Urteil des FG Schleswig-Holstein vom 13.03.2017

FG Schleswig-Holstein: wirtschaftliche identität, gründung der gesellschaft, körperschaft, kapitalgesellschaft, mehrheitsbeteiligung, rückübertragung, verlustvortrag, anschluss, umstrukturierung

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Finanzgericht 1.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2003
Aktenzeichen:
1 K 1/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 8 Abs 4 KStG 2002
Verlust der wirtschaftlichen Identität im Anschluss an die
Anteilsübertragung des Mehrheitsgesellschafters auf den
Minderheitsgesellschafter
Tatbestand
Die Klägerin war eine zweigliedrige GmbH. Die Beteiligten streiten über die Frage,
ob ihre wirtschaftliche Identität im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 2
Körperschaftsteuergesetz (KStG) im Anschluss an die Übertragung der Anteile des
Mehrheitsgesellschafters auf den Minderheitsgesellschafter und eine damit
einhergehende geschäftliche Umstrukturierung verloren gegangen ist.
Die Klägerin wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 25. November 1997 mit einem
Stammkapital von 100.000 DM gegründet. Gründungsgesellschafter waren Herr …
(nachfolgend X) mit einem Geschäftsanteil von 51.000 DM und Herr …
(nachfolgend Y) mit einem Geschäftsanteil von 49.000 DM. Mit Vertrag vom
17. Mai 2001 teilte X einen Anteil von 21.000 DM ab und übertrug diesen auf Y,
welcher seine Beteiligung von 49 % auf 70 % erhöhte. Am 30. Dezember 2002
beschlossen die Gesellschafter die Euro-Umstellung und gleichzeitige Erhöhung
des Stammkapitals auf 81.130 Euro. Y stockte seine Beteiligung von 70.000 DM
auf 56.800 Euro (= 70,01 %) auf. X erhöhte seinen Stammkapitalanteil auf 24.330
Euro (= 29,99 %). Mit Vertrag vom 22. Januar 2003 erwarb X von Y zum Stichtag 1.
Januar 2003 sämtliche Geschäftsanteile zum Preis von 1 Euro. Bis zum 31.
Dezember 2002 betrieb die Klägerin den Einzelhandel mit Unterhaltungselektronik
und ab Januar 2003 eine Videothek nebst Vermittlung von Internetverkäufen. Der
verbleibende Verlustvortrag auf den 31. Dezember 2002 ist auf 121.760 Euro
festgestellt. In ihrer KSt-Erklärung 2003 begehrte die Klägerin den in 2003 erzielten
Gesamtbetrag der Einkünfte mit dem vorgenannten Verlustvortrag zu verrechnen.
Im Anschluss an eine 2005 durchgeführte Außenprüfung gelangte der Beklagte -
das Finanzamt (FA) - u.a. zu der Überzeugung, dass infolge der
Anteilsübertragung auf X sowie der Veränderung im Betriebsvermögen die
wirtschaftliche Identität der Klägerin ab 2003 entfallen sei. Es lehnte deshalb eine
Gewinnverrechnung für 2003 ab und stellte den verbleibenden Verlustvortrag auf
den 31. Dezember 2003 auf 0 Euro fest. Den Einspruch der Klägerin wies das FA
mit Einspruchsentscheidung vom 12. Oktober 2005 (Mittwoch) zurück: Die 50%-
Grenze gemäß § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG beziehe sich allein auf das Nennkapital der
Gesellschaft. Es sei unerheblich, ob die Anteile gegen Entgelt oder unentgeltlich
übertragen worden seien. Dass X bereits von 1997 – 2001 Mehrheitsgesellschafter
der Klägerin gewesen sei, sei ebenfalls nicht entscheidungserheblich. Die
Gesellschaft sei in 2003 auch mit überwiegend neuem Betriebsvermögen
fortgesetzt worden. Dies ergebe sich aus den vorliegenden Jahresabschlüssen und
sei von der Klägern nicht in Abrede gestellt worden.
Mit der am 16. November 2005 erhobenen Klage macht die Klägerin im
Wesentlichen geltend:
Ein Gesellschafterwechsel spiele sich auf einer anderen rechtlichen wie
steuerlichen Ebene ab und berühre deshalb nicht die Identität der
Kapitalgesellschaft. Unabhängig davon könne hier bei vernünftiger Würdigung des
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Kapitalgesellschaft. Unabhängig davon könne hier bei vernünftiger Würdigung des
Sachverhalts auch nicht von einer Übertragung von mehr als der Hälfte der Anteile
ausgegangen werden. X habe den zuvor an Y übertragenen 21%igen Anteil wieder
zurückerworben, so dass im Ergebnis der Y lediglich einen 49%igen Anteil
übertragen habe. Auch der Gesetzeszweck spreche für eine Klagstattgabe. Ziel
des § 8 Abs. 4 KStG sei die Eindämmung eines als missbräuchlich angesehenen
Handels mit Verlustvorträgen. Ein solcher Sachverhalt sei hier nicht gegeben. X sei
von der Gründung der Gesellschaft bis zum 31. Mai 2001 ihr
Mehrheitsgesellschafter gewesen und sei ab Januar 2003 sogar zum alleinigen
Gesellschafter aufgerückt. Lediglich für den Zeitraum 1. Juni 2001 bis 31.
