Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 29.04.2009

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FG
Neustadt
29.04.2009
1 K 1843/08
Grenzbetrag der Einkünfte und Bezüge beim Kindergeld
Im Namen des Volkes
Urteil
1 K 1843/08
In dem Finanzrechtsstreit
der Frau
- Klägerin -
prozessbevollmächtigt: Rechtsanwälte
gegen
Agentur für Arbeit - Familienkasse -,
- Beklagte -
prozessbevollmächtigt:
wegenKindergeld
hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 1. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 29. April 2009
durch die Vorsitzende Richterin am Finanzgericht als Einzelrichterin
für Recht erkannt:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Grenzbetrag überschreiten.
Die Klägerin hat u.a. die Tochter D, geboren am 22. Mai 1988. D hat sich vom 1. Oktober 2005 bis 30.
September 2008 zur Berufsausbildung als Krankenschwester im Krankenhaus B befunden. Eine
Prognoseberechnung der Beklagten für 2007 hat ergeben, dass die Einkünfte und Bezüge von D in 2007
den Grenzbetrag von 7.680,00 € überschreiten werden, weshalb sie mit Bescheid vom 13. Dezember
2006 die Festsetzung von Kindergeld für D ab Januar 2007 aufgehoben hat. Dieses Schreiben enthielt
den Hinweis, dass – falls nach Ablauf des Jahres feststeht, dass die Einkünfte und Bezüge den
Grenzbetrag nicht überschreiten werden - die Klägerin einen erneuten Antrag auf Festsetzung von
Kindergeld stellen kann.
Im Januar 2008 stellte die Klägerin einen Antrag auf Kindergeld für D. Sie reichte die
Ausbildungsbescheinigung, Verdienstabrechnung für Dezember 2007, die Erklärung zu den
Werbungskosten für den Zeitraum 1. Januar 2007 bis 31. September 2008 ein, eine Aufstellung zu den
Fahrtkosten und diverse Unterlagen wie Quittungen über Bücher, Belege über die Zahlung der
Praxisgebühren, Versicherungsschein für die Unfallversicherung, Rechnungen für Notebook und
Tintenpatronen sowie einen Wohnungs-Mietvertrag ein (Bl. 108 f. Kindergeldakte). Die Berechnung der
Beklagten hat ergeben, dass der Grenzbetrag überschritten ist, weshalb mit Bescheid vom 6. Februar
2008 die Festsetzung von Kindergeld für D abgelehnt wurde. Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde
mit Einspruchsentscheidung vom 21. Mai 2008 als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der Klage trägt die Klägerin vor, dass der Grenzbetrag nicht überschritten sei. Zum einen seien bei den
Fahrtkosten ab dem ersten Entfernungskilometer die Fahrtkosten zu berücksichtigen. Des Weiteren habe
die Beklagte zu Unrecht den ausbildungsbedingten Mehraufwand nicht berücksichtigt. Abzugsfähig seien
solche nachgewiesenen Aufwendungen, der wegen der Ausbildung zu den Kosten der Lebensführung
hinzu kämen und soweit sie zur Bestreitung des Unterhalts und der Berufsausbildung bestimmt und
geeignet seien. Die Beklagte habe die Berücksichtigung der Anschaffung des Notebooks sowie der
Kosten für die Tintenpatronen nicht berücksichtigt, weil die betreffenden Rechnungen alle auf Herrn „E“
ausgestellt seien. Die Beklagte verkenne außerdem, dass diejenigen Beträge abzugsfähig seien, die –
wie gesetzliche Sozialversicherungsbeiträge - von Gesetzes wegen dem Einkünfte erzielenden Kind oder
dessen Eltern nicht zur Verfügung stehen würden. Die Beklagte habe zu Unrecht die Einkünfte der Tochter
der Klägerin um die als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigende Krankheitskosten nicht
gemindert. Ebenso sei die private Unfallversicherung allein aus dem Zweck heraus abgeschlossen
worden, um die erheblichen Fahrtstrecken zur Arbeitsstätte abzusichern.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 6. Februar 2008 und der Einspruchsentscheidung
vom 21. Mai 2008 die Beklagte zu verpflichten, Kindergeld für D für 2007 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt sie aus, dass die Einkommensgrenze auch dann überschritten sei, wenn die
Fahrtkosten ab dem 1. Kilometer zu berücksichtigen seien. Nicht anerkannt werden könnten die
Aufwendungen für die Zahlung der Praxisgebühr, Aufwendungen für Arzneimittel und sonstige Hilfsmittel
sowie die Beiträge zur Unfallversicherung. Die Berücksichtigung der Aufwendungen für die Anschaffung
des Notebooks einschließlich Zubehör sowie die Kosten für Tintenpatronen müssten abgelehnt werden,
da die betreffende Rechnungen alle auf Herrn „E“ lauteten.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Die Beklagte hat zu Recht abgelehnt, Kindergeld für D von Januar bis Dezember 2007 festzusetzen.
Nach § 32 Abs. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz - EStG - in der für das Streitjahr 2007 geltenden
Fassung wird ein über 18 Jahre altes Kind in Berufsausbildung nur berücksichtigt, wenn es Einkünfte und
Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhaltes und der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von
nicht mehr als 7.680,00 € im Kalenderjahr hat.
