesellschaft, das
Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma wegen Zahlungsunfähigkeit zu
eröffnen. Mit Beschluss vom gleichen Tage bestellte das Amtsgericht einen
vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2
Insolvenzordnung (InsO). Mit Beschluss vom 1. Juni 2005 wurde das
Insolvenzverfahren eröffnet. In seinem Bericht gemäß § 156 der Insolvenzordnung
(InsO) vom 8. August 2005 attestierte der Insolvenzverwalter der Baugesellschaft
Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung.
Nach Anhörung des Antragstellers erließ der Antragsgegner unter dem 30. August
2005 einen Haftungsbescheid gegen den Antragsteller wegen rückständiger LSt,
Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag und Säumniszuschlägen in Höhe von
32.095,04 EUR. Auf den Inhalt des Bescheides wird Bezug genommen.
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Gegen diesen Haftungsbescheid erhob der Antragsteller fristgemäß Einspruch.
Über diesen Einspruch hat der Antragsgegner bisher nicht entschieden.
In der Folgezeit änderte der Antragsgegner den Haftungsbescheid mit Schreiben
vom 7. und 25. Oktober 2005 zu Gunsten des Antragstellers auf eine
Haftungssumme in Höhe von 16.718,86 EUR ab. Einen mit Schreiben vom 22.
November 2005 gestellten Antrag auf AdV lehnte das Finanzamt mit Bescheid
vom 2. März 2006 ab.
Zur Begründung seines in diesem Verfahren gemäß § 69 Abs. 3 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) gestellten AdV-Antrages trägt der Antragsteller im
Wesentlichen Folgendes vor:
Entgegen der Ansicht des Antragsgegners lägen die Voraussetzungen einer
anfechtbaren Rechtshandlung im Hinblick auf die Abführung von LSt in den letzten
drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 131
Abs. 1 Nr. 1 InsO vor. Zum Zeitpunkt der Fälligkeit der LSt sei die X
Baugesellschaft mbH zahlungsunfähig gewesen. Hiervon habe der Antragsgegner
Kenntnis gehabt. Zumindest habe er Umstände gekannt, die zwingend auf eine
Zahlungsunfähigkeit der Baugesellschaft hingedeutet hätten. Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) sei es für die Kenntnis der
Zahlungseinstellung und somit der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2
Satz 2 InsO ausreichend, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen
und dem Verhalten des Schuldners bei natürlicher Betrachtungsweise den
zutreffenden Schluss ziehen könne, dass der Schuldner etwa im Zeitraum des
nächsten Monats wesentliche Teile der eingeforderten Verbindlichkeit nicht werde
tilgen können (Hinweis auf Urteil des BGH vom 3. Dezember 1998, IX ZR 313/97).
Vorliegend habe die Baugesellschaft bereits Stundungsanträge für fällige USt beim
Finanzamt A mit mehreren Schreiben ab dem 7. November 2004 gestellt. Mit
diesen Schreiben sei der Finanzverwaltung mitgeteilt worden, dass nicht
ausreichend liquide Mittel vorhanden seien, um die fällige USt abzuführen.
Aufgrund dieser Stundungsanträge und der vom Finanzamt A unter dem 4. Januar
2005 ausgebrachten Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegen die Gesellschaft
hätte zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft geschlossen werden
müssen. Die Kenntnis dieser Zahlungsunfähigkeit, die das Finanzamt A gehabt
habe, müsse sich der Antragsgegner nach den Grundsätzen über die
Zurechenbarkeit von Wissen innerhalb einer Organschaft zurechnen lassen. Nach
diesen Grundsätzen seien erhebliche Kenntnisse, die ein Organmitglied erlangt
habe, an die zuständigen Organmitglieder weiterzuleiten. Somit sei die Kenntnis
des Finanzamts A von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin (Baugesellschaft)
der Finanzverwaltung Schleswig-Holstein als Landesfinanzbehörde im Sinne des
Art. 108 Abs. 1 Grundgesetz (GG) im Allgemeinen und dem Antragsgegner im
Speziellen zuzurechnen. Insbesondere könne es nicht dem Steuerpflichtigen
obliegen, gegenüber einer Vielzahl von Behörden, die sich aus der jeweiligen
Zuständigkeit für die einzelnen Steuerarten aufgrund
verwaltungsorganisatorischer Vorschriften ergebe, die für alle
Steuerrechtsverhältnisse relevanten Umstände gesondert mitzuteilen.
Zwar lasse sich die Wissenszurechnung in der beschriebenen Konstellation nicht
eindeutig aus dem Gesetz beantworten und sei diese Frage auch finanzgerichtlich
bisher noch nicht entschieden worden. Insofern bestünden aber jedenfalls
ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides, die eine AdV
rechtfertigten.
