Urteil des FG Saarland vom 13.01.2010

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FG Saarbrücken Entscheidung vom 13.1.2010, 1 K 1101/05
Abgrenzung zwischen Betriebsverlegung und Betriebsaufgabe bei Neueröffnung eines
Restaurants nach Aufgabe des vorherigen Betriebs - Schätzungsbefugnis bei
unglaubwürdigen Aufzeichnungen - Kein Betriebsausgabenabzug bei Leistung an
Scheinfirma
Leitsätze
1. Dem Finanzgericht steht gemäß § 96 Abs. 1 FGO eine eigene Schätzungsbefugnis zu.
Es kann von der Schätzungsmethode des Finanzamts abweichen und nach einer anderen
Methode schätzen. Die Qualität der Aufzeichnungen und die Mitwirkungsbereitschaft des
Steuerpflichtigen bestimmen den Sorgfaltsmaßstab der Schätzung.
2. Im Falle der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG besteht zwar grundsätzlich keine
Pflicht zum Führen eines Kassenbuchs. Die für die Besteuerung maßgeblichen Vorgänge
müssen dann aber auf andere Weise - z.B. durch eine geordnete Belegsammlung -
vollständig erfasst werden. Generell müssen die Aufzeichnungen auch bei einer
Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG so klar und vollständig sein, dass sie einem
sachverständigen Dritten in vertretbarer Zeit den Umfang der Einkünfte plausibel machen.
3. Die Schließung eines Restaurants im Außenstadtbereich und die Eröffnung eines
gleichartigen Restaurants unter einem anderen Namen in einer zentralen Innenstadtlage
führt zur Betriebsaufgabe des bisherigen Restaurants. Es handelt sich nicht um eine
Betriebsverlegung.
Tenor
1. Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Die Klägerin betrieb in den Streitjahren nacheinander zwei Restaurants:
- vom 26. Januar bis zum 9. Oktober 1996 in einem Stadtteil von X das Restaurant "A".
Die Räume mietete sie von ihrem Schwager. Ein Mietvertrag wurde nicht vorgelegt.
- vom 28. September 1996 bis Oktober 2001 in der Innenstadt von X das Restaurant „B“.
Die Räume mietete sie von ihrem Ehemann. Der Betrieb wurde am 26. Oktober 2001
zum selben Tage abgemeldet und vom Bruder der Klägerin unter anderem Namen
fortgeführt.
Die Klägerin gab in der Gewerbeabmeldung für die „Speisewirtschaft A“ als „Datum der
Betriebsaufgabe“ den 9. Oktober 1996 an. Am 27. September 1996 meldete sie das
Gewerbe für das Restaurant „B“ mit Beginn am 28. September 1996 an. Die
Gewerbeanmeldung erfolgte „wegen Neuerrichtung des Betriebes“. Sie reichte für 1996
zwei Gewinnermittlungen nach § 4 Abs. 3 EStG ein – eine für das Restaurant A und eine
das Restaurant B. In beiden Restaurants waren – wie die Klägerin vorträgt – außer ihr
selbst (Theke, Küche), zwei Verwandte (Küche und Bedienung) und ihr Ehemann
(gelegentlich an Wochenenden) beschäftigt. Weder für das Restaurant A noch für das
Restaurant B hat sie 1996 bzw. 2001 Aufgabebilanzen vorgelegt.
Der Familienwohnsitz befand sich in der Großstadt K außerhalb des Saarlandes. Beide
Eheleute pendelten ihren Angaben zufolge jeweils zwischen beiden Städten. Die Klägerin
bewohnte mit ihren Kindern (* 1993, 1994 und 1997) während ihres Aufenthaltes in X
Räume im selben Gebäude, in dem die Restaurants betrieben wurden. Der Ehemann
Räume im selben Gebäude, in dem die Restaurants betrieben wurden. Der Ehemann
erzielte Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit als Arzt in der Großstadt K außerhalb
des Saarlandes (zu versteuerndes Einkommen ca. 300.000 DM).
Die Klägerin ermittelte in Eigenarbeit – zusammen mit ihrem Ehemann - ihre Einkünfte aus
dem Betrieb der Restaurants nach § 4 Abs. 3 EStG. 1996 erstellte sie für jedes der
Restaurants eine Gewinnermittlung. Die Gewinnermittlungen enthielten folgende Daten:
1996
1997
1998
1999
2000
2001
A
B
Umsatz
22.054
21.483
56.213
65.497
77.750
88.102
59.574
Waren u.ä.
13.991
12.241
25.229
27.161
20.400
28.372
22.902
Raumkosten
41.551
52.643
29.631
42.920
30.908
32.190
19.866
Abschreibungen
7.535
4.269
10.764
5.920
6.215
12.774
658
Personalkosten
17.518
16.809
Verlust
69.303
63.100
18.668
31.024
28.690
24.294
8.996
Vom 8. Oktober bis 27. November 2001 fand bei der Klägerin für 1996 bis 1999 eine
Betriebsprüfung statt, in deren Vorbereitung am 28. September 2001 eine Ortsbegehung
durchgeführt wurde. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2001 versuchte der Prüfer, einen
Besprechungstermin mit dem Steuerberater der Klägerin zu vereinbaren. Unter TZ 7
„Schlussbesprechung“ führt der Prüfungsbericht aus:
„Eine Schlussbesprechung fand nicht statt, weil die Steuerpflichtige
ihrer Auflage, einen Erörterungstermin zwischen ihr, ihrem Ehemann
und der Steuerberatung, sowie dem Prüfer herbeizuführen, nicht
nachgekommen ist. Entscheidende Prüfungsfeststellungen konnten
somit in Ermangelung der Mitwirkungspflicht gemäß § 200 AO nicht
erläutert werden. Das an die Steuerberatung gerichtete Schreiben
vom 30.10.01 blieb unbeantwortet. Lediglich aus einem Telefonat ...
war zu entnehmen, dass die Steuerberatung derzeit keine Gründe zu
erkennen vermag, an einem solchen Gespräch teilzunehmen.
Überdies sei ihr auch der Anfahrtsweg von K nach X zu weit. Sie
wollte sich aber dennoch mit der Mandantin ins Benehmen setzen.
Obgleich diese sich daraufhin tel. meldete, blieb auch das mit ihr
eingehend geführte Telefonat erfolglos.“
Der Prüfer nahm für beide Restaurants Umsatzzuschätzungen betreffend die Jahre 1996
bis 1998 vor (Rohaufschlagsatz: 300%) und beanstandete eine Reihe von Positionen der
Gewinnermittlung (insbesondere „Instandhaltung betrieblicher Räume“ und
„Mietaufwand“). Der Beklagte schloss sich der Auffassung des Prüfers an und erließ am
11. Juli 2002 Bescheide zur Gewinnfeststellung und Umsatzsteuer 1996 bis 1999.
Dagegen legte die Klägerin am 25. Juli 2002 Einsprüche ein. Durch Einspruchsentscheidung
vom 23. März 2005 (Mittwoch vor Ostern), auf die wegen Einzelheiten Bezug genommen
wird, verminderte der Beklagte die Gewinnfeststellungen und die Umsatzsteuer der
Streitjahre auf der Grundlage einer geringeren Einnahmenzuschätzung (Rohaufschlag
1996-1998: 180%, 200% und 240%).
Am 27. April 2005 erhob die Klägerin Klage. Im Zuge des Klageverfahrens hat der Beklagte
am 6. September 2005 die Gewinnfeststellungsbescheide 1996 bis 1998 wegen
Rechenfehlern in der Einspruchsentscheidung nach § 129 AO berichtigt. Die Klägerin
beantragt sinngemäß, unter Änderung der Bescheide vom 11. Juli 2002, alle in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 23. März 2005 bzw. der Änderungsbescheide vom 6.
September 2005, die Gewinne und die Umsatzsteuer wie folgt gesondert festzustellen
bzw. festzusetzen:
Gewinn
Umsatzsteuer
1996
-51.068
DM
(statt
27.903 DM)
- 5.800,88 DM (statt –
3.000 DM)
1997
-19.695 DM (statt –
9.750 DM)
1.791,93 DM (statt 1.965
DM)
1998
-25.684
DM
(statt
11.249 DM)
1.301,01 DM (statt 3.645
DM)
1999
-16.167
DM
(statt
10.515 DM)
2.943,45 DM (statt 3.723
DM)
1. Umsatzzuschätzungen 1996 bis 1998
Soweit die in bar beglichenen Kosten die Tageseinnahmen überstiegen, habe der Ehemann
die erforderlichen Mittel in bar zur Verfügung gestellt oder an die Klägerin gerichtete
Rechnungen selbst beglichen.
