Urteil des FG Saarland vom 06.12.2005

FG Saarbrücken: vollziehung, wertminderung, aussetzung, gemeinde, anschaffungskosten, einspruch, härte, umlaufvermögen, auskunft, buchführung

FG Saarbrücken Beschluß vom 6.12.2005, 1 V 282/05
Teilwert beim Umlaufvermögen
Leitsätze
Erwirbt eine Immobiliengesellschaft Bauerwartungsland zu einem Preis über dem
Bodenrichtwert, so berechtigt der Hinweis auf eine zögerliche Erschließung durch die
zuständige Gemeinde nicht zu einer Teilwertabschreibung wegen "dauernder
Wertminderung", wenn die Gemeinde das erworbene Gelände lediglich mit Verzögerung
erschließt.
Tatbestand
I. Die Antragstellerin wurde im Jahre 1996 mit einem Stammkapital von 50.000 DM
gegründet. Gegenstand des Unternehmens sind die Vorbereitung und Durchführung von
Bauvorhaben als Bauherr im eigenen Namen für eigene und fremde Rechnung sowie als
Baubetreuer im fremden Namen für fremde Rechnung, die gewerbsmäßige Vermittlung
des Abschlusses von Verträgen über Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte gewerbliche
Räume, Wohnräume und Darlehn, sowie sämtliche damit zusammenhängenden und den
Gesellschaftszweck fördernden Geschäfte (Dok, Bl. 3 R). Gesellschafter der Antragstellerin
sind S, C und N. S und C sind auch Geschäftsführerinnen der Antragstellerin.
Bei der Antragstellerin fand im Jahre 2004 eine Betriebsprüfung für den Prüfungszeitraum
2001 bis 2003 statt. Gegenstand der Prüfung war u.a. eine von der Antragstellerin in der
Bilanz zum 31. Dezember 2003 vorgenommene Teilwertabschreibung i.H. von
133.039,92 Euro auf im Umlaufvermögen der Antragstellerin befindliche Grundstücke (BP-
Akte, Bl. 54 R). Laut Tz. 3.1. des BP-Berichtes vom 25. April 2005 hatte die Antragstellerin
im Februar 1999 vier Grundstücke der Gemeinde B (Gesamtfläche: 4.068 qm) erworben.
Es handelte sich Bauerwartungsland im zukünftigen Neubaugebiet "A". Zum Zeitpunkt des
Erwerbs hatte die Antragstellerin von der Gemeinde B die Auskunft erhalten, innerhalb von
zwei bis drei Jahren sei mit der Vorlage eines Bebauungsplanes zu rechnen. Die
Anschaffungskosten der Grundstücke betrugen 194.059,92 Euro (Bil, Bl. 85). Die
Antragstellerin stützte ihre Teilwertabschreibung auf eine Auskunft des
Gutachterausschusses für Grundstückswerte des Landkreises S vom 26. November 2003,
wonach die Grundstücke einen Wert von 15 Euro je qm besäßen. Im September 2004
erfolgte das Planfeststellungsverfahren für das erwähnte Neubaugebiet.
Nach Auffassung des Prüfers fehlte es an den Voraussetzungen für die Vornahme einer
Teilwertabschreibung, da eine dauerhafte Wertminderung nicht vorgelegen habe.
Der Antragsgegner schloss sich der Auffassung des Prüfers an und erließ am 23. August
2005 einen Änderungsbescheid zur Körperschaftsteuer 2003. Gegen diesen Bescheid
legte die Antragstellerin am 21. September 2005 Einspruch ein (Bl. 9). Über den Einspruch
ist noch nicht entschieden.
Zeitgleich beantragte die Antragstellerin die Aussetzung der Vollziehung (Bl. 10). Am 26.
September 2005 lehnte der Antragsgegner diesen Antrag ab (Bl. 12).
Mit Schreiben vom 14. Oktober 2005 beantragte die Antragstellerin sinngemäß (Bl. 2.),
den Körperschaftsteuerbescheid vom 23. August 2005 insoweit bis
einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung von der
Vollziehung auszusetzen, als eine Teilwertabschreibung i.H. von
133.039,92 Euro nicht anerkannt worden ist.
Die Antragstellerin macht unter Hinweis auf ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten (Bl.
15 ff.) des Deutschen Wissenschaftlichen Instituts der Steuerberater e.V. geltend (Bl. 2
ff.), die streitige Teilwertabschreibung sei aufgrund einer dauerhaften Wertminderung
gerechtfertigt.
Der Antragsgegner beantragt (Bl. 44),
den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als
unbegründet zurückzuweisen.
Der Antragsgegner verweist auf die Weigerung der Antragstellerin, eine Wertermittlung auf
den Anschaffungszeitpunkt (1999) vorzunehmen. Der Antragsgegner bestreitet das
Vorliegen einer dauerhaften Wertminderung.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen
Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist nach § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO zulässig; er
ist jedoch nicht begründet.
1. Die Aussetzung der Vollziehung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung
für den Betroffenen eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen
gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 2 FGO).
