Urteil des FG Saarland vom 04.04.2008

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FG Saarbrücken Urteil vom 4.4.2008, 2 K 1153/04
Verwendung eines Grundstücksveräußerungspreises zur Anlage in Wertpapieren: kein
Abzug der Schuldzinsen für das umgewidmete Darlehen bei fehlender
Überschusserzielungsabsicht
Leitsätze
1. Darlehen, die beim Verkauf einer Immobilie bestehen und die wegen einer festen
Laufzeitvereinbarung erst zu einem späteren Zeitpunkt abgelöst werden können, können
auf eine neue Einkunftsquelle, die unter Einsatz des Immobilienkaufpreises geschaffen wird
– z.B. Wertpapieranlagen -, umgewidmet werden.
2. Dienen die Wertpapieranlagen – wie hier – der Ablösung der umgewidmeten Darlehen
zum Fälligkeitszeitpunkt, so muss für den Zeitraum zwischen Anschaffung der Wertpapiere
und ihrer geplanten Veräußerung eine Einkunftserzielungsabsicht bestanden haben. Erzielt
der Steuerpflichtige (z.B. wegen der relativ hohen Darlehenszinsen) regelmäßig negative
Einkünfte aus Kapitalvermögen, so ist eine Einkunftserzielungsabsicht insbesondere dann
zu verneinen, wenn die Wertpapieranlagen weniger auf die Erzielung laufender Erträge als
auf Steigerungen in der Vermögenssubstanz angelegt sind.
Tatbestand
Die Kläger sind Eheleute, die beim Beklagten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt
werden. Zur Einkommensteuer 2001 erklärten sie Einnahmen aus Kapitalvermögen i.H.v.
6.820 DM (Kläger) und 7.484 DM (Klägerin). Bei den Werbungskosten machten sie 1.326
DM (Kläger) und 23.397 DM (Klägerin) geltend. Bei dem Rechtsstreit geht es um die
Anerkennung des letztgenannten Betrages, und zwar i.H.v. 22.660 DM. Dem liegt im
wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin erwarb 1984 eine bebaute Immobilie, die sie durch ein Darlehen finanzierte
(Restkapital zum 31. Dezember 2001: 540.000 DM). Zur Sicherung des Darlehens wurde
an dem vermieteten Objekt eine Grundschuld über 442.000 DM bestellt. Am 30. März
2000 veräußerte die Klägerin das Anwesen für 440.000 DM. Wegen drohender
Vorfälligkeitszahlungen verwendete sie den Kaufpreis nicht zur Darlehenstilgung, sondern
zum Erwerb von Wertpapieranlagen. Das Darlehen sollte zum Fälligkeitszeitpunkt, dem 30.
April 2009, unter Einsatz der Wertpapieranlagen getilgt werden. Gemeinschaftlich mit dem
Kläger erwarb sie nach mehreren Beratungsgesprächen durch die X-Bank Anlagen im Wert
von 442.259 DM und zwar:
am 7. September 2000:
A-Fonds
50.000,00 DM
B-Fonds
100.000,00 DM
C-Wertpapier 3,125 %
37.070,08 DM
D-Anleihe 8,5 %
31.370,00 DM
E-Fonds
19.405,75 DM
F-Fonds
19.675,65 DM
257.521,48 DM
am 8. und 11. September 2000:
G-Wertpapier 6,125 %
30.021,99 DM
H-Wertpapier USD
20.378,98 DM
50.400,97 DM
am 13. November 2000:
I-Fonds
29.337,45 DM
J-Fonds
105.000,00 DM
134.337,45 DM
Summe
442.259,90 DM
Die Klägerin hat die Schuldzinsen des Streitjahres, insgesamt 27.810 DM, mit einem Anteil
von 81,48 %, also 22.660 DM, als Werbungskosten bei den Einkünften aus
Kapitalvermögen geltend gemacht. Die Aufteilung entspricht dem Verhältnis der
Darlehensschuld (540.000 DM) zu dem in die Wertpapiere investierten Verkaufserlös
(440.000 DM). Der Beklagte hat bei Durchführung der Veranlagung diese Werbungskosten
nicht berücksichtigt, weil die Schuldzinsen mit den Einkünften aus Kapitalvermögen nicht in
wirtschaftlichem Zusammenhang stehen würden. Am 1. Juli 2003 hat er den
dementsprechenden Einkommensteuerbescheid 2001 erlassen. Dagegen haben die Kläger
Einspruch erhoben, den der Beklagte mit Entscheidung vom 27. April 2004 als
unbegründet zurückwies, nachdem er am 2. September 2003 einen Änderungsbescheid
erlassen hatte. In dem Änderungsbescheid sind Einkünfte aus Kapitalvermögen enthalten
(Bl. 143 ESt) und zwar
- für den Kläger i.H.v. 2.494 DM (Einnahmen: 6.820 DM abzüglich Werbungskosten bzw.
