Urteil des FG Saarland vom 26.01.2010

FG Saarbrücken: verdeckte gewinnausschüttung, treu und glauben, offene gewinnausschüttung, gesellschafter, zukunft, bindungswirkung, kapitalgesellschaft, zusage, erlass, betrug

FG Saarbrücken Entscheidung vom 26.1.2010, 1 K 1178/07
Bindung an eine Verständigung mit der Vor-Bp - Verdeckte Gewinnausschüttung wegen
unüblich hohen Mietpreises
Leitsätze
1. Bindende Verständigungen haben keinen Bestand, wenn Umstände eintreten oder
bekannt werden, die das Finanzamt zum Erlass eines Änderungsbescheides nach § 173 AO
berechtigen.
2. Wird ein Gebäude zunächst an eine GmbH, der der Vermieter als Gesellschafter
angehört, und später an fremde Dritte vermietet, so verdrängt die konkret erzielte
Fremdmiete die frühere Schätzung einer angemessenen Miete.
Tenor
1. Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Die Klägerin, eine 1984 gegründete GmbH, betrieb ein Unternehmen zur Ausführung von
Trockenausbau, Innen- und Außenputz. Ihr Stammkapital betrug 1998 bis 2000 50.000
DM, an dem der alleinige Geschäftsführer X mit 45.000 DM, seine Ehefrau mit 2.500 DM
und seine Tochter mit 2.500 DM beteiligt waren. 2003 wurde für 1998 bis 2000 eine
Betriebsprüfung durchgeführt. Der Prüfer griff in 1998 u.a. folgenden Sachverhalt auf:
Miete für das Objekt in A
Die Klägerin hat von X das Anwesen in A (möblierte Wohnungen, Lager, Büro, Hof,
Autostellplätze, 657 qm; Bl. 55 ff. Dok.) ab dem 1. Mai 1992 gemietet. Die
Anschaffungskosten des X für das Objekt betrugen 1992 503.253 DM. Hinzu kamen
Renovierungskosten i.H.v. ca. 100.000 DM. Die Miete für 1998 betrug 122.400 DM. Im
Rahmen der 1996/97 für 1993 bis 1995 durchgeführten Vor-Bp wurden 108.000 DM als
angemessene Jahresmiete anerkannt. Im März 2001 wurde das Anwesen (drei
Wohnungen, 2 Garagen, vermietete Fläche 653 qm) erstmals an einen fremden Dritten für
monatlich 2.300 DM (vertragliche Jahresmiete: 27.600 DM) vermietet. Der Prüfer sah
aufgrund dieser Fremdmiete die an X gezahlte Jahresmiete als unangemessen an, soweit
sie 42.000 DM überstieg und setzte 1998 eine verdeckte Gewinnausschüttung i.H.v.
(108.000 - 42.000 =) 66.000 DM an (ebenso 1999; 2000: 42.000 DM).
Der Beklagte änderte dementsprechend am 7. Mai 2004 den Körperschaftsteuerbescheid
1998. Hiergegen erhob die Klägerin am 1. Juni 2004 Einspruch, den der Beklagte mit
Entscheidung vom 12. März 2007 als unbegründet zurückwies.
Am 4. April 2007 erhob die Klägerin Klage. Sie beantragt sinngemäß (Bl. 19 f.), unter
Änderung des Bescheides 7. Mai 2004 i.F.d. Einspruchsentscheidung vom 12. März 2007
die Körperschaftsteuer 1998 ohne verdeckte Gewinnausschüttungen i.H.v. 66.000 DM
festzusetzen.
Die Miete, die zwischen der Klägerin und X vereinbart worden sei, sei auf die besonderen
Bedürfnisse der Klägerin abgestellt und deshalb angemessen gewesen.
