Urteil des FG Saarland vom 26.06.2008

FG Saarbrücken: nicht beteiligte person, form, erlass, einspruch, zustellung, generalvollmacht, vollmachten, interessenkollision, versicherung, anteil

FG Saarbrücken Urteil vom 26.6.2008, 1 K 1454/07
Anwendung des § 41 AO bei Verträgen unter nahen Angehörigen
Leitsätze
Behauptet ein ehemaliger Kommanditist, der seine Anteile durch notariellen Vertrag
veräußert hat, er sei nach wie vor Mitunternehmer, weil der Vertrag unwirksam sei, so ist
er an den Einkunftsfestellungen der Gesellschaft jedenfalls so lange nicht zu beteiligen, wie
ihn die übrigen Gesellschafter als nicht mehr zur Gesellschaft gehörig behandeln und er
selbst die Unwirksamkeit des Vertrages nicht zivilrechtlich feststellen lässt, um seine
Gesellschafterstellung auszuüben.
Tatbestand
Die Klägerin war zusammen mit ihrem Bruder „Grundstücksgemeinschaft X GbR“ – GbR - .
Die GbR ist im Dezember 1998 auf die Grundstücksgesellschaft X GmbH & Co KG – KG –
übergegangen. Die Klägerin war Kommanditistin der KG. Am 2. März 2000 wurde ein
Vertrag über den Verkauf ihres Kommanditanteils geschlossen. Die Klägerin bestreitet die
Wirksamkeit des Vertrages vom 2. März 2000.
Der Bruder der Klägerin wurde dem Beklagten als Zustellungs- und
Empfangsbevollmächtigter der GbR benannt. Die Benennung beruhte auf der Abschrift der
vor dem Notar Y erteilten Generalvollmacht vom 23. Dezember 1998. Am 6. September
2001 wurde die Generalvollmacht durch Rückgabe der Vollmachtsurkunde widerrufen. Der
Widerruf wurde dem Beklagten im Rahmen einer Betriebsprüfung am 8. November 2006
mitgeteilt. Im Anschluss an diese Betriebsprüfung bei der KG erließ der Beklagte am 7.
März 2007 Änderungsbescheide zu den Feststellungsbescheiden 1999 und 2000 vom 9.
Juli 2002 und vom 1. Juni 2004. Dagegen legte die Klägerin im eigenen Namen Einsprüche
ein und erhob gegen die abweisenden Einspruchsentscheidungen Klage. Der Senat hat die
Klagen (1 K 1455 – 1458/07) durch Urteile vom 18. März 2008 als unzulässig
abgewiesen.
Mit Schriftsätzen vom 3. April 2007 hat die Klägerin den Beklagten wegen der Feststellung
von Besteuerungsgrundlagen für 2001 bis 2006 darauf hingewiesen, dass sie den
Kaufvertrag vom 2. März 2000 für unwirksam halte. Des weiteren hat sie in diesen
Schreiben ausgeführt (Bl. 135 ff. Rbh):
"Als Gesellschafterin und Komplementärin der obigen KG beantrage ich den Erlass eines
Bescheides für 2001 (bzw. 2002-2006) über die gesonderte und einheitliche Feststellung
von Besteuerungsgrundlagen."
Mit Schriftsatz vom 19. April 2007 hat die Klägerin ihre Auffassung noch einmal ausführlich
dargelegt und am Ende des Schriftsatzes ausgeführt:
"Wegen dieser eindeutigen Sach - und Rechtslage kann nicht der geringste Zweifel daran
bestehen, dass ich nach wie vor Gesellschafterin der KG bin und bei den steuerlichen
Veranlagungen beteiligt werden muss und somit einen Anspruch auf einen Bescheid für die
einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte für die Jahre 2001 bis 2006 zu Recht
besitze."
Durch den mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid vom Ziffer 23. April
2007 hat der Beklagte die Klägerin wie folgt beschieden:
"Ihr Antrag auf Zustellung der Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung
von Besteuerungsgrundlagen der Firma Grundstücksgesellschaft X GmbH & Co KG für die
Kalenderjahre 2001 bis 2006 wird abgelehnt."