Dezember 2002 habe er vorübergehend nur über eine Minderheitsbeteiligung
verfügt. Die wirtschaftliche Identität der Klägerin sei daher durch den Anteilserwerb
aus 2003 nicht verloren gegangen, sondern wiederhergestellt worden. In jedem
Falle aber müsse der bis zum 31. Dezember 2000 unter der Mehrheitsbeteiligung
des X aufgelaufene Verlust, welcher mit Bescheid von 7. Juni 2002 auf 155.900 DM
festgestellt worden sei, Berücksichtigung finden.
Die Klägerin beantragt, den Bescheid über die gesonderte Feststellung des
verbleibenden Verlustvortrages zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember
2003 vom 8. April 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Oktober
2005 mit der Maßgabe zu ändern, dass der verbleibende Verlustvortrag nach
Abzug des Einkommens aus 2003 in Höhe von 24.145 Euro auf 97.203 Euro
festgestellt wird.
Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.
Ein Anspruch auf Verlustabzug bestehe nicht, weil die wirtschaftliche Identität der
Klägerin verloren gegangen sei. Die wirtschaftliche Identität einer Körperschaft
werde in erster Linie durch ihren Unternehmensgegenstand und das verfügbare
Betriebsvermögen bestimmt. Der Wechsel der Beteiligungsverhältnisse stelle
lediglich ein Ergänzungskriterium dar. Auch die hierzu aufgestellten gesetzlichen
Voraussetzungen seien erfüllt. Es komme allein auf die Übertragung einer
Mehrheit der Anteile an. Unbeachtlich sei, von wem diese Anteile erworben worden
seien und welche Stellung der Erwerber zuvor in der Gesellschaft gehabt habe. Der
Klägerin stehe auch kein Anspruch auf anteilige Berücksichtigung der unter der
früheren Mehrheitsbeteiligung des X im Zeitraum bis Mai 2001 aufgelaufenen
Verluste zu. Der Verlust sei allein der Körperschaft zuzurechnen. Ein späteres
Wiederaufleben von Altverlusten nach Wiederherstellung der früheren
Mehrheitsverhältnisse sehe das Gesetz nicht vor.
Das Gericht hat auf Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens bis zum
Abschluss des beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängigen
Vorlageverfahrens 1 BvL 8/06 (nach interner Abgabe: 2 BvL 61/06) angeordnet
(Beschluss vom 20. Dezember 2005). Das Verfahren ist nach Erledigung des
Vorlageverfahrens fortgeführt worden (Beschluss vom 5. Januar 2009).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das
Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 4. Juni 2009 verwiesen.
Die steuerlichen Vorgänge sind beigezogen worden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Klägerin steht kein Anspruch auf Vortrag der bis zum 31. Dezember 2002
aufgelaufenen und festgestellten Verluste gemäß § 8 Abs. 4 KStG zu, weil ihre
wirtschaftliche Identität durch Umstrukturierung des Geschäftsbetriebs und
Ausscheiden des Y aus der Gesellschaft im Wege der Anteilsübertragung auf X mit
Vertrag vom 22. Januar 2003 entfallen ist.
Nach § 8 Abs. 4 KStG ist Voraussetzung für den Abzug von Verlusten nach § 10 d
Einkommensteuergesetz (EStG) bei einer Körperschaft, dass sie nicht nur
rechtlich, sondern auch wirtschaftlich mit der Körperschaft identisch ist, die den
Verlust erlitten hat. § 8 Abs. 4 KStG definiert die "wirtschaftliche Identität" einer
Körperschaft nicht, sondern bestimmt in Satz 2 lediglich beispielhaft
("insbesondere"; vgl. die BFH-Urteile vom 13. August 1997 I R 89/96, BStBl II 1997,
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("insbesondere"; vgl. die BFH-Urteile vom 13. August 1997 I R 89/96, BStBl II 1997,
829 und vom 8. August 2001 I R 29/00, BStBl II 2002, 392), wann eine
wirtschaftliche Identität nicht mehr gegeben ist. Die Vorschrift setzt damit aber
zugleich mittelbar einen Maßstab für die unter Satz 1 der Vorschrift zu fassenden
Sachverhalte. Sie müssen Voraussetzungen erfüllen, die mit den in Satz 2
genannten wirtschaftlich vergleichbar sind.