In der Schlussbesprechung der Vor-Bp habe man sich für 1993-1995 auf eine Jahresmiete
i.H.v. 108.000 DM geeinigt. Wenn diese Einigung auch keine verbindliche Zusage für die
Zukunft gewesen sei, so habe die Klägerin doch davon ausgehen können, dass dieser
Betrag für die Zukunft Geltung habe. Solche Erkenntnisse einer Schlussbesprechung
würden den Steuerpflichtigen darauf hinweisen, wie ein Problem mit Einverständnis des
Finanzamtes in Zukunft zu behandeln sei. Sie gäben dem Steuerpflichtigen eine gewisse
Rechtssicherheit für die Zukunft.
Das Objekt sei - nachdem die Klägerin es nicht mehr habe nutzen können - ab dem 1. März
2001 aus einer Zwangslage heraus neu vermietet worden (Jahresmiete 26.400 DM). Die
Bp habe für den Prüfungszeitraum einen Zwischenwert i.H.v. 42.000 DM anerkannt. Es
handele sich um einen willkürlichen Schätzbetrag, der mit dem Mietobjekt, wie es von der
Klägerin angemietet worden sei, nichts gemein habe.
Der Beklagte beantragt (Bl. 23), die Klage als unbegründet abzuweisen.
Unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung trägt er vor:
X habe erstmals ab März 2001 eine Jahresfremdmiete i.H.v. 26.400 für das Objekt erzielt.
Diese Miete sei zu berücksichtigen. Unter Zugrundelegung einer vermieteten Fläche von
350 qm und einem monatlichen qm-Preis von 10 DM ergebe sich eine Miete von 42.000
DM jährlich. Diese als angemessen angesehene Miete übersteige die Fremdmiete um
15.600 DM. Damit sei den von der Klägerin mit Schreiben vom 7. Juni 2004 vorgetragenen
Umständen hinsichtlich der Vermietbarkeit des Objektes und der geänderten Nutzung
durch den neuen Mieter ausreichend Rechnung getragen.
Der Ansatz einer Miete von 108.000 DM könne nicht mit der Einigung im Zuge der Vor-Bp
begründet werden. Diese stelle keine tatsächliche Verständigung dar und habe
grundsätzlich nur Bindungswirkung für die Prüfungsjahre. Selbst wenn eine tatsächliche
Verständigung stattgefunden haben sollte, habe diese keine Rechtswirkungen, die über den
Prüfungszeitraum hinausgingen. Voraussetzung für eine tatsächliche Verständigung mit
Wirkung für die Zukunft sei, dass sich die Verständigung zum einen ausdrücklich auch auf
die Folgejahre beziehe, und zum anderen die Parameter festgehalten würden, bei deren
Vor- oder Nichtvorliegen bestimmte Rechtsfolgen zu ziehen seien. Beides sei in Tz. 41 des
Berichts über die Betriebsprüfung für 1993 bis 1995 vom 20. Februar 1997 nicht
geschehen. Solle im Anschluss an eine Außenprüfung eine verbindliche Zusage über die
künftige Behandlung eines für die Vergangenheit geprüften Sachverhaltes getroffen
werden, so sei hierfür das in den §§ 204 ff. AO vorgesehene Verfahren einzuhalten. Ein
solches Verfahren sei jedoch nicht durchgeführt worden.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Akten des
Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Beklagte hat
zu Recht die streitigen Mietzahlungen der Klägerin an X als verdeckte
Gewinnausschüttungen behandelt. Eine Bindung an die im Verlaufe der Vor-Bp getroffene
Verständigung besteht nicht.
1. Rechtsgrundlagen
a. Bindung an Verständigungen im Zuge einer BP
Das Finanzamt ist bei Durchführung einer Veranlagung grundsätzlich nicht an Auffassungen
gebunden, die es bei vorhergehenden Veranlagungen vertreten hat (Prinzip der
Abschnittsbesteuerung). Das gilt selbst dann, wenn das Finanzamt früher auf Grund einer
Bp anders verfahren ist. Denn auch die Ergebnisse einer Außenprüfung haben grundsätzlich
nur für die Prüfungsjahre Bindungswirkung (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH vom 25.