Am 24. April 2007 hat die Klägerin hiergegen Einspruch eingelegt und beantragt, "unter
Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, die beantragten Bescheide für 2001 bis 2007
entsprechend den tatsächlich materiell-rechtlichen Verhältnissen unter Beachtung der
gesetzlichen Vorschriften zu erteilen."
Durch Entscheidung vom 19. Juli 2007 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet
zurück, da die Klägerin als an der Feststellung nicht beteiligte Person weder Anspruch auf
Erlass, noch auf Zustellung der Feststellungsbescheide habe.
Am 20. August 2007 erhob die Klägerin Klage. Die Klage erfolgte „rein vorsorglich zur
Fristwahrung“. Nachdem die Klägerin der Aufforderung, ihre Klage zu begründen, nicht
nachgekommen ist, ist sie unter Fristsetzung nach § 79b FGO bis zum 30. November
2007 mit entsprechender Belehrung aufgefordert worden, die Tatsachen zu benennen,
durch die sie sich beschwert fühle. Die Klägerin hat hierauf innerhalb der Frist nicht
reagiert.
Durch Gerichtsbescheid vom 31. März 2008 – zugestellt am 5. April 2008 - hat der Senat
die Klage als unzulässig abgewiesen. Am 30. April 2008 hat die Klägerin Antrag auf
mündliche Verhandlung gestellt und um Mitteilung gebeten, wann die Behördenakten zur
Einsicht vorliegen. Diese Mitteilung erging am 30. Mai 2008.
Durch Beschluss vom 3. Juni 2008 wurden die KG und deren Mitunternehmer zum
Verfahren beigeladen.
In der mündlichen Verhandlung vom 26. Juni 2008 stellte die Klägerin den Antrag, unter
Aufhebung des negativen Feststellungsbescheides vom 23. April 2007 in Form der
Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2007 den Beklagten zu verpflichten, die Klägerin –
auch nach Abschluss des Vertrages vom 2. März 2000 – in den einheitlichen und
gesonderten Einkunftsfeststellungen der Grundstücksgemeinschaft X GbR für 2001 bis
2006 nach wie vor als Gesellschafterin (Mitunternehmerin) zu berücksichtigen.
Der Vertrag vom 2. März 2000 sei aus mehreren Gründen nichtig und rückabzuwickeln.
Die Vollmacht, die die Beigeladenen ihrem Prozessvertreter erteilt hätten, sei wegen
Interessenkollision unwirksam. Zur Zeit seien keine zivilrechtlichen Klagen auf Feststellung
der Unwirksamkeit des Kaufvertrages vom 2. März 2000 anhängig.
Der Beklagte beantragte, die Klage als unbegründet abzuweisen.
Die Beigeladenen wenden sich gegen den Vortrag der Klägerin und beantragten ebenfalls,
die Klage als unbegründet abzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die beigezogenen
Akten des Beklagten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig aber unbegründet. Der Beklagte hat
die Klägerin zu Recht nicht bei den einheitlichen und gesonderten Einkunftsfeststellungen
der GbR bzw der KG der Jahre 2001 bis 2006 berücksichtigt.
1.
Besteuerung unerheblich, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis
dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten oder bestehen lassen (§ 41 Abs. 1 AO). Die
Vorschrift wird von der Rechtsprechung bei Verträgen unter nahen Angehörigen nur
eingeschränkt angewandt, wenn das „Bestehen lassen“ der unwirksam vereinbarten
Rechtsgeschäfte gerade auf dem Interessengleichlauf der nahen Angehörigen beruht (s.
z.B. BFH Urteil vom 13. Juli 1999 VIII R 29/97, BStBl. II 2000, 387 m.w.N.; s. auch Kruse in
Tipke/Kruse, Kommentar zur AO/FGO, § 41 AO, Rdn. 28 ff.).
2.