Nach dem Regelbeispiel in § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1996 i.d.F. bis zur Änderung
durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform
vom 29. Oktober 1997 (KStG 1996 a.F.) fehlt einer Kapitalgesellschaft die
wirtschaftliche Identität, wenn – erstens – bezogen auf das gezeichnete Kapital
mehr als 75% der Geschäftsanteile übertragen werden, – zweitens – überwiegend
neues Betriebsvermögen zugeführt und – drittens – der Geschäftsbetrieb mit
diesem neuen Betriebsvermögen wieder aufgenommen wird. Durch § 8 Abs. 4
Satz 2 KStG 1996 n.F. sind diese Voraussetzungen in zwei Punkten verschärft
worden: Die wirtschaftliche Identität fehlt danach bereits dann, wenn mehr als 50%
der Geschäftsanteile übertragen werden und wenn der Geschäftsbetrieb mit dem
überwiegend neuen Betriebsvermögen fortgeführt wird.
Im Streitfall sind beide Tatbestandmerkmale des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG in der
Fassung des Streitjahres erfüllt. Es sind in 2003 mehr als 50% der Anteile
übertragen worden. Der neue Alleingesellschafter X führte die Gesellschaft
unstreitig auch mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fort. Das von der
Rechtsprechung ergänzend aufgestellte Kriterium des sachlichen und zeitlichen
Zusammenhangs (vgl. hierzu BFH, Urteil vom 14. März 2006 I R 8/05, BStBl II
2007, 602) ist ebenfalls gegeben. Die Anteilsübertragung auf X und die Zuführung
des neuen Betriebsvermögens stehen in engem zeitlichen und sachlichen
Zusammenhang zur Umstrukturierung des Geschäftsbetriebs der Klägerin von
einem Einzelhandel mit Unterhaltungselektronik zu einer Videothek mit
Vermittlung von Internetverkäufen.
Eine andere Beurteilung ist hier auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil der
Anteilserwerber X kein Neugesellschafter ist, sondern bereits zuvor an der Klägerin
beteiligt war und dies bis auf eine Unterbrechung von ca. 1 ½ Jahren sogar als
deren Mehrheitsgesellschafter.
Der Wortlaut des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG unterscheidet nicht zwischen einer
Anteilsübertragung auf Neugesellschafter und einer Aufstockung von Anteilen
durch Altgesellschafter. Allerdings wird in den Gesetzesmaterialien zu § 8 Abs. 4
KStG ausdrücklich auf das Ziel der Unterbindung einer Veräußerung von
Verlustvorträgen an neue Gesellschafter abgestellt. Der Gesetzgeber reagierte auf
eine geänderte Rechtsprechung des BFH. Der BFH hatte zuvor durch Urteile vom
29. Oktober 1986, BStBl II 1987, 308 und 310 entschieden, dass bei einer
Kapitalgesellschaft Verlustabzüge aus der Zeit vor einem grundlegenden
Gesellschafterwechsel auch dann nicht versagt werden könnten, wenn die
Kapitalgesellschaft ihre bisherigen Vermögenswerte im Wesentlichen verloren hat
und durch Zuführung von Mitteln der neuen Gesellschafter wirtschaftlich
wiederbelebt wird. Diese Rechtsprechung hätte nach Auffassung des Gesetzgebers
die rechtspolitisch unerwünschte Folge gehabt, dass Verlustvorträge z.B. durch
Mantelkauf hätten veräußert werden können. Dies sollte durch die Neuregelung
verhindert werden (vgl. Bundestagsdrucksache 11/2157, Seite 171). Der
Gesetzgeber führt insoweit wörtlich aus:
„Die Regelung [§ 8 Abs. 4 Satz 2 KStG a.F.] geht davon aus, dass die
wirtschaftliche Identität dann nicht mehr vorliegt, wenn mehr als drei Viertel der
Anteile an einer Kapitalgesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen und die
Gesellschaft danach mit überwiegend neuen Betriebsvermögen wieder
aufnimmt“.
§ 8 Abs. 4 Satz 2 KStG ist dann in der Folgezeit weiter verschärft worden, indem
u.a. die 75% Schwelle auf eine 50% Schwelle herabgesetzt wurde.
