Urteil des FG Saarland vom 15.07.2003

FG Saarbrücken: buchführung, prüfer, unrichtigkeit, aufzeichnung, aufbewahrung, mitwirkungspflicht, formfehler, kundschaft, notiz, wohnung

FG Saarbrücken Urteil vom 15.7.2003, 1 K 174/00
Zuschätzungen zum Umsatz eines Imbisswaren - Herstellers wegen schwerer Mängel der
Kassenbuchführung
Leitsätze
Bei dem in Form des "Kassenberichtes" geführten Kassenbuch müssen die Notizen über
den täglichen Kassenendbestand nicht aufbewahrt werden, wenn ihnen lediglich eine
Transportfunktion zukommt; es muss aber täglich der Kassenendbestand ermittelt
werden. Beim fortlaufend geführten Kassenbuch muss keine tägliche Feststellung des
Kassenendbestandes erfolgen; es müssen aber die Aufzeichnungen über die
Tageseinnahmen aufbewahrt werden.
Zuschätzungen zu den Umsatzerlösen können u.a. aufgrund einer Kalkulation oder
aufgrund eines Sicherheitszuschlages erfolgen. Die Zuschätzungen können sich aber nur
dann auf beide Methoden gleichzeitig stützen (eine Zuschätzung aufgrund Kalkulation und
eine weitere Zuschätzung als Unsicherheitszuschlag), wenn sie nicht an dieselben
Unsicherheiten anknüpfen.
Das Finanzgericht kann einen unberechtigten Unsicherheitszuschlag im Ergebnis
ausgleichen, indem es von einem höheren Rohaufschlagsatz bei der Kalkulation ausgeht.
Tatbestand
Die Kläger haben 1989 die X GbR - gegründet, an denen der Kläger zu 30% und die
Klägerin zu 70% beteiligt sind (§ 3 des Gesellschaftsvertrages vom 31. August 1989; Bl. 3
Dok). Zweck der Gesellschaft ist die Herstellung von Imbisswaren (Dok.). Die Kunden der
GbR, die - nach Klägervortrag - ihrerseits zum ganz überwiegenden Teil Unternehmer sind,
holen in aller Regel ihre Ware bei der GbR ab und bezahlen die Rechnungen überwiegend in
bar (Bl. 2, 3 Rbh).
Die Gewinn- und Verlustrechnungen der GbR weisen folgende Daten aus:
1992 1993 1994 1995 1996 1997
Umsatz 380.697 355.568 340.980 353.680 396.273 482.646
Materialaufwand 253.143 224.465 218.307 211.367 291.526 337.714
Gewinn/Verlust + 14.416 + 28.382 + 13.692 + 40.192 - 12.721 + 29.815
1998 fand bei der GbR für 1993 bis 1995 eine Betriebsprüfung statt. Der Prüfer nahm
Zuschätzungen zum Umsatz und Korrekturen bei verschiedenen Privatanteilen vor. Am 17.
November 1998 erließ der Beklagte dementsprechend geänderte
Gewinnfeststellungsbescheide. Die hiergegen gerichteten Einsprüche wies der Beklagte mit
Einspruchsentscheidung vom 10. April 2000 als unbegründet zurück.
Am 12. Mai 2000 erhoben die Kläger Klage. Sie beantragen,
unter Änderung der Bescheide über die gesonderte Feststellung des
Gewinns für 1993, 1994 und 1995, alle vom 17. November 1998, in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. April 2000, den Gewinn
(einschließlich Sonderbilanz) unter Berücksichtigung weiterer
gewinnmindernder Positionen, die sich
1993 auf insgesamt 32.061 DM,
1994 auf insgesamt 34.618 DM und
1995 auf insgesamt 7.328 DM belaufen,
festzustellen.
Ordnungsmäßigkeit der Buchführung
Es sei unstreitig, dass die Kassenführung nicht ordnungsgemäß sei. Aus der formellen
Ordnungswidrigkeit der Unterlagen könne aber nicht ohne Weiteres auf die materielle
Unrichtigkeit der Aufzeichnungen geschlossen werden.
Zuschätzung von Umsatzerlösen
Die Zuschätzung sei auch der Höhe nach nicht zutreffend. Die Schätzungsmethode müsse
geeignet sein, ein vernünftiges und der Wirklichkeit entsprechendes Ergebnis zu erzielen
(BFH-Urteile vom 19. Juni 1962 1 150/61, HFR 1963, 60; vom 24. November 1988 IV R
150/86, BFH/NV 1989, 416). Es sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen in 1993
die Umsatzerlöse höher als 1995 gewesen sein sollen (Bl. 43 f.).
