Urteil des FG Saarland vom 25.02.2008

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FG Saarbrücken Urteil vom 25.2.2008, 1 K 2037/04
Eröffnung der Schätzungsbefugnis durch eine Geldverkehrsrechnung
Leitsätze
Nur wenn die zur Verfügung stehenden ungebundenen Mittel unterhalb des Regelsatzes für
Sozialhilfe liegen, ist die Schätzungsbefugnis -bei ansonsten ordnungsgemäßen
Aufzeichnungen- gegeben.
Tatbestand
Der Rechtsstreit wird um die Umsatzsteuererhöhung aus einer Umsatzzuschätzung 1996
und 1997 durch die Betriebsprüfung geführt.
Der Kläger lebte mit seiner dreiköpfigen Familie in Hausgemeinschaft mit der Großmutter.
Die Großmutter bezog eine Rente von ca. 3.000 DM monatlich (Bl. 35 Bp).
Der Kläger übte neben seiner selbständigen Tätigkeit einen Handel mit Fenstern und Türen
aus. Den Gewinn ermittelte er nach § 4 Abs. 3 EStG. Für den Zeitraum 1995 bis 1997
fand eine Betriebsprüfung statt. Der Prüfer erstellte eine Geldverkehrsrechnung, welche
zu Umsatzzuschätzungen für 1996 i.H.v. 18.500 DM brutto (USt 2.413 DM) und 1997 zu
Umsatzschätzungen i.H.v. 11.700 DM brutto (USt 1.526 DM) führte.
Die Umsatz und Gewinnzuschätzung wurde wie folgt begründet (Bl. 34 Bp):
"nach einer vom Prüfer erstellten Gesamtgeldverkehrsrechnung verbleiben dem
Steuerpflichtigen und seiner Familie im Prüfungszeitraum keine ausreichenden Mittel zur
privaten Lebensführung. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH führen nicht aufgeklärte
Verwendungsüberhänge zu Umsatz- und Gewinnzuschätzungen. Die Schätzung ergibt sich
sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach aus der Geldverkehrsrechnung“
Der Betriebsprüfer begründete die Umsatzzuschätzungen in 1996 und 1997 mit
geschätzten Lebenshaltungskosten i.H.v. 28.000 DM pro Jahr (Bl. 35 Bp) :
"nach Erhebungen des statistischen Bundesamtes standen einer vierköpfigen
Arbeitnehmerfamilie (Alleinverdiener) mit mittlerem Einkommen im Jahre 1996
ausgabefähige Einnahmen von 5626 DM monatlich zur Bestreitung des Lebensunterhaltes
zur Verfügung (Bl. 28 Bp). Nach Herausrechnung der statistischen ausgewiesenen Miete,
sowie der Veränderung der Vermögens- und Finanzkonten, verbleiben einer vierköpfigen
Familie 3.870 DM monatlich. Linear auf einen drei Personenhaushalt umgerechnet ergibt
sich statistisch ein Jahreswert von rund 35.000 DM, der Ausgangspunkt der Schätzung ist.
Im Jahr 1995 standen dem Steuerpflichtigen nach der Geldverkehrsrechnung des Prüfers
28.500 DM zur Lebensführung zur Verfügung. Unter Beachtung der jährlich etwa gleich
bleibenden Zuwendungen der Großmutter zum Lebensunterhalt des Steuerpflichtigen,
erscheint dieser Betrag realistisch den privaten Verbrauch der Familie des Steuerpflichtigen
darzustellen. Die auf der Geldverkehrsrechnung basierende Zuschätzung geht daher von
Lebenshaltungskosten von 28.000 DM pro Jahr aus.“
Die Geldverkehrsrechnung und Umsatzzuschätzung ergeben sich aus Anlage 2a und 2b
des Prüfungsberichtes (Bl. 43-45 Bp) vom 20. August 1999. Zu den ungebundenen
Lebenshaltungskosten i.H.v. 28.000 gehören nach der Prüferzusammenstellung (Bl. 43, 44
Bp „sonst. Ausgaben“) keine Miete, VSE (Stromkosten), Kfz und Kfz-Steuern,
Eurocardabrechnung und Urlaub. Das Ergebnis der Geldverkehrsrechnung des Prüfers
ergab, dass dem Kläger in 1996 noch 9.411 DM und 1997 16.203 DM als
Lebenshaltungskosten verblieben.