Er habe folgende Barmittel geleistet:
Für das Restaurant A 1995:126.500 DM
Für die Restaurants A und B 1996: 97.300 DM
Für das Restaurant B 1997:168.300 DM
Für das Restaurant B 1998: 53.000 DM
Der Ehemann habe über ausreichende liquide Mittel verfügt. Der Prüfer habe eine
Erörterung bzw. Verifizierung der Einlageleistungen mit dem Ehemann abgelehnt.
Zudem sei betrieblicher Aufwand durch den Dispositionskredit der Bank gedeckt worden,
der schließlich am 15. Dezember 1999 durch ein Darlehen i.H.v. 30.524 DM an die
Klägerin und deren Ehemann abgelöst worden sei. ...
Der Aufschlagssatz des Beklagten könne angesichts der Umstände (Vollausstattung bei
Betriebseröffnung, Warenverderb infolge schleppenden Anfangsgeschäfts, überwiegende
Abgabe von verbilligtem Mittagstisch u.s.w.) nicht nachvollzogen werden. Die in den
Kassenaufzeichnungen ausgewiesenen Mittel seien dem Restaurantbetrieb zugeführt
worden, da anderenfalls die Mittel zur Bestreitung der Betriebsausgaben nicht ausgereicht
hätten.
Die Einwände gegen die Kassenaufzeichnungen seien nicht überzeugend (Bl. 201 ff.):
- Der Ehemann habe von Fall zu Fall Betriebsausgaben für die Klägerin bestritten, welche
stets als Kasseneinlagen verbucht worden seien. ...
- Die Ursprungsaufzeichnungen der Kassenaufzeichnungen seien nicht unklar. Jeder
Kassenvorfall sei anhand der dokumentierten Tageseinnahmen und Einlage-
/Entnahmeleistungen des Ehemanns verzeichnet worden. Mit der Erfassung eines jeden
einzelnen Kassenvorfalls sei dem konkreten Besteuerungszweck hinreichend Genüge
getan, zumal die Klägerin nicht zur Führung eines Kassenbuchs verpflichtet sei.
- Die im Einzelfall hohen Kassenbestände erklärten sich aus den jeweiligen
Einlageleistungen
des
Ehemanns,
die
in
Erwartung
höherer,
nicht
durch
Betriebseinnahmen gedeckte Betriebsausgaben getätigt worden seien und jeweils wieder
dem Betriebsvermögen entnommen worden seien, als und soweit diese nicht (mehr) zur
Deckung von Betriebsaufwand hätten hinreichen sollen.
- Bei dem angeblichen Fehlbetrag per 10. Juli 1997 handele es sich offensichtlich um einen
Schreibfehler. Die unter dem 10. Juli 1997 datierten Kassenentnahmen seien am 30.
Dezember 1998 erfolgt.
2. Betriebsausgaben 1996
a. Gartengeräte
Die Geräte seien zur Bepflanzung der Terrasse im ersten Stock und zur Pflege dieser
Pflanzen verwendet worden.
b. 3.190 DM aus 21 Rechnungen
Welche Einzelrechnungen in den (brutto) 3.190 DM enthalten seien und aus welchen
Gründen es sich nicht um Betriebsausgaben handele, lasse sich dem Bericht nicht
entnehmen.
c. Renovierung/Instandsetzung für 48.300 DM
Es habe sich bei den Aufwendungen nicht um Maßnahmen im 2. bis 4. OG (Umbau zu
einem Hotelbetrieb) gehandelt. Die Arbeiten - ausgeführt durch die Firma Y – hätten
vielmehr das Keller-, Erd- und erste Obergeschoss betroffen.
Die Maßnahmen wegen des Hotelbetriebes im 2. bis 4. OG des Anwesens seien erst 1998
begonnen worden. Die Rechnungen (aus 1998) würden nachgereicht.
Die 1996 ausgeführten Arbeiten hätten sich aus der vorangehenden Nutzung der Räume
(nur im EG) als Pilsstube ergeben. Das Kellergeschoss sei nach zwei
Hochwasserüberflutungen von Grund auf zu sanieren gewesen. Das zugemauerte
Treppenhaus zum 1. Stock sei wieder von den Gasträumen her begehbar gemacht
worden. Der Gesellschaftsraum im 1. OG habe saniert werden müssen. Es seien u.a. auch
Undichtigkeiten der Terrasse behoben worden.
Ob Y eine Scheinfirma sei, werde mit Nichtwissen bestritten. Es seien vor Auftragsvergabe
Angebote verschiedener Baugesellschaften eingeholt worden. Mindestens ein
Kostenvoranschlag könne noch vorgelegt werden. Die Barzahlung des Rechnungsbetrages
sei vorliegend nicht unüblich, da der Zahlungsverkehr des Betriebes der Klägerin i.d.R. in
bar abgewickelt worden sei. Man möge dies der ggf. fremden Mentalität bzw. Usancen der
Klägerin und ihres Ehemanns zurechnen.
Die durch Y aufgrund einer (mündlichen) Pauschalvereinbarung erbrachten Leistungen seien
ausgeführt worden. Die Behauptung des Beklagten, die Gaststättenräume hätten sich am
28. September 2001 in einem unrenovierten Zustand befunden, seien irreführend. Zu
diesem Zeitpunkt sei die Gaststätte bereits an einen nachfolgenden Pächter übertragen
worden, der diese nach seinen Vorstellungen umgebaut bzw. neu eingerichtet habe.
Am 21. Oktober 1996 sei die ursprüngliche Ausschankerlaubnis auf einen "Gastraum,
Nebenzimmer und Toiletten im OG" erweitert worden.
d. Heizungsreparatur
Die Reparatur habe das Restaurant betroffen, das mit Saal und Terrasse auch im 1. Stock
betrieben worden sei. Die Reparatur sei im Zuge der konzessionierten Erweiterung des
Gaststättenbetriebes erforderlich geworden.
e. Telefonkosten, 207 DM
Allenfalls die mit (netto) DM 108,68 berechneten Region-200-Verbindungen seien auffällig.
Diese ließen sich aber durch Telefonate mit Y wegen der Renovierung oder mit dem
Ehemann wegen Anschaffungen und Einlagen erklären. Selbst die (wenigen) Telefonate ins
Ausland seien mit der Akquisition von Einrichtungsgegenständen und
Zubereitungsempfehlungen betrieblich bedingt gewesen. Es sei allenfalls eine
Gewinnerhöhung um 69 DM (28. September - 31. Dezember 1996) vertretbar.
3. Betriebsausgaben 1997
a. 732 DM aus drei Rechnungen
Auf die Ausführungen unter 2 b werde verwiesen.
b. Telefonkosten, 828 DM
Der Eigenverbrauch i.H.v. 480 DM /Jahr sei um (netto) 960 DM/Jahr erhöht worden. Auf die
Ausführungen unter 2 e werde verwiesen. Allenfalls sei eine Gewinnerhöhung um 132 DM
vertretbar.
4. Betriebsausgaben 1998
a. 10.876 DM aus fünf Rechnungen
Auf die Ausführungen unter 2 b werde verwiesen.
b. Telefonkosten, 833 DM
Auf die Ausführungen unter 2 e werde verwiesen. Allenfalls sei eine Gewinnerhöhung um
277 DM vertretbar.
5. Betriebsausgaben 1999
a. Gardinen, 4.823 DM
Der Prüfer habe die Gardinen (nach dem Betreiberwechsel des Restaurants) zwar nicht
mehr vorfinden können. Die Gardinen seien aber für den Gastraum im EG und den
Gesellschaftsraum im 1. OG angeschafft und verwandt worden.
b. Telefonkosten
Auf die Ausführungen unter 2 e werde verwiesen. Allenfalls sei eine Gewinnerhöhung um
278 DM vertretbar.
Der Beklagte beantragt sinngemäß, die Klage als unbegründet abzuweisen.
Unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung im übrigen trägt er Folgendes vor:
1. Umsatzzuschätzungen 1996 bis 1998
a. Schätzungsbefugnis
Die betrieblichen Aufwendungen hätten nicht aus den Betriebseinnahmen und Einlagen
bestritten werden können. Die Prüfungsfeststellungen würden durch den Vortrag, die
Aufwendungen seien durch Barzuschüsse des Ehemanns gezahlt worden, nicht entkräftet.
