Urteil des FG Schleswig-Holstein vom 13.03.2017

FG Schleswig-Holstein: stille reserven, gewerbesteuer, verpachtung, niedersachsen, produktion, vermietung, mieter, handelsregister, nummer, steuerpflicht

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Finanzgericht 5.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2000
Aktenzeichen:
5 K 216/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 16 EStG 1997, § 34 EStG
1997, § 5 GewStG 1999, § 7
GewStG 1999
Veräußerung eines Geschäftsbereichs keine
einkommensteuerlich begünstigte (Teil-
)Betriebsveräußerung
Tatbestand
Streitig ist, ob der Gewinn aus der Übertragung der Wirtschaftsgüter eines
Produktionsbetriebes als Gewerbeertrag gemäß § 7 Gewerbesteuergesetz
(GewStG ) zu erfassen ist.
Die klagende Kommanditgesellschaft firmierte in der Zeit von 1976 bis 2000 als X
GmbH & Co KG, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts ...
(Niedersachsen) unter der Nummer HRA .... Mit Vertrag vom 1. März 2000
veräußerte sie die zu ihrem “Geschäftsbereich Antriebstechnik” gehörenden
Wirtschaftsgüter mit Wirkung zum 1. Januar 2000 an die ... GmbH (nachfolgend
Erwerber) in ... (Niedersachsen). Von der Veräußerung ausgenommen wurden das
Betriebsgrundstück, die Gesellschafterdarlehen sowie die Rückstellungen für noch
nicht veranlagte Steuern vom Einkommen und Ertrag. Das Betriebsgrundstück
verpachtete die Klägerin ab dem 1. Januar 2000 an den Erwerber, welcher die
bisherige Produktion fortsetzte. Wegen der näheren Einzelheiten des
Vertragsinhalts wird auf die zu den Akten gereichte Vertragskopie verwiesen.
Nach Abschluss des Veräußerungsvorgangs beschränkte die Klägerin ihre Tätigkeit
auf die Verpachtung und Verwaltung des eigenen Grundbesitzes, änderte ihre
Firma wie aus dem Rubrum ersichtlich und verlegte ihren Sitz nach N. Seit dem 6.
Juni 2000 ist sie im Handelsregister des Amtsgerichts ... (Schleswig-Holstein) unter
der Nummer HRA ... eingetragen. In ihrer Feststellungserklärung sowie der
Gewerbesteuererklärung für das Jahr 2000 erklärte sie gewerbliche Einkünfte aus
Immobilienverpachtung in Höhe von ... DM sowie einen steuerbegünstigten
Veräußerungsgewinn in Höhe von mehreren Mill. DM. Mit Schreiben vom 7.
Februar und vom 22. März 2002 teilte der Beklagte - das Finanzamt (FA) - der
Klägerin mit, der Veräußerungsgewinn sei nicht tarifbegünstigt und damit auch
nicht vom Gewerbeertrag auszunehmen, weil nicht alle wesentlichen
Betriebsgrundlagen veräußert worden seien. Von der Veräußerung eines
Teilbetriebes könne ebenfalls keine Rede sein, weil kein selbständiger
Produktionszweig, sondern der gesamte bisherige Produktionsbetrieb übertragen
worden sei und sich die Gesellschaft fortan allein auf die Verpachtung des früheren
Betriebsgrundstücks in ... (Niedersachsen) beschränke.
Mit Bescheid vom 12. April 2002 stellte das FA den Gewerbesteuer-Messbetrag für
2000 auf ... € fest, wobei es den erklärten “Veräußerungsgewinn” als laufenden
Gewerbeertrag erfasste. Der Bescheid erging gemäß § 164 Abs. 1 der
Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Hiergegen erhob die
Klägerin am 10. Mai 2002 Einspruch. Am 11. Dezember 2002 erließ das FA einen
gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten Steuerbescheid, in welchem es den
Gewerbesteuer-Messbetrag 2000 nach Ansatz einer Gewerbesteuerrückstellung
auf ... € herabsetzte. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb aufrechterhalten. Nach
weiterer Überprüfung gelangte das FA zu der Überzeugung, dass die
Gewerbsteuerrückstellung zu erhöhen sei und stellte den
Gewerbesteuermessbetrag für 2000 mit Einspruchsentscheidung vom 10. Juli 2003
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Gewerbesteuermessbetrag für 2000 mit Einspruchsentscheidung vom 10. Juli 2003
unter Aufrechterhaltung des Vorbehalts der Nachprüfung auf ... € fest. Den
weitergehenden Einspruch wies es zurück.