Pauschbetrag i.H.v. 1.326 DM und Sparerfreibetrag i.H.v. 3.000 DM) und
- für die Klägerin i.H.v. 3.747 DM (Einnahmen: 7.484 DM abzüglich Werbungskosten bzw.
Pauschbetrag i.H.v. 737 DM und Sparerfreibetrag i.H.v. 3.000 DM).
Am 28. Mai 2004 erhoben die Kläger Klage. Sie beantragen sinngemäß, unter Änderung
des Bescheides vom 2. September 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.
April 2004 die Einkommensteuer 2001 unter Anerkennung weiterer Werbungskosten bei
den Einkünften aus Kapitalvermögen i.H.v. 22.660 DM festzusetzen.
Die Kläger hätten bei der Anschaffung aller Wertpapiere mit Überschusserzielungsabsicht
gehandelt (Bl.50). Zu deren Feststellung seien nicht nur einzelne Kriterien, sondern der
ganze Lebenssachverhalt zu würdigen. Die Klägerin habe das Hausgrundstück verkauft, da
sich die Vermietung als unrentabel herausgestellt habe. Um höhere Einnahmen zu erzielen,
hätten die Kläger die Wertpapiere erworben. Sie seien bestrebt gewesen, möglichst
profitable Wertpapiere mit hohen Ertragschancen zu erwerben. Jedoch seien bei
Wertpapieren Kursschwankungen und Verluste nicht auszuschließen. Die tatsächlich
erzielten geringen Einkünfte seien daher nicht als Aufgabe der Überschusserzielungsabsicht
zu werten.
Bei Wertpapieren könne der Inhaber die Höhe des Kurses nicht beeinflussen. Die geringen
Einkünfte ließen nicht auf eine fehlende Überschusserzielungsabsicht schließen. Zudem
könne bei Wertpapieren auch nicht anhand eines einzelnen Veranlagungszeitraums objektiv
beurteilt werden, ob ein Wertpapier im Rahmen der Gesamtbetrachtung eher Gewinne
oder Verluste erziele. Aufgrund der niedrigen Kurse der Wertpapiere sei der Verkauf der
Wertpapiere nicht besonders sinnvoll. Die Überschusserzielungsabsicht der Kläger zeige
sich auch daran, dass sie die X-Bank, die ihnen die unrentablen Wertpapiere empfohlen
habe, auf Zahlung von Schadensersatz verklagt hätten. Die Gespräche, die mit der
damaligen Beraterin der Bank vor Abschluss der Verträge über die Anlagen geführt worden
seien, ließen Rückschlüsse auf die Einkunftserzielungsabsicht der Kläger zu.
Der Beklagte beantragt sinngemäß, die Klage als unbegründet abzuweisen, soweit die
Einkünfte aus Kapitalvermögen für beide Kläger weniger als 0 DM betragen sollen.
Die Klägerin habe die Wertpapiere ohne Überschusserzielungsabsicht angeschafft und
gehalten. Ausgenommen hiervon seien nur einzelne Papiere (C-Wertpapier, H-Wertpapier
USD, G-Wertpapier, D-Anleihe), denen Schuldzinsen i.H.v. 6.118,21 DM zuzuordnen seien.
Die Überschusserzielungsabsicht sei als innere Tatsache anhand äußerlich erkennbarer
Merkmale festzustellen. Die Prognose, ob ein Überschuss erwartet werden könne, sei ein
Beweiszeichen für die Überschusserzielungsabsicht. Zweifel gingen zu Lasten des
Steuerpflichtigen, den insoweit die Feststellungslast treffe (Bl. 40).
