Urteil des FG Saarland vom 23.09.2009

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FG Saarbrücken Urteil vom 23.9.2009, 2 K 1393/07
Keine Abzugsfähigkeit der Unterhaltsaufwendungen an die Schwiegertochter als
außergewöhnliche Belastung
Leitsätze
Unterhaltszahlungen eines Steuerpflichtigen an die nicht im gemeinsamen Haushalt
lebende Schwiegertochter sind nicht als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.
Tenor
Unter teilweiser Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2005 vom 27. Dezember
2006 in Form der Einspruchsentscheidung vom 13. Juni 2007 wird dem Beklagten
aufgegeben, die Einkommensteuer 2005 unter Berücksichtigung von Einkünften aus
selbständiger Arbeit von ./. 7.949,93 Euro neu zu berechnen. Im Übrigen wird die Klage als
unbegründet abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Zahlungen an die Schwiegertochter
der Kläger als außergewöhnliche Belastung in den beiden Streitjahren 2004 und 2005
sowie die Erfassung eines dem Kläger entstandenen Verlustes im Rahmen der Einkünfte
aus selbständiger Arbeit.
Die Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielt u.a.
Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Arzt. Aufgrund der eingereichten
Einkommensteuererklärungen erließ der Beklagte am 18. Juli 2006 (für 2004) und am 27.
Dezember 2006 (für 2005) Einkommensteuerbescheide (ESt I, Bl. 212; ESt II, Bl. 95),
gegen die die Kläger am 26. Juli 2006 (für 2004) und 10. Januar 2007 (für 2005)
Einspruch einlegten (Rbh, Bl. 2, 20). Der Einspruch zielte darauf ab, Zahlungen an die
Schwiegertochter der Kläger als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen. Mit
Einspruchsentscheidung vom 13. Juni 2007 wies der Beklagte die Einsprüche als
unbegründet zurück (Bl. 3), nachdem zwischenzeitlich diverse Änderungsbescheide
erlassen worden waren, die jedoch die streitigen Aufwendungen unberücksichtigt ließen.
Am 15. Juni 2007 haben die Kläger Klage erhoben (Bl. 1).
Sie beantragen sinngemäß (Bl. 1, 82), die Einkommensteuerbescheide 2004 und 2005
vom 18. Juli 2006 bzw. 27. Dezember 2006 in Form der Einspruchsentscheidung vom 13.
Juni 2007 insoweit zu ändern, als die in beiden Streitjahren geleisteten Zahlungen an die
Schwiegertochter i.H. von 4.665 bzw. 5.837 Euro als außergewöhnliche Belastung sowie
für 2005 Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit von ./. 7.949,93 Euro
berücksichtigt werden.
Die Kläger machen geltend, die geleisteten Zahlungen an ihre Schwiegertochter stellten
außergewöhnliche Belastungen dar. Zwar bestehe keine Unterhaltspflicht. Indessen leite
sich eine entsprechende Position der Schwiegertochter aus § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG ab,
da die an sie geleisteten Zahlungen zur Sicherung des Lebensunterhalts mit Blick auf die
Zahlungen der Kläger gekürzt worden seien (Bl. 52).
Bei der Einkommensteuerfestsetzung 2005 seien noch negative Einkünfte des Klägers aus
selbständiger Arbeit i.H. von 7.950 Euro zu berücksichtigen. Soweit der Beklagte der
Berücksichtigung zustimme, sei er (anteilig) zur Tragung der Kosten verpflichtet, weil er es
mit zu verantworten habe, dass die ursprünglich beantragte Geltendmachung im Rahmen
des einheitlich und gesonderten Feststellungsverfahrens nicht früher zurückgewiesen
worden sei. Die Ablehnung des Antrags durch das zuständige Finanzamt Homburg
innerhalb der üblichen Frist hätte –diesbezüglich- einen Streit vermieden.