Es sei unzulässig, für 1993 bis 1995 einen konstanten Rohgewinnaufschlagssatz in Höhe
von 68,27% anzunehmen. Die Kläger hätten in 1995 wesentlich günstigere
Wareneinkaufsmöglichkeiten als in den Vorjahren gehabt, während das Preisgefälle in den
Jahren 1993, 1994 und 1995 "relativ konstant" gewesen sei (Bl. 68). Die Zuschätzungen
könnten nicht sowohl durch Kalkulation als auch (Un-)Sicherheitszuschlag erfolgen.
Angemessen sei im Hinblick auf die Mängel in der Kassenführung lediglich ein
Unsicherheitszuschlag von jeweils 5.000 DM pro Streitjahr.
Der Beklagte beantragt,
die Klage als unbegründet abzuweisen, soweit
gewinnmindernde Positionen von mehr als 14.861 DM
(1993), 12.818 DM (1994) und 7.328 DM (1995) geltend
gemacht werden.
Ordnungsmäßigkeit der Buchführung
Obwohl nach den Feststellungen des Prüfers täglich Barverkäufe getätigt worden seien,
seien tägliche Kassenaufzeichnungen nicht vorhanden. Uraufzeichnungen seien ebenfalls
nicht vorgelegt worden. Zudem hätten die Kläger dem Prüfer auf Anforderung
("Kassensturz") die Einnahmeaufzeichnungen für den 3., 4. und 6. Juli 1998 nicht vorlegen
können. Da die Kläger vorwiegend Bargeschäfte getätigt hätten, würden die Mängel der
Kassenbuchführung der gesamten Buchführung die Ordnungsmäßigkeit nehmen (Bl. 96).
Ein Steuerpflichtiger, der Waren von geringem Wert an eine Vielzahl zumeist unbekannter
Personen verkaufe und deshalb die Bareinnahmen nicht einzeln aufzuzeichnen habe, müsse
grundsätzlich die Registrierkassenstreifen, Kassenzettel oder sonstige Belege aufbewahren
(BFH vom 11. Mai 2000 I B 7/00). Die Aufbewahrung von
Einnahmeursprungsaufzeichnungen sei nur dann nicht erforderlich, wenn deren Inhalt
unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse "in das in Form aneinander gereihter
Tageskassenberichte geführte Kassenbuch" übertragen werde (BFH-Urteil IV R 205/72
vom 7. Juli 1977, BStBl. II 1978, 307).
Die Kläger hätten zudem die Vorschrift des § 144 AO (Aufzeichnung des Warenausgangs)
in vielen Fällen nicht erfüllt. Dem Prüfer hätten z.B. bei Warenverkäufen, die über die Bank
beglichen worden seien, keine Ausgangsrechnungen vorgelegt werden können (Bl. 50, 96).
Zuschätzung von Umsatzerlösen
Die Zuschätzung sei aufgrund der nicht ordnungsmäßigen Buchführung erfolgt. Hierbei
habe sich der Prüfer am Ergebnis des Jahres 1995 orientiert. Der Aufschlagsatz des Jahres
1995 habe am unteren Rahmensatz für Metzgereien gelegen. Der untere Rahmensatz
erscheine auch gerechtfertigt, weil die Waren fast ausschließlich an Wiederverkäufer
veräußert worden seien.
Sowohl die Einkaufspreise als auch die Verkaufserlöse der Jahre 1993 und 1994 würden
gegenüber 1995 nicht gravierend abweichen. Es sei in allen Jahren im Wesentlichen bei den
selben Lieferanten eingekauft worden (Bl. 97).Dies führe zu der Zuschätzung in den Jahren
1993 und 1994. Der Ermittlung der Erlöse sei ein durchschnittlicher Aufschlagsatz in Höhe
von ca. 68,3 % (gerundet) zugrundegelegt worden (= Ergebnis des Jahres 1995; Bl. 50).
Der Prüfer habe versucht, eine Einzelkalkulation für Frikadellen und Rostwürste
durchzuführen. Die Kläger hätten aber ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachkommen wollen
(Bl. 51, 86, 97).