- Restaurant A
Das Restaurant sei am 26. Januar 1996 eröffnet und am 15. Mai des gleichen Jahres
geschlossen worden. Es seien Erlöse i.H.v. brutto 19.936 DM, offensichtlich Bareinnahmen,
erklärt worden. Auf einem betrieblichen Bankkonto seien für den Betrieb zusätzliche
Privateinlagen i.H.v. 45.723 DM verzeichnet wurden. Ein Vergleich der Barmittel, mit den
gezahlten Aufwendungen zeige Folgendes:
Bareinnahmen Restaurantbetrieb
19.936,00 DM
Privateinlagen auf Bankkonto
45.723,39 DM
Summe Geldmittel
65.659,39 DM
Betriebsausgaben
94.330,47 DM
abzüglich AfA
- 7.535,86 DM
zuzüglich Anschaffungskosten
30.531,86 DM
Summe Ausgaben
117.326,47 DM
Von den betrieblichen Aufwendungen sollten 40.672 DM in bar beglichen worden sein.
Gleiches gelte zusätzlich für eine den Privatbereich betreffende Baurechnung i.H.v. 29.900
DM.
Nach dem Vortrag der Klägerin habe ihr der Ehemann insbesondere in der
Gründungsphase (November, Dezember 1995) Bargeld i.H.v. 126.500 DM zugewendet.
Eine Verwendung der Barabhebungen des Ehemanns für den Gaststättenbetrieb sei aber
weder erkennbar noch naheliegend. Auf den Kontoauszügen des Ehemanns seien
handschriftliche Buchungsvermerke angebracht, wonach die Barabhebungen als
"Geldtransit" verbucht worden seien (Auszahlungsbelege eines offensichtlich betrieblichen
Kontos des Ehemanns). Da anzunehmen sei, dass der Ehemann als Freiberufler seinen
Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittle, handele es sich bei den Barabhebungen
offensichtlich um ungebundene Privatentnahmen. Es sei nicht ersichtlich, ob bzw. in
welchem Umfang die entnommenen Gelder in den Gewerbebetrieb der Klägerin eingelegt
worden seien. Für die auf das betriebliche Bankkonto der Klägerin eingezahlten Beträge (lt.
Bp 45.723 DM) könne die Herkunft aus den Entnahmen des Ehemanns nicht zweifelsfrei
unterstellt werden. Auch ansonsten bestehe kein Anlass, von einer "Bargeldübergabe" in
der von der Klägerin angeführten Größenordnung auszugehen. Es sei kein wirtschaftlicher
Grund ersichtlich, warum dem Gaststättenbetrieb der Klägerin bereits vor Eröffnung des
Restaurants Barmittel i.H.v. 126.500 DM hätten zugeführt werden müssen. Eine
"kapitalverstärkende" Überweisung auf das betriebliche Bankkonto der Klägerin in
geringerer Höhe hätte nahegelegen. Es könne daher allenfalls von unwesentlich höheren
Privateinlagen, als den vom Prüfer berücksichtigten Beträgen (45.723,39 DM)
ausgegangen werden.
- Restaurant B
Entsprechendes gelte für das ab 28. September 1996 betriebene Restaurant B. Aus den
Feststellungen des Prüfers und den Gewinnermittlungen 1996 bis 1998 ergebe sich
Folgendes:
1996
1997
1998
DM
DM
DM
Einnahmen Restaurant (lt. Bp)
19.930,00
56.630,00
66.586,00
Einlagen auf Bankkonto (lt. Bp):
- gebuchte Einlagen
1.800,00
1.100,00
0,00
- Bareinzahlungen auf Bankkonto
0,00
51.800,00
33.500,00
Summe Geldmittel
21.730.00
109.530.00
100.086,00
Betriebsausgaben (lt. Gewinnerm.)
87.428,89
82.670,26
105.927,44
abzgl. AfA
- 4.269,92
- 10.764,35
- 5.920,00
zzgl. Anschaffungskosten (lt. Gewinnerm.)
2.931,32
7.951,35
0,00
Summe Ausgaben
86.090,29
79.857,26
100.007,44
Eine nennenswerte Überziehung des betrieblichen Kontokorrents könne erst für 1998
angenommen werden (Zinsaufwand für kurzfristige Verbindlichkeiten 1996: 26,28 DM und
1997: 86,47 DM; 1998: 3.844 DM). Der genaue Umfang des Kontokorrentkredits für
1998 stehe allerdings nicht fest. Entscheidend sei, in welchem Umfang Privateinlagen aus
Finanzmitteln des Ehemanns in den Gewerbebetrieb eingeflossen seien. Während der
Prüfung bzw. in der Klagebegründung habe die Klägerin geltend gemacht, dass Geldmittel
des Ehemanns 1996 i.H.v. 97.300 DM in bar zugeführt worden seien und dass die 1997
und 1998 in bar auf das Betriebskonto eingezahlten Beträge (1997: 51.800 DM; 1998:
33.500 DM) ebenfalls aus Mitteln des Ehemanns stammen würden. Diese Angaben seien
nicht überprüfbar. Es widerspreche der Lebenserfahrung, von einer "Bargeldübergabe" in
der behaupteten Größenordnung auszugehen. Zudem sei kein wirtschaftlicher Grund dafür
ersichtlich, warum der Klägerin zunächst Bargeld übergeben worden sein sollte, das
anschließend von ihr auf das betriebliche Konto eingezahlt worden sei. Für
"Kapitalverstärkungen" hätten aus Gründen der Übersichtlichkeit, Sicherheit und
einfacheren Handhabung Überweisungen auf das betriebliche Konto der Klägerin
nahegelegen.
Nach Angaben der Klägerin habe ihr Ehemann den beiden Restaurantbetrieben folgende
Barmittel zugewendet:
1996 - Restaurant "A" (Abhebungen
Ende 1995)
126.500
DM
1996 - Restaurant "B"
97.300
DM
223.800
DM
1997 - Restaurant "B"
168.300
DM
1998 - Restaurant "B"
53.000
DM
445.100
DM
Die Zuführung dieser Bargeldmittel in das Betriebsvermögen der Klägerin sei nicht
nachgewiesen. Die Klägerin verfüge nicht über Kassenaufzeichnungen darüber, welche
- Betriebseinnahmen in bar zugeflossen seien,
- Bareinzahlungen aus Mitteln der Klägerin bzw. ihres Ehemanns zur
Kassenverstärkung eingelegt worden seien,
- betrieblichen Aufwendungen bzw. Privatentnahmen aus der Kasse
getätigt worden seien und
- Bargeldmittel zur Kapitalverstärkung auf dem betrieblichen
Bankkonto verwendet worden seien.
Aus den betrieblichen Aufzeichnungen der Klägerin sei lediglich erkennbar, dass die bar
gezahlten Aufwendungen und die auf das betriebliche Konto geleisteten Bareinzahlungen
die aufgezeichneten Betriebseinnahmen weit überschritten hätten.
Die im Klageverfahren vorgelegten Auflistungen über die Kasseneinnahmen und -ausgaben
belegten nicht, dass die Barabhebungen vom Bankkonto des Ehemanns tatsächlich in das
Betriebsvermögen der Restaurantbetriebe eingegangen seien. Zwar stimmten die
Barabhebungsbelege des Ehemanns mit den Eintragungen in der Liste der
Kasseneinnahmen überein. Allerdings ließen die Auflistungen den Schluss zu, dass dort der
Kassenbestand lediglich rechnerisch ermittelt worden sei (wird ausgeführt ...):
c. Höhe der Schätzung
In der Einspruchsentscheidung seien die Einwendungen der Klägerin gegen den
Rohgewinnaufschlagsatz weitgehend berücksichtigt und die Schätzungsbeträge durch
Anlehnung an die von der Klägerin angeführten Aufschlagsätze neu berechnet worden ....
2. Kürzung von Betriebsausgaben
a. Gartengeräte
Gartengeräte seien typischerweise Gegenstände der privaten Lebensführung. Es sei nicht
ersichtlich, dass die Geräte mit einem Anschaffungswert von brutto 449 DM weit
überwiegend für betriebliche Zwecke verwendet worden sein sollten (PB "B", Tz. 25.5). Der
Hinweis auf die Pflege der Terrassenbepflanzung reiche hierzu nicht aus.
b. Renovierungskosten
Die Klägerin mache für die Gaststättenräume Instandhaltungskosten i.H.v. netto 46.287
DM geltend. Darin seien zwei Rechnungen der Y vom 31. Oktober 1996 über 20.000 DM
und vom 4. November 1996 über 22.000 DM enthalten. Sie sollen Arbeiten im Restaurant
B betreffen (Keller, EG und 1. OG) und am 4. und 20. November 1996 bar beglichen
worden sein.
Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG könne ein Vorsteuerabzug nur aufgrund einer Rechnung
geltend gemacht werden, die eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der
Leistung ermögliche, über die abgerechnet worden sei (BFH vom 10. November 1994, V R
45/93, BStBl II 1995, 395). Der Leistungsempfänger habe die Rechnungsangaben auf
Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen. Der Vorsteuerabzug sei zu versagen, wenn
die Identität des leistenden Unternehmers mit den Rechnungsangaben nicht
übereinstimme oder über eine nicht ausgeführte Leistung abgerechnet werde. Für den
Betriebsausgabenabzug gelte gemäß § 160 AO in vergleichbarer Weise, dass
Aufwendungen nur abzugsfähig seien, wenn der Zahlungsempfänger genau benannt
werde. Es sei zweifelhaft, ob Y tatsächlich existiere, ob die Leistungen tatsächlich
ausgeführt worden seien und ob tatsächlich ausgeführte Leistungen das Unternehmen der
Klägerin beträfen (wird ausgeführt ...).
Die Erweiterung der Betriebserlaubnis auf die Gasträume im ersten Obergeschoss führe zu
keiner anderen Betrachtungsweise. Diese Räume seien nicht in den Mietvertrag über die
Gaststättenräume einbezogen worden. Es habe nach den Feststellungen des
Betriebsprüfers auch keine betriebliche Nutzung der Räume stattgefunden.
c. Verschiedene Rechnungen
Die Rechnungen seien der Klägerin im Einspruchsverfahren durch Schreiben vom 2. August
2004 benannt worden.
d. Heizungsreparatur
Die Reparatur betreffe den "Gesellschaftsraum" im 1. Obergeschoss (PB "B", Tz. 25.4). Im
Mietvertrag seien lediglich die vermieteten Gebäudeteile als "Gastraum, Küche,
Toilettenanlage, Keller" bezeichnet. Bei der Ortsbesichtigung am 28. September 2001 sei
der Gesellschaftsraum im 1. Obergeschoss leerstehend, unaufgeräumt bzw. nicht
renoviert und somit auch nicht in den Restaurantbetrieb eingegliedert gewesen (Vermerk
vom 22. Juli 2004). Davon unabhängig sei die Frage, ob eine derartige Maßnahme nicht
dem Vermieter obliegen würde.
e. Gardinen, brutto 4.823 DM
Nach den ursprünglichen Einlassungen der Klägerin seien die 1999 angeschafften Gardinen
nicht in den Gaststättenbetrieb eingebracht worden. Sie seien in der auf den
Rechnungsbelegen angegebenen Größe und Beschaffenheit für die Fenster der Gaststätte
nicht geeignet gewesen.
f. Telefonkosten
Da keine Einzelaufzeichnungen geführt worden seien, sei der private Nutzungsanteil zu
schätzen. Die vergleichsweise hohen Telefonkosten seien durch häufige
Gesprächsverbindungen zum Wohnort des Ehemanns bzw. in das Herkunftsland der
Klägerin verursacht worden. Der erhöhte Entnahmewert führe zu einem schlüssigen und
wirtschaftlich denkbaren Schätzungsergebnis).
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Akten des
Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Beklagte hat
im Ergebnis zu Recht aufgrund von Zuschätzungen die Einnahmen und Erträge erhöht und
eine Reihe von Betriebsausgaben nicht zum Abzug zugelassen.
1. Rechtliche Grundlagen zur Schätzung
a. Schätzungsbefugnis und Durchführung der Schätzung
Nach § 158 AO sind der Besteuerung die Buchführung und die Aufzeichnungen, die den §§
140 bis 148 AO entsprechen, zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des
Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Nur wenn die
Würdigung des Sachverhalts ergibt, dass eine formell ordnungsmäßige Buchführung mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sachlich unrichtig ist, kann das Ergebnis der
Buchführung ganz oder teilweise verworfen werden (BFH vom 9. August 1991 III R 129/85,
BStBl II 1992, 55). Ist eine Buchführung ganz oder teilweise nicht nach § 158 AO der
Besteuerung zugrunde zu legen, so sind die Besteuerungsgrundlagen grundsätzlich zu
schätzen (§ 162 Abs. 1, 2 AO).
Gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO entscheidet das Finanzgericht nach seiner freien, aus dem
Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 AO
gelten sinngemäß. Das Finanzgericht ist damit - anders als bei Ermessensentscheidungen
(§ 102 FGO) - in der Lage, die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen in vollem Umfang
zu überprüfen und selbst Schätzungen vorzunehmen. Die Schätzungsbefugnis des
Finanzgerichts besteht unabhängig davon, ob und wie das Finanzamt geschätzt hat. Das
Finanzgericht kann von der Schätzungsmethode des Finanzamts abweichen und die
Besteuerungsgrundlagen nach einer anderen Methode schätzen (BFH vom 2. Februar
1982 VIII R 65/80, BStBl. II 1982, 409; vom 8. November 1989 X R 178/87, BStBl. II
1990, 268, 270).
Die Besteuerungsgrundlagen sind nach Maßgabe ihrer größten Wahrscheinlichkeit zu
schätzen (grundlegend: BFH v. 31. August 1967 V 241/64, BStBl. III 1967, 686; v. 16.
November 1982, BStBl. II 1983, 361). Bei der Schätzung nach
Wahrscheinlichkeitsgrundsätzen besteht eine Bandbreite möglicher Wertansätze
(Schätzungsrahmen). Der Schätzungsrahmen ist um so größer, je ungesicherter das
Tatsachenmaterial ist, auf dem die Schätzung basiert. Der Steuerpflichtige hat keinen
Anspruch darauf, dass sich die Schätzung bei Einnahmen u.ä. im untersten Rahmenbereich
bewegt. Der seine Mitwirkungspflicht verletzende Steuerpflichtige soll nicht besser stehen
als derjenige, der die Besteuerungsgrundlagen ordnungsgemäß aufzeichnet und erklärt. Bei
groben Pflichtverletzungen (z.B. keine Abgabe der Steuerklärung), die darauf hindeuten,
dass Einkünfte verheimlicht werden sollen, kann sich das Finanzamt im Gegenteil an der
oberen Grenze des Schätzungsrahmens orientieren (BFH v. 20. Dezember 2000 I R
50/00, BStBl. II 2001, 381; v. 29. März 2001 IV R 67/99, BStBl. II 2001, 484). Aber auch
dann muss die Schätzung in sich schlüssig, ihre Ergebnisse müssen wirtschaftlich
vernünftig und möglich sein (BFH v. 8. Dezember 1984 VIII R 195/82, BStBl. II 1986, 226;
v. 9. Dezember 2001 VI R 72/97, BStBl. II 2001, 775).
In der Praxis hat sich eine Reihe von Schätzungsmethoden entwickelt. Sie sind die
Hilfsmittel, um zu dem Wert mit der größtmöglichen Wahrscheinlichkeit zu gelangen (BFH
v. 26. Februar 2002 X R 59/98, BStBl II 2002, 450, 452). Alle Methoden sind situations-,
anwender- und normabhängig. Das Finanzamt ist nicht verpflichtet, das durch eine
Schätzungsmethode gewonnene Ergebnis durch eine weitere Schätzungsmethode zu
untermauern (BFH v. 3. September 1998 XI B 209/95, BFH/NV 1999, 290). Soweit durch
eine Schätzungsmethode nur eine einzige Besteuerungsgrundlage ermittelt wird (z. B. der
Umsatz durch Kalkulation), können ggf. andere Besteuerungsgrundlagen daraus abgeleitet
werden (z. B. der Gewinn). Die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen kann auch durch
einen Zuschlag zu den Betriebseinnahmen oder einen Abschlag von den Betriebsausgaben
erfolgen, um dadurch den Unsicherheiten Rechnung zu tragen, die durch die punktuelle
Feststellung von sachlichen Fehlern in den Unterlagen des Steuerpflichtigen eingetreten
sind, sog. (Un-) Sicherheitszuschlag. Die Methodenwahl steht im pflichtgemäßen Ermessen
des Finanzamtes; der Steuerpflichtige hat keinen Anspruch auf Anwendung einer
bestimmten Schätzungsmethode (BFH v. 3. September 1998 XI B 209/95, BFH/NV 1999,
290). Die Methode muss auf zumutbare Weise zum Ergebnis mit der größten
Wahrscheinlichkeit führen (BFH v. 18. Dezember 1984 IV R 33/82, BStBl II 1986, 226,
229; v. 17. Oktober 2001 I R 103/00, BFH/NV 2002, 134, 138). Die Qualität der
Aufzeichnungen und die Mitwirkungsbereitschaft des Steuerpflichtigen bestimmen den
Sorgfaltsmaßstab für die Schätzung des Finanzamtes.
b. Aufzeichnungspflichten bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG
Bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG besteht zwar grundsätzlich keine Pflicht
zum Führen eines Kassenbuchs. Eine Regelung, dass vereinnahmte Barentgelte gesondert
in einem Kassenbuch aufzuzeichnen sind, enthalten auch § 22 UStG und die UStDV nicht.
