Urteil des FG Niedersachsen vom 11.04.2014

FG Niedersachsen: auskunft, wohnfläche, immobilie, niedersachsen, rechtliches gehör, beweismittel, baujahr, verfügung, vergleichspreis, auszug

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Bedarfsbewertung im Vergleichswertverfahren
Für eine Bewertung nach § 183 Abs. 1 BewG reicht es nicht, dass das
Finanzamt den Immobilien-Preis-Kalkulator der Gutachterausschüsse
Niedersachsen anwenden. Es muss vielmehr auch tatsächlich von
Gutachterausschuss Vergleichspreise anfordern.
Niedersächsisches Finanzgericht 1. Senat, Urteil vom 11.04.2014, 1 K 107/11
§ 183 Abs 1 BewG, § 198 BewG, § 76 Abs 1 S 1 FGO, Art 19 Abs 4 GG
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte den Grundstückswert zutreffend festgestellt hat.
Mit notariellem Übergabevertrag vom 26. … 2009 erhielt die Klägerin einen
hälftigen Miteigentumsanteil an dem Wohnungseigentum … in Z, das durch
Teilungserklärung aus einem Zweifamilienhaus hervorgegangen ist.
Mit Schreiben vom 2. Februar 2010 bat die Schenkungsteuerstelle um
Ermittlung des Grundbesitzwertes für Zwecke der Schenkungsteuer.
Nach Aufforderung reichte die Klägerin eine Erklärung zur Feststellung des
Bedarfswerts ein.
Im Rahmen des Feststellungsverfahrens nutzte der Beklagte für seine
Ermittlungen den Immobilien-Preis-Kalkulator (IPK) der Gutachterausschüsse
für Grundstückswerte Niedersachsen (GAG). Ausweislich einer
Informationsbroschüre der GAG, Blatt 50 und 51 Klageakte, handelt es sich
beim IPK um einen Internetservice der Gutachterausschüsse in
Niedersachsen. In der Broschüre erläutern die GAG:
„Die Immobilienpreiskalkulation dient der Ermittlung eines ungefähren
Preisniveaus und soll dem Nutzer als Anhalt für eine grobe Einschätzung des
Immobilienwertes dienen.
Sie ersetzt kein Verkehrswertgutachten und kann
nicht als Grundlage für eine qualifizierte Verkehrswertermittlung nach
§ 194 Baugesetzbuch verwendet werden
um eine
Auskunft aus der Kaufpreissammlung
Weiter führt die Broschüre aus:
„Was Sie noch wissen sollten
Der Immobilienpreiskalkulator basiert auf Marktmodellen (Vergleichsfaktoren),
die durch die Gutachterausschüsse in Niedersachsen aus der
Kaufpreissammlung mit Hilfe mathematisch-statistischer Verfahren (multiple
Regression) ermittelt werden. Die Marktmodelle werden in den
Grundstücksmarktberichten der Gutachterausschüsse jährlich veröffentlicht.
Die aus der Kaufpreissammlung abgeleiteten Vergleichsfaktoren beschreiben
die Einflüsse unterschiedlicher Parameter wie Lage (Bodenrichtwert), Baujahr,
Wohnfläche und gegebenenfalls Grundstücksgröße auf den Immobilienpreis.
Sofern von den Gutachterausschüssen weitere Einflussgrößen untersucht und
ausgewertet wurden, sind diese mit Durchschnittswerten berücksichtigt. Die
Kalkulation erfolgt auf Grundlage der Vergleichsfaktoren und der Angaben des
Nutzers ohne Kenntnis der spezifischen Besonderheiten des Objekts. Das
Objekt wird nicht in Augenschein genommen und die angegebenen
Objektdaten werden nicht überprüft. Die Kalkulation unterstellt Standardobjekte
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in einem durchschnittlichen Unterhaltungszustand. Besondere Verhältnisse
der Immobilie wie z. B. Denkmalschutz, Lage in einem Sanierungsgebiet,
rechtliche Beschränkungen, bauliche Verbesserungen, Instandhaltungs- und
Instandsetzungsdefizite sowie sonstige individuelle Merkmale des
Grundstücks und des Gebäudes können im Rahmen des Online-Services
nicht berücksichtigt werden.“
In der Bewertungsakte befindet sich folgender mit „Gutachterausschüsse für
Grundstückswerte Niedersachsen - Immobilien-Preis-Kalkulator“
überschriebener Ausdruck vom 29. Juli 2010:
„Auskunft über das Preisniveau einer Immobilie mit folgenden Daten:
Objektart: Eigentumswohnung
Bodenrichtwert: 160 €/qm, W III 1,0
Gemeinde: Z, Stadt
Baujahr:
1991
Straße:
Wohnfläche:
135 qm
Das mittlere Preisniveau der Immobilie beträgt: XXX.XXX €.
Das ermittelte Preisniveau der Immobilie ist unverbindlich. Es bezieht sich auf
ein mit den obigen Eingabedaten typisiertes Grundstück (Boden- und
Gebäudewert)…
Das Preisniveau der Immobilie gilt für ein durchschnittliches Objekt im
normalen Unterhaltungszustand. Weitere wertbeeinflussende Besonderheiten
in Zustand und Ausstattung des Gebäudes sowie in der Lage des
Grundstücks sind nicht erfasst und können ebenso wie weitere
wertbeeinflussende Merkmale (z. B. auf einem Grundstück ruhende Rechte
und Belastungen) zu einem vom obigen Wert abweichenden Preisniveau
führen.
Die durchgeführte Berechnung ist keine Verkehrswertermittlung nach § 194
Baugesetzbuch; sie erfolgt ohne eine örtliche Besichtigung allein auf der
Grundlage der oben genannten Eingabedaten.“
Vergleichspreise oder Vergleichsfaktoren hatte der Beklagte beim zuständigen
Gutachterausschuss für Grundstückswerte Z (GAG Z) nicht angefragt.
Mit Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundstückswerts zum
Besteuerungszeitpunkt 27. … 2009 (Grundstückswertbescheid) vom 2. August
2010 stellte der Beklagte für das streitige Objekt einen Grundstückswert in
Höhe von XXX.XXX € fest, wovon 1/2 auf die Klägerin übertragen worden
seien. Dem Bescheid war als Anlage die Auskunft des IPK beigefügt.