Mit ihrer am 31. Juli 2003 erhobenen Klage macht die Klägerin im Wesentlichen
geltend:
Die Übertragung der Wirtschaftsgüter sei als steuerbegünstigte (Teil-)
Betriebsveräußerung zu qualifizieren. Der Veräußerungsgewinn sei deshalb vom
Gewerbeertrag auszunehmen. Bei der erforderlichen wirtschaftlichen Betrachtung
sei davon auszugehen, dass der gesamte Produktionsbetrieb auf den Erwerber
übergegangen sei. Der Zurückbehalt des (formalen) Eigentums am
Betriebsgrundstück rechtfertige keine andere Beurteilung, weil die Verpachtung
des Grundstücks parallel zum Abschluss des Kaufvertrages erfolgt sei. Sie sei
wesentlicher Bestandteil des Geschäfts gewesen. Der Erwerber habe aufgrund der
gesamten Vertragsgestaltung die Produktion ohne zusätzliche Investitionen
nahtlos fortsetzen können. Zumindest sei hier von einer steuerbegünstigten
Teilbetriebsveräußerung auszugehen. Die Klägerin sei bereits vor Abschluss des
Kaufvertrages in zwei Teilbetriebe gegliedert gewesen, nämlich in den
Produktionsbetrieb Antriebstechnik und den Teilbetrieb Grundstücksverwaltung
und -Verpachtung. So seien von der Klägerin neben der bekannten Eigennutzung
des Betriebsgrundstücks in ... (Niedersachsen) auch einzelne Teile
(Verwaltungsgebäude, Freiflächen und Lagerhallen) verpachtet gewesen, und zwar
an die X Projektierungs- und Vertriebsconsulting GmbH (AG ... -Niedersachsen-
HRB ... - ab 15. Juli 1992 bis zur Veräußerung des Produktionsbetriebes) und an die
X Befestigungselemente GmbH (AG ... -Niedersachsen- HRB ... - ab dem 10.
Dezember 1996 bis zur Veräußerung des Produktionsbetriebes). Unabhängig von
der einkommensteuerlichen Beurteilung sei der Übertragungsgewinn aber auch
aufgrund des Normzwecks des § 7 GewStG außer acht zu lassen. Die
Gewerbeertragsteuer sei eine Objektsteuer, welche an das Ergebnis des lebenden
Betriebes anknüpfe. Mit dieser Zielsetzung sei die Besteuerung des Gewinns aus
der endgültigen Übertragung/ Einstellung eines Produktionsbetriebes unvereinbar.
Die Klägerin beantragt, den Gewerbesteuer-Messbetrag 2000 auf der Grundlage
der Angaben in der Gewerbesteuererklärung ohne Ansatz des
Veräußerungsgewinns zu ermitteln und den geänderten Bescheid über den
Gewerbesteuer-Messbetrag 2000 vom 11. Dezember 2000 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 10. Juli 2003 entsprechend zu ändern.
Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.
Es hält an den Gründen seiner Einspruchsentscheidung fest und führt ergänzend
aus, die Klägerin habe keinen organisatorisch verselbständigten Teilbetrieb,
sondern - mit Ausnahme des Betriebsgrundstücks - ihren gesamten
Produktionsbetrieb veräußert. Ein Teilbetrieb gewerbliche Verpachtung habe vor
der Veräußerung nicht bestanden. Das Betriebsgrundstück sei bis zuletzt in das
Gesamtunternehmen integriert gewesen und habe als wesentliche
Betriebsgrundlage dieses - einheitlichen - Betriebes fungiert. Soweit die Klägerin
möglicherweise einzelne auf dem Betriebsgrundstück belegene Flächen und /oder
Gebäudeteile verpachtet habe, rechtfertige dies nicht die Annahme eines
selbständigen Teilbetriebes. Eine anderweitige Beurteilung sei hier auch nicht
aufgrund des Normzwecks des § 7 GewStG gerechtfertigt, weil die Klägerin ihre
gewerbliche Betätigung nicht aufgegeben habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das
Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28. März 2006 verwiesen. Die
steuerlichen Vorgänge sind beigezogen worden.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klage ist zulässig. Die Klageschrift wurde von den Geschäftsführern der
Komplementär-GmbH unterzeichnet. Sie haben die Klage auch ausdrücklich im
Namen der Klägerin erhoben.