Bei der Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG gibt es keine Bestandskonten
und somit auch kein Kassenkonto. Vereinnahmtes Geld wird sofort Privatvermögen.
Entscheidend ist vielmehr, dass die für die Besteuerung maßgeblichen Vorgänge – z.B.
durch eine geordnete Belegsammlung - vollständig erfasst werden (BFH vom 16. Februar
2006 X B 57/05, BFH/NV 2006, 940).
Die unter Nr. 1a genannten Grundsätze finden nach ständiger Rechtsprechung des BFH
entsprechende Anwendung auf Steuerpflichtige, die nicht zur Buchführung verpflichtet sind,
sondern – wie die Klägerin - ihre Gewinne nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln. Auch diese
Aufzeichnungen müssen so klar und vollständig sein, dass sie einem sachverständigen
Dritten in vertretbarer Zeit den Umfang der Einkünfte plausibel machen. Denn das Fehlen
einer Verpflichtung zur förmlichen Aufzeichnung der Betriebseinnahmen oder -ausgaben
kann schon aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht bedeuten, dass das
Finanzamt die nach § 4 Abs. 3 EStG erklärten Gewinne oder Verluste ungeprüft
übernehmen müsste. Die (ggf. freiwillige und im eigenen Interesse liegende) Aufbewahrung
aller Belege ist im Regelfall auch notwendige Voraussetzung für den Schluss, dass die
Betriebseinnahmen vollständig erfasst und die geltend gemachten Aufwendungen durch
den Betrieb veranlasst sind. Nur bei Vorlage geordneter und vollständiger Belege verdient
eine Einnahmen-Überschussrechnung Vertrauen und kann für sich die Vermutung der
Richtigkeit in Anspruch nehmen (s. z.B. BFH vom 15. April 1999, IV R 68/98, BStBl II 1999,
481; vom 26. Februar 2004 XI R 25/02, BStBl II 2004, 599 m.w.N.). Dies gilt auch für die
Betriebseinnahmen bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG, die – zur Vermeidung einer
Schätzung - mit der gebotenen Klarheit und Nachvollziehbarkeit aufzuzeichnen sind (BFH
vom 7. Februar 2008 X B 189/07 juris; vom 2. September 2008 V B 4/08 juris;
Becker/Wiethölter, StBp 2009, 239 m.w.N.).
c. Einnahmenermittlung durch das Kassenbuch
Sämtliche Geschäftsvorfälle sind ihrer zeitlichen Reihenfolge nach und mit ihrem richtigen
Inhalt festzuhalten. Die zeitgerechte Verbuchung der Geschäftsvorfälle und eine
nachvollziehbare Kassenführung sind bei Betrieben mit einem hohen Anteil an
Bareinnahmen in der Regel die entscheidenden Grundlagen einer Buchführung. Mängel in
diesen Bereichen nehmen der Buchführung im allgemeinen die Ordnungsmäßigkeit (s.
Tipke/Kruse, Kommentar zur AO/FGO, § 146 AO Tz 5 ff. m.w.N.).
Eine ordnungsmäßige Kassenführung erfordert, dass die Kasseneingänge und -ausgänge -
soweit zumutbar, mit ausreichender Bezeichnung des Geschäftsvorfalls - in einem
Kassenbuch derart aufgezeichnet werden, dass es jederzeit möglich ist, den Sollbestand
nach dem Kassenbuch mit dem Ist-Bestand der Geschäftskasse auf die Richtigkeit
nachzuprüfen („Kassensturzfähigkeit“ der Aufzeichnungen). Die Kassensturzfähigkeit kann
dadurch hergestellt werden, dass jeder Bargeldgeschäftsvorfall einzeln aufgezeichnet und
die Belege den Kassenunterlagen beigefügt werden. In einem solchen Falle ist es zwar
nicht erforderlich, dass der Kassenbestand täglich ermittelt wird; es müssen aber die
Ursprungsaufzeichnungen über die Einnahmen und Ausgaben aufbewahrt und in gewissen
Abständen der tatsächliche Kasseninhalt mit dem buchmäßigen Kassenstand abgeglichen
werden. Anders liegt es dagegen, wenn die Bareinnahmen eines Tages („Tageslosung“)
durch einen sogenannten „Kassenbericht“ ermittelt werden. Die Tageseinnahmen werden
im Fall des Kassenberichtes nicht dadurch festgehalten, dass jeder einzelne
Zahlungsvorgang unmittelbar aufgezeichnet wird, sondern sie werden durch den Abgleich
von Kassenanfangs- und Kassenendbestand unter Hinzurechnung der aus der Kasse
geleisteten Zahlungen rechnerisch ermittelt. An diesen Anforderungen hat sich auch die
Einnahmenaufzeichnung bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zu orientieren (s.
FG Köln vom 6. Mai 2009 15 K 1154/05, EFG 2009, 1261, 1263; FG Berlin-Brandenburg
vom 17. März 2009 6 K 4146/04 B, EFG 2009, 1514).
d. Betriebsaufgabe / Betriebsverlegung
Im Falle der Betriebsaufgabe oder Betriebsveräußerung hat der Gewerbetreibende, der
seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, eine Aufgabe- bzw. Veräußerungsbilanz zu
erstellen (§ 16 Abs. 3, Abs. 2 Satz 2 EStG).
Beurteilungsmaßstab dafür, ob nacheinander ausgeübte gewerbliche Betätigungen jede für
sich einen selbständigen Gewerbebetrieb oder zusammen einen einheitlichen
Gewerbebetrieb darstellen, ist der sachliche, wirtschaftliche, finanzielle oder
organisatorische Zusammenhang zwischen den nacheinander ausgeübten gewerblichen
Betätigungen nach Maßgabe des Gesamtbildes der Verhältnisse im Einzelfall unter
Berücksichtigung der Verkehrsanschauung (BFH vom 12. Januar 1983 IV R 177/80, BStBl II
1983, 425; vom 12. Januar 1978 IV R 26/73, BStBl II 1978, 348 jew. m.w.N.). Als
Kriterien kommen u.a. die Art der gewerblichen Betätigung, der Kunden- und
Lieferantenkreis, die Geschäftsleitung, die Arbeitnehmerschaft, die Betriebsstätte und die
Zusammensetzung und Finanzierung des Anlagevermögens in Betracht. Räumlich weit
voneinander ausgeübte ungleichartige gewerbliche Betätigungen werden regelmäßig in
eigenständigen Gewerbebetrieben ausgeübt (BFH vom 3. Oktober 1984 I R 116/81, BStBl
II 1985, 131; vom 9. August 1989 X R 130/87, BStBl II 1989, 901; für zwei Gaststätten:
FG München vom 13. März 1996 9 K 2498/92, juris).
2. Anwendung der Schätzungsgrundsätze auf den Entscheidungsfall
Die Schätzungen des Beklagten sind im Ergebnis nicht rechtswidrig zum Nachteil der
Klägerin erfolgt und werden vom Senat nicht beanstandet. Der Senat schließt sich in
Ausübung seiner eigenen Schätzungsbefugnis dem Grundsatz nach der Schätzung an, die
der Prüfer für 1996 bis 1998 vorgenommen hat. Für 1999 haben der Prüfer und der
Beklagte zu Unrecht keine Zuschätzungen vorgenommen.
Die Unterlagen, die die Klägerin der von ihr selbst erstellten Gewinnermittlungen nach § 4
Abs. 3 EStG zugrunde gelegt hat, sind in hohem Maße unzureichend. Den Unterlagen ist
nicht zu entnehmen, wer wann welche Tätigkeiten zur Gewinnermittlung vorgenommen
hat. Sie ermöglichen es einem sachverständigen Dritten nicht, sich mit einem
angemessenen Zeitaufwand einen Eindruck von Umfang und Vollständigkeit der Einkünfte
zu verschaffen. Dies gilt in besonderem Maße für die Einnahmen und Ausgaben, die über
die Kasse erfolgt sein sollen. Die Einnahmenaufzeichnungen sind nicht nachvollziehbar und
verdienen – wie das gesamte Belegwesen - kein Vertrauen. Die Klägerin hat das nur
kurzzeitig betriebene Restaurant „A“ aufgegeben und den neuen Restaurantbetrieb „B“ in
der Innenstadt eröffnet. Es handelt sich um eine Betriebsaufgabe mit anschließender
Neueröffnung, nicht bloß – wie der Prüfer und der Beklagte annehmen - um eine
Betriebsverlegung. Die Einnahmenschätzungen und die Kürzung der Betriebsausgaben
benachteiligen die Klägerin nicht in rechtswidriger Weise.
a. Befugnis zur Vornahme von Umsatz- und Gewinnzuschätzungen
Der Beklagte war für 1996 bis 1998 befugt, die erklärten Betriebsergebnisse durch
Zuschätzungen zu ergänzen. Hiervon macht auch der Senat – in weitergehendem Umfang
als der Beklagte und für 1999 auch als der Prüfer - Gebrauch.