Gegen den Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Sie trug vor, aus der
dem Bescheid beigefügten Anlage seien die Berechnungsgrundlagen nicht
nachvollziehbar. Der vom Finanzamt festgestellte Wert übersteige den
gemeinen Wert bei Weitem. Es seien folgende Faktoren wertmindernd zu
berücksichtigen:
§ Die Gesamtquadratmeter könnten nicht mit einem einheitlichen
Quadratmeterpreis angesetzt werden. Die Grundstücksfläche hinter
der Baugrenze … sei niedriger zu bewerten. Es handele sich
hierbei um … qm.
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§ Die besondere Tiefe des Grundstücks müsse zu einem
Bewertungsabschlag führen.
§ Der hintere Teil des Grundstückes sei nur eingeschränkt erreichbar.
§ Aus ungeklärter Ursache sei im Keller ein Wasserschaden
entstanden.
§ Die Heizungsanlage und die Warmwasserversorgung seien nur
eingeschränkt erreichbar. …
§ Einige Fenster und eine Außentür müssten erneuert werden. Es
bestehe ein Renovierungsstau.
Darüber hinaus verstoße die vom Bewertungsgesetz (BewG) vorgegebene
Bewertung gegen Art. 14 i.V.m. Art. 3 Grundgesetz (GG). Die pauschalierte
Bewertungsmethode nach §§ 182, 183 BewG stelle einen Verstoß gegen den
Grundsatz der Begründungspflicht für Verwaltungsakte dar. Durch dieses
„vereinfachte“ Verfahren werde dem Bürger die Möglichkeit einer inhaltlichen
Auseinandersetzung sowie zur konkreten Kritik genommen. Besonderheiten
des Grundstücks würden aufgrund dieses Verfahrens nicht berücksichtigt. Der
Verweis auf die Möglichkeit eines Gegengutachtens gemäß § 198 BewG sei
nicht ausreichend. Die Klägerin könne sich ein solches Gutachten nicht leisten.
Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes gebiete es aber, dass der Bürger
seine Einwendungen immer prüfen lasse könne, ohne ein kostspieliges
Gutachten vorlegen zu müssen.
Mit Bescheid vom 7. April 2011 wies der Beklagte den Einspruch als
unbegründet zurück.
Er führte aus, das Vergleichswertverfahren nach § 183 Abs. 1 BewG basiere
auf den Regelungen des § 13 Abs. 1 i.V.m. §§ 4, 5 Wertermittlungsverordnung
(WertV). Mit diesem Verfahren werde der Marktwert eines Grundstücks aus
tatsächlich realisierten Kaufpreisen von anderen Grundstücken abgeleitet, die
in Lage, Nutzung, Bodenbeschaffenheit, Zuschnitt und sonstiger
Beschaffenheit hinreichend mit dem zu vergleichenden Grundstück
übereinstimmten. Der optimale Fall sei der direkte Vergleich: Ein benachbartes
Grundstück gleicher Lage, Größe, Nutzung usw., das am gleichen Tag
verkauft worden sei. Da dieser Fall jedoch in der Praxis eher die Ausnahme
darstelle, werde im Regelfall das indirekte Vergleichswertverfahren verwendet.
Hinsichtlich der Problematik der Vergleichbarkeit eines Grundstücks mit
anderen Objekten habe der Gesetzgeber bereits im Gesetzgebungsverfahren
ausgeführt, das Erfordernis hinreichender (nicht absoluter) Übereinstimmung
der Vergleichsgrundstücke mit dem zu bewertenden Grundstück diene nicht
nur zur Vereinfachung, sondern auch dazu, den Kreis der
Vergleichsgrundstücke nicht über Gebühr einzuengen
(Bundestagsdrucksache 16/11107, S. 17).
Als Vergleichspreise kämen vorrangig diejenigen zur Anwendung, die gemäß
§ 183 Abs. 1 BewG i.V.m. §§ 192 ff. Baugesetzbuch von den
Gutachterausschüssen zu ermitteln und den Finanzämtern zur Verfügung zu
stellen seien. Der mittels IPK berechnete Wert sei ein Durchschnittspreis und
erfülle die Anforderungen an Vergleichspreise nach § 183 Abs. 1 BewG. Es
handle sich um ein automatisiertes, ein indirektes Vergleichsverfahren, in dem
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Standardgrundstücke in einem durchschnittlichen Unterhaltungszustand
berücksichtigt würden. Zugrunde lägen die Merkmale, die hauptsächlich den
Wert einer Immobilie bestimmten. Diese aus der Kaufpreissammlung
abgeleiteten Vergleichsfaktoren flössen in unterschiedlicher Gewichtung in die
Berechnung des Immobilienpreises ein. Die wesentlichen Einflussgrößen
seien die Lage, die Art und das Alter des Gebäudes, die Wohnfläche und die
Grundstücksgrößen. Die Grundlage der Daten ergebe sich jeweils aus dem
Vorjahr, die Regressionsfunktionen würden jährlich angepasst. Der IPK stelle
keinesfalls den exakten Verkaufspreis eines Grundstücks dar. Dessen
Feststellung könne nur durch einen tatsächlichen Grundstücksverkauf
erfolgen.
Die Eingabedaten für die streitige Immobilie seien der eingereichten Erklärung
und der Einheitswertakte entnommen worden. Der so ermittelte
Grundstückswert betrage laut IPK XXX.XXX €.
Abweichend von der Wertermittlung durch das Vergleichswertverfahren könne
nach § 198 BewG der niedrigere gemeine Wert festgestellt werden, wenn
dieser entsprechend nachgewiesen würde. Ein tatsächlicher Verkaufspreis
zum Nachweis eines geringeren Verkehrswertes liege nicht vor. Ein Nachweis
sei regelmäßig auch durch ein Gutachten des örtlich zuständigen
Gutachterausschusses oder eines öffentlich bestellten Sachverständigen für
die Bewertung von Grundstücken möglich. Ein solches Gutachten habe die
Klägerin aber nicht eingereicht.
