Urteil des FG Saarland vom 06.11.2008

FG Saarbrücken: arbeitsvermittlung, meldung, einspruch, obliegenheit, vollstreckbarkeit, form, sicherheit, nichterfüllung

FG Saarbrücken Urteil vom 6.11.2008, 2 K 1410/08
Eingliederungsvereinbarung mit einem arbeitssuchenden Kind
Leitsätze
Trifft eine ARGE mit einem arbeitssuchenden Kind eine Eingliederungsvereinbarung, so
gebietet es das Prinzip der Rechtsklarheit und -sicherheit, dass darin die wesentlichen
Abreden aufgenommen werden. Fehlt in der Eingliederungsvereinbarung etwa die
(angebliche) Verpflichtung des Kindes, sich monatlich bei der Arbeitsvermittlung zu melden,
so kann im Rahmen der Berechtigungsprüfung beim Kindergeld der Mutter des Kindes nicht
entgegen gehalten werden, das Kind sei aus der Arbeitsvermittlung abgemeldet worden,
weil es gegen die monatliche Meldeverpflichtung verstoßen habe.
Tatbestand
Die Klägerin ist die Mutter der am 25. Juni 1989 geborenen Tochter J. Sie streitet mit der
Beklagten um die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 2. Juli 2008 (KiG, Bl. 68), mit dem
die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Kindergeld vom 23. Juni 2008
unter Hinweis auf den Verstoß gegen Meldepflichten bei der Arbeitsvermittlung abgelehnt
hatte.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 10. Juli 2008 Einspruch ein (KiG, Bl. 70). Den
Einspruch wies die Beklagte am 24. Juli 2008 als unbegründet zurück (Bl. 14 ff.).
Am 25. August 2008 erhob die Klägerin Klage (Bl. 1).
Sie beantragt sinngemäß (Bl. 2), den Ablehnungsbescheid vom 2. Juli 2008 in Form der
Einspruchsentscheidung vom 24. Juli 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr
Kindergeld ab Juni 2008 zu bewilligen.
Die Klägerin macht geltend, ihr stehe Kindergeld zu. J habe sich am 24. April 2008 bei der
ARGE Saarlouis arbeitssuchend gemeldet. Dies habe die ARGE ihr auch bestätigt (KiG, Bl.
65).
Die Beklagte beantragt (Bl. 12), die Klage abzuweisen.
Sie bestreitet nicht, dass sich J am 24. April 2008 arbeitssuchend gemeldet habe (Bl. 13).
Allerdings sei bei diesem Termin vereinbart worden, dass sich J monatlich bei der
Arbeitsvermittlung melden müsse. Nachdem dies zum vereinbarten Termin (21. Mai 2008)
nicht geschehen sei, sei J von der Arbeitsvermittlung abgemeldet worden.
Beide Beteiligte haben sich mit der Entscheidung durch den Berichterstatter (§ 79a Abs. 3,
4 FGO) ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Akten der
Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und auch begründet. Der streitige Ablehnungsbescheid ist
rechtswidrig. Der Klägerin steht Kindergeld ab Juni 2008 zu.
1. Rechtsgrundlagen
Eine Berücksichtigung als arbeitssuchendes Kind nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG setzt
u.a. voraus, dass das Kind bei der Agentur für Arbeit oder einem anderen für das
Arbeitslosengeld II zuständigen Leistungsträger (damit auch einer ARGE) als arbeitssuchend
gemeldet ist. Da keine ausdrückliche steuerliche Regelung besteht, wann der durch die
Meldung begründete Status des arbeitssuchenden Kindes (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG)
wieder wegfällt, sind für das Kindergeld insoweit die Vorschriften des Sozialrechtes, hier
insbesondere § 38 SGB III heranzuziehen (BFH vom 19. Juni 2008 III R 68/05, BFH/NV
2008, 1610). Demzufolge hat der BFH, a.a.O., die Regelung des § 38 Abs. 4 Satz 2 SGB
III, wonach die Arbeitsvermittlung in bestimmten Fällen nach drei Monaten einzustellen ist,
auch für steuerliche Zwecke herangezogen.
2. Anwendung im Streitfall
Im Streitfall greift die vorbezeichnete Regelung nicht ein. Es liegt auch kein Verstoß gegen §
38 Abs. 2 SGB III vor. Die Beklagte trägt zwar vor, J habe sich verpflichtet, sich monatlich
bei der ARGE zu melden (KiG, Bl. 72). Allerdings weist die in den Akten der Beklagten
befindliche, am 24. April 2008 getroffene Eingliederungsvereinbarung keine solche zeitlich
konkretisierte Verpflichtung von J aus. Aus der Sicht des Senats hätte es aber, da eine
Eingliederungsvereinbarung getroffen worden ist, einer Aufnahme der von der Beklagten
behaupteten, aktenmäßig so aber nicht dokumentierten Erscheinungsverpflichtung bedurft.
Wenn schon das SGB III die Möglichkeit einer Eingliederungsvereinbarung vorsieht, gebietet
es die Klarheit, hierin auch alle (wesentlichen) Verpflichtungen aufzunehmen, zumal dann,
wenn an die Nichterfüllung -wie hier- gravierende Konsequenzen geknüpft werden. Nur so
wird dem Antragsteller verdeutlicht, dass mit der Nichtbefolgung rechtliche Folgen
verbunden sind.
Da nach Aktenlage J mit ihrer Arbeitsuchend-Meldung vom 24. April 2008 ihren
Obliegenheit nachgekommen ist, bestand keine Veranlassung, sie bereits zum 21. Mai
2008 aus der Arbeitsvermittlung abzumelden. Mithin hätte die Beklagte der Klägerin ab Juni
2008 Kindergeld bewilligen müssen.
3.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 155 FGO i.V. mit §§ 708 Nr.
10, 711 ZPO.
Die Entscheidung ergeht durch den Berichterstatter (§ 79a Abs. 3, 4 FGO). Zur Zulassung
der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO sah der Senat keine Veranlassung.