(1)
sie aber nach § 16 Abs. 3, Abs. 2 Satz 2 EStG verpflichtet gewesen. Der Senat teilt nicht
die unsubstantiiert vertretene Auffassung des Prüfers, wonach es sich bei dem Wechsel
von der R-Straße in die S-Straße um eine bloße Betriebsverlegung gehandelt habe (Tz 13
PB). Immerhin hat der Prüfer selbst für jeden der beiden Betriebe einen eigenen Bericht
gefertigt.
Die Klägerin hat 1996 das Restaurant „A“ aufgegeben und einen neuen Restaurantbetrieb
in der Innenstadt eröffnet. Dies ergibt sich zweifelsfrei bereits aus den von der Klägerin
selbst ausgefüllten amtlichen Gewerbeunterlagen („Gewerbeabmeldung“,
„Gewerbeanmeldung“, „Betriebsaufgabe“, „Neuerrichtung des Betriebs“) und aus der
Verwendung unterschiedlicher Namen für die Restaurantbetriebe. Es steht für den
Ortskundigen zudem außer Frage, dass es sich bei den beiden Betriebssitzen um völlig
unterschiedliche Ortslagen handelt. Das in einer Randlage von X befindliche Restaurant „A“
hat einen völlig anderen Kundenkreis angesprochen als das in einer sehr zentralen
Innenstadtlage befindliche Restaurant „B“. Organisatorische, finanzielle und wirtschaftliche
Beziehungen zwischen den beiden Restaurants bestanden nicht. Die Klägerin hat das eine
aufgegeben und das andere neu eröffnet. Die Mitnahme von Küchengeräten u.ä. (s.
Anlageverzeichnis zu den Gewinnermittlungen 1996) stellt keine Fortführung des
Aktivvermögens dar. Die Klägerin, die bereits für die „Instandhaltung betrieblicher Räume“
(Konto 4260) des Restaurants „A“ 30.006 DM aufgewandt hat, hat 1996 unter derselben
Kostenposition des Restaurants „B“ erneut 46.287 DM verbucht. Die Ausstattung des
neuen Restaurants ist somit mit der des alten Restaurants nicht identisch. Auch bei
Aufgabe des Restaurants „B“ im Jahre 2001 ist sie ihrer Pflicht zur Aufstellung einer
Aufgabebilanz nicht nachgekommen.
(2)
bestehen aus handschriftlichen monatlichen Zusammenstellungen der Tagesumsätze (z.B.
für Dezember 1998: 8.326 DM). Die Tagesumsätze bestehen jeweils aus einer einzigen
Zahl, deren Herkunft nicht ersichtlich ist. Es spricht nicht für die materielle Richtigkeit der
Zahlen, dass sie jeweils auf volle DM-Beträge lauten. Die monatlichen Zusammenstellungen
sind von ihrem Erscheinungsbild her gesehen (fortlaufender Schriftzug, gleicher
Kugelschreiber) in einem Zuge niedergeschrieben worden. Ursprungsbelege (z.B.
Ausdrucke der Registrierkasse) sind nicht vorhanden. Es ist nicht erkennbar, von wem,
wann und auf welche Weise die Tagesumsätze ermittelt worden sind. Den Anforderungen
an eine geordnete Einnahmenerfassung und Belegablage werden die Unterlagen auch nicht
annähernd gerecht. Die Einnahmen sind auch nicht über ein Kassenbuch (mit täglichem
Bestandsabgleich, s. oben Nr. 1 c) oder damit vergleichbaren Aufzeichnungen ermittelt
worden. Die in den monatlichen Zusammenstellungen enthaltenen Tagesumsätze sind
ihrerseits in eine jederzeit änderbare Exel-Tabelle („Einnahmen / Ausgaben Kasse“)
übernommen worden. Diese Zusammenstellungen für 1996 bis 1998 sind augenscheinlich
erstmals im Zuge des Klageverfahrens erstellt worden. Für 1999 fehlen sie völlig.
(3)
Glaubwürdigkeit. Die Kassenbestände – ausgewiesen in der rechten Spalte – sind
fortlaufend rechnerisch ermittelt. Sie weisen durchgängig für die Betriebe der Klägerin
unwahrscheinlich hohe Bestände aus (1996 zwischen 6.200 DM und 44.800 DM; 1997
zwischen 3.600 DM und 66.300 DM; 1998: 3.900 DM und 32.600 DM; 1999: fehlt) und
sollen offenbar verhindern, dass sich Kassenfehlbeträge einstellen. Die in astronomischer
Höhe ausgewiesenen Kassenbestände (z.B. vom 17. bis 25. Juli 1997 jeweils über 65.000
DM!) stehen in einem unvereinbaren Gegensatz zu den jeweiligen Tageskasseneinnahmen
(z.B. vom 17. bis 25. Juli 1997 zwischen 98 DM und 252 DM!).
In hohem Maße unplausibel erscheinen vor diesem Hintergrund auch die in diesen
Aufstellungen ausgewiesenen Einlagen und Entnahmen. Warum werden z.B. am 21. Januar
1998 bei einem ausgewiesenen Bestand von 13.478,77 DM nur 3.600 DM oder am 4.
Februar 1998 bei einem ausgewiesenen Bestand von 11.009,82 DM nur 1.000 DM der
Kasse entnommen und auf das Bankkonto eingezahlt? Warum legt der Ehemann am 22.
Mai 1998 bei einem ausgewiesenen Kassenbestand von 8.569,35 DM weitere 1.000 DM
in die Kasse ein (s. z.B. entsprechend: 19. November und 1. Dezember 1998)? Warum
entnimmt der Ehemann am 10. Januar 10.000 DM, um bereits am 14. Januar 1997 (bei
einem ausgewiesenen Kassenbestand vom 15.338,68 DM) wieder 6.000 DM einzulegen?
Mit der Realität des tatsächlichen Tages-Kassenbestandes haben diese Daten offenbar
nichts zu tun, zumal die angeblichen Zahlungen des Ehemannes stets in bar erfolgt und
datumsgerechte Aufzeichnungen nicht geführt worden und damit nicht nachweisbar sind.
Unklar ist auch, inwiefern der Ehemann Einlagen und Entnahmen in bzw. aus der Kasse der
Klägerin tätigen kann.
Ob der Ehemann die Barabhebungen von seinen Konten tatsächlich für
Unterstützungszahlungen an die Klägerin verwandt und ob die Klägerin solcher bedurft hat,
ist wegen der Abwicklung der Zahlungen in bar nicht erkennbar. Hätte es sich tatsächlich
um betriebliche Unterstützungszahlungen gehandelt, hätten diese schnell, sicher und
eindeutig nachweisbar vom Konto des Ehemannes auf das der Klägerin überwiesen werden
können. Es macht keinen Sinn – wenn nicht den der Verschleierung -, dass der Ehemann
die fraglichen Gelder bar in K abgehoben hat, um sie seiner Ehefrau zu überbringen, damit
diese sie dann in X ganz oder teilweise auf ihr betriebliches Bankkonto einzahlt. Nur am
Rande sei in diesem Zusammenhang erwähnt, dass die erheblichen Geldtransfers, die
zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann in den Streitjahren stattgefunden haben sollen,
weder dem Finanzamt angezeigt noch schenkungsteuerliche Konsequenzen hieraus
gezogen worden sind. Wegen alledem hat der Senat auch keine Bedenken, von den vom
Prüfer festgestellten Kassenfehlbeträgen auszugehen. Die mit den „Einnahmen / Ausgaben
Kasse“ – Aufzeichnungen abgestimmten Belegsammlungen der Streitjahre entbehren mit
dieser insgesamt der Glaubwürdigkeit.
(4)
sind in den Unterlagen für Juni 1999 lediglich drei Belege über den Kauf von Obst und
Gemüse im Gesamtwert von netto (11,45 + 29,30 + 21,98 =) 62,73 DM enthalten,
obwohl das Restaurant an allen 30 Tagen des Monats geöffnet gewesen ist (entsprechend
Februar 1998: zwei Belege über netto 145,00 + 24,34 = 169,34 DM bei 28
Öffnungstagen oder August 1998: ein Beleg über netto 68,47 DM bei 23 Öffnungstagen).
