Urteil des FG Saarland vom 07.11.2007

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FG Saarbrücken Beschluß vom 7.11.2007, 2 V 2434/06
Einstufung eines Ford Ranger als Pkw
Leitsätze
Kombinationskraftwagen waren schon vor den Änderungen im KraftStG durch das Dritte
Gesetz zur Änderung des KraftStG vom 21. Dezember 2006 mit Wegfall von § 23 Abs. 6a
StVZO nach den allgemeinen Kriterien als PKW oder LKW zu besteuern.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Kraftfahrzeugsteuer für ein Kraftfahrzeug des
Typs Ford Ranger Typ 2AW, Pick-up, Doppelkabine, ab 1. Mai 2005 streitig.
Im Juli 2005 erließ der Antragsgegner für das oben genannte Fahrzeug, dessen Halter der
Kläger ist, einen geänderten Bescheid über Kraftfahrzeugsteuer. Mit diesem Bescheid
wurde der Jahresbetrag der Steuer mit Wirkung ab 1. Mai 2005 von bis dahin 172,31 EUR
auf 683 EUR angehoben. Die Änderung wurde mit § 12 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG wegen
gesetzlich vorgeschriebenen Tarifwechsels (§ 23 Abs. 6a StVZO) begründet.
Dagegen legte der Antragsteller fristgerecht Einspruch ein, woraufhin der Antragsgegner
den Bescheid, soweit er die zuvor festgesetzte Steuer überschritt, von der Vollziehung
aussetzte.
Am 9. Oktober 2006 wurde die Aussetzung der Vollziehung widerrufen, nachdem der
Antragsteller der Aufforderung, sein Fahrzeug vorzuführen, nicht nachgekommen war. Das
Einspruchsverfahren ruht derzeit. Der Antragsteller hat sein Fahrzeug zum 29. Dezember
2006 abgemeldet, woraufhin der Antragsgegner im Januar 2007 einen geänderten
Steuerbescheid erlassen hat, mit dem jedoch nicht die Höhe der Steuer, sondern nur der
Besteuerungszeitraum geändert worden ist.
Bei beantragt der Antragsteller sinngemäß, den Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom Juli 2005
in Gestalt des Änderungsbescheides vom Januar 2007 von der Vollziehung auszusetzen,
soweit die festgesetzte Kraftfahrzeugsteuer den Betrag von 172,31 EUR p. a. übersteigt.
Er macht geltend, bei seinem Fahrzeug handele es sich um ein als Lkw offener Kasten
(N1G) konzipiertes und homologiertes Fahrzeug. Schon nach dem äußeren
Erscheinungsbild sei es ein Lkw. Er benutze den Ford-Ranger als Nutzfahrzeug -
entsprechend der europäischen Richtlinie 70/156/EWG Anhang II - zum Gütertransport. Die
Zulassungsstelle habe das Fahrzeug auch genau so eingestuft. Eine Vorführung des
Fahrzeugs erübrige sich daher. Die Ladefläche sei größer als die Bodenfläche des
Führerhauses. Zur Einstufung des Fahrzeugs legte der Antragsteller neben einer Kopie des
Kraftfahrzeugscheins weitere Unterlagen vor, auf die wegen weiterer Einzelheiten Bezug
genommen wird.
Der Antragsgegner beantragt, den Antrag als unbegründet zurückzuweisen.
Das KraftStG sei nach Aufhebung von § 23 Abs. 6a StVZO (ab 1. Mai 2005) geändert
worden, weshalb die höhere Steuer nachzufordern gewesen sei (§ 12 Abs. 2 Nr. 1
KraftStG). Der Antragsteller habe das Fahrzeug nicht vorgeführt, so dass von den
bauartbedingten Merkmalen auszugehen sei. Danach handele es sich um einen
Personenkraftwagen, da die zur Beförderung von Personen ausgelegte Bodenfläche größer
sei als die Hälfte der gesamten Nutzfläche des Fahrzeugs (§ 23 Abs. 2a Satz 3 KraftStG).