Die Klage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der angefochtene
Gewerbesteuer-Messbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in
ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
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Das FA hat den Veräußerungsgewinn zu Recht als Gewerbeertrag erfasst. Der
Veräußerungsvorgang ist weder als Betriebsaufgabe noch als Teilbetriebsaufgabe
im Sinne der §§ 16 Abs. 1 Nr. 1, 34 EStG zu qualifizieren. Der hieraus erzielte
Gewinn ist auch nicht aufgrund des Normzwecks des § 7 GewStG von der
Ermittlung des Gewerbeertrages auszunehmen.
Die steuerbegünstigte Aufgabe eines Betriebes nach den §§ 16 Abs. 1, 34 EStG
setzt voraus, dass alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen
Vorgang aufgegeben werden. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, weil die
Klägerin die in dem früheren Betriebsgrundstück steckenden stillen Reserven nicht
auflöste. Die Klägerin kann sich in dieser Frage auch nicht mit Erfolg auf eine
wirtschaftliche und/oder funktionale Betrachtung berufen. Es mag durchaus sein,
dass der Erwerber auf Grund des parallel abgeschlossenen Pachtvertrages über
das Betriebsgrundstück die Produktion von der Klägerin im Wesentlichen
unverändert übernommen hat. Hierauf kommt es jedoch nicht an, denn der Begriff
der wesentlichen Betriebsgrundlagen ist bei der Anwendung des § 16 EStG anders
auszulegen, als im Rahmen der übrigen Vorschriften und Rechtsinstitute. Hierunter
fallen auch solche Wirtschaftsgüter, die zwar funktional für den Betrieb nicht von
besonderer Bedeutung oder gar ohne Bedeutung sind, in denen aber - wie hier -
erhebliche stille Reserven gebunden sind (BFH, Urteile vom 2. Oktober 1997 IV R
84/96, BStBl II 1998, 104 und vom 5. Juni 2003 IV R 18/02, BStBl II 2003, 838).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des BFH vom 4. Juli 2002 V R
10/01, BStBl II 2004, 662, denn die vorgenannte Entscheidung bezieht sich allein
auf eine Geschäftsveräußerung im Sinne des § 1 Abs. 1 a Umsatzsteuergesetz. In
der Entscheidung ist ausdrücklich klargestellt, dass der Begriff der wesentlichen
Betriebsgrundlagen normspezifisch auszulegen ist. Die Urteilserwägungen sind
deshalb für die ertragssteuerliche Beurteilung irrelevant.
Eine steuerbegünstigte Teilbetriebsaufgabe liegt ebenfalls nicht vor. Ein Teilbetrieb
im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist ein organisatorisch geschlossener, mit
einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter Teil eines Gesamtbetriebes, der -
für sich betrachtet - alle Merkmale eines Betriebes im Sinne des EStG aufweist und
als solcher lebensfähig ist. Ob ein Betriebsteil die für die Annahme eines
Teilbetriebes erforderliche Selbständigkeit besitzt, ist nach dem Gesamtbild der
Verhältnisse zu entscheiden. Den Abgrenzungsmerkmalen, z.B. räumliche
Trennung vom Hauptbetrieb, gesonderte Buchführung, eigenes Personal, eigene
Verwaltung, selbständige Organisation, eigenes Anlagevermögen, ungleichartige
betriebliche Tätigkeit, eigener Kundenstamm, kommt, je nachdem, ob es sich um
einen Fertigungs-, Handels- oder Dienstleistungsbetrieb handelt, unterschiedliches
Gewicht zu (BFH, BStBl II 2003, 838).
Zur näheren Prüfung dieser Voraussetzungen hat das Gericht der Klägerseite mit
Verfügung vom 9. März 2005 aufgegeben, etwaige sonstige neben dem
“Geschäftsbereich Antriebstechnik” verfolgte organisatorisch selbständige
Tätigkeiten darzulegen.
Hierzu hat die Klägerseite jedoch nichts Entscheidungserhebliches vortragen
können, was zu ihren Lasten zu gehen hat. Allein die Tatsache, dass sie vor der
Veräußerung der Größe nach nicht näher bezeichnete Teile ihres ...er
(Niedersachsener) Betriebsgrundstücks vermietete, reicht für die Annahme eines
verselbständigten Teilbetriebes “Grundstücksverwaltung und -Verpachtung” nicht
aus. Die Mieter waren ausweislich der Vorbemerkung zum Kaufvertrag vom 1.