Die Kenntnis des Antragsgegners von der Zahlungsunfähigkeit der Baugesellschaft
ergäbe sich daneben auch aus dem Umstand, dass die Gesellschaft seit Februar
2004 Verspätungs- und Säumniszuschläge auf fällige LSt-Beträge zu entrichten
gehabt habe. Die Beträge seien ersichtlich angestiegen, so dass auf eine
zunehmende Illiquidität und Insolvenz der Schuldnerin geschlossen werden
musste. Der Antragsgegner habe davon ausgehen müssen, dass die Gesellschaft
künftig nicht mehr in der Lage sein würde, ihre Verbindlichkeiten aus dem
Steuerschuldverhältnis zu erfüllen. Aufgrund des langen Zeitraums, in dem die
fälligen LSt-Beträge nicht fristgerecht entrichtet worden seien, habe auch nicht auf
eine nur vorübergehende Zahlungsstockung geschlossen werden können.
Im Übrigen bestünden nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) auch
dahingehend ernstliche Zweifel, ob und in welchem Umfang bei der Haftung nach §
69 der Abgabenordnung (AO) hypothetische Geschehensabläufe - nämlich die
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69 der Abgabenordnung (AO) hypothetische Geschehensabläufe - nämlich die
nicht erfolgte Anfechtung nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO - Berücksichtigung finden
könnten (BFH-Beschluss vom 11. August 2005, VII B 244/04, Bundessteuerblatt -
BStBl- II 2006, 201).
Die Vollziehung des Haftungsbescheides würde auch eine unbillige, nicht durch
überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge haben. Ihm würden
durch die sofortige Vollziehung wirtschaftliche Nachteile drohen, die über die
eigentliche Zahlung hinausgingen, da insbesondere seine wirtschaftliche Existenz
bedroht sei. Er verfüge derzeit nicht über ausreichende liquide Mittel, um etwaigen
Verpflichtungen aus dem Haftungsbescheid nachkommen zu können.
Im Zuge des gerichtlichen Antragsverfahrens hat der Antragsgegner den
Haftungs-bescheid mit Schreiben vom 10. April 2006 auf eine verbleibende
Haftungssumme in Höhe von 11.437,34 EUR gemindert. Auf den Inhalt des
Schreibens nebst Rückstandsaufstellung wird Bezug genommen.
Der Antragsteller beantragt, die Vollziehung des Haftungsbescheides vom 30.
August 2005, zuletzt gemindert gemäß Schreiben vom 10. April 2006 auf eine
Haftungssumme von 11.437,34 EUR, auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen.
Die Zahlungsunfähigkeit der X Baugesellschaft mbH im Zeitpunkt der vorläufigen
Insolvenzeröffnung sei nicht bekannt gewesen. Der Umstand, dass die LSt-Beträge
für den Zeitraum Januar bis Juli 2004 verspätet angemeldet und
Säumniszuschläge für die Monate März 2004 bis November 2004 und ab Januar
2005 aufgrund verspäteter Zahlungen entstanden seien, weise lediglich darauf hin,
dass die Gesellschaft ihre steuerlichen Verpflichtungen nur unzuverlässig erfüllt
habe. Auf eine Zahlungsunfähigkeit könne aus diesem Verhalten nicht
geschlossen werden. Der Antragsteller könne sich auch nicht auf die Kenntnis des
Finanzamts A berufen. Bei einer unterschiedlichen Zuständigkeit der Finanzämter
für verschiedene Steuerarten sei eine Wissenszurechnung ausgeschlossen
(Hinweis auf Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 5. Juni 2002, 17 U
146/01).
Im Übrigen könne auch nicht auf eine mögliche Anfechtung nach §§ 130, 131 InsO
abgestellt werden. Gemäß dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts
vom 1. Dezember 2005 (2 K 174/04) stehe einer Inanspruchnahme des GmbH-
Geschäftsführers für Steuerschulden der GmbH die mögliche Anfechtbarkeit der
Zahlung, deren Unterbleiben dem Geschäftsführer zum Vorwurf gemacht werde,
nicht entgegen.
Schließlich habe der Antragsteller auch nicht nachgewiesen, dass die Vollziehung
eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte
begründen würde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die
vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der beigezogenen
Akten (1 Band Haftungsakten) ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag ist unbegründet.
Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll das Gericht der Hauptsache die
Vollziehung eines angefochtenen Bescheides auf Antrag ganz oder teilweise
aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen
Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine
unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur
Folge hätte.