Auf Grund der vorgelegten Verdienstabrechnung für Dezember 2007 ergibt sich, dass die Tochter ein
Bruttoeinkommen von 11.369,13 € hat, das um die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung in Höhe
von 2.449,95 € zu mindern ist, was einen Betrag von 8.919,18 € ergibt (Bl. 109 Kindergeldakte). Hinzu
kommen die Bezüge in Form des steuerfreien Arbeitslohnes in Höhe von 563,07 €, vermindert um die
Kostenpauschale ergibt dies einen Betrag von 383,07 €.
Einkünfte und Bezüge ergeben somit insgesamt 9.302,25 €.
An Fahrtkosten sind zu berücksichtigen die Fahrten von A nach G (24 Fahrten x 51 km x 0,30 € = 367,20
€); von A nach B (99 Tage x 11 km x 0,30 € = 326,70 €) und von L nach B (40 Tage x 23 km x 0,30 € =
276,00 €) insgesamt 969,90 €. An weiteren Werbungskosten hat die Klägerin Belege über Bücher und
andere Arbeitsmittel von 19,95 €, 16,30 €, 67,80 € und 19,95 € vorgelegt. Der Beleg von 10,00 € stammt
aus dem Jahre 2006. Weiter kommen dazu 5,00 € an Kontoführungsgebühren. Als weiteres Arbeitsmittel
ist das Notebook zzgl. Zubehör zu berücksichtigen. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. § 6 Abs. 2 EStG ist der
Betrag von 635,17 € auf die gewöhnliche Nutzungsdauer von 3 Jahren zu verteilen. Wenn man davon
ausgeht, dass das Notebook zu 100 % für die Ausbildung genutzt wird, ergibt dies einen Betrag von
211,92 €. Selbst wenn man jetzt die gesamten Rechnungen für Tintenpatronen in Höhe von 190,23 € als
Werbungskosten berücksichtigt – wobei hier Zweifel bestehen, dass dermaßen viele Tintenpatronen nur
von der Tochter der Klägerin für die Ausbildung benötigt worden sind – ergibt dies insgesamt
Werbungskosten von 1.501,05 €. Nach Abzug dieses Betrages von den Einkünften und Bezügen ergibt
Werbungskosten von 1.501,05 €. Nach Abzug dieses Betrages von den Einkünften und Bezügen ergibt
die Summe der Einnahmen 7.801,20 €, womit der Grenzbetrag von 7.680,00 € überschritten ist.
Die übrigen von der Tochter geltend gemachten Aufwendungen können nicht als ausbildungsbedingter
Mehrbedarf berücksichtigt werden. Der für die Miete aufgewendete Betrag ist nicht in die Berechnung
einzubeziehen. Das gilt unabhängig davon, ob die unechte doppelte Haushaltsführung noch eine
hinreichende Rechtsgrundlage hat oder ob sie zeitlich auf zwei Jahre beschränkt ist oder bis zur
Beendigung einer Ausbildung andauert. Wie der BFH in seinem Urteil vom 25. Mai 2004 VIII R 104/03,
BFH/NV 2004, 1525 ausführt, hat der BFH bereits in seinem Urteil vom 22. Mai 2002 VIII R 74/01, BStBl II
2002, 695 entschieden, dass Aufwendungen für erhöhten Lebensbedarf wegen einer auswärtigen
Unterbringung des ledigen Auszubildenden nicht entsprechend R 43 Abs. 5 Lohnsteuer-Richtlinien unter
dem Gesichtspunkt einer zeitlich beschränkten doppelten Haushaltsführung als ausbildungsbedingter
Mehrbedarf abgezogen werden können. Die Kosten für Unterkunft und Verpflegung eines auswärts
untergebrachten Kindes sind zwar ausbildungsbedingte Mehraufwendungen; sie sind aber als erhöhter
Lebensbedarf bereits mit dem Jahresgrenzbetrag abgegolten.
Auch die geltend gemachten Aufwendungen für die Praxisgebühr, Arzneibedarf oder Unfallversicherung
sind als Sonderausgaben bzw. außergewöhnliche Belastungen keine Werbungskosten oder besondere
Ausbildungskosten.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung
Die Revision ist nicht zugelassen worden. Die Nichtzulassung der Revision kann durchBeschwerde ange-
fochten werden.
Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem
Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll
eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden. Die Beschwerde ist
innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die
Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung muss dargelegt werden, dass
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder, dass die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder dass ein
Verfahrensfehler vorliegt, auf dem das Urteil des Finanzgerichts beruhen kann.
Für die Einlegung und Begründung der Beschwerde vor dem Bundesfinanzhof besteht Vertretungszwang.
Zur Vertretung der Beteiligten vor dem Bundesfinanzhof berechtigt sind Rechtsanwälte, Steuerberater,
Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer; zur Vertretung berechtigt sind auch
Gesellschaften im Sinne des § 3 Nr. 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch solche Personen
handeln. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur
Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene
Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt
anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur
Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift:
Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/ 9231-201.
Lässt der Bundesfinanzhof aufgrund der Beschwerde die Revision zu, so wird das Verfahren als
Revisionsverfahren fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es
nicht. Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses des Bundesfinanzhofs ist jedoch bei dem
Bundesfinanzhof eine Begründung der Revision einzureichen. Die Beteiligten müssen sich auch im
Revisionsverfahren nach Maßgabe des dritten Absatzes dieser Belehrung vertreten lassen.
Hinweis:
Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt
und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und
Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite
www.bundesfinanzhof.de
lizenzkostenfrei herunter geladen werden. Hier befinden sich auch weitere Informationen über die
Einzelheiten des Verfahrens, das nach der Verordnung der Bundesregierung über den elektronischen
Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004
(BGBl. I S.3091) einzuhalten ist.