Der Vergleich der Erträge und Zinsbelastungen zeige, dass die Wertpapiere - mit
Ausnahme der o.g. Papiere - nicht mit der Absicht der Einkunftserzielung erworben worden
seien. Auch die tatsächliche Ertragsentwicklung lasse den Rückschluss auf eine
Überschusserzielungsabsicht nicht zu. Für die Kläger sei insoweit offenbar der Erwerb eines
sicheren und wertbeständigen Wertpapiervermögens vorrangig gewesen.
Auch der Rechtsstreit zwischen den Klägern und der X-Bank lasse keinen Rückschluss auf
eine Überschusserzielungsabsicht zu. Da die Wertbeständigkeit bzw. die Wertsteigerung
des Vermögens im Vordergrund gestanden habe, seien die für die Anschaffung bzw. das
Halten der Wertpapiere entstandenen Schuldzinsen nicht zur Erzielung von
Kapitaleinkünften angefallen. Zudem sei eine Verringerung oder ein Wegfall der
Schuldzinsen nicht absehbar.
Der Berichterstatter hat die Kläger mit Verfügung vom 12. Dezember 2007 aufgefordert,
für jedes der streitigen Papiere eine Übersicht mit den maßgeblichen Daten vorzulegen.
Nachdem dies nicht in hinreichender Weise geschehen ist, hat der Berichterstatter hierauf
mit Schriftsatz vom 15. Februar 2008 hingewiesen und zudem für jedes der Papiere um
eine kurze Darlegung dahingehend gebeten, wie sich die steuerbaren Erträge berechnen.
Mit Verfügung vom 14. Februar 2008 wurden die Akten des Rechtsstreites vor dem
Landgericht zum Verfahren beigezogen.
Der Senat hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 4. April 2004 – zugestellt am 5. April
2008 - zum ganz überwiegenden Teil abgewiesen. Am 8. Mai 2008 haben die Kläger
Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt. Weitere Erklärungen zur Sache haben sie nicht
abgegeben.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die beigezogenen
Akten des Beklagten und die des vorbezeichneten Zivilrechtsstreites Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber nur insoweit begründet, als der
Beklagte Einkünfte aus Kapitalvermögen i.H.v. mehr als 0 DM berücksichtigt hat.
1. Rechtsgrundlagen
Bei den Überschusseinkünften (§ 2 Abs. 1 Nrn. 4 bis 7 EStG) ist eine Betätigung oder
Vermögensnutzung nur relevant, wenn die Absicht besteht, einen Überschuss der
Einnahmen (§ 8 EStG) über die Werbungskosten (§ 9 EStG) zu erzielen. Bei fehlender
Überschusserzielungsabsicht unterfallen die Einnahmen ebenso wenig wie die
Werbungskosten einer Einkunftsart i.S. des § 2 Abs. 1 EStG.
Bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ist eine Überschusserzielungsabsicht gegeben,
wenn auf die Gesamtdauer der Kapitalanlage mit einem Überschuss der Einnahmen über
die Werbungskosten (und nicht nur mit der Erzielung steuerfreier Vermögensvorteile) zu
rechnen ist. Es müssen hinreichende Anhaltspunkte dafür ersichtlich sein, dass sich in
absehbarer Zeit ein Totalüberschuss ergeben könnte. Liegen keine Anhaltspunkte dafür
vor, dass bei einer Kapitalanlage auf Dauer gesehen eine - wenn auch bescheidene -
Rendite nicht erwartet wird oder nicht erwartet werden kann, so ist die
Überschusserzielungsabsicht regelmäßig gegeben. Als Indizien für oder gegen eine
Überschusserzielungsabsicht hat die Rechtsprechung beispielsweise angesehen (BFH vom
31. August 1999 VIII R 23/98, BFH/NV 2000, 420 m.w.N.):
- Veräußerung der Kapitalanlage mit Gewinn, ohne dass die Schuldzinsen durch die laufenden
Erträge gedeckt werden (spricht für die Absicht der Erzielung steuerfreier Wertsteigerungen
unter bloßer Mitnahme laufender Erträge);
- bei langer Haltedauer der Kapitalanlage übersteigen die Finanzierungskosten ständig die
laufenden Erträge;
- erhebliche Differenz zwischen Zinsbelastung und Renditeerwartung;
- Fehlen konkreter Anhaltspunkte für die Erwartung, dass sich die Sollzinssätze sowie die
Renditeaussichten im Laufe der Kapitalanlage zu Gunsten des Steuerpflichtigen ändern (nicht
ausreichend: Hinweis auf einen ungewissen Vermögenszufluss durch Testament,
Vermächtnis u.ä.);
- Erwerb fremdfinanzierter Kapitalanlagen, wobei die Schuldzinsen die voraussichtliche
Rendite erheblich übersteigen. Bis zur geplanten, aber ungewissen Ablösung des Kredits kann
eine Überschusserzielungsabsicht fehlen;
- vorgezogenen Kauf von Wertpapieren unter vorübergehender Inkaufnahme von Verlusten,
um sich eine hohe Rendite zu sichern, die er bei einem späteren Erwerb nicht mehr erzielbar
wäre.