Mai 1977 I R 93/75, BStBl II 1977, 660; vom 11. Februar 1981 I R 128/77, BStBl II 1981,
448). Eine Bindungswirkung tritt ausnahmsweise ein, wenn das Finanzamt eine
verbindliche Zusage i.S.d. §§ 204 ff. AO, eine Lohnsteueranrufungsauskunft (§ 42 e EStG)
oder eine ansonsten verbindliche Auskunft erteilt hat.
Das Finanzamt kann nach Treu und Glauben gebunden sein, wenn es einem
Steuerpflichtigen zugesichert hat, einen konkreten Sachverhalt, dessen steuerrechtliche
Beurteilung zweifelhaft erscheint, in einem bestimmten Sinn zu beurteilen. Voraussetzung
einer Bindung in solchen Fällen ist, dass der vom Steuerpflichtigen mitgeteilte Sachverhalt
in allen wesentlichen Punkten richtig und vollständig dargestellt wurde, so von der Auskunft
erteilenden Person verstanden wurde und offensichtlich ist, dass von der Auskunft
gewichtige wirtschaftliche Entscheidungen des Steuerpflichtigen abhängen (BFH vom 13.
Dezember 1989 X R 208/87, BStBl II 1990, 274 m.w.N. auf die ständige Rechtsprechung;
s. dazu auch § 89 Abs. 2 AO n.F.).
Zwischen Finanzamt und Steuerpflichtigem sind unter bestimmten Voraussetzungen auch
tatsächliche Verständigungen möglich. Sie sollen bestimmte Sachverhalte, deren Klärung
schwierig ist, möglichst zutreffend einvernehmlich festlegen. Dagegen sind Vergleiche über
Steueransprüche wegen der Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht
möglich (BFH- Urteil vom 20. September 2007 IV R 20/05, BFH/NV 2008, 532 m.w.N.).
Eine tatsächliche Verständigung kann zwar auch formlos zustande kommen, sofern ein
entsprechender Bindungswille vorliegt. Das Fehlen einer einwandfreien – in aller Regel
schriftlichen – Dokumentation ist allerdings ein gewichtiges Indiz gegen den
Rechtsbindungswillen der Beteiligten und geht in Zweifelsfällen letztlich zu Lasten dessen,
der sich zu seinen Gunsten auf eine tatsächliche Verständigung beruft (BFH-Urteile vom 5.
Juni 2000 IV R 38/02, BFH/NV 2003, 1356; vom 16. Februar 2006 X B 176/05, BFH/NV
2006, 1052 m.w.N.).
Keine der vorgenannten Bindungen hat Bestand, wenn Umstände eintreten oder bekannt
werden, die das Finanzamt wegen neuer Tatsachen zum Erlass eines
Änderungsbescheides nach § 173 AO berechtigen.
b. Verdeckte Gewinnausschüttung durch unüblich hohe Mietzahlungen an einen
Gesellschafter
Nach § 8 Abs. 3 Satz 1 KStG ist es für die Ermittlung des Einkommens einer
Kapitalgesellschaft ohne Bedeutung, ob das Einkommen verteilt wird. Verdeckte
Gewinnausschüttungen mindern das Einkommen nicht (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG). Eine
verdeckte Gewinnausschüttung liegt vor, wenn eine Wertverschiebung zwischen
Gesellschaft und Gesellschafter gesellschaftsrechtlich veranlasst ist, ohne dass es sich um
eine offene Gewinnausschüttung handelt. Gesellschaftsrechtlich veranlasst ist eine
Wertverschiebung in aller Regel, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen
Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und
gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte. Im Falle
von Mietzahlungen, ist darauf abzustellen, ob ein ordentlicher und gewissenhafter
Geschäftsleiter an einen Fremden für die überlassenen Gebäude und Flächen eine Miete in
gleicher Höhe bezahlt hätte. Dies beurteilt sich nach der Miete für vergleichbare
Grundstücke. Denn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter wird sich nicht
darauf einlassen, ein höheres als ein marktübliches Entgelt zu entrichten.