Ernstliche Zweifel i.S. des § 69 FGO liegen vor, wenn bei summarischer Prüfung
des angefochtenen Verwaltungsakts im Aussetzungsverfahren neben den für die
Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit
sprechende Gründe zu Tage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in
der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von
Tatfragen bewirken (vgl. BFH BStBl II 1968, 540; 1987, 327, 328; 1993, 263;
Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -
BFH/NV- 1996, 795, 796). Da das Aussetzungsverfahren wegen seiner
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BFH/NV- 1996, 795, 796). Da das Aussetzungsverfahren wegen seiner
Eilbedürftigkeit und seines vorläufigen Charakters ein summarisches Verfahren ist,
beschränkt sich die Überprüfung des Prozessstoffes auf die dem Gericht
vorliegenden Unterlagen (insbesondere die Akten der Finanzbehörde) sowie auf
die präsenten Beweismittel. Weitergehende Sachverhaltsermittlungen durch das
Gericht sind nicht erforderlich (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH/NV 1995, 116 ).
Es ist Sache der Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen vorzutragen
und glaubhaft zu machen. Glaubhaftmachung ist eine Beweisführung, die dem
Richter nicht die volle Überzeugung, sondern nur einen geringeren Grad von
Wahrscheinlichkeit vermitteln soll. Die im Hauptsacheverfahren geltenden Regeln
zur Feststellungslast gelten auch für das Aussetzungsverfahren (vgl. Gräber/Koch,
Kommentar zur FGO, 5. Aufl. 2002, § 69 Rz. 121 m.w.N.). Die Tat- und
Rechtsfragen brauchen nicht abschließend geprüft zu werden. Bei der notwendigen
Abwägung der im Einzelfall entscheidungsrelevanten Umstände und Gründe sind
die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Irgendeine vage
Erfolgsaussicht genügt jedoch nicht. Andererseits ist nicht erforderlich, dass die für
die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sprechenden Gründe
überwiegen (BFH/NV 1990, 279, 280; 670 m.w.N.).
Bei Anwendung dieser Grundsätze bestehen nach der in diesem Verfahren
gebotenen summarischen Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des angefochtenen Haftungsbescheides. Das Finanzamt hat den
Antragsteller zu Recht für die nicht abgeführten Steuern und steuerlichen
Nebenleistungen in Haftung genommen.
Nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO kann derjenige, der kraft Gesetzes für eine Steuer
haftet (Haftungsschuldner) durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen
werden. Nach § 69 Satz 1 AO haften die in den §§ 34 und 35 AO bezeichneten
Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis in Folge vorsätzlicher
oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht
rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Der Antragsteller gehört zu den in § 34
Abs. 1 AO aufgeführten Personen, wie sich aus § 35 Abs. 1 des Gesetzes
betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) ergibt, wonach
der Geschäftsführer einer GmbH die Pflichten zu erfüllen hat, die der GmbH als
Arbeitgeberin am Lohnsteuerabzug obliegen und die sich in steuerlicher Hinsicht
aus § 38 Abs. 3, § 41 a Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) ergeben. Der
Geschäftsführer hat also dafür Sorge zu tragen, dass bei jeder Lohnzahlung der
GmbH die gesetzlich festgelegte LSt einbehalten und innerhalb bestimmter Fristen
an das Finanzamt abgeführt wird. Die Haftung ist im Umfang auf den Betrag
beschränkt, der in Folge der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung
nicht entrichtet wurde, und hat damit Schadensersatzcharakter (BFH-Urteil vom
11. Juni 1996, I B 60/95, BFH/NV 1997, 7). Die Haftung tritt nur ein, wenn feststeht,
dass der im Gesetz bezeichnete Haftungsschaden ohne die Pflichtverletzung nicht
eingetreten wäre (BFH-Urteil vom 17. November 1992, VII R 13/92, BStBl II 1993,
471) und soweit die Pflichtverletzung allgemein oder erfahrungsgemäß erkennbar
geeignet war, den Steuerausfall zu verursachen.
Die X Baugesellschaft mbH war als Arbeitgeberin nach § 41 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
und Nr. 2 EStG verpflichtet, die LSt einschließlich der nach der LSt bemessenen
Abgaben (Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer; vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 3 des
Solidaritätszuschlagsgesetzes, § 8 des Kirchensteuergesetzes Schleswig-Holstein)
rechtzeitig anzumelden und abzuführen. Mangels eigener Handlungsfähigkeit der
GmbH als juristischer Person hatte der Antragsteller als ihr gesetzlicher Vertreter
gemäß § 34 AO für die Erfüllung dieser Pflichten Sorge zu tragen.
Dieser Pflicht zur Abführung der einzubehaltenden LSt einschließlich der
Nebenabgaben ist der Antragsteller für den Monat Januar 2005 (vgl. zuletzt
geänderter Haftungsbescheid gemäß Schreiben des Finanzamts vom 10. April
2006 nebst Rückstandsaufstellung) nicht bzw. nicht vollständig in zumindest grob
fahrlässiger Weise nachgekommen.