Die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung - nachdem auch der Beklagte im Laufe
des Verfahrens von seinen Positionen zu den übrigen Streitpunkten teilweise abgerückt war
- den Streitstoff insofern reduziert, als sie sich lediglich noch gegen die Zuschätzungen zu
den Betriebseinnahmen wenden, die sie für 1993 und 1994 nur in Höhe von jeweils 5.000
DM für angemessen halten.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die beigezogenen
Akten des Beklagten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber nur insoweit begründet, als der
Beklagte die streitigen Aufwendungen im Klageverfahren anerkannt hat.
1. Zuschätzungen des Finanzamtes
Nach § 158 AO sind der Besteuerung die Buchführung und die Aufzeichnungen des
Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, zugrunde zu
legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche
Richtigkeit zu beanstanden. Nur wenn die Würdigung des Sachverhalts ergibt, dass eine
formell ordnungsmäßige Buchführung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
sachlich unrichtig ist, kann das Ergebnis der Buchführung ganz oder teilweise verworfen
werden. Die objektive Beweislast für die hierfür maßgeblichen steuererhöhenden Tatsachen
trägt das Finanzamt (BFH vom 9. August 1991 III R 129/85, BStBl II 1992, 55).
Ist eine Buchführung ganz oder teilweise nicht nach § 158 AO der Besteuerung zugrunde
zu legen, so sind die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, wenn die durch die Fehler der
Buchführung verursachten Unklarheiten und Zweifel nicht durch anderweitige zumutbare
Ermittlungen beseitigt werden können (§ 162 Abs. 1, 2 AO). Im Rahmen einer solchen
Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse hat der Steuerpflichtige den allgemeinen
Grundsätzen zu Folge alle Voraussetzungen für den Abzug von Betriebsausgaben
nachzuweisen (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH vom 15. Februar 1989 X R 16/86,
BStBl II 1989, 462; vom 24. Juni 1997 VIII R 9/96, BStBl. II 1998, 51 m.w.N.).
Die Schätzung kann durch einen Zuschlag zu den Betriebseinnahmen erfolgen, um dadurch
den Unsicherheiten Rechnung zu tragen, die durch die punktuelle Feststellung von
sachlichen Fehlern in den Unterlagen des Steuerpflichtigen eingetreten sind, sog. (Un-)
Sicherheitszuschlag. Zudem kann die Zuschätzung von Betriebseinnahmen auch auf der
Grundlage einer Kalkulation erfolgen. An diese Kalkulation sind unterschiedliche hohe
Anforderungen zu stellen, je nachdem, ob sie erfolgt, um
- die materielle Unrichtigkeit einer formell ordnungsgemäßen Buchführung zu belegen, oder
- die Höhe der Zuschätzung zu den Ergebnissen einer Buchführung zu begründen, deren
materielle Unrichtigkeit bereits aufgrund anderer Umstände des Einzelfalles erkennbar ist
(s. z.B. BFH vom 8. November 1989 X R 178/87, BStBl. II 1990, 268 m.w.N). Die
Zuschätzung muss - wie jede Schätzung - in sich schlüssig und ihr Ergebnis muss
wirtschaftlich vernünftig und möglich sein (BFH vom 18. Dezember 1984 VIII R 195/82,
BStBl. II 1986, 226).
2. Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und der Kassenführung
a. Allgemeines
Eine ordnungsmäßige Buchführung erfordert, dass sämtliche Geschäftsvorfälle nach der
zeitlichen Reihenfolge und mit ihrem richtigen und erkennbaren Inhalt festgehalten werden.
Die zeitgerechte Verbuchung der Geschäftsvorfälle und eine ordnungsmäßige
Kassenführung sind bei Betrieben mit einem hohen Anteil an Bareinnahmen in der Regel
entscheidende Grundlagen einer kaufmännischen Buchführung. Mängel auf diesem Gebiet
nehmen der Buchführung im allgemeinen die Ordnungsmäßigkeit (§§ 140 ff. AO und die
ständige Rechtsprechung des BFH, s. Tipke/Kruse, Kommentar zur AO/FGO, § 146 AO Tz
5 ff.).