Der Beklagte stellt die Berücksichtigung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit sowohl dem
Grunde als auch der Höhe nach außer Streit (Bl. 100), verwahrt sich indessen gegen die
Kostenlast. Es sei ihm nicht anzulasten, dass die Kläger ursprünglich die Berücksichtigung in
einem Feststellungsverfahren beantragt hätten, obwohl ihnen spätestens nach Abschluss
einem Feststellungsverfahren beantragt hätten, obwohl ihnen spätestens nach Abschluss
des Schiedsverfahrens im Jahre 2006 (Bl. 70) hätte bewusst sein müssen, dass die
Personengesellschaft bereits zum 31. Dezember 2002 beendet worden war.
Im Übrigen beantragt der Beklagte (Bl. 55), die Klage als unbegründet abzuweisen.
Eine Berücksichtigung der Zahlungen an die Schwiegertochter der Kläger als
außergewöhnliche Belastung komme aufgrund der Rechtsprechung des BFH nicht in
Betracht.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen
Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber lediglich hinsichtlich der im Rahmen der Klageerweiterung
beantragten Berücksichtig von negativen Einkünften des Klägers aus selbständiger Arbeit
begründet.
1. Außergewöhnliche Belastung
Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt und eine etwaige
Berufsausbildung einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich
unterhaltsberechtigten Person, so wird nach § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG auf Antrag die
Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 7.680 Euro im
Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Der gesetzlich
unterhaltsberechtigten Person gleichgestellt ist eine Person, wenn bei ihr zum Unterhalt
bestimmte inländische öffentliche Mittel mit Rücksicht auf die Unterhaltsleistungen des
Steuerpflichtigen gekürzt werden (§ 33a Abs. 1 Satz 2 EStG). Voraussetzung ist, dass
weder der Steuerpflichtige noch eine andere Person Anspruch auf einen Freibetrag nach §
32 Abs. 6 EStG oder auf Kindergeld für die unterhaltene Person hat und die unterhaltene
Person kein oder nur ein geringes Vermögen besitzt.
Der BFH legt § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG aufgrund seiner Entstehungsgeschichte, seiner
Stellung im Gesetz sowie des mit der Änderung verfolgten Zwecks einschränkend aus
(BFH vom 23. Oktober 2002 III R 57/99, BStBl II 2003, 187). Unterhaltsleistungen an
gesetzlich nicht Unterhaltsberechtigte sind danach steuerlich nur dann zu berücksichtigen,
wenn der Unterhalt Leistende sich in einer vergleichbaren Zwangslage wie der gesetzlich
zum Unterhalt Verpflichtete befindet.
Da grundsätzlich nur noch aus rechtlichen Gründen zwangsläufige Unterhaltsleistungen
abziehbar sein sollen, ist nach Auffassung des BFH die Regelung dahin auszulegen, dass
"freiwillige" Unterhaltszahlungen steuerlich nur dann wie zivilrechtlich geschuldete
Unterhaltszahlungen zu behandeln sind, wenn für den Unterhalt Leistenden eine
vergleichbare Zwangslage wie bei einem gesetzlich Unterhaltsverpflichteten gegeben ist.
Das ist nur in Fällen anzunehmen, in denen gesetzlich unwiderlegbar vermutet wird, dass
der Unterhalt durch eine andere Person sichergestellt ist und deshalb zum Unterhalt
bestimmte öffentliche Mittel gekürzt werden.
Mit der Regelung, nur gesetzlich geschuldete Unterhaltsleistungen steuerlich zu
berücksichtigen, hat der Gesetzgeber bewusst den Abzug von Unterhaltsleistungen, die
aus sittlich oder tatsächlich zwangsläufigen Gründen erbracht werden, vom Abzug
ausgeschlossen. Der mit der Änderung des § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 1996
verfolgte Zweck würde in sein Gegenteil verkehrt, bezöge man in den Anwendungsbereich
des § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG 1996 alle Fälle ein, in denen der Anspruch des Unterstützten
auf Sozialhilfe infolge freiwilliger Unterhaltszahlungen nach § 2 Abs. 1 BSHG entfiele oder
gemindert würde.