Grob fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und
seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und im Stande war,
in ungewöhnlich hohem Maße außer acht lässt (BFH-Urteil vom 21. Februar 1989,
VII R 165/85, BStBl II 1989, 491) und insbesondere unbeachtet lässt, was in dem
gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen.
Es bestehen für den Senat keine Zweifel, dass das Finanzamt diese Grundsätze
bei Erlass des Haftungsbescheides beachtet hat. Der Antragsteller hat seine
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bei Erlass des Haftungsbescheides beachtet hat. Der Antragsteller hat seine
Pflichten als Geschäftsführer der die Steuer schuldenden GmbH schuldhaft
(zumindest grob fahrlässig) nicht ordnungsgemäß erfüllt. Dem Antragsteller waren
die für das Verschulden maßgebenden tatsächlichen Umstände bekannt,
insbesondere die Pflicht zur Abführung der Steuern zu den gesetzlichen
Fälligkeitszeitpunkten bis zum 10. Tag nach Ablauf des jeweiligen
Anmeldungszeitraumes (hier: Kalendermonat). Der gesetzliche Vertreter darf,
wenn in Folge eines Liquiditätsengpasses die ihm zur Verfügung stehenden Mittel
zur Zahlung der vollen vereinbarten Löhne (einschließlich LSt-Anteil) nicht
ausreichen, die Löhne nur gekürzt als Vorschuss oder Teilbetrag auszahlen, so
dass er aus den dann übrig bleibenden Mitteln die entsprechende LSt an das
Betriebsstättenfinanzamt abführen kann. Indem der Antragsteller die
Abzugsbeträge offenbar im Vertrauen auf eine später möglich werdende Tilgung
nicht an den Antragsgegner abgeführt hat, ist er bewusst das Risiko der Haftung
eingegangen, so dass die Nichtrealisierung seiner Erwartungen in seiner
Risikosphäre liegt (vgl. BFH-Urteil vom 20. April 1993, VII R 67/92, BFH/NV 1994,
142 m.w.N.; BFH-Urteil vom 20. Januar 1998, VII R 80/97, BFH/NV 1998, 814).
Der Antragsteller kann sich demgegenüber im Rahmen dieses summarischen
Verfahrens nicht mit Erfolg auf den BFH-Beschluss vom 11. August 2005 (VI B
244/04, BStBl II 2006, 201) berufen. Zwar hat der BFH in diesem Beschluss das
Vorliegen der Voraussetzungen einer AdV eines Haftungsbescheides insoweit
bejaht, als die hypothetische Anfechtung nach § 130 InsO von LSt-Zahlungen für
den Zeitraum der letzten drei Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens erfolgreich gewesen wäre.
Dem liegt zu Grunde, dass die Erfüllung des Haftungstatbestandes des § 69 AO
neben einer schuldhaften Pflichtverletzung auch das Bestehen eines
haftungsbegründenden ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem
Fehlverhalten des Vertreters und dem Eintritt des Steuerausfalls als
Vermögensschaden erfordert (BFH-Urteil vom 5. März 1991, VII R 93/88, BStBl II
1991, 678 m.w.N.). An dem aufgrund des Schadensersatzcharakters der
Haftungsnorm zu fordernden Kausalzusammenhang fehlt es, wenn der
Steuerausfall auch bei pflichtgemäßem Verhalten des Haftungsschuldners nicht zu
vermeiden gewesen wäre. So kann ein vom Verhalten des Vertreters
unabhängiger Anspruch auf Rückgewähr des vom Finanzamt erlangten
Steuerbetrages dazu führen, dass der Steuerausfall auch bei pflichtgemäßem
Verhalten des Haftungsschuldners nicht hätte verhindert werden können. Sofern
die Anfechtungsvoraussetzungen des § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfüllt sind, steht ein
solcher Anspruch dem Insolvenzverwalter nach § 129 Abs. 1 InsO zu.
Da andererseits in der Rechtsprechung des BFH bisher nicht eindeutig geklärt ist,
ob und in welchem Umfang bei der Haftung nach § 69 AO auch lediglich
hypothetische Geschehensabläufe Berücksichtigung finden können, sind nach
Auffassung des BFH aufgrund der Unsicherheiten in der Beurteilung dieser
Rechtsfrage gewichtige Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines derartigen
Haftungsbescheides zu bejahen. Auch soweit umstritten ist, ob es sich bei der
Abführung der geschuldeten LSt um ein nur unter den Voraussetzungen des § 133
InsO und damit nahezu anfechtungsfestes Bargeschäft im Sinne von § 142 InsO
handelt, hält der BFH in dem o.g. Beschluss es im Rahmen des summarischen
Verfahrens nicht für geboten, über die Rechtsfrage abschließend zu entscheiden,
sondern sieht die Voraussetzungen einer AdV als erfüllt an (BFH-Beschluss vom
11. August 2005, VII B 244/04, a.a.O. unter II 1 b, c, bb).
Diese Rechtsauffassung des BFH, die von dem erkennenden Senat geteilt wird,
führt vorliegend jedoch nicht zur Aussetzung des Haftungsbescheides von der
Vollziehung.