Entscheidungsgründe
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
1.
Vollziehung aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen
Verwaltungsaktes bestehen oder die Vollziehung unbillig ist. Nach der ständigen
Rechtsprechung des BFH bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit, wenn bei der
überschlägigen Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes im Aussetzungsverfahren
neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die
Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder
Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfrage oder Unklarheit in der Beurteilung der
Tatfrage bewirken (vgl. BFH vom 31. Oktober 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II
2004, 622, seit BFH vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182).
Hinsichtlich des Prozessstoffes ist das Gericht bei seiner Prüfung auf die ihm vorliegenden
Unterlagen - insbesondere die Akten der Finanzbehörde - sowie auf die präsenten
Beweismittel beschränkt. Weitere Sachverhaltsermittlung durch das Gericht ist nicht
erforderlich.
2.
Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Der Antragsgegner hat die
Kraftfahrzeugsteuer für das Fahrzeug des Antragstellers im Ergebnis zutreffend mit
Wirkung ab 1. Mai 2005 neu festgesetzt.
2. 1.
KraftStG oder – der Ansicht des FG Hamburg im Urteil vom 30. März 2007 (7 K 22/06,
EFG 2007, 1368) folgend – gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 4 KraftStG zu erfolgen hatte. Jedenfalls
war mit Wegfall des § 23 Abs. 6a StVZO durch die Siebenundzwanzigste Verordnung zur
Änderung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung vom 2. November 2004 (BGBl I 2004,
2712) mit Ablauf des 30. April 2005 das Fahrzeug des Antragstellers nicht mehr zwingend
als anderes Fahrzeug im Sinne von § 8 Nr. 2 KraftStG zu besteuern (vgl. BFH vom 21.
August 2006 VII B 333/05, BFHE 213, 281, BStBl II 2006, 721).
2. 2.
BFHE 185, 511, BStBl II 1998, 487) sogenannte Kombinationskraftwagen mit einem
zulässigen Gesamtgewicht von über 2,8 t ohne Rücksicht auf Typ und Erscheinungsbild
nicht als PKW zu besteuern, sondern wurden wie ein LKW nach Gewicht besteuert. Mit
Aufhebung des § 23 Abs. 6a StVZO, der im Jahr 1969 aus – inzwischen nicht mehr
relevanten - straßenverkehrsrechtlichen Gründen geschaffen worden war, sind auch diese
Fahrzeuge nach Bauart und Einrichtung zu beurteilen (BFH vom 7. November 2006 VII B
79/06, BFH/NV 2007, 778).
Danach ist das Fahrzeug des Antragstellers als PKW einzustufen.
2. 3.
nichts für die Einteilung eines Fahrzeugs im Inland herleiten, auch wenn der neu eingeführte
§ 2 Abs. 2a KraftStG darauf Bezug nimmt. Denn die Richtlinie beinhaltet nur die
Harmonisierung der technischen Merkmale verschiedener Fahrzeuge für die
Betriebserlaubnis. Darüber hinausgehend enthält sie keine die Mitgliedstaaten und ihre
Verwaltungen bindenden Regelungen (EuGH vom 13. Juli 2006 C-83/05 - Voigt - Sammlung
EuGH-Rechtsprechung I-06799; BFH vom 21. August 2006 VII B 333/05, BFHE 213, 281,
BStBl II 2006, 721 und vom 7. November 2006 VII B 80/06, BFH/NV 2007,780).
Ebenso wenig kommt es darauf an, wie das Fahrzeug von der Zulassungsstelle eingestuft
wird (vgl. BFH vom 30. September 1982 II R 56/78, BFHE 134, 367, BStBl II 1982, 82)
oder wie es der Antragsteller tatsächlich nutzt (vgl. BFH 5. Mai 1998 VII R 104/97, BFHE
185, 515, BStBl II 1998, 489). Die für die Einstufung relevanten Merkmale sind hingegen z.