Eine ordnungsmäßige Kassenführung erfordert, dass die Kasseneingänge und -ausgänge -
soweit zumutbar, mit ausreichender Bezeichnung des Geschäftsvorfalls - in einem
Kassenbuch derart aufgezeichnet werden, dass es jederzeit möglich ist, den Sollbestand
nach dem Kassenbuch mit dem Ist-Bestand der Geschäftskasse auf die Richtigkeit
nachzuprüfen ("Kassensturzfähigkeit" der Aufzeichnungen).
b. Das fortlaufend geführte Kassenbuch
Die Kassensturzfähigkeit ist entweder dadurch herzustellen, dass jeder
Bargeldgeschäftsvorfall einzeln aufgezeichnet und die Belege den Kassenunterlagen
beigefügt werden. In einem solchen Falle ist es zwar nicht erforderlich, dass der
Kassenbestand täglich ermittelt wird; es müssen aber die Ursprungsaufzeichnungen über
die Einnahmen aufbewahrt werden.
c. Das als "Kassenbericht" geführte Kassenbuch
Anders liegt es dagegen, wenn die Bareinnahmen eines Tages ("Tageslosung") durch einen
sogenannten "Kassenbericht" ermittelt werden. Die Tageseinnahmen werden im Fall des
Kassenberichtes nicht dadurch festgehalten, dass jeder einzelne Zahlungsvorgang
unmittelbar aufgezeichnet wird, sondern sie werden durch den Abgleich von
Kassenanfangs- und Kassenendbestand unter Hinzurechnung der aus der Kasse
geleisteten Zahlungen rechnerisch ermittelt. Beim Kassenbericht ist die tägliche
Feststellung des Kassenbestands somit für die Berechnung der Tageslosung und damit für
eine ordnungsgemäße Kassenführung unentbehrlich (BFH vom 1. Oktober 1969 I R 73/66,
BStBl. II 1970, 45, 47 m.w.N.). Wird die Kasse in Form eines Kassenberichtes geführt,
dann ist die Aufbewahrung der Ursprungsaufzeichnungen über die Bargeschäfte nicht
erforderlich, wenn deren Inhalt unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse "in das in
Form aneinandergereihter Tageskassenberichte geführte Kassenbuch" übertragen wird. Es
geht hierbei um Fälle, in denen der Steuerpflichtige seine Tageseinnahmen durch Auszählen
des Kassenendbestandes ermittelt und auf diesen einem Zettel notiert, dem nur eine
Transportfunktion (z.B. zwischen dem im Erdgeschoss gelegenen Ladenlokal und der im
ersten Obergeschoss befindlichen Wohnung) zukommt (BFH vom 7. Juli 1977 IV 205/72,
BStBl. II 1978, 307, 308 m.w.N.). Beim Kassenbericht müssen also die
Einnahmenaufzeichnungen, die in einer Notiz über das Ergebnis der täglichen rechnerischen
Feststellung der Tageseinnahmen bestehen, nicht aufgehoben werden; es muss aber eine
tägliche Feststellung des Kassenbestandes erfolgen.
3. Anwendung auf den Entscheidungsfall
Gegen die Zuschätzungen des Beklagten bestehen im Ergebnis keine Bedenken. Die
Buchführung der GbR ist infolge schwerer Mängel der Kassenbuchführung nicht
ordnungsgemäß und auch ansonsten inhaltlich fehlerhaft.
a. Die Kläger tragen vor, Frau S habe "die Durchschriften der ausgestellten Quittungen
über Barverkäufe erhalten", um die täglichen Kassenaufzeichnungen zu erstellen (Bl. 40).
Sie hat also die Tageseinnahmen nicht durch einen Kassenbericht, also in rechnerischer
Form durch die Ermittlung des täglichen Kassenendbestandes, sondern durch die Addition
der Einnahmenquittungen ermittelt. Dem entsprechen auch die "Kassenabrechnungen", die
die Kläger im Klageverfahren vorgelegt haben (Bl.72 ff. sowie Ordner). Es wurden
tatsächlich keinerlei Kassenendbestände durch Zählen des Kasseninhaltes ermittelt. Auch
der "Kassenbestand", der sich am Ende eines Blattes der "Kassenabrechnung" findet, ist
offensichtlich kein durch Zählen des Kasseninhaltes ermittelter, sondern ein rein
rechnerisch ermittelter Wert. Dies wird schon daran erkennbar, dass der Kassenbestand
immer dann, wenn zufällig eine Seite gerade ausfüllt war und nicht hinter der letzten
Zahlungsbewegung eines Tages ausgewiesen worden ist (s. Bl 72, 73, bzw. z.B.