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, der sich der erkennende Senat bisher immer
angeschlossen hat, bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines
angefochtenen Steuerbescheides dann, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass
neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die
Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder
Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfrage oder Unklarheit in der Beurteilung der
Tatfragen bewirken. Dabei brauchen die für die Unrechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes
sprechenden Bedenken nicht zu überwiegen, d.h. ein Erfolg des Steuerpflichtigen braucht
nicht wahrscheinlicher zu sein als ein Misserfolg (BFH - Beschlüsse vom 30. Juni 1967 III B
21/66, BStBl. III 1967, 533; vom 28. November 1974 V B 52/73, BStBl. II 1975, 239).
Eine unbillige Härte im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegt nach der Rechtsprechung
des BFH vor, wenn durch die sofortige Vollziehung dem Steuerpflichtigen Nachteile drohen
würden, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wieder
gut zumachen sind, oder wenn gar die wirtschaftliche Existenz des Steuerpflichtigen
gefährdet wäre. Der Steuerpflichtige muss substantiiert darlegen, dass diese
Voraussetzungen in seinem Fall erfüllt sind. Im Streitfall ist dies nicht geschehen.
2. Bei summarischer Prüfung bestehen keine ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des
streitigen Körperschaftsteuerbescheides 2003, soweit dieser die Voraussetzungen für die
Vornahme einer Teilwertabschreibung verneint.
2.1. Rechtliche Grundlagen
Gemäß § 8 Abs.1 KStG i.V.m. § 5 Abs.1 EStG hat die bücherführende Antragstellerin ihren
Gewinn nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung zu ermitteln. Die
Bewertung einzelner Wirtschaftsgüter richtet sich für die Steuerbilanz gemäß § 5 Abs.6
EStG nach den steuerrechtlichen Vorschriften. Gemäß § 6 Abs.1 Nr.2 Satz 1 EStG sind
Wirtschaftsgüter des Umlagevermögens mit den Anschaffungskosten anzusetzen. Nur
soweit der Teilwert auf Grund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger zu
bemessen ist, kann dieser angesetzt werden.
Teilwert ist nach der Legaldefinition in § 6 Abs.1 Nr.1 Satz 3 EStG der Betrag, den ein
Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne
Wirtschaftsgut ansetzen würde. Dabei ist davon auszugehen, dass der Erwerber den
Betrieb fortführt. In Ausfüllung dieser Teilwertdefinition ist bei der Bewertung von
Umlaufvermögen grundsätzlich davon auszugehen, dass der Teilwert den
Wiederbeschaffungskosten entspricht (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 9. November 1994 I R
68/92, BStBl II 1995, 336 m.w.N.).
2.2. Anwendung im Streitfall
Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Betrachtung ist die
Entscheidung des Antragsgegners, eine Teilwertabschreibung nicht zuzulassen, nicht zu
beanstanden. Denn offenkundig liegt eine dauernde Wertminderung hinsichtlich der vier
Grundstücke der Antragstellerin nicht vor.
Diese hat die Immobilien im Jahre 1999 zum Zwecke der Weiterveräußerung erworben. Sie
hat dabei offensichtlich einen Preis entrichtet (rd. 47 Euro/qm), der nicht unerheblich über
dem damaligen Bodenrichtwert lag. Hiervon geht der Senat aus, nachdem der
Gutachterausschuss am 26. November 2003 erklärt hat, der Bodenrichtwert zu diesem
Zeitpunkt betrage 15 Euro/qm (Bl. 2). Es nicht erkennbar und von der Antragstellerin auch
nicht vorgetragen, dass der entsprechende Bodenrichtwert im Anschaffungszeitpunkt über
diesem Betrag lag. Der von der Antragstellerin gezahlte Betrag beinhaltete mithin einen
hohen spekulativen Anteil, auch was die Realisierung der Pläne hinsichtlich der Aufstellung
eines Bebauungsplanes betrifft. Die Antragstellerin konnte angesichts der Unverbindlichkeit
der gemeindlichen Aussage, in den "nächsten zwei bis drei Jahren" (Bl. 30) sei mit einer
Erschließung zu rechnen, nicht unbedingt darauf bauen, dass sich diese Erwartung
tatsächlich und dann auch noch in dieser Zeitspanne realisieren lassen würde. Zudem kann
von einer dauernden Wertminderung dann generell nicht gesprochen werden, wenn sich
die Erwartung -wenn auch mit zeitlicher Verzögerung- schließlich doch erfüllt hat, wie dies
im Streitfall infolge des im September 2004 erfolgten Aufstellungsbeschlusses geschehen
ist. Eine insgesamt unwesentliche Verzögerung einer keineswegs gesicherten Planung führt
nach Auffassung des Senats nicht zur Annahme einer "dauernden Wertminderung".
Demzufolge geht der Senat bei summarischer Betrachtung davon aus, dass eine
Teilwertabschreibung nicht gerechtfertigt war.
3. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung war somit als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung ergeht unanfechtbar (§ 128 Abs. 3 FGO). Zur Zulassung der Beschwerde
in entsprechender Anwendung von § 115 Abs. 2 FGO sah der Senat keine Veranlassung.