Die jährlichen Zuwendungen der Großmutter zum laufenden Lebensunterhalt wurden mit
7.000 DM geschätzt (Bl.19).
Der Prüfer erstellte eine Geldflussrechnung (Bl. 46 Bp). Als Einnahmen wurden nur die
Aushilfslöhne der Ehefrau erfasst. Diese Geldflussrechnung wurde im Rahmen des
Klageverfahrens in geänderter Form vorgelegt (Bl. 20). Hierin sind einige Bareinzahlungen
und –abhebungen erfasst. Beide Rechnungen erhalten Mittelfehlbeträge.
Nach Einwänden des Klägers wurde eine korrigierte Bargeldflussrechnung ohne
Mittelfehlbeträge erstellt (Bl. 37). Diese Korrektur führt auch zu einer Erhöhung der Mittel
für die Lebenshaltungskosten in der Geldverkehrsrechnung auf 11.961 DM in 1996 und
19.703 DM in 1997 (Bl. 28, 29).
Der Kläger unterhielt diverse Bankkonten mit Guthaben (Bl. 45 Bp). Die Kontobewegungen
sind in der Geldverkehrsrechnung erfasst (Bl. 43 Bp), in der Geldflussrechnung sind
Kontoabhebungen dieser Bankverbindungen nicht erfasst.
Die übrigen Feststellungen der Betriebsprüfung sind nicht Streitgegenstand. Mängel in den
vorgelegten Aufzeichnungen wurden nicht festgestellt.
Gegen die Einspruchsentscheidung vom 21. Januar 2004, eingegangen am 23. Januar
2004, erhob der Kläger am 23. Februar 2004 Klage. Er beantragt sinngemäß, (Bl. 2):
unter Änderung der Bescheide vom 29. Oktober 1999 , in Form der
Einspruchsentscheidung vom 21. Januar 2004, die Umsatzsteuer 1996 auf –196,00 DM
und die Umsatzsteuer 1997 auf 2.543,00 DM festzusetzen.
Die Voraussetzungen einer Schätzung seien nicht gegeben, da die sachliche Richtigkeit der
Aufzeichnungen des Einzelunternehmens nicht von dem Finanzamt widerlegt worden sei.
Die Erhebungen des statistischen Bundesamtes können keinen Beweis für die notwendigen
Lebenshaltungskosten darstellen. Der dortige durchschnittliche Ansatz von 5.626 DM pro
Monat netto würde einen Bruttoverdienst von 8.600 DM erfordern (Bl. 3, 13). Dies sei als
Mindestlebenshaltungskosten unrealistisch. Der Kläger habe seinen Lebensstandard
aufgrund der prekären wirtschaftlichen Situation eingeschränkt (Bl. 41). Zudem fehle in der
Geldverkehrsrechnung das Bankkonto der Ehefrau (Bl. 28).
Das Ergebnis sowohl der Geldverkehrsrechnung, als auch der Bargeldflussrechnung seien
nicht die gesamten Lebenshaltungskosten, sondern die üblichen und notwendigen aus
Barmitteln zu bestreitenden Lebenshaltungskosten. Diese seien mit 12.271
(Bargeldflussrechnung) bzw. 11.961 DM laut (Geldverkehrsrechnung) für 1996 und
17.720 DM (Bargeldflussrechnung) bzw. 19.703 DM (Geldverkehrsrechnung) ausreichend
bemessen. Zumal hierzu jährlich – vom Beklagten zugestanden – 7.000 DM seitens der
Großmutter hinzugekommen seien (Bl. 28).
Der Beklagte beantragt (Bl. 16), die Klage abzuweisen.
Die festgestellten Verwendungsüberhänge der Geldverkehrsrechnung würden die
Beweiskraft der ordnungsmäßigen Buchhaltung widerlegen. Die Geldverkehrsrechnung sei
eine Schätzungsmethode, die die Höhe der errechneten Fehlbeträge als nicht verbuchte
Betriebseinnahmen nachweisen könne. Der Kläger trage die objektive Beweislast, ob die
Fehlbeträge aus anderen steuerpflichtigen oder steuerfreien Quellen stammen könnten.
Die Gelder der Großmutter seien zu Gunsten des Klägers bei der Geldverkehrsrechnung
berücksichtigt worden. Die Großmutter habe laut Kläger in allen drei Jahren etwa in
gleichem Umfang zum Lebensunterhalt der Familie beigetragen. In 1997 seien
Zuwendungen der Großmutter i.H.v. 10.000 DM als verfügbaren Mitteln angesetzt
worden, obwohl dem Betriebsprüfer keine Unterlagen hierüber vorgelegt worden seien (Bl.