Will der Steuerpflichtige neben der Absicht, auf Dauer gesehen einen Überschuss zu
erzielen, mit der Kapitalanlage auch steuerfreie Vermögensvorteile zu realisieren, so steht
dies dem vollumfänglichen Abzug der Schuldzinsen als Werbungskosten nicht entgegen. Es
ist allein darauf abzustellen, ob eine Überschusserzielungsabsicht festgestellt werden kann.
Ist eine Überschusserzielungsabsicht zu bejahen, so tritt eine etwaige daneben stehende
Absicht, steuerfreie Vermögensvorteile zu realisieren, stets zurück. Dies gilt selbst dann,
wenn nach der für die Dauer der Kapitalanlage gebotenen Prognose zu erwarten ist, dass
die steuerfreien Vermögensvorteile die steuerpflichtigen Einnahmenüberschüsse i.S. von §
2 Abs. 2 Nr. 2 EStG voraussichtlich übersteigen werden. Eine Aufteilung der
Werbungskosten ist bei zu bejahender Überschusserzielungsabsicht trotz der zugleich
bestehenden Erwartung, steuerfreie Vermögensvorteile zu realisieren, grundsätzlich nicht
geboten (BFH vom 7. Dezember 1999 VIII R 8/98, BFH/NV 2000, 825).
2. Anwendung auf den Entscheidungsfall
Unter Zugrundelegung der vorgenannten Rechtsgrundsätze ist eine
Überschusserzielungsabsicht der Kläger nicht feststellbar.
a. Umwidmung des Darlehens bei der Y-Bank
Unter den Beteiligten ist zwischenzeitlich zu Recht unstreitig geworden, dass die Klägerin
das o.g. Immobiliendarlehen nach dem Verkauf des Hauses steuerlich wirksam zum Erwerb
der hier streitigen Wertpapiere umgewidmet hat (s. dazu BFH vom 1. Oktober 1996 VIII R
68/94, BStBl. II 1997, 454). Der Grund hierfür war der Umstand, dass das Darlehn i.H.v.
540.000 DM zum Verkaufszeitpunkt, dem 30. März 2000, noch eine feste Laufzeit bis
zum 30. April 2009 hatte und bei seiner Ablösung eine höhere Vorfälligkeitszahlung
angefallen wäre.
b. Keine Einkunftserzielungsabsicht der Kläger
Das Darlehen und die dafür anfallenden Zinsen sind anteilig jedem einzelnen Wertpapier
zuzuordnen, das die Kläger mit dem Kaufpreis (ohne Darlehenstilgung) gemeinschaftlich
erworben haben. Zwar war nur die Klägerin Darlehensschuldnerin und Eigentümerin der
veräußerten Immobilie. Bei den von der Klägerin getragenen Schuldzinsen handelt es sich
um nicht abzugsfähigen Drittaufwand des Klägers, soweit diese auf die Anteile des Klägers
entfallen (BFH vom 2. Dezember 1999 IX R 45/95, BStBl. II 2000, 310). Der Beklagte hat
jedoch unter Anwendung von H 18 „Drittaufwand“ EStH 2003 zu Gunsten der Kläger
unterstellt, dass der Kläger die auf seinen Anteil entfallenden Schuldzinsen persönlich aus
eigenen Mitteln gezahlt hat (Bl. 43).
Es konnte aber nicht festgestellt werden, dass die Kläger durch die Anschaffung der
streitigen Wertpapiere nach positiven Einkünften aus Kapitalvermögen gestrebt haben. Sie
haben vielmehr für einen gewissen Zeitraum - nämlich bis zum 30. April 2009 – für die
noch streitigen Anlagen bewusst keine positiven Einkünfte aus Kapitalvermögen
angestrebt. Die laufenden Erträge ihrer Anlagen haben von vornherein nicht die
Schuldzinsen gedeckt. Das Darlehen sollte vielmehr – im wesentlichen durch die Erzielung
steuerfreier Wertsteigerungen unter bloßer Mitnahme laufender Erträge – zum
Fälligkeitsdatum, dem 30. April 2009, durch den Verkauf der Papiere getilgt werden.