Im Klageverfahren führt die Klägerin aus, die Regelungen der §§ 182 Abs. 2
BewG i.V.m. 183 Abs. 1 BewG seien verfassungswidrig, sie verstießen gegen
Art. 2 Abs. 1, Art. 3 und Art. 14 GG. In seiner Entscheidung zur
Verfassungswidrigkeit des Erbschaftsteuer- bzw. des Bewertungsrechtes habe
das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass die Bewertung von zu
verschenkenden bzw. zu vererbenden Eigentumsgegenständen so genau
sein müsse, dass es lediglich zu einer Abweichung von höchstens 20 % des
tatsächlichen Wertes komme. Diese Vorgaben erfüllten die Regelungen der
§§ 182, 183 BewG nicht. Es handele sich insoweit um eine pauschalisierte
Bewertungsmethode. Besonderheiten, insbesondere die den Wert
beeinflussenden Belastungen privat-rechtlicher und öffentlich-rechtlicher Art,
seien gemäß § 183 Abs. 3 BewG ausdrücklich nicht zu berücksichtigen. In
einer Fallstudie hätten Kußmaul/Cloß/Eichenlaub (BB 2010, 2496 ff.)
nachgewiesen, dass das Bewertungsverfahren nach §§ 182, 183 BewG zu
einer durchschnittlich um 37 % erhöhten Bewertung führe. Dies bestätige auch
ein Aufsatz von Hecht/von Cölln (BB 2009, 810 ff.). Von Cölln und Behrend
(BB 2010, 1444) stellten in ihrer Veröffentlichung zudem fest, dass zulasten
der Einzelfallgerechtigkeit das Bewertungsgesetz nunmehr zu tendenziell
höheren Werten führe. In einem vom Landesamt für Geoinformation und
Landesentwicklung Niedersachsen Regionaldirektion Z (LGNL) während des
Klageverfahrens übersandten „Skript im Rahmen des Seminars -
Grundbesitzbewertung im Zusammenhang mit der Erbschaftssteuer -,
Fortbildungsveranstaltung der Nds. Vermessungs- und Katasterverwaltung
Nr. B3/2009- Wertermittlung, September 2009“ von Architekt und
Immobilienökonom (ebs) werde unter 1.2.4 ebenfalls ausgeführt, durch die
typisierende Betrachtungsweise könne es zu einer gewissen Streuung um den
Verkehrswert kommen, sodass es in Einzelfällen auch zu erheblicher
Überbewertung kommen werde.
Weiter meint die Klägerin, es stelle einen unangemessenen Eingriff in die
Eigentumsgarantie und Testierfreiheit der Bürger dar, wenn Grundstücke mit
besonderen privat-rechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Belastungen in guten
Lagen grundsätzlich zu hoch bewertet würden. Die Möglichkeit der Einholung
eines Gegengutachtens könne nicht als Rechtfertigung dienen. Es könne nicht
sein, dass der Bürger zum Zwecke einer gerechten Behandlung ein Gutachten
„kaufen“ müsse, weil ihm jeglicher anderer Einwand schlicht abgeschnitten
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werde.
Die gesetzliche Regelung verstoße zudem gegen Art. 3 GG. Unterschiedliche
Grundstücke würden gleichbehandelt. Unabhängig vom wirklichen Wert
erfolge eine pauschalierte Beurteilung, die der praktischen und rechtlichen
Belastung einzelner Grundstücke nicht Rechnung trage. Grundstücke mit
rechtlichen Belastungen oder hohem Renovierungsbedarf würden
Grundstücken ohne jegliche Belastung und in ausgezeichnetem baulichen
Zustand gleichgestellt. Hier würden Eigentümer von Grundstücken mit
unterdurchschnittlichem Wert gegenüber solchen von Grundstücken mit
überdurchschnittlichem Wert doppelt belastet. Zum einen müssten sie höhere
Steuern zahlen als dies richtig sei, weil die Bausubstanz vollkommen
unbeachtlich bleibe. Zum anderen müssten sie zur Rechtsverteidigung ein
zusätzliches Gutachten einholen und hierfür Kosten aufwenden.
Demgegenüber würde der Bürger mit einem überdurchschnittlich wertvollen
Grundstück bevorzugt und müsse weniger Steuern zahlen als dies zutreffend
wäre. Kosten für ein Gegengutachten müsse er nicht tragen, weil er auf ein
solches nicht angewiesen sei.
Zudem stelle der Umstand, dass besondere Bewertungsfaktoren vom Bürger
gegenüber der Behörde nicht vorgetragen werden könnten, ohne dass dies in
Form eines Sachverständigengutachtens geschehe, eine unangemessene
Verkürzung des Rechtsschutzes dar. Der Bürger habe Anspruch auf
rechtliches Gehör. Es gelte der Grundsatz der Amtsermittlung. Nach den
vorliegenden Regelungen der §§ 182, 183 BewG dürfe die Behörde
Einwendungen des Bürgers gegen die Bewertung nicht berücksichtigen. Der
Verweis auf die Möglichkeit ein Gutachten vorzulegen greife nicht. Die Klägerin
könne sich ein solches Gutachten nicht leisten. Es stelle zudem einen
unverhältnismäßigen Aufwand dar. Der Umstand, dass das Grundstück nur
über das Nachbargrundstück erreicht werden könne und kein Wegerecht
zugunsten des Grundstücks der Klägerin eingetragen sei, könne ohne jeden
Sachverständigen nachgewiesen und bewertet werden.
Der Hinweis des Beklagten, dass im Sachwertverfahren kein niedrigerer Wert
gefunden würde, gehe fehl. Maßgebliche Vergleichsgröße sei nicht der
Sachwert nach dem Sachwertverfahren, sondern der wirkliche Wert der
Immobilie.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid über die gesonderte Feststellung des
Grundstückswertes zum Besteuerungszeitpunkt 27. … 2009 für das
Wohnungseigentum … vom 2. August 2010 in Gestalt des
Einspruchsbescheides vom 7. April 2011 und der Änderung vom
11. April 2014 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ergänzend zu seinen Ausführungen im Einspruchsbescheid trägt er vor, für
Grundvermögen gebe es keinen absoluten und sicher realisierbaren
Marktwert, sondern allenfalls ein Marktniveau, auf dem sich mit mehr oder
weniger großen Abweichungen vertretbare Verkehrswerte bildeten. Dabei sei
von einer Streubreite von plus/minus 20 % der Verkaufspreise für ein und
dasselbe Objekt auszugehen. Typisierungen seinen verfassungsrechtlich
zulässig.