7).
Der Aushilfslohn der Ehefrau sei geschätzt worden, Unterlagen hierüber seien nicht
vorgelegt worden. Nach der Bargeldflussrechnung hätten der Familie in 13 von 24 Monaten
als verfügbare Barmittel lediglich 500 - 610 DM zur Verfügung gestanden (Bl. 36).
Die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten anhand Wirtschaftsrechnungen privater
Haushalte, die nach Jahr, Haushaltstyp und Anzahl der Haushaltsmitglieder unterschieden
würden, seien auch bei den hier vorgetragenen Einschränkungen zu Grunde zu legen.
Die wirtschaftliche Notsituation habe auch während des gesamten Jahres 1995 bestanden.
In diesem Jahr hätten die nichtgebundenen Lebenshaltungskosten jedoch 28.500 DM
betragen. Es sei nicht zwingend, dass wirtschaftliche Notsituationen eine drastische
Senkung der Lebenshaltungskosten nach sich zögen (Bl. 19).
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Akten des
Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die angefochtenen Bescheide, mit denen der Beklagte Hinzuschätzungen auf Umsätze in
beiden Streitjahren vorgenommen hat, sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen
Rechten.
1. Rechtsgrundlagen
Die Rechtsgrundlage für eine Schätzung des Finanzamtes ergibt sich aus § 162 AO.
- Schätzungsbefugnis
Die Finanzbehörde kann die Besteuerungsgrundlagen schätzen, soweit sie sie nicht
ermitteln oder berechnen kann (§ 162 Abs. 1 Satz 1). Die §§ 88 ff. AO gehen grundsätzlich
von der Pflicht des Finanzamtes und des Steuerpflichtigen zur exakten Ermittlung aus.
Wenn dieses ist nicht möglich ist, ist zu schätzen.
§ 162 Abs. 2 S. 1 AO zählt beispielhaft vier Fälle der Schätzungsbefugnis des Finanzamtes
auf:
1. der Steuerpflichtige gibt über seine Angaben keine ausreichende Erklärung
2. er verweigert weitere Auskünfte
3. er verweigert eine Versicherung an Eides statt
4. er verletzt seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO
Daneben ergibt sich eine Schätzungsbefugnis aus § 162 Abs. 2 S. 2 AO, wenn der
Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen
hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnung der
Besteuerung nicht nach § 158 AO zu Grunde gelegt werden kann.
Eine sachlich richtige Buchführung schließt, selbst wenn sie formelle Fehler aufweist, eine
Schätzung aus (BFH vom 26. Oktober 1994 X R 114/92, BFH/NV 1995, 373).
Die formelle Ordnungsmäßigkeit der Aufzeichnungen kann jedoch eine Schätzung nicht
abwenden, wenn sich ihre sachliche Unrichtigkeit aufgrund anderer Umstände, z.B. einer
Nachkalkulation, erkennen lässt. Das gleiche gilt, wenn keine Aufzeichnungspflicht bestand,
die freiwilligen Angaben aber kein Vertrauen verdienen (§ 146 Abs. 6 AO; BFH vom 15.
April 1999 IV R 68/98, BStBl. 1999, 481). Fehlbeträge geben regelmäßig einen
ausreichenden Anhalt für die Schätzung der Höhe nach (BFH vom 20. September 1989 X
R 39/87, BStBl 1990, 109).
Die Rechtsprechung stellt bei ungeklärten Vermögenszuwächsen, Vermögensminderungen
oder Fehlbeträgen unterschiedliche Anforderungen an die Mitwirkungspflichten gem. § 90
Abs. 2 AO, je nachdem, ob ein privates oder betriebliches Konto betroffen ist (BFH vom 4.
Dezember 2001 III B 76/01, BFH/NV 2002 S. 476). Der Steuerpflichtige ist hiernach nicht
verpflichtet, einen geschlossenen Nachweis über die Herkunft und Verwendung seines
Privatvermögens zu führen.
Um eine sachliche Unrichtigkeit der Aufzeichnungen zu rechtfertigen, kann eine
Geldverkehrsrechnung (auch Einnahme - Ausgaben Deckungsrechnung genannt)
durchgeführt werden. Die Geldverkehrsrechnung beruht auf der Tatsache, dass in einem
bestimmten Zeitraum nicht mehr Mittel verausgabt werden können, als vorhanden sind.
Die Einnahmen einschließlich etwa vorhandener Bestände müssen die Ausgaben decken.
