Urteil des FG Schleswig-Holstein vom 13.03.2017

FG Schleswig-Holstein: eintritt des versicherungsfalls, versicherer, anschaffungskosten, deckungskapital, berufsunfähigkeit, form, lebensversicherung, prüfer, einspruch, quelle

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Finanzgericht 1.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahre:
1996, 1997, 1998
Aktenzeichen:
1 K 186/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 5 Abs 1 EStG 1990, § 6 Abs
1 Nr 2 EStG 1990, § 6a EStG
1997, § 253 Abs 1 HGB, § 255
Abs 1 HGB
Aktivierung von Leistungen aus einer in Kombination mit
einer Kapitallebensversicherung abgeschlossenen
Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nach Eintritt des
Versicherungsfalls
Tatbestand
Die Beteiligten streiten zuletzt noch über den anzusetzenden Aktivwert von
Leistungen aus einer in Kombination mit einer Kapitallebensversicherung
abgeschlossenen Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ) nach Eintritt des
Versicherungsfalls aus der BUZ.
Mit Prüfungsanordnung vom 8. August 2000 wurde bei der Klägerin eine
Außenprüfung betreffend die Körperschaftsteuer (KSt) und die Gewerbesteuer
(GewSt) der Jahre 1996 - 1998 durchgeführt. Gegenstand der Prüfung war u.a.
auch die betriebliche Altersversorgung. Der hierzu tätige Fachprüfer beanstandete
neben weiteren nicht mehr streitigen Punkten den Aktivwert einer bei der
Versicherungs-AG abgeschlossenen Rückdeckungsversicherung in Gestalt einer
Kapitallebensversicherung mit zusätzlicher Risikoabsicherung bei Berufsunfähigkeit
(Policennummer ...). Bei dieser Versicherung war der Leistungsfall bereits
eingetreten. Die Versicherung zahlte die vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente und
übernahm zugleich die Beiträge zur Hauptversicherung. Die Klägerin ermittelte
den Aktivwert mit dem versicherungsmathematischen Barwert unter
Berücksichtigung eines Rechnungszinses für die BUZ von 6% wie folgt (Zahlen
jeweils in DM):
Demgegenüber erachtete der Fachprüfer einen Rechnungszins von 3% für
zutreffend und gelangte im Wege der Schätzung zu den folgenden Aktivwerten:
Wegen der näheren Einzelheiten wird auf Bericht über die Prüfung der betrieblichen
Altersversorgung vom 28. März 2001 sowie den Außenprüfungsbericht vom 22.
Oktober 2001 Bezug genommen. Der Beklagte - das Finanzamt (FA) - berichtigte
die Aktivierungen gewinnerhöhend und erließ am 11. Dezember 2001
entsprechend geänderte KSt-Bescheide, Feststellungsbescheide gemäß § 47 KStG
sowie GewStMB der Jahre 1996 - 1998. Den Einspruch der Klägerin wies das FA mit
Einspruchsentscheidung vom 2. September 2004 unter Hinweis auf das BFH-Urteil
vom 25. Februar 2004 I R 54/02, BStBl II 2004, 654 zurück.
Mit der am 15. September 2004 erhobenen Klage macht die Klägerin im
Wesentlichen geltend: Der vom Prüfer für die BUZ in Ansatz gebrachte
Rechnungszinssatz von 3% sei unzutreffend. Selbst das Bewertungsgesetz sehe
zur Ermittlung der Bar- und Kapitalwerte einen Zinssatz von 5,5% vor. Es seien
deshalb maximal die von der Versicherung zugestandenen und schriftlich
mitgeteilten Deckungskapitalien in Ansatz zu bringen. Das BFH-Urteil vom 25.
Februar 2004, BStBl II 2004, 654 sei nicht einschlägig, weil die BUZ keinen
Sparanteil aufweise. Der Anspruch der Klägerin gegenüber der Versicherung
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Sparanteil aufweise. Der Anspruch der Klägerin gegenüber der Versicherung
bestehe nicht in Form eines Rückdeckungskapitals. Er sei lediglich auf monatliche
bzw. vierteljährliche Rentenzahlungen gerichtet. Der Anspruch sei deshalb als
gesondert zu bewertendes Wirtschaftsgut zu qualifizieren. Die Klägerin nimmt
ergänzend Bezug auf die Stellungnahme der Versicherung vom 5. November
2004.
Nach Vorlage weiterer angeforderter Unterlagen im Klageverfahren hat das FA
festgestellt, dass der Aktivwert des “Hauptteils” der Versicherung Nr. ...
(Kapitallebensversicherung) jeweils mit einem Zinssatz von 3% abgezinst wurde,
so dass der von der Klägerin in Ansatz gebrachte Aktivwert insoweit nicht mehr zu
beanstanden sei. Das FA hat den Klaganspruch in diesem Umfang und hinsichtlich
anderer nicht mehr streitgegenständlicher Versicherungen mit Schriftsatz vom 15.
August 2005 unter Kostenprotest anerkannt.