Denn eine hypothetische Anfechtung nach § 130 InsO der LSt-Zahlung für den
streitbefangenen Monat Januar 2005 wäre nicht erfolgreich gewesen. Die
tatbestandlichen Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 Nr. 1 AO lagen unter
Berücksichtigung der Gesamtumstände des hier zu entscheidenden Einzelfalles
entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers nicht vor.
Nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist eine Rechtshandlung, die einem
Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat,
anfechtbar, wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung
des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, sofern der Schuldner zur Zeit
der Handlung zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die
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der Handlung zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die
Zahlungsunfähigkeit kannte. Nach § 130 Abs. 2 InsO steht der Kenntnis der
Zahlungsunfähigkeit die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die
Zahlungsunfähigkeit schließen lassen. Nach § 17 Abs. 2 InsO ist der Schuldner
zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu
erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner
seine Zahlungen eingestellt hat (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO).
Danach wäre vorliegend eine -hypothetische- Anfechtung gemäß § 130 Abs. 1 Nr.
1 InsO nicht erfolgreich gewesen. Das Finanzamt hatte im Zeitpunkt der
vorzunehmenden Rechtshandlung (§ 140 Abs. 1 InsO), dem 10. Februar 2005 als
Zahlungszeitpunkt für die LSt des vorangegangenen Monats Januar 2005, weder
positive Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der GmbH, noch waren ihm
Umstände bekannt, die auf eine solche hätten zwingend schließen lassen.
Der Antragsteller hat nicht dargelegt, dass er den Antragsgegner über eine -
möglicherweise schon einige Zeit vor der Insolvenzantragstellung eingetretene -
Zahlungsunfähigkeit der GmbH informiert habe. Dem dürfte auch
entgegenstehen, dass der Antragsteller noch mit Schreiben seines steuerlichen
Beraters vom 20. April 2005 dem Antragsgegner lediglich hat mitteilen lassen,
dass "bereits im Februar ... die Liquidität der X Baugesellschaft mbH sehr
angespannt (war)". Auch aus den Akten ergibt sich kein Grund für die Annahme,
der Antragsgegner habe im Zeitpunkt des Zahlungstermins für die LSt Januar
2005 den Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit der GmbH gekannt.
Dem Antragsgegner waren aber auch nicht derartige Umstände bekannt, die auf
eine Zahlungsunfähigkeit hätten zwingend schließen lassen. Nach der
Rechtsprechung des BGH ist es für die Kenntnis der Zahlungseinstellung und
somit der Zahlungsunfähigkeit ausreichend, dass der Gläubiger aus den ihm
bekannten Tatsachen und dem Verhalten des Schuldners bei natürlicher
Betrachtungsweise den zutreffenden Schluss zieht, dass der Schuldner etwa im
Zeitraum des nächsten Monats wesentliche Teile der eingeforderten
Verbindlichkeiten nicht wird tilgen können (BGH-Urteile vom 27. April 1995, IX ZR
147/94, ZIP 1995, 929 und vom 3. Dezember 1998, IX ZR 313/97, ZIP 1999, 76).
Hinsichtlich einer Kenntnis des Finanzamts von Umständen im Sinne von § 131
Abs. 2 InsO hat der BGH geurteilt, dass in der Regel eine solche anzunehmen sei,
wenn der seit mehreren Monaten säumige Steuerschuldner lediglich eine
Teilzahlung leiste und keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass er in Zukunft die
fälligen Forderungen alsbald erfüllen werde (Urteil des BGH vom 9. Januar 2003, IX
ZR 175/02, Betriebsberater 2003, 546).
Derartige Kenntnisse lagen dem Antragsgegner nicht vor. Allein aus der Tatsache,
dass die GmbH seit rund einem Jahr die LSt verspätet entrichtet hatte, musste der
Antragsgegner nicht auf die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft schließen. Denn
weder lag insoweit eine Zahlungseinstellung vor, noch musste der Antragsgegner
im Zeitpunkt der zu entrichtenden LSt für Januar 2005 angesichts dessen, dass für
die zurückliegenden Monate die LSt, wenn auch verspätet, ganz überwiegend
entrichtet worden war, davon ausgehen, dass die LSt für Januar 2005
demgegenüber in einem überschaubaren Zeitraum nicht gezahlt würde. Auch
wenn, wie der Antragsteller darlegt, die (zunächst rückständigen) Beträge
ersichtlich angestiegen seien, musste der Antragsgegner aufgrund der jeweils
erfolgten verspäteten Zahlung gerade nicht den Schluss ziehen, dass die GmbH
wesentliche Teile der LSt für Januar 2005 dauerhaft nicht mehr werde zahlen
können.