Für die Überprüfung der Fremdüblichkeit von Leistungen einer Kapitalgesellschaft an ihre
Gesellschafter gibt es keine festen Regeln. Das gilt auch im Zusammenhang mit Miet- und
Pachtzinsen, die die Gesellschaft an ihre Gesellschafter zahlt. Die Höhe des fremdüblichen
Betrages ist unter Würdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls ermitteln, wobei
eine Schätzung (§ 162 Abs. 1 Satz 1 AO; § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) zulässig und geboten
ist. Eine Schätzung kommt gemäß § 162 Abs. 1 AO allerdings erst in Betracht, wenn der
Sachverhalt nicht ermittelt werden kann. Streiten die Beteiligten darüber, ob das von einer
Kapitalgesellschaft mit ihren Gesellschaftern vereinbarte Mietentgelt nach fremdüblich ist,
haben Finanzamt und Finanzgericht die unter Fremden übliche Miete zu ermitteln. Dies
geschieht durch einen Vergleich mit Mieten für Grundstücke und Bürogebäude in ähnlicher
Lage und Ausstattung (z.B. BFH vom 17. Oktober 2001 I R 103/00, BStBl II 2004, 171;
vom 9. Juli 2003 I B 183/02, BFH/NV 2004, 87; vom 20. Juni 2005 I B 181/04, BFH/NV
2005, 2062).
2. Anwendung auf den Entscheidungsfall
a. Keine Bindung an die Einigung im Zuge der Vor-Bp
Die Einigung über die angemessene Miethöhe im Zuge der Vor-Bp hat keine
Bindungswirkung für die Streitjahre. Soweit hierin eine tatsächliche Verständigung zu
erblicken sein sollte, hat diese lediglich Rechtswirkungen für den damaligen
Prüfungszeitraum. Eine Zusage für die darauffolgenden Zeiträume ist nicht erteilt worden.
Es sind im Gegenteil nach Ablauf der Vor-Bp Umstände eingetreten, die aus heutiger Sicht
der Dinge erkennen lassen, dass die damalige Verständigung auf einem zu weitgehenden
Entgegenkommen des Finanzamtes beruht hat (s. b).
b. VgA durch unüblich hohe Miete
Die Fremdvermietung des streitigen Anwesens in den Jahren ab 2001 hat gezeigt, dass die
übereinstimmende Schätzung im Zuge der Vor-Bp mit 108.000 DM fremdüblicher
Jahresmiete unzutreffend gewesen ist. Die dauerhaft erzielte bzw. erzielbare monatliche
Fremdmiete betrug zunächst 2.300 DM (2001- 2006) bzw. ab 2007 rund (520 + 470 +
270 =) 1.260 EUR. Insofern verdrängen diese für das streitige Objekt konkret erzielten
Fremdmieten zwingend die erheblich überhöhten Mietschätzungen von (108.000: 12=)
9.000 DM pro Monat. Unabhängig von der damaligen Bedarfssituation der Klägerin hätte
sie einem fremden Vermieter kaum mehr als den Marktpreis von ca. 2.500 DM/Monat für
das Anwesen gezahlt. Gewissen Unsicherheiten, die mit dem damaligen Raumbedarf der
Klägerin und der Möblierung der Wohnungen zusammenhängen mögen, hat der Beklagte
durch die Anerkennung einer Monatsmiete i.H.v. 3.500 DM hinreichend Rechnung
getragen.
3.
Gerichtsbescheides für angemessen (§ 90a FGO). Die Kosten des Verfahrens werden der
Klägerin gemäß § 135 Abs 1 FGO auferlegt. Zur Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs.
2 FGO bestand keine Veranlassung.