Die Klägerin beantragt, die geänderten KSt-Bescheide, die geänderten
Feststellungsbescheide gemäß § 47 KStG sowie die geänderten GewStMB der
Jahre 1996 bis 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. September
2004 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Bilanzansätze aus den
Rückdeckungsversicherungen unverändert der Besteuerung zu Grunde zu legen
sind und dem FA die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Das FA beantragt, die Klage, soweit sie über die im Schriftsatz vom 15. August
2005 aufgeführten Bilanzansätze hinausgeht, abzuweisen und der Klägerin gemäß
§ 137 FGO die gesamten Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die BUZ sei im Gegensatz zu einer Berufsunfähigkeitsversicherung keine
selbständige Lebensversicherung. Sie sei gekoppelt an eine
Kapitallebensversicherung und stelle mit ihr zusammen ein einheitliches
Wirtschaftsgut dar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das
Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25. Juni 2008 verwiesen. Die
steuerlichen Vorgänge sind beigezogen worden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist in dem noch offenen Punkt unbegründet.
Das FA ist bei der Ermittlung des Aktivwertes des Rückdeckungsanspruchs aus der
BUZ zu Recht von einem Abzinsungssatz von 3% ausgegangen. Dieser Zinssatz
entspricht dem vom Versicherer zur Ermittlung seines Deckungskapitals für die
Kapitallebensversicherung sowie der Ansprüche aus der BUZ zugrunde gelegten
Zinssatz und ist deshalb auch für die Bewertung des Rückdeckungsanspruchs der
Klägerin maßgeblich.
Nach § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG hat die Klägerin ihr
Betriebsvermögen in der Höhe anzusetzen, wie es nach den handelsrechtlichen
Vorschriften (§§ 238 ff. HGB) auszuweisen ist. Forderungen sind gemäß § 253 Abs.
1 Satz 1 HGB und § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG grundsätzlich mit ihren
Anschaffungskosten anzusetzen. Anschaffungskosten sind gemäß § 255 Abs. 1
HGB Aufwendungen, die geleistet werden, um ein Wirtschaftsgut zu erwerben,
soweit sie diesem einzeln zugeordnet werden können (BFH, Urteil vom 25. Februar
2004 I R 54/02, BStBl II 2004, 654). Jede Pensionsverpflichtung ist als
Wirtschaftsgut für sich zu behandeln, wobei die Anwartschaft einer Person auf
Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung als einheitlicher Anspruch und
einheitliches Wirtschaftsgut gilt (BFH, Beschluss vom 3. Februar 1993 I B 50/92,
BFH/NV 1993, 541 mit weiteren Nachweisen). Wird die eingegangene Verpflichtung
durch eine Rückdeckungsversicherung abgesichert, dann stellen die
Rückdeckungsversicherung einerseits und die Pensionsverpflichtung andererseits
unabhängig voneinander zu bilanzierende Wirtschaftsgüter dar. Eine Saldierung ist
auch bei Rückdeckung in voller Höhe (kongruente Rückdeckung) nicht zulässig.
Das vom Versicherer jeweils nachgewiesene Deckungskapital
(Deckungsrückstellung) ist auch Bewertungsgrundlage und Bewertungsmaßstab
für den korrespondierenden Rückdeckungsanspruch zu dessen
Anschaffungskosten. Ein unter den Anschaffungskosten liegender Teilwert der
Rückdeckungsansprüche des Versicherungsnehmers scheidet aus. Ein gedachter
Erwerber des Betriebs würde auch in die Pensionsverpflichtungen und die dafür
abgeschlossenen Rückdeckungsversicherungen eintreten und deshalb auch die
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abgeschlossenen Rückdeckungsversicherungen eintreten und deshalb auch die
vom Versicherer kalkulierten und als dessen Deckungskapital verzinslich
angesammelten Sparbeträge entgelten (vgl. BFH, Urteile vom 25. Februar 2004 I R
54/02, BStBl II 2004, 654 und I R 8/03, BFH/NV 2004, 1234 sowie vom 9. August
2006 I R 11/06, BStBl II 2006, 762).
Zu den Anschaffungskosten eines Rückdeckunganspruchs gehören zunächst die
unmittelbar aufgewendeten Sparanteile der Versicherungsprämien (Sparbeiträge).
Weiterhin führt zu Anschaffungskosten auch die vertraglich garantierte
rechnungsmäßige Verzinsung der Sparbeiträge. Der verzinslichen Ansammlung
der jeweiligen Sparbeiträge entspricht auf der Seite des Versicherers unter
Zugrundelegung einer retrospektiven Betrachtung zum jeweiligen Bilanzstichtag
dessen geschäftsplanmäßiges Deckungskapital. Aus Sicht des Bilanzstichtages
prospektiv betrachtet ist dies der (nämliche) Betrag, den der Versicherer in Höhe
des Barwertes der künftigen Verpflichtungen aus dem jeweiligen Vertrag abzüglich
des Barwertes der künftig eingehenden Nettobeiträge passivieren muss. Das vom
Versicherer nachgewiesene Deckungskapital (Deckungsrückstellung) ist deshalb
auch Bewertungsgrundlage und Bewertungsmaßstab für den korrespondierenden
Rückdeckungsanspruch des Versicherungsnehmers zu dessen
Anschaffungskosten (BFH, Urteil vom 25. Februar 2004 I R 8/03, BFH/NV 2004,
1234; Blümich/Förster, EStG, § 6 a Rn. 484 ff. mit weiteren Nachweisen).