Der Antragsteller kann sich auch nicht mit Erfolg auf den Rückstand bei der USt
sowie seine Stundungsanträge aus den Monaten November 2004 und Januar 2005
gegenüber dem insoweit zuständigen Finanzamt A berufen.
Fraglich ist bereits, ob aus diesen Umständen zwingend auf die
Zahlungsunfähigkeit der GmbH geschlossen werden muss. Dagegen könnte
sprechen, dass die GmbH die Bezahlung der rückständigen USt seit Mitte Januar
2005 aufgenommen hatte und bis zu dem Zeitpunkt, in dem die LSt für den Monat
Januar 2005 an das Finanzamt abzuführen war (10. Februar 2005), rund 178.500
EUR (USt für die Monate Juli, August und Teilzahlung September 2004) an das
Finanzamt A entrichtet hatte.
Andererseits ist zu berücksichtigen, dass eine einmal eingetretene
Zahlungseinstellung fortwirkt und nur durch die Aufnahme der Zahlungen im
Allgemeinen, d.h. an die Gesamtheit der Gläubiger, wieder beseitigt werden kann
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Allgemeinen, d.h. an die Gesamtheit der Gläubiger, wieder beseitigt werden kann
(BGH-Urteil vom 25. Oktober 2002, IX ZR 17/01, BGHZ 149, 100, 109). Die
Nichtzahlung gegenüber einem einzigen Gläubiger kann für eine
Zahlungseinstellung ausreichen, wenn dessen Forderung von erheblicher Höhe ist,
was vorliegend angesichts der USt-Rückstände für vier Monate (Juli bis Oktober
2004) in Höhe von insgesamt rund 271.000 EUR zu bejahen sein dürfte. Auch
schließt es die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht aus, dass er noch
einzelne - sogar beträchtliche - Zahlungen erbringt (BGH-Urteil vom 20. November
2001, IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178, 188).
Ob bei Anwendung dieser Grundsätze unter natürlicher Betrachtungsweise
vorliegend zwingend auf eine - bereits eingetretene und am 10. Februar 2005 noch
fortbestehende - Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft geschlossen werden muss,
bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Der Senat kann die Frage
dahin stehen lassen. Denn jedenfalls muss sich der Antragsgegner das Wissen des
Finanzamtes A entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers nicht zurechnen
lassen.
Zwar ist in einer arbeitsteiligen Unternehmensorganisation das Wissen der
Vertreter oder Wissensvertreter grundsätzlich zusammenzurechnen, wenn eine
Pflicht zur Organisation des Informationsaustausches besteht. Denn es kann aus
Gründen des Verkehrsschutzes z.B. geboten sein, dass einer Gemeinde das ihr
einmal vermittelte Wissen zuzurechnen ist, wenn es sich um "typischerweise
aktenmäßig festgehaltenes Wissen" handelt (vgl. BGH-Urteil vom 2. Februar 1996,
V ZR 239/94, NJW 1996, 1339, 1340). Bei der arbeitsteiligen Erledigung von
Aufgaben einer juristischen Person kann der "Kunde" grundsätzlich davon
ausgehen, dass deren Repräsentanten das einmal vorhandene Aktenwissen
nutzen können. Dies schließt auch die Verpflichtung ein, seine Verfügbarkeit zu
organisieren. Diese Grundsätze können indes nur auf eine Organisationseinheit
Anwendung finden. Es hieße, die Anforderungen an die Organisation des Wissens
zu überspannen, wollte man das Wissen der einen Behörde einer anderen
Behörde, die beide demselben Ministerium nachgeordnet sind, zurechnen (Urteil
des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 5. Juni 2002, 17 U 146/01, OLGR Frankfurt
2003, 178).
Es kann von einem Finanzamt nicht verlangt werden, jede - größere - Nichtzahlung
eines Steuerpflichtigen bei Fälligkeit, jeden späteren Zahlungseingang, jeden
Stundungsantrag und Vollstreckungsaufschub und jede Vollstreckungsmaßnahme
nebst Ergebnis sowie ggfs. weitere Kenntnisse über die Liquiditätslage eines
Steuerpflichtigen im Hinblick auf § 140 InsO einzeln und zeitnah einem anderen
Finanzamt mitzuteilen, zumal die Kenntnis der einzelnen Umstände bei
verschiedenen Dienststellen (Veranlagung, USt-Voranmeldestelle, Kasse,
Vollstreckungsstelle) entsteht. Gegen eine Informationsweiterleitungspflicht spricht
darüber hinaus, dass die Relevanz der verschiedenartigen Daten für andere
Personen außerhalb des Amtes - nämlich in einem anderen Finanzamt - für die
konkret Wissenden nicht bzw. nicht ohne weiteres erkennbar ist.