Dies erscheint für ein Restaurant, das zudem ein Salatbuffet angeboten hat, zumindest
ungewöhnlich. Mehr als zweifelhaft erscheint es dem Senat in diesem Zusammenhang
auch, ob die Telefonate ins Ausland lediglich – wie die Klägerin vorträgt – der Akquisition von
Einrichtungsgegenständen und Zubereitungsempfehlungen und nicht vielmehr auch dem
direkten Bezug von Waren gedient hat. In den Gewinnermittlungsunterlagen finden sich
hierüber jedoch bei stichprobenartiger Prüfung keine Belege.
(5)
Gesamtergebnisse der Gewinnermittlung der Klägerin. So ist es für den Senat kaum
nachvollziehbar, dass das in einer exponierten Innenstadtlage belegene und mit einer
Terrasse und „Gesellschaftsraum“ ausgestattete Restaurant B beispielsweise 1997 in der
Regel Tagesumsätze von deutlich unter 200 DM (brutto), an einer großen Vielzahl von
Tagen deutlich unter 100 DM (brutto) erzielt haben soll. Dieses zentral gelegene
Restaurant, das – bis auf wenige Urlaubstage – an allen Tagen des Jahres geöffnet
gewesen ist, soll von 1996 bis 2001 jährliche Verluste zwischen 8.996 DM und 63.100 DM
erwirtschaftet haben. Dies alles vor dem Hintergrund, dass in den Betriebsausgaben von
1996 bis 1999 keinerlei Personalaufwand enthalten ist und das Restaurant – mit dem sich
den Erklärungen zufolge nur erhebliche Verluste erwirtschaften ließen – anschließend vom
Bruder der Klägerin fortgeführt worden ist. Zumindest drei erwachsene Personen haben –
soweit ersichtlich - von dem Restaurantbetrieb gelebt. Die Klägerin, die nach eigenen
Angaben das Unternehmen betrieben und die Aufzeichnungen erstellt haben will, war in
den Streitjahren Mutter dreier kleiner Kinder, die 1993, 1994 und 1997 geboren worden
sind. Der melderechtliche Wohnsitz der Klägerin und ihrer drei kleinen Kinder befand sich
während der Streitjahre in K. Ihr Ehemann will als in K praktizierender und in sehr guten
Einkommensverhältnissen lebender Arzt ebenfalls in dem – über Jahre hinweg
verlustbringenden - Unternehmen mitgearbeitet haben.
All diese Phänomene erscheinen dem Senat nur vor dem Hintergrund der Eigenerstellung
der Aufzeichnungen bzw. Gewinnermittlungen und des Handelns im (engeren und
weiteren) Familienkreis erklärbar. Zu einer exakten und verlässlichen Aufzeichnung der
Besteuerungsgrundlagen hat dies alles aber in den Streitjahren nicht geführt.
b. Durchführung der Umsatz- und Gewinnzuschätzungen in den Streitjahren
(1)
festgestellten Wareneinsatzes und des Höchstwertes des Rohgewinnaufschlagsatzes für
Gast-, Speise- und Schankwirtschaften von 300% vorgenommen. Für 1999 hat er auf
entsprechende Zuschätzungen verzichtet, weil der Rohaufschlag in der Gewinnermittlung
bei 300% gelegen hat.
Der Beklagte hat die Schätzungen unter Anwendung eines niedrigeren und gestuften
Aufschlagsatzes (1996 – 1998: 180%, 200% und 240%) vermindert. Bei Zugrundelegung
dieser Zuschätzungen hätte die Klägerin in allen Streitjahren erhebliche Verluste (zwischen
9.750 und 27.903 DM) erzielt. Im Hinblick auf die gravierenden in den Aufzeichnungen
enthaltenen Unsicherheiten, die offensichtlichen Ermittlungsschwierigkeiten und die
Tatsache, dass der Prüfer bei seinen Zuschätzungen keine Unsicherheitszuschläge zum
Wareneinsatz vorgenommen hat, hält der Senat für 1996 bis 1998 eine Schätzung am
oberen Rand des Schätzungsrahmens für zulässig und geboten. Einer solchen Schätzung
entsprach die Schätzung des Prüfers in deutlich größerem Maße als die Schätzung des
Beklagten im Einspruchsverfahren. Der Umstand, dass die Klägerin selbst die vom
Beklagten angesetzten Rohaufschlagsätze für angemessen gehalten hat, hat für den Senat
nur eine geringe Überzeugungskraft. Der Senat schließt sich vielmehr für 1996 bis 1998 –
im Klageverfahren hat dies ohnehin nur begrenzte Auswirkungen - der Prüferschätzung an.
Allein die Tatsache, dass der Rohgewinnaufschlag 1999 den Richtwerten entsprochen hat,
verleiht den Aufzeichnungen noch nicht die erforderliche Glaubwürdigkeit. Alle vorgenannten
Mängel und Zweifel gelten in gleichem Maße für die Aufzeichnungen des Jahres 1999. Dass
der Rohaufschlagsatz 1999 mit den Richtwerten übereinstimmt, mag darauf beruhen,
dass die Gewinnermittlung dieses Jahres den mit Abstand geringsten Wareneinsatz der
Streitjahre ausweist. Der Senat hält deshalb für 1999 – im Hinblick auf die begrenzten
Auswirkungen – einen Zuschlag zu dem erklärten Wareneinsatz von mindestens 10% (mit
den entsprechenden Konsequenzen für Umsatz und Gewinn) für angemessen.
(2)
Verböserungsverbotes nur begrenzte Schlussfolgerungen ziehen. Zum einen werden die
Umsatz- und Gewinnzuschätzungen, die der Beklagte seiner Steuerberechnung in der
Einspruchsentscheidung und den Korrekturbescheiden vom 6. September 2005 zugrunde
gelegt hat, nicht beanstandet; diese sind ohnehin zu niedrig ausgefallen. Zum anderen
verrechnet der Senat die Unterschiede, die sich aus seiner Schätzung gegenüber der
Schätzung des Beklagten ergeben (s. Bl. 27 ff., 80 ff., 95 f.), mit den geltend gemachten
Positionen bei den Betriebsausgaben. Hieraus ergeben sich folgende Verrechnungsbeträge:
wird im Einzelnen ausgeführt .....
3. Rechtsgrundlagen zu den Betriebsausgaben
Betriebsausgaben sind die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind (§ 4 Abs.
4 EStG). Betrieblich veranlasst sind die Aufwendungen, wenn sie in einem wirtschaftlichen
Zusammenhang mit dem Betrieb stehen (BFH vom 26. November 1997 X R 146/94,
BFH/NV 1998, 961 m.w.N.). Sie dürfen allerdings die private Lebensführung des
Steuerpflichtigen nicht betreffen (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG).
Des weiteren sind Betriebsausgaben regelmäßig nicht zu berücksichtigen, wenn der
Steuerpflichtige dem Verlangen der Finanzbehörde nicht nachkommt, den Empfänger
genau zu benennen (§ 160 Abs. 1 AO). „Empfänger“ ist derjenige, dem der in der
Betriebsausgabe enthaltene wirtschaftliche Wert übertragen worden ist. Dies gilt u.a. auch
in Fällen, in denen die natürliche oder juristische Person, die Zahlungen entgegen
genommen hat, lediglich zwischengeschaltet wurde, weil sie die vertraglich ausbedungenen
Leistungen entweder mangels eigener wirtschaftlicher Betätigung nicht erbringen konnte
oder weil sie aus anderen Gründen die ihr erteilten Aufträge und die empfangenen Gelder
an Dritte weitergeleitet hat. Empfänger im Sinne des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO ist dann nicht
die zwischengeschaltete Person, sondern sind die hinter ihr stehenden Dritten, an welche
die Gelder letztlich gelangt sind. Im Falle der Zwischenschaltung einer natürlichen oder
juristischen Person erstreckt sich das Benennungsverlangen auch und gerade auf die hinter
ihnen stehenden Personen, welche die Gelder letztlich erhalten haben. Das gilt
insbesondere bei der Einschaltung ausländischer sog. Domizilgesellschaften (ständige
Rechtsprechung des BFH z.B. Urteile vom 24. Juni 1997 VIII R 9/96, BStBl II 1998, 51 vom
15. Oktober 1998 IV R 8/98, BStBl II 1999, 333; vom 10. November 1998 I R 108/97,
BStBl II 1999, 121; vom 20. April 2005 X R 40/04, BFH/NV 2005, 1739; vom 25. Januar
2006 I R 39/05, BFH/NV 2006, 1618 jew. m.w.N.), es trifft in entsprechender Weise auch
auf inländische Scheingesellschaften zu.