Die Anwendbarkeit des IPK für die Ermittlung des Vergleichspreises nach
§ 183 Abs. 1 BewG werde durch die Neuregelung der Bedarfsbewertung
untermauert, dies ergebe sich aus der Bundestagsdrucksache 16/11107
Seite 17 sowie Seite 22. Sie basiere auf den anerkannten Verfahren zur
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Verkehrswertermittlung auf der Grundlage der Verordnung über die
Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken
(Immobilienwertermittlungsverordnung – ImmoWertV - vom 19. Mai 2010,
BStBl I 2010, 639). Zur Wertermittlung seien das Vergleichswertverfahren
(§ 15), das Ertragswertverfahren (§§ 17 bis 20) oder das Sachwertverfahren
(§§ 21 bis 23) heranzuziehen. Gemäß § 15 werde im Vergleichswertverfahren
der Vergleichswert aus einer ausreichenden Zahl von Vergleichspreisen
ermittelt. Für die Ableitung der Vergleichspreise seien die Kaufpreise solcher
Grundstücke heranzuziehen, die mit dem zu bewertenden Grundstück
hinreichend übereinstimmende Grundstücksmerkmale aufwiesen. § 183 BewG
regle ebenfalls die Anwendbarkeit des Vergleichswertverfahrens anhand von
Kaufpreisen. Die Vorschrift entspreche im Wesentlichen der Regelung der
durch die ImmoWertV geänderten Wertermittlungsverordnung (WertV) vom
6. Dezember 1988. Sie trage einer typisierenden Wertermittlung Rechnung.
Das Erfordernis hinreichender (nicht absoluter) Übereinstimmung der
Vergleichsgrundstücke mit dem zu bewertenden Grundstück diene nicht nur
der Verwaltungsvereinfachung, sondern auch dazu den Kreis der
Vergleichsgrundstücke nicht über Gebühr einzuengen. Damit sich die
vereinfachte Grundbesitzbewertung nicht nachteilig auswirke, könne gemäß
§ 198 BewG der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes erbracht
werden, wobei der Steuerpflichtige die Nachweislast trage.
Der vom IPK ermittelte Vergleichswert betrage XXX.XXX €. Eine tatsächliche
Veräußerung sei nicht erfolgt, ein Gutachten zum Nachweis über einen
geringeren Verkehrswert habe die Klägerin nicht eingereicht.
Entgegen der Auffassung der Klägerin verstießen die Regelungen in §§ 182
und 183 BewG auch nicht gegen die Verfassung. Im Hinblick auf die
Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes wesentlich Gleiches gleich
und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, bleibe dem Gesetzgeber
im Bereich des Steuerrechts ein weiter Entscheidungsspielraum, dies betreffe
sowohl die Auswahl des Steuergegenstandes als auch die Bestimmung des
Steuergesetzes (vgl. BVerfG-Beschluss vom 4. Dezember 2002
2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534). Da Steuergesetze
regelmäßig Massenvorgänge des Wirtschaftslebens beträfen, müssten sie
Sachverhalte typisieren und die Besonderheiten des Einzelfalles weitgehend
vernachlässigen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 3. September 2009
1 BvR 2539/07, BFH/NV 2009, 2115).
Soweit die Klägerin ausführe, dass eine Ermittlung des Grundstückswertes im
Sachwertverfahren zu einem geringeren Wert geführt hätte, sei dies nicht
zutreffend. Vielmehr würde sich bei einer Ermittlung im Sachwertverfahren ein
Grundbesitzwert in Höhe von XXX.XXX € ergeben. Der Beklagte reichte eine
entsprechende Berechnung ein (auf Bl. 42 und 43 der Klageakte wird Bezug
genommen). Selbst eine Herabstufung des Ausstattungsstandards oder eine
Korrektur des Bodenrichtwertes würde nicht zu einem geringeren
Grundstückswert führen. Im Übrigen sehe der Gesetzgeber eine
„Günstigerprüfung“ gerade nicht vor.
Insbesondere im Hinblick darauf, dass sich auch im Sachwertverfahren kein
geringerer Grundstückswert ergeben habe, sei nicht erkennbar, dass
vorliegend die Grenzen der Typisierung überschritten worden seien. Die von
der Klägerin zitierte Literatur mache lediglich aufgrund empirischer
Untersuchungen allgemeine Ausführungen zur behaupteten
Verfassungswidrigkeit. Ein Bezug zum Streitfall, bei dem ja gerade das
Sachwertverfahren einen höheren Grundstückswert als das
Vergleichswertverfahren ergebe, sei nicht erkennbar. Wie die Klägerin durch
eine sie begünstigende gesetzliche Regelung in ihren Grundrechten verletzt
sein solle, sei unerfindlich.
Im Übrigen bleibe es der Klägerin unbenommen, einen niedrigeren gemeinen
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Wert nach § 198 BewG nachzuweisen.
Nachdem das Gericht Zweifel geäußert hatte, ob die Wertermittlung mittels IPK
den Anforderungen des § 183 Abs. 1 BewG genüge, erläuterte der Beklagte,
für die „Eigentumswohnung“ der Klägerin ermittle sich der Vergleichswert
anhand des Vergleichsfaktorenverfahrens unter Zugrundelegung des
Grundstücksmarktberichtes 2009 wie folgt:
„Baujahr 1991
Wohnfläche 135 qm
Bodenrichtwert: mittlere Lage (lt. GAG 160 €/qm)
Basiswert X.XXX €/qm Wohnfläche (durch Abgreifen aus Diagramm)
Korrekturfaktor für Wohnfläche 1,21 (durch Abgreifen aus Diagramm)
Vergleichswert = Basiswert x Korrekturfaktoren X.XXX x 1,21 = X.XXX €/qm
Wert der Eigentumswohnung = Wohnfläche x Vergleichswert 135 qm
x X.XXX €/qm = XXX.XXX €“. Basiswert und Korrekturfaktor las der Beklagte
aus dem Diagramm auf Seite … des Grundstückmarktberichtes 2009 des GAG
Z ab. Er vertritt die Auffassung, auch unter Zugrundelegung des
Grundstücksmarktberichtes sei der im streitigen Bescheid angesetzte
Grundbesitzwert von XXX.XXX € nicht zu beanstanden.