Im Streitfall ist der vom Gesetzgeber ausdrücklich angesprochene Fall des
Mantelkaufs durch neue Gesellschafter zwar nicht gegeben. Umgekehrt bestehen
jedoch keine zureichenden Anhaltspunkte dafür, dass es dem Gesetzgeber
ausschließlich um den Gesichtspunkt der Missbrauchsverhinderung in Gestalt der
Veräußerung von Verlustvorträgen an Neugesellschafter gegangen ist. Der
objektive Regelungsgehalt des § 8 Abs. 4 KStG erschöpft sich nicht auf eine solche
Fallgestaltung. Er stellt vielmehr eine typisierende Regelung dar, welche über den
Missbrauchsgedanken hinaus konkrete sachliche Voraussetzungen für die
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Missbrauchsgedanken hinaus konkrete sachliche Voraussetzungen für die
Gewährung des Verlustabzugs aufstellt. Das BMF-Schreiben zur Anwendung des §
8 Abs. 4 KStG vom 16. April 1999 (BStBl I 1999, 455, Rz. 5) sowie die
Kommentarliteratur gehen denn auch unter Hinweis auf den Regelungswortlaut
übereinstimmend davon aus, dass Erwerber der Anteile sowohl neue als auch
bereits beteiligte Gesellschafter sein können (Dötsch in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt,
KStG, § 8 Abs. 4 Rn. 55; Lang in Ernst/Young, KStG, § 8 Rn. 1265;
Mössner/Seeger/Janssen, KStG, § 8 Rn. 1130).
Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass X bereits in der
Vergangenheit, nämlich bis zum 17. Mai 2001 ihr Mehrheitsgesellschafter war.
Zwar beinhaltet die Übertragung sämtlicher Anteile auf X durch Vertrag vom 22.
Januar 2003 mittelbar auch eine Rückübertragung des von ihm zuvor auf Y
übertragenen Anteils über nominal 21.000 DM. Dies ändert jedoch nichts daran,
dass die gesetzlich aufgestellten Voraussetzungen für den Erhalt des
Verlustvortrags entfallen sind. Auch die Rückübertragung desselben Anteils führt
nicht dazu, dass die frühere Übertragung bei der Anwendung des § 8 Abs. 4 KStG
unberücksichtigt bleibt (vgl. Engers, BB 2006, 743, 746 unter Ziffer 5). Für eine
solche Betrachtungsweise fehlen zureichende gesetzliche Anknüpfungspunkte.
Zwar ist unbestritten, dass bei der Anwendung des § 8 Abs. 4 KStG nicht allein auf
isolierte Übertragungsakte abzustellen ist, weil die Vorschrift ansonsten durch
Aufteilung eines Gesellschafterwechsels in mehrere Übertragungsvorgänge leicht
zu umgehen wäre. Hieraus kann jedoch nicht im Umkehrschluss geschlossen
werden, dass einzelne Übertragungsakte im Falle der späteren Rückabwicklung
nicht zu berücksichtigen wären. Bei der Rückabwicklungsvariante ist eine
Gesetzesumgehung von vornherein ausgeschlossen, so dass es angesichts des
insoweit klaren und eindeutigen Wortlauts des § 8 Abs. 4 KStG an einer normativen
Grundlage für eine zusammenfassende Betrachtung von Erst- und
Rückübertragung fehlt. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die (teilweise)
Rückübertragung nicht mit der Zielsetzung der Wiederherstellung der
ursprünglichen Gesellschafter- und Unternehmensstruktur erfolgte, sondern
maßgeblich auf dem Gesichtspunkt beruhte, dass der neue Alleingesellschafter X
die Klägerin mit einem neuen Geschäftskonzept auf eigenes Risiko fortführen
wollte.
Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Vortrag des bis zum 31. Dezember
2000 unter der Mehrheitsbeteiligung des X aufgelaufenen Verlusts in Höhe von
155.900 DM zu. Zwar ist in diesem Umfang der Verlust von einem jeweils
identischen Mehrheitsgesellschafter erlitten worden, so dass von einer
missbräuchlichen Veräußerung von Verlusten keine Rede sein kann. Dieser
Gesichtspunkt rechtfertigt jedoch keine anteilige Verlustanerkennung. Die
Rechtsfolge des § 8 Abs. 4 KStG besteht in der vollständigen Anerkennung oder
Versagung des Vortrags von Altverlusten. Eine differenzierte Betrachtungsweise
mit einem Bestandsschutz für Rückabwicklungsvorgänge ist nicht vorgesehen.
Dies ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, weil die Vorschrift eine
typisierende Regelung beinhaltet, die über den reinen Missbrauchsgedanken
hinausgeht. Hinzu kommt, dass § 8 Abs. 4 KStG neben der Gesellschafteridentität
auch auf den Gesichtspunkt der wesentlichen Identität im Betriebsvermögen
abstellt. Diese ist hier jedoch infolge der geschäftlichen Neuausrichtung der
Klägerin mit überwiegend neuem Betriebsvermögen nicht mehr gegeben. Deshalb
und weil die vorübergehende Reduzierung der früheren Mehrheitsbeteiligung des X
auf einer frei gestaltbaren privatautonomen Entscheidung beruhte, wird die
Klägerin auch nicht in unzumutbarer Weise steuerlich belastet.
Nach allem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) abzuweisen.
Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.