Die Kläger sind im Einzelnen zu der Darlegung aufgefordert worden, mit welchen
Überschüssen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen sie rechnen konnten. Hierzu hätte –
wie der Berichterstatter durch Schreiben vom 12. Dezember 2007 und 15. Februar 2008
deutlich gemacht hat (Bl. 75, 86) – gehört, dass für jede streitige Anlage aufgezeigt
worden wäre, inwiefern die Kläger damit gerechnet haben, dass ihre
einkommensteuerpflichtigen Einnahmen die hohen anteiligen Zinsaufwendungen
übersteigen würden. Dieser Aufforderung sind sie nicht nachgekommen. Insbesondere die
den Schriftsätzen vom 20. und 27. März 2008 beigefügten und nicht zusammenfassend
ausgewerteten Unterlagen sind hierzu in der vorgelegten Form für sich gesehen wenig
geeignet. Die Kläger haben stattdessen - allgemein gehalten und ohne zwischen
einkommensteuerbaren und einkommensteuerfreien Erträgen zu differenzieren -
vorgetragen, dass sie bei der Anlage des Kaufpreises des Hauses bestrebt gewesen seien,
einen größtmöglichen Gewinn zu erzielen. Bei Wertpapieren seien Kursschwankungen und
Verluste aber nicht auszuschließen. Der Hinweis der Kläger auf Verluste und
Kursschwankungen deutet jedoch darauf hin, dass es ihnen weniger um steuerbare
Einnahmen, als um nicht steuerbare Vermögenszuwächse gegangen ist.
Für diese innere Einstellung der Kläger spricht auch die Finanzierungssituation, unter der die
Wertpapiere angeschafft worden sind. Die Anschaffung der Wertpapiere wurde in vollem
Umfang finanziert, weil die Klägerin die hohen Vorfälligkeitszahlungen vermeiden wollte, die
bei einer Darlehensablösung ca. neun Jahre vor dem 30. April 2009 zu entrichten gewesen
wären. Die relativ hohen Finanzierungskosten von über 5% p.a. konnten die Kläger für die
noch streitigen Anlagen kaum durch regelmäßige steuerbare Zinserträge, sondern nur
durch spekulative – i.a.R. nicht steuerbare – Kurs- und Wertzuwächse in der
Vermögenssubstanz auffangen.
In der Tat wird eine solche Zielsetzung der Kläger durch die beigezogenen Akten der
Schadensersatzklage gegen die X-Bank vor dem Landgericht erhärtet. In diesem Verfahren
hat die damalige Anlageberaterin, auf die sich die Kläger auch im anhängigen Verfahren
berufen, als Zeugin u.a. ausgesagt (Bl. 257 f. LGA):
„Als das Ziel offenkundig wurde, zu einem bestimmten Stichtag ein Darlehen abzulösen,
habe ich keine Aktien empfohlen, sondern zunächst festverzinsliche Wertpapiere. Erst
dann, als die Klägerin ausdrücklich nach renditeträchtigeren Anlageformen gefragt hat,
habe ich derart renditeträchtigere Anlageformen auch geliefert. In diesem Zusammenhang
habe ich aber stets auf die Risiken hingewiesen. Die Klägerin hat mich auch nach den
Wahrscheinlichkeiten gefragt, mit der sich derartige Risiken realisieren können. Ich habe ihr
gesagt, dass diese Risiken nicht bezifferbar sind. Aus der Vergangenheit heraus, bei der
sich Gewinne von 20 bis 30% im Jahr realisiert haben, habe ich ihr gesagt, dass nicht zu
erwarten ist, dass das Darlehen nicht bedient werden könne. Genauso wenig wie der
Kunde haben auch wir als Anlageberater erwartet, dass es Kursverluste von bis zu 80%
geben wird.“
"Ich habe mich ausdrücklich bei der Klägerin und ihrem Ehemann vergewissert und kam zu
dem Ergebnis, dass es beiden nicht darauf ankam, regelmäßige Ausschüttungen zu
erzielen. Es kam überhaupt nicht darauf an, womöglich vierteljährlich oder in bestimmten
Zeitabständen Zinsen oder Ausschüttungen zu bekommen, sondern das angelegte Geld
sollte lediglich auf Vermögenswachstum hin angelegt werden und zur Ablösung des
Darlehens zum Fälligkeitszeitpunkt zur Verfügung stehen."