Übersteigen die Ausgaben die zur Verfügung stehenden Mittel oder liegt ein ungeklärter
Vermögenszuwachs oder, so rechtfertigt dies grundsätzlich die Annahme, dass die
Fehlbeträge aus unversteuerten, jedoch steuerpflichtigen Einnahmen stammen. Soll die
Geldverkehrsrechnung die Schätzungsbefugnis des Finanzamts bejahen, muss sie strengen
Anforderungen genügen (BFH vom 24. November 1988 IV R 150/86, BFH NV 1989, 416).
Erst dann ergibt sich eine Beweislastumkehr zu Lasten des Steuerpflichtigen (BFH vom 2.
Juli 1999 V B 83/99, BFH/NV 1999, 1450). Dann sind ein eigenständiger Schätzungsgrund
und damit eine Hinzuschätzung nach den allgemeinen Schätzungsregelungen, also
gegebenenfalls auch einschließlich angemessener Unsicherheitszuschläge zu Lasten des
Steuerpflichtigen, zulässig und geboten ( BFH vom 7. November 1990 III B 449/90, BFH/NV
1991, 724)
Eine sachliche Unrichtigkeit kann auch durch eine Geldflussrechnung dokumentiert
werden. Hierbei darf es bei Abgleich des Bargeldflusses nicht zu Fehlbeträgen kommen
und daneben muss der tägliche Bedarf an Bargeldverfügungen abgedeckt sein.
Der Nachweis allerdings, dass derartige Fehlbeträge überhaupt vorliegen, kann nur geführt
werden, wenn die in einer Geldfluss- oder Geldverkehrsrechnung zulasten des
Steuerpflichtigen verarbeiteten Positionen ihrerseits nachweislich zutreffen. Wenn
bestimmte Positionen nicht mehr vermittelbar sind, jedoch in einem gewissen Maße
denknotwendig angefallen sein müssen, können diese Positionen zwar geschätzt werden.
Auf dieser Stufe der Schätzung sind aber Unsicherheitszuschläge oder sonstige
unbewiesene Annahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen indes nicht ohne weiteres
zulässig. Die Schätzung darf über Mindestbeträge nicht hinausgehen (FG Sachsen Anhalt
vom 20. Februar 2006 1 K 537/03, Juris m.w.N.).
- Schätzung der Höhe nach (Durchführung der Schätzung)
Erst wenn die Feststellung gelingt, dass die Voraussetzungen des § 162 AO vorliegen,
findet auf die damit eröffnete Schätzung der Höhe nach das reduzierte Beweismaß der
Schätzung im üblichen Sinne Anwendung. Gelingt diese Feststellung nicht, so geht das
zulasten des Finanzamts, das die objektive Feststellungslast für die Umstände trägt, aus
denen es die Schätzungsbefugnis herleitet.
2. Anwendung auf den Entscheidungsfall
Eine Schätzungsbefugnis der Besteuerungsgrundlagen des Einzelunternehmens des
Klägers ergibt sich aus § 162 AO nicht.
(1) Mängel in den Aufzeichnungen
Der Kläger ermittelt den Gewinn des Einzelunternehmens als Kleinunternehmer zu Recht –
wie unter den Beteiligten unstreitig ist - nach § 4 Abs. 3 EStG. Damit ist er nicht
buchführungspflichtig gem. § 141 ff AO. Mängel der ohne Buchführungsverpflichtung
vorgelegten Unterlagen wurden von der Betriebsprüfung nicht vorgetragen.
(2) Sachliche Unrichtigkeit der vorgelegten Aufzeichnungen
Die sachliche Unrichtigkeit der vorgelegten Aufzeichnungen kann sich jedoch aus einer
Nachkalkulation der Betriebsprüfung ergeben. Hier hat der Betriebsprüfer eine
Geldverkehrsrechnung und eine Geldflussrechnung erstellt.
Geldflussrechnung:
Nach der Geldflussrechnung kam es anfänglich zu Bargeldfehlbeträgen, welche an sich auf
eine sachliche Unrichtigkeit der Aufzeichnungen hindeuten könnte. Hier war die
Geldflussrechnung jedoch mit erheblichen Mängeln behaftet, sodass sie nicht geeignet war,
eine sachliche Unrichtigkeit der Aufzeichnungen und damit eine Schätzungsbefugnis
herzuleiten. Zum einen fehlten diverse vom Kläger vorgetragene Einnahmen, welche
letztendlich zu einer Bargeldflussrechnung ohne Fehlbeträge führten (Bl. 25 ff, 35 ff). Da
die Beweislast insofern beim Beklagten liegt (s.o.) und die Einnahmen nicht widerlegt
wurden, ist auch von deren Richtigkeit auszugehen. Zum anderen ist auch die
Argumentation des Beklagten nicht zwingend, dass eine Familie nicht mit Bargeldbeträgen
zwischen 500-610 DM pro Monat auskommt (Bl. 36), zumal auch eventuell
vorgenommene Abhebungen oder Einzahlungen von diversen Bankkonten (Bl. 45 Bp) sowie
vom Konto der Ehefrau (Bl. 28) in der Bargeldflussrechnung nicht berücksichtigt wurden.
Geldverkehrsrechnung:
Da die Geldverkehrsrechnung den Privatbereich erfasst, wird sie auch Privat-
Geldverkehrsrechnung genannt. Bei einer solchen Privat-Geldverkehrsrechnung ist zu
beachten, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, einen geschlossenen Nachweis über die
Herkunft und Verwendung seines Vermögens zu führen (s.o.). Die von der Betriebsprüfung
durchgeführte Geldverkehrsrechnung weist den Mangel auf, dass das Konto der Ehefrau
nicht erfasst ist. Dieser Mangel kann jedoch wegen der folgenden Ausführungen
dahingestellt bleiben. Auch wenn eine Geldverkehrsrechnung grundsätzlich geeignet wäre,
die Schätzungsbefugnis zu begründen, ergäben sich aus der vorliegenden
Geldverkehrsrechnung aber keine die Schätzungsbefugnis begründenden ungeklärten
Vermögenszuwächse oder ungeklärten Fehlbeträge.
Der Beklagte schließt zu Unrecht aus den zur Verfügung stehenden ungebundenen Mitteln
von 11.961 DM (laut korrigierter Geldverkehrsrechnung) für 1996 und 19.703 DM (laut
korrigierter Geldverkehrsrechnung) für 1997, dass diese unter Hinzurechnung der
geschätzten Zuwendungen der Großmutter zum allgemeinen Lebensunterhalt von 7.000
DM jährlich zu gering seien und damit eine Zuschätzung rechtfertigen würden.
Auf der Ebene der Schätzungsbefugnis darf die Schätzung nicht über Mindestbeträge
hinausgehen (so auch FG Sachsen Anhalt vom 20 Februar 2007 a.a.O.). Eine Schätzung
der notwendigen Lebenshaltungskosten anhand der Mittelwerte eines
Dreipersonenhaushaltes unter Zugrundelegung der statistischen Erhebungen auf 28.000
DM (35.000 DM abzgl. der Zuwendungen der Großmutter) ist im Rahmen der Ebene der
Schätzungsbefugnis nicht zulässig. Statistische Mittelwerte besagen gerade, dass die
Hälfte der Bevölkerung auch mit weniger ungebundenen Mitteln auskommen muss. Der
Beklagte hat den Vortrag des Klägers einer sparsamen Lebensweise nicht widerlegt.
Die Geldverkehrsrechnung könnte jedoch dann die Schätzungsbefugnis eröffnen, wenn -
unter Beachtung aller Zuwendungen der Großmutter - die ungebundenen Mittel unterhalb
des Regelsatzes für die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz liegen
würden. Diese Regelsätze werden als notwendig erachtet und sind daher eine geeignete
Mindestgröße. Aus den beigefügten Anlagen ergibt sich, dass dem Kläger nach den
Regelsätzen zum Lebensunterhalt in 1996 14.664 DM und in 1997 14.880 DM zustehen
würde (ohne Wohn- und Nebenkosten).
Dem Kläger standen 18.961 DM (11.961 DM laut korrigierter Geldverkehrsrechnung
zuzüglich 7.000 DM als Zuwendung der Großmutter) für 1996 und 26.703 DM (19.703
DM laut korrigierter Geldverkehrsrechnung zuzüglich 7.000 DM als Zuwendung der
Großmutter) für 1997 zum Lebensunterhalt zur Verfügung. Diese Beträge liegen über den
Regelsätzen für die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz, so dass
auch hieraus keine Schätzungsbefugnis resultiert.
Die Klage war nach alledem begründet.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten gemäß § 135 Abs. 1
Finanzgerichtsordnung - FGO - auferlegt.
Der Senat hielt den Erlass eines kostengünstigeren Gerichtsbescheides für angemessen (§
90a FGO).