2000 ihre gegenseitigen Interessen nach Form und Inhalt des Vertrages wie fremde Dritte
wahrgenommen. Auch die derzeitige Diskussion um die Wirksamkeit dieses Vertrages ist
nicht Ausdruck übereinstimmender Interessen, wie sie unter verwandten Personen
gegenüber dem Finanzamt nicht selten anzutreffen ist. Vorliegend werden unter den
Geschwistern die gegenseitigen Interessen mit zumindest gleicher Deutlichkeit
wahrgenommen, wie dies unter fremden Dritten auch der Fall wäre. Deshalb besteht
vorliegend nicht der geringste Anlass, die Anwendung des § 41 AO einzuschränken oder
gar von ihr Abstand zu nehmen.
Hiernach ist festzustellen, dass dem Beklagten der fragliche, von einem Notar beurkundete
Vertrag vom 2. März 2000 und die dementsprechenden Erklärungen zur einheitlichen und
gesonderten Einkunftsfeststellung vorgelegt worden sind. Der Beklagte ist hiernach –
jedenfalls in der hier streitigen Frage der Gesellschaftszugehörigkeit der Klägerin –
dementsprechend verfahren. Die Klägerin wird auch zivilrechtlich – dem Vertrag vom 2.
März 2000 entsprechend - nicht mehr als Gesellschafterin behandelt. Sie nimmt
insbesondere nicht mehr an der Entscheidungen der Gesellschaft und nicht mehr an ihren
Erträgen teil, sondern wird – wie im Vertrag vom 2. März 2000 vereinbart – als eine
Gesellschafterin behandelt, die ihren Anteil veräußert hat und deshalb aus der Gesellschaft
ausgeschieden ist.
Die Klägerin hat zwar die Wirksamkeit des Vertrages in Zweifel gezogen. Sie hat aber keine
bzw. keine erfolgreichen rechtlichen Schritte unternommen, um die von ihr behauptete
Unwirksamkeit des Vertrages feststellen zu lassen. In der mündlichen Verhandlung hat ihr
für sie auftretender Lebensgefährte kundgetan, dass im Augenblick keine zivilrechtlichen
Klagen auf Feststellung der Unwirksamkeit des Kaufvertrages vom 2. März 2000 anhängig
sind. Auch der Aufstellung der zivilrechtlichen Klageverfahren, die die Beigeladenen in der
mündlichen Verhandlung zu den Akten des Gerichts gereicht haben, sind solche nicht zu
entnehmen. Wenn eine derartige Klage künftig noch erfolgen sollte, hat die Klägerin die
Möglichkeit, die sich hieraus ergebenden steuerlichen Konsequenzen nach Maßgabe des §
175 Abs. 1 Nr. 2 AO geltend zu machen. So lange dies aber nicht geschehen ist, bleibt es
auch steuerlich bei der von den Vertragsbeteiligten praktizierten Anwendungsweise des
Vertrages unabhängig von seiner (bestehenden oder nicht bestehenden) zivilrechtlichen
Wirksamkeit.
3.
werden der Klägerin nach § 135 Abs. 1 FGO auferlegt. Da die Beigeladenen durch ihren
Prozessbevollmächtigten Ausführungen zur Sache gemacht und einen eigenen Sachantrag
(mit dem Risiko der Kostenauferlegung) gestellt haben, erschien es dem Senat billig, der
Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen (§ 139 Abs. 4
FGO).
Der Senat hat keine Zweifel an der wirksamen Vollmachterteilung der Beigeladenen.
Wegen der kurzfristig (einen Tag vor der mündlichen Verhandlung) von der Klägerin geltend
gemachten Bedenken hat Herr A nur drei (von 5 Vollmachten) schriftlich vorgelegt. Die
Erteilung der übrigen Vollmachten hat er anwaltlich versichert. Der Beigeladene Z, der
Bruder der Klägerin, hat an der mündlichen Verhandlung persönlich teilgenommen. Von
daher gesehen bestehen keine Bedenken gegen die Richtigkeit dieser Versicherung. Im
übrigen gilt § 62 Abs. 2 S. 6 FGO. Die weitschweifig vorgetragenen Bedenken der Klägerin
gegen die Wirksamkeit der Vollmacht sind insofern nicht nachvollziehbar, als die Situation
des „Parteiverrates“ im anhängigen Verfahren offensichtlich nicht besteht.