Mag insoweit im Einzelfall die Wissenszurechnung innerhalb eines Amtes analog §
166 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gerechtfertigt sein (vgl. BGH-Urteil vom
18. Januar 1994, VI ZR 190/93, NJW 1994, 1150).
Für einen ämterübergreifenden Informationsaustausch besteht demgegenüber
jedenfalls in Fällen der hier zu beurteilenden Art weder eine Pflicht, noch zum
Schutz des Steuerpflichtigen eine Notwendigkeit (vgl. im Ergebnis ebenso: BGH-
Urteil vom 24. Januar 1992, V ZR 262/90, NJW 1992, 1099; offen gelassen bei zwei
Filialen einer Großbank: BGH-Urteil vom 1. Juni 1989, III ZR 277/87, NJW 1989,
2881). Dem Antragsteller als Vertreter der steuerpflichtigen GmbH war es
angesichts seiner Wissensnähe und des bei ihm als Geschäftsführer
zusammenfließenden Wissens sowohl möglich als auch zumutbar, die notwendigen
Informationen (auch) dem für die LSt zuständigen Finanzamt mitzuteilen, will er
sich später auf die Anfechtungsvorschriften des § 130 InsO berufen, zumal für den
Antragsteller die unterschiedliche Zuständigkeit der Ämter erkennbar war und die
Ämter auch nicht im Sinne einer Einheit ("die" Finanzverwaltung) aufgetreten
waren.
Im Übrigen bestand für den Antragsgegner im Zeitpunkt der fälligen aber nicht
entrichteten LSt für den Monat Januar 2005 auch kein Anlass, von sich aus
Erkundigungen bei dem Finanzamt A einzuholen. Besondere Gründe, die zu
diesem Zeitpunkt einen Informationsaustausch aus der Sicht des Antragsgegners
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diesem Zeitpunkt einen Informationsaustausch aus der Sicht des Antragsgegners
nahe gelegt hätten, sind nicht erkennbar.
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides im Hinblick auf die Höhe
der Inanspruchnahme des Antragstellers bestehen ebenfalls nicht. Die
Orientierung der Haftungssumme an den ausgezahlten Löhnen, auch bei
Liquiditätsschwierigkeiten der Gesellschaft, rechtfertigt sich nach Auffassung des
BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, daraus, dass die abzuführende
LSt Teil des geschuldeten Bruttoarbeitslohnes ist, den der Arbeitgeber
treuhänderisch für den Arbeitnehmer und den Steuergläubiger einzuziehen hat
(vgl. BFH-Urteil vom 20. April 1982, VII 96/79, BStBl II 1982, 521). Im Grunde
handelt es sich bei den LSt-Abzugsbeträgen um Fremdgelder, die die Liquidität der
von dem Geschäftsführer vertretenen GmbH nicht berühren und deshalb zur
Abführung an das Finanzamt bereitzuhalten sind (BFH-Urteil vom 1. August 2000,
VII R 110/99, BStBl II 2001, 271).
Der Antragsteller hat auch nicht das Vorliegen der Voraussetzungen für eine so
genannte quotale Haftung entsprechend den für die USt entwickelten Grundsätzen
dargelegt. Diese Haftungsbeschränkung kommt nach Auffassung des BFH nur in
Ausnahmefällen und nur im Rahmen eines längeren Haftungszeitraums allenfalls
für den oder die letzten LSt-Anmeldungszeiträume in Betracht. Denn sie setzt
voraus, dass dem Geschäftsführer ab dem Zeitpunkt der letzten Lohnzahlung nur
Mittel in Höhe der ausbezahlten Nettolöhne zur Verfügung standen, d.h. gerade
noch die Nettolöhne in voller Höhe ausbezahlt werden konnten, sonst aber keine
Zahlungsmittel mehr vorhanden waren. Für diesen außergewöhnlichen
Sachverhalt trägt der Haftungsschuldner nach den Grundsätzen über die
Beweislast im Steuerprozess (vgl. BFH-Urteil vom 7. Juli 1983, VII R 43/80, BStBl II
1983, 760) die objektive Beweislast (Feststellungslast). Der Antragsteller hat das
Vorliegen einer derartigen Situation weder substantiiert vorgetragen noch
glaubhaft gemacht oder durch präsente Beweismittel nachgewiesen. Dem dürfte
im Übrigen auch entgegenstehen, dass die GmbH noch nach dem 10. Februar
2005 nicht unerhebliche USt in Höhe von 35.000 EUR an das Finanzamt A
abgeführt hat.