B. die Zahl der Sitzplätze, die verkehrsrechtlich zulässige Ladung, die Größe der Ladefläche,
die Ausstattung mit Sitzbefestigungspunkten und Sicherheitsgurten, die Seitenfenster bzw.
deren Verblechung, die Beschaffenheit der Karosserie und des Fahrgestells, die
Motorisierung einschließlich der damit erreichbaren Höchstgeschwindigkeit, das äußere
Erscheinungsbild und die Konzeption des Herstellers (BFH vom 7. November 2006 a. a. O.
unter Bezug auf BFH vom 26. November 1991 VII R 88/90, BFH/NV 1992, 414; vom 5.
Mai 1998 VII R 104/97, BFHE 185, 515, BStBl II 1998, 489; vom 26. Juni 1997 VII R
12/97, BFH/NV 1997, 810 und vom 8. August 2000 VII R 26/99, BFHE 194, 257, BStBl II
2001, 72).
Bei Fahrzeugen wie dem des Antragstellers kommt dem Verhältnis der Ladefläche zum
Fahrgastraum eine besondere Bedeutung zu (vgl. jetzt § 1 Abs. 2a Satz 3 KraftStG, in
Umsetzung der bisherigen Rechtsprechung). Um eine praktikable und vorhersehbare
Einstufung zu ermöglichen, ist typisierend davon auszugehen, dass Fahrzeuge nicht
vorwiegend der Lastenbeförderung zu dienen bestimmt sind, wenn ihre Ladefläche oder ihr
Laderaum nicht mehr als die Hälfte der gesamten Nutzfläche ausmacht (BFH vom 1.
August 2000, BFH/NV 2001, 345). Nach den Angaben des Herstellers - entsprechende
Unterlagen hat der Antragsteller dem Antragsgegner selbst mit Schreiben vom 17. Juli
2006 vorgelegt - ist die Ladefläche des Ford Ranger Pick-up mit Doppelkabine 1,53 m lang,
der Fahrgastraum ist beim Fahrzeug mit Doppelkabine jedoch - wie aus den Bildern
erkennbar - länger. Entsprechend hat der BFH mit Beschluss vom 7. November 2006 (VII B
79/06, BFH/NV 2006, 778) die Entscheidung des FG Brandenburg bestätigt, mit dem ein
baugleiches Fahrzeug für die Kraftfahrzeugsteuer ebenfalls als PKW eingeordnet wurde.
Eine entscheidungserhebliche Abweichung ergibt sich nicht aus den zur Änderung am
Fahrzeug des Antragstellers nach § 19 Abs. 3 StZVO vorgelegten Unterlagen. Durch die
Anbringung einer Anhängerkupplung ist es zwar grundsätzlich möglich, mit einem Anhänger
bei einer Fahrt mehr zu transportieren. Dadurch wird jedoch der Charakter der Fahrzeugs
nicht geändert.
2. 4.
Bedenken, weil das KraftStG am 21. Dezember 2006 mit Geltung ab 1. Mai 2005
hinsichtlich der Kombinationsfahrzeuge durch Einfügung von Absatz 2a geändert worden
ist. Denn auch ohne die Neuregelung im KraftStG ist das Fahrzeug des Antragstellers - wie
oben dargelegt - bereits auf Grund des Wegfalls von § 23 Abs. 6a StVZO durch die noch im
Jahr 2004 verkündete Siebenundzwanzigste Verordnung zur Änderung der
Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung vom 2. November 2004 (BGBl I, 2712) ab 1. Mai
2005 als PKW zu besteuern (ebenso zu einem Toyota Landcruiser FG Hamburg vom 30.
März 2007 7 K 22/06, EFG 2007, 1368).
3.
zu Lasten des Antragstellers.
Die Beschwerde war in entsprechender Anwendung des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO
zuzulassen, da die Frage der Rückwirkung der Änderungen im KraftStG von grundsätzlicher
Bedeutung ist.