Auf Bitte der Berichterstatterin um Mitteilung der vom Gutachterausschuss
mitgeteilten Vergleichspreise sowie der vom Gutachterausschuss ermittelten
und mitgeteilten Vergleichsfaktoren reichte der Beklagte eine schriftliche
„Auskunft aus der Kaufpreissammlung“ des GAG Z – Geschäftsstelle - vom
19. Februar 2013 ein. Er führt aus, nach dieser Auskunft betrage der
Vergleichswert X.XXX €. Bei einer Wohnfläche von 135 Quadratmeter ergebe
sich somit ein Grundstückswert in Höhe von XXX.XXX €. Gerundet auf volle
10.000 € betrage das mittlere Preisniveau der Immobilie XXX.XXX €.
Nach dem Hinweis des Gerichtes, dass eine Auskunft aus der
Kaufpreissammlung nach seiner Auffassung keine vom Gutachterausschuss
mitgeteilten Vergleichspreise darstelle, legte der Beklagte ein Schreiben des
LGLN, Geschäftsstelle des GAG Z, Bearbeiter Herr Dr. Stegelmann, vom
23. Dezember 2013 vor, in dem die Wertermittlungsmethode der
Immobilienwertverordnung im Allgemeinen und die Wertermittlung im
konkreten Fall erläutert wurde sowie - auf erneute Anfrage der
Berichterstatterin - eine weitere Stellungnahme des LGLN, Bearbeiter Herr
Dr. Stegelmann, vom 4. März 2014 mit weiteren Ausführungen zur „Auskunft
aus der Kaufpreissammlung“.
In der mündlichen Verhandlung erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid,
der als Bewertungsstichtag den 26. … 2009 ausweist.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der
Beteiligten wird Bezug genommen auf die Klage-, Bedarfsbewertungs- und
Einheitswertakten (Az. …).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Beklagte hat den Grundstückwert nicht entsprechend den gesetzlichen
Anforderungen ermittelt.
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I. Der streitige Bescheid erging auf den zutreffenden Bewertungsstichtag.
Der Zeitpunkt der Steuerentstehung gehört nicht zu den
Besteuerungsgrundlagen, über die in den Bescheiden zur gesonderten
Feststellung der Grundbesitzwerte verbindlich zu entscheiden ist. Gleichwohl
handelt es sich bei der Angabe des Zeitpunkts, auf den die Bewertung
vorgenommen worden ist, um ein zwingendes materielles Erfordernis, der den
Grundstückswertbescheid in materiell-rechtlicher Hinsicht kennzeichnet und
individualisiert (vgl. BFH-Beschluss vom 27. Januar 2006 II B 6/05, BFH/NV
2006, 908).
Zwar wies der ursprüngliche Bescheid das Datum 27. … 2009 aus, obwohl für
den Besitzübergang der Tag des Vertragsschlusses vereinbart ist und der
Übergabevertrag vom 26. … 2009 datiert. Der in der mündlichen Verhandlung
geänderte Bescheid ist aber nach § 68 Satz 4 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung
(FGO) Gegenstand des Verfahrens geworden. Damit erging der streitige
Bescheid auf den 26. … 2009, also auf den nach § 157 Abs. 1 BewG
zutreffenden Bewertungsstichtag.
II. Im streitigen Bescheid sind die Vorgaben des § 183 Abs. 1 BewG nicht
beachtet.
Nach § 182 Abs. 2 Nr. 1 BewG ist Wohnungseigentum grundsätzlich im
Vergleichswertverfahren zu bewerten. § 183 Abs. 1 BewG gibt insoweit vor:
„Bei Anwendung des Vergleichswertverfahrens sind Kaufpreise von
Grundstücken heranzuziehen, die hinsichtlich der ihren Wert beeinflussenden
Merkmale mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmen
(Vergleichsgrundstücke). Grundlage sind vorrangig die von den
Gutachterausschüssen im Sinne der §§ 192 ff. des Baugesetzbuchs
mitgeteilten Vergleichspreise.“
1. Diesen Anforderungen genügt die Ermittlung mittels IPK nicht.
a) Der Ausdruck des IPK ergibt keine vom GAG Z mitgeteilten
Vergleichspreise.
Außer der Zurverfügungstellung des IPK-Rechners fehlt es an jeglicher
Mitwirkung durch die GAG. Die Eingabe der Daten erfolgte ausschließlich
durch das Finanzamt. Dies stellt bereits formal keine „von den
Gutachterausschüssen mitgeteilten“ Vergleichspreise dar.
b) Der IPK ist bereits nicht geeignet, Vergleichspreise im Sinne des § 183
Abs. 1 BewG zu ermitteln (auch in der Literatur bestehen Bedenken gegen die
Zugrundelegung der Wertermittlung durch den IPK, vgl. Mannek in
Gürsching/Stenger, BewG/ErbStG, § 183 BewG Anm. 44-47).
Der IPK weist unmittelbar einen Wert für das Bewertungsobjekt aus.
Kaufpreise von Vergleichsgrundstücken benennt er nicht. Die Broschüre der
GAG spricht insoweit auch nicht von „Vergleichspreisen“ sondern von dem
„mittleren Preisniveau“. Ausweislich der Darstellung in der IPK-Broschüre ist
der IPK nicht für Zwecke der Finanzverwaltung gedacht, sondern als Online-
Service für den Bürger, damit dieser - gegen Gebühren - auf einfache Weise
den ungefähren Wert seines Objektes bestimmen kann. Die Broschüre
erläutert zudem, dass der IPK kein Verkehrswertgutachten ersetzt und nicht
als Grundlage für eine qualifizierte Verkehrswertermittlung nach § 194
Baugesetzbuch verwendet werden kann. Außerdem erklärt sie ausdrücklich,
es handele sich hierbei auch nicht um eine Auskunft aus der
Kaufpreissammlung.
Der Ausdruck vom 29. Juli 2010 weist zudem darauf hin, dass das ermittelte
Preisniveau unverbindlich sei. Dies stellt klar, dass eine (auch für den
Steuerpflichtigen) verbindliche Festlegung des Immobilienwerts durch dieses
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Verfahren gerade nicht gewollt ist.
c) Der Inhalt der „Auskunft über das Preisniveau einer Immobilie“ vom 29. Juli
2010 lässt darüber hinaus in keiner Weise erkennen, dass die vom IPK
vorgenommenen Ermittlungen in zutreffender Weise erfolgt sind. Die
herangezogenen Daten und die Ermittlungsschritte des IPK bleiben im
Dunklen. Der Ausdruck selbst spricht nur von „unverbindlich“ und
„überschlägig ermittelt“.