Die Klägerin hat die vorgenannten Grundsätze bei der Ermittlung des Aktivwertes
der Kapitallebensversicherung beachtet. Sie hat einen Zinssatz von 3% zur
Anwendung gebracht. Dies ist zwischen den Beteiligten nach Vorlage weiterer
Unterlagen im gerichtlichen Verfahren unstreitig geworden. Für die mit der
Kapitallebensversicherung verbundene BUZ hat im Ergebnis nichts anderes zu
gelten.
Eine abweichende Beurteilung ist hier nicht deshalb gerechtfertigt, weil der
Versicherungsfall in Gestalt der Berufsunfähigkeit bereits eingetreten ist. Das von
der Klägerin hierzu ins Feld geführte Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 29.
Oktober 2002, EFG 2003, 764 ist durch den BFH mit dem vorgenannten Urteil vom
25. Februar 2004 I R 8/03, BFH/NV 2004, 1234 aufgehoben worden. Der BFH hat
insoweit ausgeführt, dass eine Bewertungseinheit bei kongruenter Rückdeckung
auch dann ausscheide, wenn der Versicherungsfall bereits eingetreten ist. Denn in
diesem Fall würde der Versicherer eine Prämie mindestens in Höhe seines
Deckungskapitals erheben. Dem tritt der Senat bei.
Die ergänzend vorgetragene Erwägung, eine BUZ weise als Risikoversicherung
keinen Sparanteil auf, so dass in Ansehung dieser Versicherung auch kein
Anspruch auf ein angespartes Deckungskapital bestehen könne, rechtfertigt
ebenfalls keine andere Beurteilung. Die BUZ ist hier im Verbund mit einer
Kapitallebensversicherung unter einer einheitlichen Versicherungsnummer zur
Rückdeckung einer einheitlichen Versorgungszusage abgeschlossen worden.
Jedenfalls in einem solchen Fall stellen die Ansprüche aus der
Kapitallebensversicherung nebst BUZ ein einheitliches Wirtschaftsgut dar, dessen
Aktivwert unter Berücksichtigung des gesamten vom Versicherer gebildeten
Deckungskapitals mit einem einheitlichen Abzinsungssatz zu ermitteln ist. Der
Versicherer hat hier wegen des eingetretenen Leistungsfalls auch für die BUZ ein
Deckungskapital gebildet. Aus dem Schreiben der Versicherungs-AG vom 15.
Januar 2002 ergibt sich, dass die nach Eintritt des Versicherungsfalls entstandenen
Verbindlichkeiten aus der BUZ von ihr mit einem Abzinsungssatz von 3% bewertet
und passiviert wurden. Diese Bewertung ist auch maßgeblich für den Wert des
Anspruchs des Versicherungsnehmers.
Richtig ist zwar, dass eine wertmäßige Diskrepanz zwischen der
Pensionsverpflichtung einerseits und der Rückdeckung andererseits verbleibt.
Diese Diskrepanz ist jedoch kein Indiz für eine unsachgemäße Ermittlung des
Aktivwertes der Rückdeckung. Sie ist allein Konsequenz der sich aus § 6a EStG
ergebenden Absicht des Gesetzgebers, den bilanziellen Ausweis von
Pensionsverpflichtungen bestimmten Maßgaben, z.B. einem Rechnungszinsfuß
von 6%, zu unterwerfen. Dieser Zinssatz mag zwar in Niedrigzinsphasen
vergleichsweise hoch erscheinen, ist aber rechtlich nicht zu beanstanden, da der
Gesetzgeber zu einer typisierenden Betrachtung befugt ist. Es ist denn mittlerweile
auch wieder ein ansteigender Zinstrend zu beobachten.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 135 Abs. 1, 138, 137 Satz 1 FGO. Das FA
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Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 135 Abs. 1, 138, 137 Satz 1 FGO. Das FA
hat die Klägerin bereits im Rahmen der Betriebsprüfung mit Schreiben vom 14.
August 2001 zur Vorlage der Berechnungsunterlagen der Versicherung
aufgefordert. Da es keine vollständigen Unterlagen erhielt, hat es ausweislich der
Gründe des Berichts über die Prüfung der betrieblichen Altersversorgung eine
Schätzung vorgenommen (vgl. Ziffer I 1. des Berichts am Ende). Hierauf hat die
Klägerseite im Wesentlichen mit rechtlichen Einwänden reagiert, ohne die
vollständigen Berechnungsunterlagen nachzureichen. Dies geschah vielmehr
erstmals mit Schriftsatz vom 29. Juni 2005 im Laufe des gerichtlichen Verfahrens.
Bei dieser Sachlage hat die Klägerseite im Umfang des Teilanerkenntnisses des FA
selbst Veranlassung zur Klageerhebung gegeben, so dass es sachgerecht
erscheint, ihr auch die insoweit entstandenen anteiligen Kosten des Verfahrens
aufzuerlegen.
Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.