Kassenabrechnung zum 12.10., 14.11. und 14.12. 1995). Finden sich - wie in aller Regel -
auf einem Blatt der "Kassenabrechnung" mehrere Tage (z.B. Seite 5 der
Kassenabrechnung für März 1993: 12 Tage; Bl. 72), dann ist nur für einen der Tage (den
letzten auf dem Blatt) ein rechnerischer Kassenendbestand ausgewiesen. Zudem sind die
Endbestände aufgrund unterschiedlicher Schriftbilder offenbar von einer anderen Person als
derjenigen vermerkt worden, die die übrigen Eintragungen vorgenommen hat. Hieraus ist
zweifelsfrei erkennbar, dass niemals tatsächliche Tagesendbestände der Kasse erfasst
worden sind. Dies haben die Kläger in der mündlichen Verhandlung auch zugestanden.
Die Einnahmen sind möglicherweise anhand der Verkaufsquittungen aufaddiert worden; die
Quittungen sind aber nicht mehr verfügbar und dem Senat auch nicht auf seine
ausdrückliche Aufforderung vom 6. Juni 2003 (Bl. 103) vorgelegt worden. Von daher
gesehen sind auch die in den Kassenabrechnungen enthaltenen Einnahmedaten in keiner
Weise mehr überprüfbar. Es ist insofern auch wenig erstaunlich, dass die Kläger nicht in der
Lage gewesen sind, dem Prüfer durch einen Kassensturz die Richtigkeit ihrer
Kassenaufzeichnungen zu demonstrieren.
b. Dass es sich hierbei nicht nur um einen bloßen Formfehler, sondern auch um materielle
Unrichtigkeiten gehandelt hat, geht aus einer Reihe anderweitiger schwerwiegender
Indizien hervor:
· Es war dem Prüfer nicht möglich, bezüglich durch Banküberweisung
eingegangener Zahlungen Rechnungsbelege in der Buchführung der Kläger
vorzufinden, so dass insofern offenbar keine Einnahmenerfassung stattgefunden
hat.
· Der Rohgewinnaufschlag liegt bei den von den Klägern erklärten Umsätzen
(1993: 59,15%, 1994: 56,92 %, 1995: 68,23 %, s. Bl. 78 BpU) z.T. deutlich
unter dem untersten Rahmensatz der Richtsätze für Metzgereibetriebe (69 -
117%). Ob hierfür allein die Kundenstruktur ausschlaggebend war, darf
bezweifelt werden. Denn hätte sich Kundschaft in der Tat zum ganz
überwiegenden Teil aus Wiederverkäufern, die ihrerseits an die Umsatzsteuer
ausweisenden Rechnungsbelegen interessiert gewesen sein dürften,
zusammengesetzt, hätte die Kasse nicht in der vorliegenden Form geführt
werden dürfen und die Einnahmenursprungsaufzeichnungen offensichtlich in
jedem Falle aufbewahrt werden müssen.
· An Hand der Kassenunterlagen, die die Kläger im Verlaufe des
Klageverfahrens vorgelegt haben, war nicht nachvollziehbar, dass im Jahre 1995
"wesentlich günstigere" Einkaufsmöglichkeiten bestanden hätten als in den
Vorjahren. Stichproben aus den Einkaufsrechnungen des Hauptlieferanten haben
vielmehr Folgendes ergeben:
R.datum Fa. Artikel Nr. Preis
11.12.95 F Backen 433 2,50
24.02.95 F Backen 433 2,20
25.11.94 F Backen 433 2,20
17.06.94 F Backen 433 2,00
19.11.93 F Backen 433 1,80
12.03.93 F Backen 433 1,90
11.12.95 F Hüften 291 5,50
30.01.95 F Hüften 291 6,00
25.11.94 F Hüften 291 6,00
17.05.94 F Hüften 291 5,00
17.12.93 F Hüften 291 5,00
09.08.93 F Hüften 291 4,60
22.03.93 F Hüften 291 5,50
31.10.95 F Bauch 413 4,10
27.12.93 F Bauch 413 3,80
06.10.93 F Bauch 413 3,40
06.05.93 F Bauch 413 3,50
27.11.95 F Bauch 410 3,70
01.08.95 F Bauch 410 3,30
18.11.94 F Bauch 410 2,20
26.05.94 F Bauch 410 2,20
10.12.93 F Bauch 410 3,00
06.10.93 F Bauch 410 3,00
26.02.93 F Bauch 410 2,90
31.10.95 F Filet 242 15,00
06.01.95 F Filet 242 15,75
28.08.94 F Filet 242 14,95
17.05.94 F Filet 242 14,50
27.12.93 F Filet 242 17,45
· Die GbR hat im Durchschnitt der Jahre 1992 bis 1997 lediglich einen Jahresgewinn i.H.v.