2. Die Vorgaben des § 183 Abs. 1 BewG werden auch durch das vom
Beklagten angewandte Vergleichsfaktorenverfahren unter Zugrundelegung
des Grundstücksmarktberichtes nicht erfüllt. Dementsprechend sieht auch der
Beklagte in seiner Berechnung eine Wertermittlung nach § 183 Abs. 2 BewG.
3. Die „Auskunft aus der Kaufpreissammlung“ ist ebenfalls nicht ausreichend,
um die Anforderungen des § 183 Abs. 1 BewG zu erfüllen.
a) Die „Auskunft aus der Kaufpreissammlung“ genügt schon aus formalen
Gründen dem Gesetz nicht. „Von den Gutachterausschüssen mitgeteilte“
Vergleichspreise (§ 183 Abs. 1 Satz 2 BewG) enthält sie nicht. Die Auskunft
hat nicht der Gutachterausschuss im Sinne des § 192 BauGB erteilt, sondern
laut Darstellung von Herrn T im Schreiben des LGLN vom 4. März 2014 die
Leiterin der Geschäftsstelle Frau E. Es kann insoweit dahin stehen, ob sich
Herr T. als Vorsitzender des GAG Z durch seine Ausführungen in den
Schreiben vom 23. Dezember 2013 und vom 4. März 2014 die Handlungen
von Frau E insoweit zu eigen gemacht hat, denn auch er allein ist nicht der
Gutachterausschuss. Nach § 192 Abs. 2 BauGB bestehen die
Gutachterausschüsse jeweils aus einem Vorsitzenden und ehrenamtlichen
weiteren Gutachtern. In Niedersachsen gehören dem Gutachterausschuss
mindestens zwei ehrenamtliche Richter an (§ 13 der Niedersächsischen
Verordnung zur Durchführung des Baugesetzbuches in der Fassung vom
24. Mai 2005, Nds. GVBl. 2005, 183).
Nach der Darstellung des LGLN hat Frau E zudem nur die vom Finanzamt
vorgegebenen Selektionsparameter verwendet - selbst bei Daten, wie dem
Bodenrichtwert, die der GAG anhand der Grundstücksbezeichnung
eigenständig hätte ermitteln können. Die besondere Sachkunde der GAG, die
der Gesetzgeber ausweislich des Gesetzeswortlautes beteiligt wissen wollte,
kam also gerade nicht zum Einsatz.
b) Der Auszug aus der Kaufpreissammlung ist auch inhaltlich nicht
ausreichend.
Der Gesetzestext spricht nicht von einer „Auskunft aus der
Kaufpreissammlung“ sondern von der Mitteilung von „Vergleichspreisen“.
Kaufpreis und Vergleichspreis sind jedoch nicht identisch. Dies ergibt sich
bereits aus §§ 13, 14 WertV, die bis zum 30. Juni 2010 in Kraft war. So ist zum
Vergleichswertverfahren in § 14 WertV geregelt, dass Abweichungen bei den
Vergleichsgrundstücken durch Zu- oder Abschläge oder in anderer geeigneter
Weise zu berücksichtigen sind. Noch deutlicher wird dies aus der ImmoWertV.
Denn nach § 15 Abs. 1 ImmoWertV wird der Vergleichswert im
Vergleichswertverfahren aus einer ausreichenden Zahl von Vergleichspreisen
ermittelt. Für die Ableitung der Vergleichspreise sind die Kaufpreise solcher
Grundstücke heranzuziehen, die mit dem zu bewertenden Grundstück
hinreichend übereinstimmende Grundstücksmerkmale aufweisen. Ebenso soll
nach Ziff. 3 des Entwurfs der Vergleichswertrichtlinie vom 9. Juli 2013 unter
einem „Vergleichspreis“ begrifflich nur ein Kaufpreis bezeichnet werden, der
bereits soweit erforderlich an die Grundstücksmerkmale der zu bewertenden
Liegenschaft, sowie an die allgemeinen Wertverhältnisse des maßgeblichen
Wertermittlungsstichtages angepasst wurde (vgl. Kleiber,
Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 7. Auflage, 2014, 1280. - Nach
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Ergehen des Urteils ist die Vergleichswertrichtlinie vom 20. März 2014
veröffentlicht worden, mit dem insoweit identischen Wortlaut). Selbst die
Verwaltung vertritt die Auffassung, sofern der Gutachterausschuss nur
Durchschnittskaufpreise (Kaufpreismittel) aus einer Vielzahl von Kauffällen
einer Grundstücksart ohne Berücksichtigung unterschiedlicher
wertbeeinflussender Merkmale abgeleitet habe, seien diese als
Vergleichspreise nicht geeignet (Abschnitt 12 (2) Satz 6 Erlass des
Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 5. Mai 2009, 3-S 3715/9,
FMNR1d8050009v; ebenso Erbschaftsteuerrichtlinien R B 183 Abs. 2 Satz 6).
Es ist aber nicht ersichtlich, dass im Streitfall die Erforderlichkeit von
Anpassungen der Kaufpreise aus der Kaufpreissammlung geprüft und
gegebenenfalls Anpassungen vorgenommen wurden. Tatsächlich hat das
Finanzamt mit Schreiben vom 18. Februar 2013 auch lediglich eine „Auskunft
aus der Kaufpreissammlung“ angefordert. Das LGLN spricht in seinem
Schreiben vom 4. März 2014 ebenfalls von der übersandten „Auskunft aus der
Kaufpreissammlung“ und nicht von Vergleichspreisen.