März 2000 mit der Klägerin wirtschaftlich verbunden und traten deshalb als
Mitverkäufer auf. Der Aufbau eines Produktions- und/oder Vertriebsverbundes lässt
jedoch nicht ohne weiteres den Schluss auf einen in Ansehung der Mietaktivitäten
verselbständigten Teilbetrieb zu, zumal die Vermietung auch der Unterstützung
der eigenen Produktion bzw. der Unterstützung des eigenen Absatzes dienen
kann. Der Umstand, dass die Wirtschaftsgüter der Mieter zusammen mit dem
Produktionsbetrieb der Klägerin in gleicher Vertragsurkunde veräußert wurden,
deutet denn auch auf eine unselbständige Funktion der Mietaktivitäten hin. Dies
wird auch dadurch unterstrichen, dass das von der Klägerin selbstgenutzte
Betriebsgrundstück nicht einem gesonderten Geschäftsbereich, sondern
unmittelbar dem Produktionsbetrieb selbst zugeordnet war. Ein schon vor der
Veräußerung unterhaltener eigenständiger, von der Produktionsaufgabe
organisatorisch getrennter Geschäftszweig “Vermietung und Verpachtung” ist
deshalb nicht erkennbar. Unabhängig davon bestünde auch kein Zusammenhang
zur jetzigen Vermietungsaufgabe, weil sich diese nunmehr auf das gesamte
Betriebsgrundstück erstreckt und damit nach Art und Umfang deutlich von der
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Betriebsgrundstück erstreckt und damit nach Art und Umfang deutlich von der
Altvermietung unterscheidet.
Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf den Objektcharakter der
Gewerbesteuer berufen. Zwar knüpft die Gewerbesteuer an das Ergebnis des
lebenden Betriebes an, so dass Veräußerungsgewinne - unabhängig von ihrer
einkommensteuerlichen Beurteilung - bei der Ermittlung des Gewerbeertrages
grundsätzlich auszuscheiden sind. Dies gilt jedoch nur dann, wenn mit dem
Abschluss des Übertragungsvorgangs die gewerbliche Tätigkeit insgesamt
aufgegeben wird. (BFH, Urteile vom 3. Februar 1994 III R 23/89, BStBl II 1994, 709
und vom 24. August 2000 IV R 51/98, BStBl II 2005, 173). Zur Prüfung dieser Frage
ist allein darauf abzustellen, ob als Folge der Veräußerung die persönliche
Steuerpflicht des Betriebsinhabers i.S. von § 5 GewStG weggefallen ist oder
weiterhin besteht (BFH, BStBl II 1994, 709 unter Ziffer 1 b der
Entscheidungsgründe). Im vorliegenden Falle ist die persönliche Steuerpflicht der
Klägerin gemäß § 5 GewStG nicht entfallen, weil sie ungeachtet ihrer
Umstrukturierung weiterhin gewerblich tätig ist und demzufolge unverändert der
Gewerbesteuerpflicht unterliegt. Die im Schriftsatz vom 22. März 2006
aufgeführten Erwägungen zur Vergleichbarkeit mit der im Fall BFH, BStBl II 1994,
709 realisierten Sachverhaltsgestaltung treffen nicht zu: Der dortige Kläger hatte
seine gewerbliche Tätigkeit als Einzelunternehmer endgültig eingestellt, so dass
seine persönliche Gewerbesteuerpflicht als Einzelunternehmer erloschen war.
Hieran änderte auch seine Beteiligung an der Erwerber-GmbH als atypischer stiller
Gesellschafter nichts, weil subjektiv gewerbesteuerpflichtig nur die GmbH als
Inhaberin des Handelsgewerbes ist. Im vorliegenden Fall ist jedoch die persönliche
Gewerbesteuerpflicht der Klägerin zu keiner Zeit entfallen.
Dass der Gewerbesteuer-Messbetrag aus sonstigen Gründen unzutreffend
ermittelt worden wäre, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Nach allem ist
die Klage mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen. Gründe für die
Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO sind nicht ersichtlich. Das Urteil
folgt der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung und beruht im Übrigen
auf der Würdigung der tatsächlichen Umstände eines Einzelfalls.