(14.416 + 28.383 + 13.692 + 40.192 - 12.721 + 29.850 = 113.776 : 6 =) 18.962
DM, pro Gesellschafter also 13.273 DM (70%) bzw. 5.689 DM (30%) und damit einen
Betrag erwirtschaftet, der unter bzw. am Rande des Existenzminimums liegt. Es
widerspricht der Lebenserfahrung, dass zwei erwachsene Personen zu diesen Bedingungen
über einen längeren Zeitraum tätig werden.
· Schließlich ist in diesem Zusammenhang auch das offenbar unzulässig restriktive
Verständnis der Kläger von ihrer Mitwirkungspflicht im Rahmen der Außenprüfung
hinzuweisen.
Von daher gesehen war der Beklagte zur Vornahme von Zuschätzungen dem Grunde nach
berechtigt. Von dieser Berechtigung hat er im Ergebnis in einer Art und Weise Gebrauch
gemacht, die die Kläger jedenfalls nicht benachteiligt. Nachdem die Ermittlung konkreterer
Schätzungsgrundlagen offenbar an der mangelhaften Mitwirkung der Kläger gescheitert ist,
hat er zum einen den Rohaufschlagsatz des Jahres 1995 auf die Jahre 1993 und 1994
angewandt und zudem einen pauschalen Zuschlag i.H.v. 2.000 DM pro Streitjahr
vorgenommen.
c. Hiergegen haben die Kläger in der mündlichen Verhandlung zwar zu Recht eingewandt,
dass es unschlüssig sei, Zuschätzungen sowohl auf Grund einer Kalkulation als auch auf
der Grundlage eines Unsicherheitszuschlages vorzunehmen. Dies ist im Entscheidungsfall
der Sache nach zutreffend. Denn der Prüfer hat keine Anhaltspunkte dafür vorgefunden,
dass die Aufzeichnung des Wareneinsatzes unvollständig gewesen wäre. Er hat den
Unsicherheiten, die im Bereich der Einnahmenerfassung festgestellt worden sind, durch
eine Kalkulation Rechnung getragen. Neben den auf diese Weise ermittelten Umsätzen ist
kein Raum für einen Zuschlag, der dieselben Unsicherheiten abdecken soll, wie die
Kalkulation.
Dennoch hat der Senat gegen die Höhe der Zuschätzungen keine Bedenken, weil der
Zuschlag relativ gering gewesen ist (2.000 DM pro Jahr) und die Kalkulation auf dem
Rohaufschlagsatz des Jahres 1995 basiert, der mit 68,23 % noch unter dem untersten
Rahmensatz für Metzgereibetriebe (69-117 %) liegt.
Erhöht man den Rohgewinnaufschlagsätze nur um einen Prozentpunkt, also auf 69,23%,
so ist damit der Zuschlag mehr als ausgeglichen (1993: 1% von 221.661 DM = 2.216 DM
und 1994 1% von 215.503 DM = 2.155 DM). Auch nach dieser Erhöhung liegt der der
Schätzung zugrunde gelegte Rohaufschlagsatz noch am untersten Rahmensatz. Der Senat
hätte im Hinblick auf die gravierenden Belegmängel, die Verstöße gegen die
Mitwirkungspflichten während der Betriebsprüfung und die geringen erklärten Gewinne
auch einen höheren Aufschlagsatz nicht beanstandet.
4. Die Klage war nach alledem nur stattzugeben, soweit der Beklagte im Wege der
tatsächlichen Verständigung während des Klageverfahrens von seinen Positionen
abgewichen ist. Im übrigen war sie abzuweisen
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern gemäß § 137 S. 1 FGO auferlegt, weil sie
die zum Nachgeben des Beklagten führenden Tatsachen verspätet - nicht während der
Außenprüfung oder des Einspruchsverfahrens, sondern erst im Klageverfahren -
vorgetragen haben.
Zur Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO bestand keine Veranlassung.