Aus Sicht des Senates wären im vorliegenden Fall Anpassungen durch Zu-
und Abschläge naheliegend. Sie wären in Betracht zu ziehen bezüglich des
Alters der Vergleichsobjekte im Zeitpunkt der Veräußerung (so waren die
Vergleichsobjekte bei ihren Verkauf zwischen 6 und 24 Jahre alt) und
bezüglich des Bauzustandes (bei dem Vergleichsobjekt Nr. 7 waren bauliche
Veränderungen im Jahr vor der Veräußerung, bei dem Vergleichsobjekt Nr. 15
im Jahr der Veräußerung erfolgt). Auch bei der Wohnfläche (z.B. hatte das
Vergleichsobjekt Nr. 11 mit 264 qm eine ganz erheblich größere und das
Vergleichsobjekt Nr. 5 mit 112 qm eine deutlich kleiner Wohnfläche als das
streitige Objekt mit 135 qm) und der Lage (nach Darstellung des Beklagten
beträgt der Bodenrichtwert für das streitige Grundstück 160 €/qm, die
Bodenrichtwerte der Vergleichsobjekte liegen zwischen 105 €/qm und
250 €/qm) wären Anpassungen zu erwägen. In besonderem Maße gilt dies
auch für die Bezugsstichtage, also das Veräußerungsdatum. Es sind
Kaufpreise ab der Zeit Dezember 2005 bis November 2009 angesetzt, also bis
ca. 4 Jahre vor dem Bewertungsstichtag. Beim Nachweis eines geringeren
gemeinen Wertes mittels eines im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielten
Kaufpreises wird aber schon bei einer Überschreitung von 12 Monaten von
einer nachlassenden Indizwirkung ausgegangen (vgl. BFH-Urteil vom 2. Juli
2004 II R 55/01, BFHE 205, 492, BStBl II 2004, 703 und BFH-Beschluss vom
22. Juli 2004 II B 176/02, BFH/NV 2004, 1628). Angesichts der durch die
Lehmann-Pleite 2008 ausgelösten Wirtschaftskrise stellt sich das Problem der
nachlassenden Indizwirkung älterer Kaufpreise im Streitfall besonders deutlich.
c) Auf eine Zeugenvernehmung von Herrn T bzw. Herrn B konnte verzichtet
werden.
Zwar muss das Finanzgericht von den Verfahrensbeteiligten angebotene
Beweise grundsätzlich erheben. Auf die beantragte Beweiserhebung kann es
aber verzichten, wenn es auf das Beweismittel für die Entscheidung nicht
ankommt oder das Gericht die Richtigkeit der durch das Beweismittel zu
beweisenden Tatsachen zugunsten der betreffenden Partei unterstellt, das
Beweismittel nicht erreichbar ist oder völlig ungeeignet ist, den Beweis zu
erbringen (vgl. BFH-Beschluss vom 7. November 2012 I B 172/11, BFH/NV
2013, 561).
Auf die Zeugenaussagen kommt es hier nicht an. Der Beklagte hat beantragt,
Herrn T bzw. Herrn B als Zeugen darüber zu vernehmen, dass im Streitfall die
zutreffenden Selektionsansätze gewählt wurden, um für das zu bewertende
Grundstück aussagekräftige Vergleichswerte im Sinne des § 182 Abs. 2 i.V.m.
§ 183 Abs. 1 BewG aus der automatisierten Kaufpreissammlung zu erhalten.
Wie oben ausgeführt, wäre erforderlich gewesen, dass der Beklagte
Unterlagen vorlegt, in denen der GAG Z Vergleichspreise mitteilt oder
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– gegebenenfalls unter Angabe der Gründe - erklärt, die Mitteilung von
Vergleichspreisen sei nicht möglich. Dies ist jedoch nicht erfolgt, sondern der
Beklagte hat lediglich einen „Auszug aus der Kaufpreissammlung“ angefordert
und dem Finanzgericht übersandt. Ob die dem „Auszug aus der
Kaufpreissammlung“ zugrunde gelegten Selektionsansätze zutreffend waren,
kann daher offen bleiben.
Zudem wäre nicht die Auffassung der Zeugen entscheidend, sondern die des
GAG Z. Dieser hätte in seiner vollen Besetzung darüber zu befinden, welche
Kaufpreise - unter Umständen nach Anpassung durch Zu- oder Abschläge -
als Vergleichspreise heranzuziehen sind.
Soweit der Beweisantritt dahingehend zu verstehen sein sollte, der Zeuge
könne bestätigen, dass die Mitteilung vom 19. Februar 2013 den
Anforderungen der §§ 182 Abs. 2, 183 Abs. 1 BewG genüge, handelt es sich
bereits nicht um eine Tatsache, die nach § 373 Zivilprozessordnung i.V.m.
§ 82 FGO in das Wissen eines Zeugen gestellt werden kann (vgl. BFH-
Beschluss vom 5. Dezember 2001 IX B 70/01, BFH/NV 2002, 528). Ob dies
der Fall ist, ergibt sich vielmehr als Ergebnis der steuerrechtlichen Subsumtion
durch das Finanzgericht.
4. Der Senat sieht sich daran gehindert, ggf. durch entsprechende
Anpassungen aus der vorgelegten Kaufpreissammlung, selbst
Vergleichspreise abzuleiten. Das Gesetz hat die Durchführung der Ermittlung
ausdrücklich den GAG zugewiesen, um so die erforderliche Sachkunde zu
gewährleisten. Dann ist es aber dem Finanzamt und in der Folge auch dem
Finanzgericht verwehrt, aus den mitgeteilten Beträgen eigene Werte abzuleiten
(vgl. BFH-Entscheidungen vom 26. April 2006 II R 58/04, BStBl II 2006, 793
und vom 14. Dezember 2006 II B 53/06, BFH/NV 2007, 403 zu
Bodenrichtwerten).
5. Das Gericht war auch nicht gehalten, im Wege der Sachaufklärung nach
§ 76 Abs. 1 FGO selbst vom GAG Z Vergleichspreise anzufordern.
Nach § 76 Abs. 1 Nr. 2 FGO sind die Beteiligten bei der Erforschung des
Sachverhaltes heranzuziehen. Die Aufklärungspflicht des Finanzgerichtes wird
durch die Mitwirkungspflicht der Beteiligten begrenzt. Kommt ein Beteiligter der
Aufforderung zur Vorlage einer Urkunde nicht nach, die sich entweder in
seinem Besitz befindet oder von ihm beschafft werden kann, hat das
Finanzgericht insoweit keine Veranlassung zu weiterer Sachaufklärung
zugunsten des Beteiligten (vgl. BFH-Beschlüsse vom 26. Januar 2000
IV B 151/98, BFH/NV 2000, 871 und vom 11. April 2001 I B 130/00 BFH/NV
2001, 1284). Dies gilt nach Auffassung des Senates umso mehr, wenn – wie
hier – entsprechende Unterlagen bereits im Festsetzungsverfahren von dem
Beteiligten hätten beschafft werden müssen.