4. Anwendung der Grundsätze über die Betriebsausgaben auf den
Entscheidungsfall
a. Nicht anerkannte Betriebsausgaben 1996
(1) Zahlungen an die Y
Die Aufwendungen betreffend die Rechnungen der Y sind aus mehreren Gründen nicht als
Betriebsausgaben der Klägerin anzuerkennen.
Die betriebliche Veranlassung bleibt nach wie vor zweifelhaft. Den Rechnungen zufolge soll
es sich um „ausgeführte Arbeiten im Keller-, Erdgeschoss und 1en im Restaurant B“
gehandelt haben. Weitere Unterlagen (Kostenvoranschläge der Y und anderer
Unternehmen, Arbeitsaufstellungen, Stundenzettel u.ä.), die das Gericht angefordert hatte,
konnten von der Klägerin nicht vorgelegt werden. Ihrem Vortrag zufolge soll es sich im
wesentlichen um Grundsanierungen im Anschluss an zwei Hochwasserüberflutungen und
um die Einbeziehung eines bis dahin zugemauerten Gesellschaftsraumes im 1.
Obergeschoss in das Restaurant gehandelt haben. Derart grundlegende
Sanierungsmaßnahmen, die der Prüfer im übrigen bei seinen Ortsbesichtigungen im Jahre
2001 nicht wahrgenommen hat, obliegen aber normalerweise einem Verpächter solcher
Räumlichkeiten, sofern sie der Pächter nicht im Pachtvertrag aus nachvollziehbaren
Gründen (z.B. Pachtfreiheit für einen gewissen Zeitraum) übernommen hat. Solche
Vereinbarungen enthält der „Mietvertrag“ vom 20. Juli 1996 aber nicht. Als eine Absprache
unter nahen Angehörigen hätte eine solch weitgehende Verpflichtung einer klaren
Dokumentation bedurft, zumal das übrige Anwesen im zeitlichen Zusammenhang zu den
Arbeiten zumindest teilweise leer stand und dort umfangreiche Arbeiten anderer Art in
Angriff genommen worden sind (Umbau zum Hotel). Zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung
war das Restaurant bereits seit über einem Monat eröffnet. In der Tat war die Klägerin
auch finanziell nicht in Lage, die streitigen Maßnahmen durchzuführen. Die Zahlungen vom
4. und 20. November 1996 sind – soweit man den Aufzeichnungen „Einnahmen/Ausgaben
Kasse“ Glauben schenken will – aus der Kasse in bar aufgrund von vorherigen
Kasseneinlagen des Ehemannes erfolgt. Diese Einlagen waren Privatvermögen der Klägerin
(s. oben 1 b), die im Grunde – wenn überhaupt - nur die ihr überlassenen Beträge
weitergeleitet hat. Die Verhandlungen über den Umfang, die Durchführung und den Preis
der Arbeiten sind – wie aus ihrem Verhalten während der Prüfung zu schließen ist - ohnehin
von ihrem Ehemann und Verpächter geführt worden.
Zudem hat der Senat keine Bedenken gegen die Annahme, dass es sich bei der Y – wie
das Finanzamt K nach Angaben des Prüfers festgestellt haben soll - um eine
Scheingesellschaft handelt. Auch die Klägerin bestreitet dies letztlich nicht. Hierfür sprechen
zudem nicht nur die Art der Rechnungsstellung (ohne detaillierte Leistungsbeschreibung),
sondern auch die Arbeitsabwicklung (ohne Leistungsnachweise) und die Zahlungsweise (in
bar und ohne Abschlagzahlungen). Wer sich im Wirtschaftsleben auf derartige
Gegebenheiten einlässt, kann sich im Nachhinein nicht mit Erfolg auf seine eigene
Gutgläubigkeit berufen. Die Rechnungsbeträge solcher Unternehmen sind nach Maßgabe
des § 160 AO nicht als Betriebsausgaben abziehbar.
(2) 3.190 DM aus 21 Einzelrechnungen
Es handelt sich um Ausgabenbelege mit Bezeichnungen, die eine betriebliche Veranlassung
nicht ohne weiteres erkennen lassen („Holz“, „Farbe“, „Fliesen“, „Teppich“,
„Elektromaterial“). Die Klägerin hat – trotz Aufforderung hierzu – keine Erläuterungen zu
diesen Belegen gegeben. Solche Erläuterungen wären aber bezüglich der handwerklichen
Materialien und Gerätschaften um so erforderlicher gewesen, als die Rechnungen fast
ausschließlich von November und Dezember 1996 stammen, und mithin aus einem
Zeitraum, als das Restaurant B bereits eröffnet war. Die Gelegenheit, die
Rechnungsgegenstände während der Prüfung noch relativ zeitnah und auf relativ
unkomplizierte Weise vor Ort zu erläutern und überprüfen zu lassen, haben die Klägerin
und ihre Steuerberatung versäumt. Die Klägerin hat die damit verbundenen Unklarheiten zu
tragen.
Im Übrigen wäre der Betrag mit den vom Finanzgericht für angemessen gehaltenen
Zuschätzungen zu verrechnen (Wareneinsatz + 300% Rohgewinnaufschlag).
(3) Gartengeräte
Der Vortrag der Klägerin erscheint dem Senat unplausibel. Zudem hatte der Prüfer bei
seiner Ortsbesichtigung den Eindruck, dass das 1. OG nicht für Zwecke des Restaurants
genutzt worden sei. Im Übrigen ist der Betrag mit den vom Finanzgericht für angemessen
gehaltenen Zuschätzungen zu verrechnen (Wareneinsatz + 300% Rohgewinnaufschlag).
(4) Heizungsreparatur
Auf die Klärung der betrieblichen Veranlassung kommt es im Ergebnis nicht an. Denn der
Betrag ist jedenfalls mit den vom Finanzgericht für angemessen gehaltenen
Zuschätzungen zu verrechnen (Wareneinsatz + 300% Rohgewinnaufschlag).
(5) Telefonkosten
Es gilt Entsprechendes wie zu (4).
b. Nicht anerkannte Betriebsausgaben 1997
(1) 732 DM aus drei Einzelrechnungen
Es gilt Entsprechendes wie zu a (2).
(2) Telefonkosten, 828 DM
Es gilt Entsprechendes wie zu a (5).
c. Nicht anerkannte Betriebsausgaben 1998
(1) 10.876 DM aus fünf Rechnungen
Es gilt Entsprechendes wie zu a (2).
(2) Telefonkosten, 833 DM
Es gilt Entsprechendes wie zu a (5).
d. Nicht anerkannte Betriebsausgaben 1999
(1) Gardinen
Die Aufwendungen sind nicht als Betriebsausgaben abziehbar.
Die Klägerin hat ihren Betrieb am 26. Oktober 2001 zum selben Tage abgemeldet. Ab
dann hat ihr Bruder das Restaurant unter anderem Namen fortgeführt. Der Prüfer hat mit
der Klägerin am 11. Oktober 2001 in dem Restaurant eine erste Erörterung durchgeführt.
Er hat bei dieser Erörterung die Gardinen nicht vorgefunden und des weiteren festgestellt,
das die mit Butzenscheiben versehenen Fenster zur Anbringung von drei Meter hohen
Gardinen ungeeignet seien (s. Vermerk vom 22. Juli 2004). Auch im Anlageverzeichnis zur
Gewinnermittlung waren sie nicht enthalten.
Alleine die Behauptung der Klägerin, die Gardinen seien für das Restaurant angeschafft und
verwandt worden, können die Zweifel, die aufgrund dieser Vorgänge und der Art der ohne
weiteres auch privat verwendbaren Wirtschaftsgüter an einer betrieblichen Veranlassung
bestehen, nicht beseitigen. Die Zweifel gehen zu Lasten der Klägerin, die ohnehin allenfalls
den entsprechenden AfA-Betrag hätte geltend machen können.
(2) Telefonkosten
Der Betrag ist mit den vom Finanzgericht für angemessen gehaltenen Zuschätzungen zu
verrechnen (Wareneinsatz + 10%; s. Nr. 2b).
5. Keine Minderung der Umsatzsteuer
Aus den unter Nr. 4 dargelegten Gründen tritt keine Minderung der Umsatzsteuer ein. Der
Beklagte hat die Umsätze nicht zum Nachteil der Klägerin überhöht ermittelt. Er war auch
nicht verpflichtet, weitere Vorsteuerbeträge anzuerkennen. Die Umsatzsteuer war – wie
die Gewinne – in allen Streitjahren zu niedrig festgesetzt.
6.
werden der Klägerin nach § 135 Abs. 1 FGO auferlegt.
Der Senat sieht keine Veranlassung, die Revision nach § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen.