Urteil des FG Niedersachsen vom 10.04.2014

FG Niedersachsen: entstehung, einkünfte, verbindlichkeit, handelsvertreter, kapitalwert, entschädigung, lebensversicherung, beendigung, wahrscheinlichkeit, unternehmer

1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Einkommensteuer 2007
Gewerbesteuermessbetrag 2007
Leistungen aus einer kapitalgedeckten Lebensversicherung, die aus
Billigkeitsgründen auf den Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB
anzurechnen sind, stellen grds. keine Betriebseinnahmen dar.
Niedersächsisches Finanzgericht 10. Senat, Urteil vom 10.04.2014, 10 K 243/12
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Besteuerung ausgezahlter
Altersversorgungsbeträge als laufender Gewinn bei den Einkünften aus
Gewerbebetrieb und die gewinnwirksame Auflösung einer Rückstellung für
Abschluss- und Prüfungsgebühren für die Jahre 1988 bis 1997 in Höhe von
9.458,90 €.
Die Kläger sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammen veranlagt
werden. Der Kläger betrieb vom 01.01.1981 bis zu seinem 65. Lebensjahr eine
selbständige Versicherungsvertretung für die Versicherungsgruppe X, für die
er zum 30.06.2007 die Betriebsaufgabe erklärte.
Der Kläger schloss mit der X zum Zwecke der betrieblichen Altersvorsorge
Lebensversicherungen ab. Die Versicherungsleistungen wurden zu 73,83 %
von der Versicherungsgesellschaft und zu 26,17 % vom Kläger erbracht. Die
von der Versicherung geleisteten Beiträge in die Direktversicherungen
versteuerte der Kläger im Rahmen der jeweiligen Jahresveranlagung.
In § 17 des Vertretervertrages mit der Versicherung heißt es:
„Die X ermöglicht dem Vertreter eine Alters- und Hinterbliebenenversorgung im
Rahmen der hierfür aufgestellten Grundsätze. Dazu wird zu gegebener Zeit
eine besondere Vereinbarung getroffen.“
Am 05.01.1981 gab der Kläger zu § 17 der Verträge gegenüber der
Versicherung eine schriftliche Erklärung ab. Darin heißt es zu Punkt zwei:
„Ich gehe mit der X davon aus, dass ein Ausgleichsanspruch aus
Billigkeitsgründen (§ 89b Abs. 1 Ziff. 3 HGB) für mich insoweit nicht entsteht,
wie ich Leistungen aus meiner Alters- und Hinterbliebenenversorgung schon
erhalten oder noch zu erwarten habe. Dabei wird stets der Teil der Leistungen
(Kapitalwert) aus der Altersversorgung angerechnet, der aus den Beiträgen
des Unternehmens aufgebaut worden ist.“
Die Kapitallebensversicherungen liefen vom 01.01.1981 bis zum 01.01.2007.
Bei einer in den Jahren 2001/2012 durchgeführten Außenprüfung stellte der
Prüfer fest, dass der Kläger die Abrechnung der X über die Ausgleichszahlung
gemäß § 89b HGB nicht erfasst hat. Die X hatte den Ausgleichsanspruch zum
30.06.2007 wie folgt berechnet:
Anspruch für Bestand I
110.592
11
12
13
14
15
16
17
Anspruch für Bestand II
7.768 €
abzüglich
anzurechnender
Leistung
aus
der
Altersversorgung
114.297
Ausgleichsanspruch
4.063 €
Der Beklagte erfasste die Summe aus den beiden Ansprüchen in Höhe von
118.360 € als laufenden Gewinn bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb für
2007 und erließ am 29.03.2012 entsprechende Änderungsbescheide zur
Einkommensteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag. Gegen die
geänderten Steuerbescheide 2007 legte der Kläger Einspruch ein mit der
Begründung, dass die Auszahlung der Lebensversicherung steuerfrei sei.
Der Beklagte ging im Laufe des Einspruchsverfahrens davon aus, dass
aufgrund der Anrechnung der Leistung aus der Altersversorgung eine
Besteuerung nur in der Höhe erfolgen könne, wie der Kapitalwert der
Lebensversicherung die von der Versicherung geleisteten und vom Kläger
bereits versteuerten Beiträge übersteige. Der laufende Gewinn sei wie folgt zu
berechnen:
Rückkaufswert
der
Lebensversicherungen
zum
31.12.2006
158.811,13
abzüglich von X geleisteter Beiträge (73,83 %)
57.028,99 €
abzüglich vom Kläger entrichteter Beiträge (26,17 %)
20.216,48 €
laufender Gewinn aus Gewerbebetrieb
77.565,66 €
Diesen Betrag erfasste der Beklagte als Entschädigung für entgehende
Einnahmen i. S. d. § 24 Nr. 1a EStG, der ermäßigt zu besteuern ist gem. § 34
Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 EStG und setzte die Einkommensteuer und den
Gewerbesteuermessbetrag in den Einspruchsbescheiden vom 24.10.2012 auf
20.420 € und 2.930 € herab. Im Übrigen wies der Beklagte den Einspruch als
unbegründet zurück.
Mit ihrer Klage begehren die Kläger die Aufhebung der Änderungsbescheide.
Zur Begründung trägt der Kläger im Wesentlichen vor, der Beklagte besteuere
die Differenz des Rückkaufwertes der Direktversicherungen abzüglich der
geleisteten Beiträge zu Unrecht. Er verkenne dabei, dass die Vereinbarung
zwischen den Versicherungen und dem Kläger die Entstehung eines
Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB verhindere. Der Ausgleichsanspruch
werde nicht Teil des steuerlichen Betriebsvermögens.
Zivilrechtlich sei zudem entschieden, dass nicht nur die Beiträge zum Aufbau
der Altersrente, sondern auch die Zinsen aus diesen Beiträgen als durch den
Versicherungsnehmer erbracht anzusehen seien. Werde die
Versicherungssumme ausgezahlt, handele es sich nicht um eine von der X
erbrachte Leistung, sondern um vom Kläger selbst erwirtschaftete Erträge.
Dies geschehe auf der privaten Vermögensebene des Klägers.
Der Beklagte verstoße zudem gegen die Steuerfreistellung der Zinsen nach §
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
20 Abs. 1 Nr. 6 EStG. Entgegen der Auffassung des Beklagten seien die
Entscheidungen des FG Münster und des FG Baden-Württemberg nicht
einschlägig, da es sich bei den dortigen Entscheidungen um
Berufsunfähigkeitsversicherungen gehandelt habe.
Schließlich trage auch die Argumentation des Beklagten zu § 249 HGB nicht.
Nur die tatsächliche Ausgleichszahlung der X in Höhe von 4.063 € sei als
begünstigter Aufgabegewinn zu versteuern.
Die Auflösung der Rückstellung für Abschluss- und Prüfungskosten für die
Veranlagungszeiträume 1988 bis 1997 in Höhe von 9.458,90 € sei nicht
wegen eingetretener Zahlungsverjährung gewinnerhöhend aufzulösen. Der
Beklagte verkenne, dass es eine Entscheidung des Klägers sei, ob er bei
Geltendmachung der Gebühren die Einrede der Verjährung erhebe. Erst bei
tatsächlicher Erhebung der Einrede sei die Rückstellung aufzulösen. Der
frühere Steuerberater habe seine Ansprüche mit Schreiben vom 14.07.2010
geltend gemacht. Sein Rechtsanwalt habe dem Kläger geraten, auf die
Einrede der Verjährung zu verzichten, um Gegenansprüche geltend zu
machen.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteueränderungsbescheid 2007 und den
Gewerbesteuermessbescheid 2007 jeweils vom 29.03.2012 in der
Fassung der Einspruchsentscheidungen vom 24.10.2012 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist auf seine Ausführungen im Einspruchsbescheid.
Danach stellten die Leistungen aus der Altersversorgung Betriebseinnahmen
dar, da sie durch die gewerbliche Tätigkeit begründet seien. Soweit die
Altersversorgung den Ausgleichsanspruch ersetze, stelle sie einen Teil des
Ausgleichsanspruchs dar und sei folglich zu versteuern. Eine Versteuerung
habe in der Höhe zu erfolgen, wie der Kapitalwert der Lebensversicherungen
die geleisteten Beiträge übersteige. Dieser Betrag in Höhe von 77.565,66 € sei
als entgehende Einnahme ermäßigt zu besteuern. Die Rückstellung für
Steuerberatungskosten sei wegen Zahlungsverjährung aufzulösen.
Ergänzend trägt der Beklagte vor, dass der Ausgleichsanspruch nach den
Vereinbarungen nicht ausgeschlossen worden sei. Ein Ausgleichsanspruch
könne nach § 89b Abs. 4 HGB nicht im Vorhinein ausgeschlossen werden.
Zudem sei nach der Vereinbarung eine Billigkeitsanrechnung nur vorgesehen,
soweit der Kläger Leistungen aus der Altersvorsorge erhalten habe. Die
ersatzweise gewährte Versorgungsleistung stelle laufenden Gewinn dar.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom
14.02.2014 (Bl. 121 ff. FGA) verwiesen.
Aufgrund des Eintritts der Zahlungsverjährung sei die Rückstellung zu Recht
aufgelöst worden.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist teilweise begründet. Der Beklagte hat die Ansprüche des
Klägers aus seinen Lebensversicherungen zu Unrecht als Betriebseinnahme
erfasst. Diese Leistungen sind auch soweit sie aus Billigkeitsgründen auf den
Anspruch aus § 89b HGB einwirken weder als laufende noch als nachträgliche
Betriebseinnahmen aus dem Gewerbebetrieb des Klägers zu erfassen. Die
Rückstellung hat der Beklagte hingegen zu Recht aufgelöst.
28
29
30
31
32
33
34
35
36
1. Die Zahlungen aus den als Direktversicherungen abgeschlossenen
Lebensversicherungen bei der X sind gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG in der
Fassung bis zum Veranlagungszeitraum 2004 i. V. m. § 52 Abs. 36 S. 5 EStG
2007 nicht als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erfassen. Bei den vom
Kläger bereits 1981 abgeschlossenen Kapitallebensversicherungen gegen
laufende Beitragszahlung mit Sparanteil mit einer Vertragslaufzeit von
mindestens zwölf Jahren handelt es sich um entsprechende
Lebensversicherungen i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG i. d. Fassung bis 2004,
so dass sie von der Besteuerung ausgenommen sind.
2. Die Leistungen aus den Lebensversicherungen sind nicht als
Betriebseinnahmen gemäß § 4 Abs. 1 EStG oder nachträgliche Einnahmen i.
S. d. § 24 Nr. 1a EStG bei den Einkünften aus § 15 EStG zu erfassen.
a) Bei den Zahlungen aus den Lebensversicherungsverträgen handelt es sich
nicht um Leistungen zur Erfüllung des handelsrechtlichen
Ausgleichsanspruchs i. S. d. § 89b HGB. Der Kläger hatte zwar nach § 89b
HGB einen Handelsvertreterausgleichsanspruch.
Denn nach Abs. 1 kann der Handelsvertreter von dem Unternehmer nach
Beendigung des Vertragsverhältnisses einen angemessenen Ausgleich
verlangen, wenn und soweit
(1) der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der
Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des
Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat und
(2) die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände,
insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden
entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht.
Diese Voraussetzungen waren unzweifelhaft und unstreitig gegeben. Der
Anspruch belief sich jedoch ausweislich der Berechnung der X auf 4.063 €, da
ein weitergehender Ausgleichsanspruch aufgrund des
Altersversorgungsanspruchs aus den Lebensversicherungen nicht entstehen
konnte.
Nach der vertraglichen Vereinbarungen vom 04./11. Dezember 1980 i. V. m.
mit der Erklärung zu § 17 der Verträge vom 05. Januar 1981 entsteht der
Ausgleichsanspruch – entgegen der Annahme des Beklagten - nicht, soweit
Leistungen aus der Altersversorgung zu erwarten sind. Die Vertragsbeteiligten
gehen folglich davon aus, dass sich die Billigkeitsregelung nicht nur auf bereits
erhaltene Leistungen, sondern auch auf zu erwartende Leistungen des
Klägers erstreckt und im Umfang der Altersversorgung eine Entstehung des
Ausgleichsanspruchs hindert. Diese Vereinbarung war nach der
Rechtsprechung der Zivilgerichte möglich und zulässig.
Zwar verbietet § 89b Abs. 4 Satz 1 HGB, wonach der Anspruch des
Handelsvertreters auf Ausgleich nicht im Voraus ausgeschlossen werden
kann, nicht nur Abreden, die den Ausgleichsanspruch ganz ausschließen,
sondern auch solche, durch die er im Ergebnis mehr oder weniger
eingeschränkt wird (BGHZ 55, 124, 126; BGH, Urteil vom 10. Juli 2002 - VIII
ZR 58/00, WM 2003, 491 = NJW-RR 2002, 1548 unter B II 2 a; BGH, Urteil
vom 20. November 2002 - VIII ZR 146/01, WM 2003, 687 = NJW 2003, 1241
unter II 2 a); die Vorschrift erfasst auch solche Vereinbarungen, durch die der
Ausgleichsanspruch von weiteren, vom Gesetz nicht vorgesehenen
Voraussetzungen abhängig gemacht wird (BGH, Beschluss vom 4. November
1998 - VIII ZR 318/89, BGHR AGBG § 9 Gesetzesverstoß 2). Dagegen
verstoßen Vereinbarungen, die sich nur mittelbar auf den Ausgleichsanspruch
auswirken, grundsätzlich nicht gegen § 89b Abs. 4 Satz 1 HGB (von
Hoyningen-Huene in Münchener Kommentar zum HGB, 3. Aufl. 2010, § 89b
37
38
39
40
Rdnr. 200 ff.). Insoweit hat der BGH in seinem Grundsatzurteil vom 23.05.1966
VII ZR 268/64, BGHZ 45, 268 ausgeführt, dass der Ausgleichsanspruch aus
Billigkeitsgründen der Höhe nach abweichend zur normalen rechnerischen
Ermittlung entstehen könne. Dies ist insbesondere – wie vorliegend - der Fall
für die Vereinbarung von Ansprüchen, die der Altersversorgung dienen und
damit eine ähnliche Struktur und Funktion wie der Ausgleichsanspruch
aufweisen (vgl. Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 36. Aufl. 2014, § 89b
Rz. 39). Demgemäß konnten die X und der Kläger eine entsprechende
abweichende Vereinbarung des Ausgleichsanspruchs im Hinblick auf die
abgeschlossenen Lebensversicherungsverträge treffen.
Durch die vertragliche Vereinbarung zwischen der X und dem Kläger war der
Ausgleichsanspruch bereits in seiner Entstehung gehindert, soweit seine
Entstehung nicht der Billigkeit entsprach. Der Billigkeitsgrundsatz beinhaltet
eine selbstständige und zusätzliche Anspruchsvoraussetzung, die neben dem
Tatbestandsmerkmal des Unternehmervorteils (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) schon bei
der Anspruchsbegründung zu prüfen ist (vgl. BGH, Urteil vom 15.10.1992, I ZR
173/91, NJW-RR 1993, 221; von Hoyningen-Huene in Münchener Kommentar
zum HGB, 3. Aufl. 2010, § 89b Rdnr. 84 mwN). Ein Ausgleichsanspruch
entsteht demnach nicht, wenn er unter Berücksichtigung aller Umstände des
Einzelfalls unbillig wäre. Demgemäß entstand der Ausgleichsanspruch
entgegen der Auffassung des Beklagten lediglich in Höhe von 4.063 €,
nämlich soweit der Ausgleichsanspruch den Altersversorgungsanspruch aus
den Lebensversicherungen überstieg.
Der Ausgleichsanspruch in Höhe von 4.063 € ist als Betriebseinnahme dem
laufenden Gewinn aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 Abs. 1 EStG zuzuordnen.
Zugleich ist er als Gewinn aus Gewerbebetrieb im Rahmen des
Gewerbeertrags der Besteuerung zugrunde zu legen.
b) Die Zahlungen aus den Lebensversicherungsverträgen sind nicht als
nachträgliche Einnahmen i. S. d. § 24 Nr. 1a EStG bei den Einkünften aus § 15
EStG zu erfassen.
Nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG sind Entschädigungen Leistungen, die "als
Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen" gewährt werden, d.h. an
die Stelle weggefallener oder wegfallender Einnahmen treten (Urteil des
Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. Oktober 2007 XI R 33/06, BFH/NV 2008,
361, m.w.N.). Entsprechend seinem Wortlaut zählen dazu nicht
Ersatzleistungen für jede beliebige Art von Schadensfolgen, sondern lediglich
solche zur Abgeltung von erlittenen oder zu erwartenden Ausfällen an
Einnahmen (vgl. BFH-Urteile vom 10. Juli 1991 X R 79/90, BFHE 165, 75; vom
27. November 1991 X R 10/91, BFH/NV 1992, 455; vom 21. September 1993
IX R 32/90, BFH/NV 1994, 308, m.w.N.). Erfasst werden daher nur
Entschädigungen, die Einnahmen ersetzen, nicht aber solche, die Ausgaben
ausgleichen (vgl. BFH-Urteile vom 26. Oktober 1972 I R 229/70, BFHE 107,
265, BStBl II 1973, 121, unter II.1.; vom 27. Juli 1978 IV R 153/77, BFHE 126,
165, BStBl II 1979, 69; so auch die h.M. in der Literatur: Hildesheim in
Bordewin/Brandt, EStG, § 24 Rz 17; Geserich in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff,
EStG, § 24 Rz B 42; Jacobs-Soyka in Littmann/Bitz/Pust, Das
Einkommensteuerrecht, Kommentar § 24 Rz 24). Der Ersatz "für entgangene
oder entgehende Einnahmen" setzt aber vom Wort- und Sinnverständnis
voraus, dass Einnahmen gar nicht erst angefallen, sondern ausgefallen sind
oder der Ausfall (künftig) entgehender Einnahmen zu erwarten ist (vgl. Horn in
Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 24 Rz 33; ähnlich Blümich/Stuhrmann,
EStG, § 24 Rz 7, 12; Jacobs-Soyka, a.a.O., § 24 Rz 9); der Steuerpflichtige hat
also die entsprechenden Einnahmen nicht oder noch nicht erhalten. Daher
werden zunächst erhaltene (zugeflossene) und danach zurückzuzahlende
oder zurückgezahlte Einnahmen ebenso wenig von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG
erfasst wie Ausgaben bzw. Aufwendungen oder als solche zu behandelnde
negative Einnahmen (vgl. etwa BFH-Urteile vom 17. September 2009 VI R
41
42
43
44
45
17/08, BFHE 226, 317, BStBl II 2010, 299; vom 26. Januar 2000 IX R 87/95,
BFHE 191, 274, BStBl II 2000, 396).
Ob die Entschädigung im konkreten Fall als Ersatz für entgangene oder
entgehende Einnahmen, für zurückgezahlte Einnahmen oder für andere
Nachteile als Ausgabenausgleich gezahlt wird, ist grundsätzlich aus der Sicht
der Vertragsparteien vom FG als Tatsacheninstanz zu beurteilen; dazu ist der
Inhalt der Entschädigungsvereinbarung, erforderlichenfalls im Wege der
Auslegung, heranzuziehen (vgl. BFH-Urteile vom 9. August 1974 VI R 142/72,
BFHE 113, 239, BStBl II 1974, 714; vom 11. Januar 2005 IX R 67/02, BFH/NV
2005, 1044, unter II.1.a bb).
Im Streitfall erfolgte mit der Auszahlung der Lebensversicherungsverträge
keine Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen. Zwar
hinderte der Abschluss der Lebensversicherungsverträge als Altersversorgung
die Entstehung des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB. Mit dem
Abschluss der Lebensversicherungsverträge ermöglichte die X dem Kläger
indes den Aufbau einer eigenständigen Altersversorgung, die zu einem
selbständigen, grundsätzlich nicht entziehbaren Anspruch des Klägers führte.
Der Anspruch aus den Lebensversicherungen entstand unabhängig davon, ob
und in welcher Höhe tatsächlich ein Ausgleichsanspruch des Klägers
entstehen würde. Die Entstehung und die Höhe des Anspruchs nach § 89b
HGB waren insoweit ungewiss, da die Höhe des Anspruchs ganz
wesentlichen von der Höhe der Provision der letzten 5 Tätigkeitsjahre abhängt
(vgl. § 89b Abs. 2 HGB), folglich im Jahr 1981 bei Abschluss nicht absehbar
war, und etwa bei Kündigung des Vertragsverhältnisses durch den
Handelsvertreter gänzlich entfällt (vgl. § 89b Abs. 3 HGB). Demgemäß sind die
Ansprüche aus den Lebensversicherungsverträgen keine Entschädigung für
einen entgangenen Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB, sondern
eigenständige Altersversorgungsansprüche, die bereits zivilrechtlich die
Entstehung eines höheren Anspruchs nach § 89b HGB verhinderten. Insoweit
sind die Einnahmen aus dem Ausgleichsanspruch nicht ausgefallen, sondern
gar nicht erst angefallen.
c) Zudem handelt es sich bei den Zahlungen aus den
Lebensversicherungsverträgen auch nicht um Einkünfte aus einer ehemaligen
Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 EStG gemäß § 24 Nr. 2
EStG.
Nach § 24 Nr. 2 EStG i.V.m. § 15 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus
Gewerbebetrieb auch die Einkünfte aus einer ehemaligen gewerblichen
Tätigkeit. Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit liegen dann vor, wenn die
Einkünfte im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der ehemaligen
gewerblichen Tätigkeit stehen, insbesondere ein Entgelt für die im Rahmen der
ehemaligen gewerblichen Tätigkeit von dem Gewerbetreibenden erbrachten
Leistungen darstellen (s. BFH-Urteil vom 25.3.1976, IV R 174/73, BStBl. II
1976, 487, BFHE 118, 572; FG Münster v. 7.12.2000, 14 K 3127/99 E, juris zu
Berufsunfähigkeitsversicherung).
Im Streitfall liegen keine Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit vor. Die
Zahlungen aus den Lebensversicherungen beruhen auf einem eigenen durch
Beitragszahlungen angesparten Kapitalstammrecht. Dabei hat der Kläger
sowohl die eigenen Beitragszahlungen aus versteuertem Einkommen
finanziert als auch die Beitragszahlungen der Versicherer als
Betriebseinnahmen der Besteuerung unterworfen. Anders als in Fällen der
betrieblichen Altersversorgung oder der Berufsunfähigkeitsrentenzahlung
resultiert der Anspruch nicht unmittelbar aus der ehemaligen gewerblichen
Tätigkeit, sondern beruht der Anspruch auf einem eigenständigen Erwerb.
Dabei stellt die gewerbliche Tätigkeit lediglich den Anlass bzw. die Möglichkeit
des Anspruchserwerbs dar. Die Leistungen aus der Versicherung stellen
insbesondere kein Entgelt für die im Rahmen der ehemaligen gewerblichen
46
47
Tätigkeit erbrachten Leistungen dar, sondern beruhen auf dem
beitragsfinanzierten Kapitalwert der Versicherungen. Dies zeigt sich u. a. auch
daran, dass die Leistungen aus den Lebensversicherungen – auch im Fall der
vorzeitigen Beendigung der gewerblichen Tätigkeit durch den Kläger – dem
Kläger zugestanden hätten. Folglich scheidet auch insoweit eine Erfassung
der Zahlungen bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb aus.
3. Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Rückstellung für Abschluss- und
Prüfungsgebühren des ehemaligen Steuerberaters für die
Veranlagungszeiträume 1988 bis 1997 in Höhe von 9.458,90 € zu Recht
aufgelöst worden, da die entsprechende Verbindlichkeit zu diesem Zeitpunkt
unstreitig zivilrechtlich verjährt gewesen ist. Die Bildung einer Rückstellung für
eine nach Grund und/oder Höhe noch ungewisse Verbindlichkeit setzt im
allgemeinen das Bestehen oder die Wahrscheinlichkeit des künftigen
Entstehens der Verbindlichkeit und die wirtschaftliche Verursachung dieser
Verbindlichkeit in der Zeit vor dem Bilanzstichtag voraus. Ferner muss der
Schuldner mit seiner Inanspruchnahme ernsthaft rechnen, d.h. es müssen
mehr Gründe für als gegen die Inanspruchnahme sprechen (ständige
Rechtsprechung; vgl. BFH-Urteil vom 19. Oktober 1993 VIII R 14/92, BFHE
172, 456, BStBl II 1993, 891, m.w.N.). An letzterem fehlt es im Streitfall. Die
Gebührenforderung ist verjährt. Es ist nichts dafür ersichtlich und auch vom
Kläger nichts substantiiert dafür dargetan, dass der Forderungsinhaber seine
Forderung gleichwohl noch einziehen kann. Vielmehr ist anzunehmen, dass
dies nicht erfolgen wird. In Anbetracht dessen kann es --anders als bei der
Frage der Passivierung einer nach Grund und Höhe bereits gewissen
Verbindlichkeit (BFH-Urteil vom 9. Februar 1993 VIII R 21/92, BFHE 170, 540,
BStBl II 1993, 543)-- auf eine etwaige Bereitschaft des Klägers, die noch
ausstehende Forderung zu erfüllen, wenn diese ihm gegenüber geltend
gemacht wird, nicht ankommen. Der für die Bildung einer
Verbindlichkeitsrückstellung erforderliche Grad an Wahrscheinlichkeit der
Inanspruchnahme ist nicht gegeben. Dies zeigt sich ganz deutlich darin, dass
der Kläger die Forderung bis heute nicht beglichen hat.
II. Die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer wird gem. § 100
Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten übertragen. Die Kostenentscheidung folgt
aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
beruht auf §§ 151 Abs. 1 und 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711
Zivilprozessordnung. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der
Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.