Sinn und Zweck des § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG 1996 lassen nach Meinung des BFH auch
keine Auslegung dahin gehend zu, dass zumindest Unterhaltsleistungen aufgrund sittlicher
Verpflichtung zu berücksichtigen sind, wenn dadurch der Anspruch auf Sozialhilfe nach § 2
Abs. 1 BSHG entfällt oder gemindert wird. Denn Unterhaltszahlungen aufgrund sittlicher
Verpflichtung sind wegen der häufig schwierigen Prüfung, ob eine sittliche Verpflichtung
besteht, gerade vom Abzug ausgeschlossen worden. Der damit bezweckten Vereinfachung
würde es zuwiderlaufen, wenn im Rahmen des § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG 1996 die sittliche
Verpflichtung trotz Wegfalls dieses Merkmals zu berücksichtigen wäre. Demzufolge erkennt
der BFH eine Zwangsläufigkeit nicht an, wenn der Steuerpflichtige Personen unterstützt,
die nicht mit ihm zusammen in einem Haushalt leben (vgl. auch BFH vom 29. Mai 2008 III
R 23/07, BStBl II 2009, 363; Finanzgericht Hamburg vom 21. April 2009 2 K 18/07, juris;
Finanzgericht München vom 19. Juli 2006 9 K 847/05, juris; s. im Ergebnis auch BFH vom
22. September 2004 III R 25/03, BFH/NV 2005, 523).
2. Anwendung im Streitfall
Unter Zugrundelegung der vorerwähnten Rechtsprechung des BFH kommt eine
Anerkennung der Zahlungen der Kläger an ihre Schwiegertochter als außergewöhnliche
Belastung nach § 33a EStG nicht in Betracht. Denn unstreitig besteht keine
Haushaltsgemeinschaft zwischen den Klägern und ihrer Schwiegertochter.
Überdies weist der Senat darauf hin, dass die Schwiegertochter der Kläger nach Aktenlage
erst ab 1. Oktober 2005 auf Grund der Zahlungen der Kläger eine Kürzung der
Sozialleistungen hinnehmen musste (Bl. 52), so dass auch bei Zugrundelegung einer
anderen Rechtsauffassung allenfalls für das Streitjahr 2005 eine (anteilige) Anerkennung
erfolgen könnte. Der Senat kann dies jedoch im Detail dahin stehen lassen, da er sich der
Auffassung des BFH anschließt, so dass schon vom Grunde her eine Anerkennung als
außergewöhnliche Belastung ausscheidet.
3.
selbständiger Arbeit des Klägers) begründet ist, waren die Kosten den Klägern nach § 137
FGO aufzuerlegen. Denn diese mussten spätestens nach Abschluss des Schiedsverfahrens
am 25. Juli 2006 und der dabei getroffenen Vereinbarung, wonach das
Gesellschaftsverhältnis einvernehmlich als zum 31. Dezember 2002 beendet angesehen
worden war (Bl. 71), davon ausgehen, dass -wie jetzt einvernehmlich geregelt- die
Aufwendungen im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung geltend zu machen waren.
Wenn sie dies unterlassen und erst im Zuge des Klageverfahrens diesen Aspekt eingeführt
haben, besteht kein Zweifel daran, dass bei einer früheren Geltendmachung -etwa im
Rahmen des Einspruchsverfahrens- eine Klage insoweit nicht erforderlich gewesen wäre.
Dies rechtfertigt es, den Klägern auch insoweit die Kosten aufzuerlegen. Soweit die Kläger
mit ihrem Begehren, eine außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, unterlegen sind,
tragen sie die Kosten des Verfahrens nach § 135 Abs. 1 FGO.
4.
Der Senat hielt angesichts des unstreitigen Sachverhalts und der aus seiner Sicht
eindeutigen Rechtslage eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid für angezeigt.