Die Zeugin ist vereidigt worden. Das Landgericht hat ihre glaubwürdige Aussage seinem
klageabweisenden Urteil vom 13. März 2005 zugrunde gelegt. Der Kläger, der im
vorgenannten Verfahren ebenfalls als Zeuge vernommen worden ist, hat diese Aussage
inhaltlich bestätigt und u.a. bekundet:
"Auf eine Nachfrage hin erklärte der Kläger, dass es durchaus möglich sei, den
Verkaufserlös des Anwesens meiner Frau so anzulegen, dass die Zinsen in Höhe von, ich
meine 5,3%, die der Darlehensgeber verlangt, ausgeglichen würden. Meine Frau wollte
nämlich die Vorfälligkeitsentschädigung in beträchtlicher Höhe vermeiden. Bei dem ersten
Gespräch, welches daraufhin zwischen meiner Ehefrau, mir und der Beraterin der Bank
stattfand, schlug diese uns festverzinsliche Wertpapiere vor. Wenn ich das so gemacht
hätte, wie das auf dem Papier stünde, hätten wir einen Überschuss von etwa 1.000 DM im
Jahr erzielt, das hat uns nicht gereicht. Dann hätten aber noch bestimmte Auslagen gezahlt
werden müssen, so dass es im Endeffekt vielleicht sogar ein Verlust gewesen wäre.
Jedenfalls wäre es kein toller Gewinn gewesen. Ich war damals ein Fan von der ... - Anleihe.
Nach diesem Gespräch gingen die Gespräche aber weiter und es hieß dann seitens der
Beraterin, hier gibt es aber noch eine bessere Variante und hier kann man noch mehr Geld
erzielen und dort noch mehr. ... Klar ist, und das weiß jedes Kind, dass es
Kursschwankungen geben kann."
Aus diesen Aussagen geht zweifelsfrei hervor, dass es den Klägern in erster Linie nicht um
die Erzielung regelmäßiger, steuerbarer Einnahmen gegangen ist. Selbst wenn sie sich –
wie zunächst ins Auge gefasst – auf solche beschränkt hätten, wäre es der vorstehenden
Zeugenaussage des Klägers zufolge zumindest zweifelhaft gewesen, ob sie bis zum 30.
April 2009 hieraus einen Überschuss hätten erzielen können. Stattdessen haben sie sich
für Papiere entschieden, deren Überschuss weniger in dem laufenden
(einkommensteuerbaren) Ertrag als vielmehr in der (nicht einkommensteuerbaren)
Wertsteigerung auf der Vermögensebene liegen sollte. Diese Einkunftserzielung sollte zum
30. April 2009 - mit der Veräußerung der Anlagen zum Zwecke der Darlehenstilgung -
beendet sein.
Unter den Beteiligten ist unstreitig, dass für bestimmte Papiere (C-Wertpapier, H-
Wertpapier USD, G-Wertpapier, D-Anleihe), die eine regelmäßige einkommensteuerbare
Ertragszahlung vorgesehen haben, die Überschusserzielungsabsicht zu bejahen ist.
Hiergegen bestehen auch seitens des Senats keine Bedenken, soweit die Papiere eine
Verzinsung von mehr als 5,15% vorgesehen haben. Der Beklagte hat unwidersprochen
vorgetragen, dass unter Berücksichtigung der auf diese Papiere entfallenden Schuldzinsen
die fraglichen Einkünfte mit 0 DM anzusetzen sind. Der Senat sieht keine Veranlassung
hiervon abzuweichen. Der streitige Einkommensteuerbescheid ist dementsprechend zu
korrigieren.
3.
als unbegründet abzuweisen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern zu ¾ und dem Beklagten zu ¼ gemäß §
136 Abs. 1 S. 1 FGO auferlegt.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr.
10, 711 ZPO.
Der Beklagte wird zur Berechnung der Steuer nach § 100 Abs. 2 S. 2 FGO verpflichtet.
Zur Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO bestand keine Veranlassung.
Der Senat hielt den Erlass eines kostengünstigeren Gerichtsbescheides für angemessen (§
90a FGO).