Der Senat hat auch keine Zweifel, dass eine Haftung des Antragstellers für die
festgesetzten Säumniszuschläge dem Grunde und der Höhe nach gegeben ist.
Gemäß § 69 Satz 2 AO umfasst die Haftung auch die infolge der Pflichtverletzung
zu zahlenden Säumniszuschläge. Die vom Finanzamt festgesetzten
Säumniszuschläge für die Monate Dezember 2004, Januar und Februar 2005 sind
dadurch entstanden, dass der Antragsteller die von der GmbH angemeldete und
abzuführende LSt verspätet bzw. nicht entrichtet hat.
Auch die Höhe der Säumniszuschläge begegnet keinen Bedenken. Das Finanzamt
hat offenbar dem Grundsatz Rechnung getragen, dass aufgrund der Akzessorietät
von Steuer- und Haftungsschuld ein zu gewährender - ggfs. (noch) nicht
ausgesprochener - Erlass von Säumniszuschlägen gegenüber dem
Steuerschuldner auch dem Haftungsschuldner zugute kommen muss. Die
Erhebung von Säumniszuschlägen ist insofern sachlich unbillig und rechtfertigt in
der Regel einen hälftigen Erlass, als Säumniszuschläge ihren Zweck, als
Druckmittel zur pünktlichen Steuerzahlung zu dienen, wegen Überschuldung oder
Zahlungsunfähigkeit des Steuerpflichtigen verloren haben. Eine Heranziehung des
Haftungsschuldners gemäß § 69, § 191 Abs. 1 AO für Säumniszuschläge, die ab
dem Eintritt der nachweislichen Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit des
Hauptschuldners entstanden sind, ist daher grundsätzlich nur in hälftiger Höhe der
gesetzlich festgelegten Säumniszuschläge gemäß § 240 AO, d.h. nur in Höhe von
0,5 von Hundert je angefangenen Monat der Säumnis, zulässig (vgl. BFH-Urteil
vom 19. Dezember 2000, VII R 63/99, BStBl II 2001, 217). Dies hat der
Antragsgegner, bezogen auf den Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung, in dem
Haftungsbescheid berücksichtigt.
Nach Aktenlage ist die Inanspruchnahme des Antragstellers auch nicht
ermessensfehlerhaft. Soweit die Behörden ermächtigt sind, nach ihrem Ermessen
zu entscheiden, hat sich die gerichtliche Überprüfung darauf zu beschränken, ob
die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem
Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise
Gebrauch gemacht worden ist (§ 102 FGO).
Das ist hier nicht der Fall. Die Ermessenserwägungen des Antragsgegners lassen
keinen Fehler erkennen. Der Antragsgegner hat das ihm zustehende
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keinen Fehler erkennen. Der Antragsgegner hat das ihm zustehende
Entschließungsermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Er hat sich
dabei ersichtlich von seiner Verpflichtung aus § 85 AO leiten lassen. Nach dieser
Vorschrift sind die Finanzbehörden im öffentlichen Interesse verpflichtet, Steuern
nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Der
Antragsgegner war daher gehalten, die offene Abgabenschuld in geeigneter Weise
beizutreiben. Entsprechende Maßnahmen gegen die GmbH waren jedoch erfolglos
verlaufen.
Auch das Auswahlermessen ist rechtmäßig ausgeübt worden. Der Antragsteller
war Alleingeschäftsführer, weitere potenzielle Haftungsschuldner existieren nicht.
Das Finanzamt ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine Inanspruchnahme
der Arbeitnehmer gemäß § 42 d Abs. 3 Satz 4 EStG schon deshalb ausscheidet,
weil diese nach Lage der Dinge keine Kenntnis von der Pflichtverletzung des
Antragstellers hatten.
Der Antragsteller hat schließlich auch nicht schlüssig dargelegt, dass die
Vollziehung des angefochtenen Haftungsbescheides für ihn eine unbillige Härte im
Sinne des § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO bedeutet. Weder aus dem Vortrag
des Antragstellers noch aus dem Akteninhalt lassen sich konkrete Anhaltspunkte
dafür entnehmen, dass dem Antragsteller durch die Vollziehung nicht oder nur
schwer wieder gutzumachende wirtschaftliche Nachteile drohen oder dass die
Vollziehung zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führe (vgl.
Gräber/Koch, FGO, 6. Aufl. 2006, § 69 Rz. 105 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Beschwerde war im Hinblick auf die Frage der ämterübergreifenden
Wissenszurechnung wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß den §§ 128 Abs. 3,
115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.