Die Berichterstatterin hatte den Beklagten bereits mit Verfügung vom
7. Februar 2013 unter Hinweis auf den Gesetzeswortlaut gebeten, das Gericht
über die vom Gutachterausschuss mitgeteilten Vergleichspreise für das
streitige Grundstück zu informieren. Daraufhin hatte der Beklagte im Schreiben
an den GAG Z vom 18. Februar 2013 zwar das Schreiben der
Berichterstatterin wörtlich übernommen, jedoch dann ausdrücklich (nur) um
„Auskunft aus der Kaufpreissammlung“ gebeten. Nach Weiterleitung der vom
GAG Z erhaltenen „Auskunft aus der Kaufpreissammlung“ an das
Finanzgericht hat die Berichterstatterin mit Verfügung vom 7. November 2013
ausdrücklich mitgeteilt: „Eine Auskunft aus der Kaufpreissammlung stellt aber
nach Auffassung des Senates keinen vom Gutachterausschuss mitgeteilten
Vergleichspreis dar.“ Der Beklagte legte dennoch keine vom GAG Z
mitgeteilten Vergleichspreise vor.
Der Beklagte hat somit erforderliche Unterlagen, die er bereits im
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Feststellungsverfahren hätte beschaffen müssen, weder im
Einspruchsverfahren noch - trotz ausdrücklicher Aufforderung - im
Klageverfahren vom GAG Z angefordert und demzufolge auch nicht vorgelegt.
Von einer weiteren Aufklärung durch das Finanzgericht war daher abzusehen.
III. Bei der geschilderten Verfahrenslage kann ein Grundbesitzwert nicht
festgestellt werden. Die Ungewissheit, ob der Gutachterausschuss
Vergleichsgrundstücke benennen könnte, schließt es aus, die nachrangigen
Bewertungsmethoden anzuwenden.
§ 183 Abs. 1 Satz 1 BewG gibt vor, dass die von den GAG mitgeteilten
Vergleichspreise vorrangig sind. Vom GAG Z mitgeteilte Vergleichspreise
können im Streitfall aber nicht angesetzt werden, weil der Beklagte sie nicht
vom GAG Z angefordert und dieser sie dementsprechend nicht mitgeteilt hat.
Ohne eine substantiierte Erklärung des GAG Z, die Mitteilung von
Vergleichspreisen sei nicht möglich, ist wegen des gesetzlich angeordneten
Vorrangs der vom Gutachterausschuss mitgeteilten Vergleichspreise der
Rückgriff auf die nachrangigen Verfahren zur Ermittlung des
Grundbesitzwertes bebauter Grundstücke - Bewertung anhand von dem
Finanzamt bekannten Vergleichspreisen (inzidenter § 183 Abs. 1 Satz 2
BewG), bei fehlenden Vergleichspreisen Bewertung anhand von vom
Gutachterausschuss ermittelten und mitgeteilten Vergleichsfaktoren (§ 183
Abs. 2 BewG) oder als letztes Mittel Bewertung im Sachwertverfahren (§ 182
Abs. 4 i.V.m. § 189 BewG) - nicht möglich.
Es obliegt auch nicht der Klägerin, zur Abwendung des Sachwertverfahrens
nachzuweisen, dass tatsächlich geeignete Vergleichswerte existieren (a.A.
Finanzgericht Köln im Urteil vom 12. Februar 2014 4 K 3081/13, juris und
Halaczinsky in Rössler/Troll, BewG, § 182 Rn. 8). Nach § 182 Abs. 2 Nr. 1
BewG hat die Bewertung von Wohnungseigentum grundsätzlich im
Vergleichswertverfahren zu erfolgen. Will die Finanzverwaltung hiervon
abweichen, hat sie nachzuweisen, dass die Voraussetzungen des § 182
Abs. 4 Nr. 1 BewG vorliegen. Anderenfalls würde die Gesetzessystematik auf
den Kopf gestellt und einer Bewertung im Sachwertverfahren der Vorrang
eingeräumt. Dem steht jedoch der klare Gesetzeswortlaut des § 182 Abs. 2
Nr. 1 BewG entgegen.
IV. Der streitige Grundstückswertbescheid war aufzuheben.
Er entspricht - wie oben ausgeführt - nicht den gesetzlichen Anforderungen
und ist somit rechtswidrig.
Er verletzt die Klägerin auch in ihren Rechten. Dies ergibt sich aus dem
Umstand, dass der Gesetzgeber bei der Bedarfsbewertung über § 198 BewG
die Nachweispflicht eines niedrigeren gemeinen Wertes dem Steuerpflichtigen
auferlegt. Dies scheint nur dann - falls überhaupt - gerechtfertigt, wenn die
Verwaltung die vom Gesetz vorgegebene Ermittlungsmethode einhält.
Andernfalls könnte die Ermittlung des Finanzamtes selbst bei groben Fehlern
nur durch den - für den Steuerpflichtigen regelmäßig kostenträchtigen -
Nachweis eines geringeren Wertes widerlegt werden. Es würde aus Sicht des
Senates gegen den aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Anspruch auf einen
umfassenden und effektiven gerichtlichen Rechtsschutz verstoßen, wenn der
Steuerpflichtige nicht die Möglichkeit hätte, zuerst gerichtlich durchzusetzen,
dass das Finanzamt die Wertermittlung dem Gesetz entsprechend durchführt,
bevor er eine Entscheidung darüber zu treffen hat, ob er ein für ihn
kostenpflichtiges Gutachten einholt oder nicht.
Der Klage war daher stattzugeben.
V. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO zuzulassen. Die
Frage, welche Anforderungen die „von den Gutachterausschüssen mitgeteilten
100
101
Vergleichspreise“ im Sinne des § 183 Abs. 1 BewG erfüllen müssen, hat
grundsätzliche Bedeutung. Mit seiner Entscheidung weicht das Gericht zudem
vom Urteil des Finanzgerichtes Köln vom 12. Februar 2014 (4 K 3081/13, juris)
ab, das die Feststellungslast bezüglich des Vorliegens tatsächlich geeigneter
Vergleichswerte der Klägerin zuweist, während das vorliegende Urteil diese bei
der Finanzbehörde sieht.
VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 1
und 3 FGO i.V.m. 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).