Urteil des FG Münster vom 19.04.2002

FG Münster (Wiederkehrende Leistung, Anpassung, Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Genehmigung, Rente, Rechtsnatur, Einspruch, Vorverfahren, Behandlung, Indexklausel)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Münster, 11 K 4239/00 E
19.04.2002
Finanzgericht Münster
11. Senat
Urteil
11 K 4239/00 E
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e:
Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung dauernder Lasten als
Sonderausgaben.
Die verheirateten Kläger (Kl.) werden zur Einkommensteuer (ESt)
zusammenveranlagt. Durch notariellen Vertrag vom 20.03.1991 übertrug die Mutter im
Wege vorweggenommener Erbfolge ihren Anteil an der Firma XXX sowie an dem
Geschäftsgrundstück in A. jeweils zur Hälfte unentgeltlich auf den Kl. und dessen Bruder.
Nach § 2 des notariellen Vertrages vom 20.03.1991 (Notar , A., Urk.-Nr. )
verpflichten sich der Kl. und sein Bruder, beginnend mit dem 01.03.1991 an die Mutter auf
deren Lebenszeit eine jeweils im Voraus fällige Versorgungsrente von monatlich brutto
7.000 DM zu zahlen. Unter Ziffer 2 heißt es:
"Der vorgenannte Betrag ändert sich im gleichen Verhältnis, wie sich vom
heutigen Tage an der Preisindex des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden für die
Lebenshaltung eines mittleren 4-Personen-Arbeitnehmerhaushaltes (Basisjahr 1980 = 100
Punkte) ändert. Maßgebend ist der am 1.1. eines jeden Jahres zuletzt veröffentlichte
Preisindex für das ganze dann beginnende Kalenderjahr."
In der ESt-Erklärung des Streitjahres machte der Kl. die an die Mutter entrichteten
wiederkehrenden Leistungen in Höhe von 9.240 DM als Sonderausgaben/dauernde Last
geltend. Dem entsprach der Beklagte (Bekl.) im ESt-Bescheid 1997 vom 08.02.2000 nicht.
Da die im Vertrag vereinbarte Wertsicherungsklausel nicht eingehalten worden sei, sei der
Übergabevertrag mit der Mutter steuerlich nicht anzuerkennen. Der Vertrag sei nicht wie
vereinbart durchgeführt.
Mit Schreiben vom 25.02.2000 erhoben die Kl. gegen den Bescheid Einspruch.
Der Bekl. habe die wiederkehrenden Leistungen zu Unrecht nicht als Sonderausgaben
berücksichtigt. Wertsicherungsklauseln seien genehmigungsbedürftig. Da eine
Genehmigung des Bundesamtes für Wirtschaft nicht vorliege, seien die Vertragsbeteiligten
davon ausgegangen, dass bei Änderung der vereinbarten Bezugsgröße eine automatische
Anpassung der Versorgungsrente nicht vorzunehmen sei.
Nach § 9 Ziffer 2 des notariellen Übertragungsvertrages berühre die
Unwirksamkeit einer einzelnen Bestimmung nicht die Wirksamkeit des gesamten
Vertrages. Daher liege weiterhin ein wirksamer Übertragungsvertrag vor, bei dem sich die
Abänderbarkeit der vereinbarten Versorgungsleistungen nicht aus einem ausdrücklichen
Änderungsvorbehalt, sondern aus der Rechtsnatur des Übergabevertrages ergebe. Eine
sich aus der Rechtsnatur des Vertrages ergebende Abänderbarkeit setzte allerdings
voraus, dass von dem Recht, eine Anpassung der Rente zu verlangen, Gebrauch gemacht
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werde. Das habe die Mutter des Kl. bisher nicht getan. Aus diesem Umstand lasse sich
selbst dann nicht folgern, der Vertrag sei nicht wie vereinbart durchgeführt, wenn das
Anpassungsrecht über einen längeren Zeitraum hinweg nicht geltend gemacht würde.
Maßgebend sei die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten.
Die Versorgungsleistungen an die Mutter würden im Wesentlichen aus den
Mieterlösen des übertragenen Grundstückes bestritten. Mietzins und Nebenkosten des
gewerblich vermieteten Teils seien an einen Preisindex gekoppelt. Aufgrund der
wirtschaftlichen Verhältnisse im Bereich des gewerblichen Mietmarktes in A. sei jedoch
bewusst auf eine Mietzinsanhebung verzichtet worden, so dass die Einnahmen aus dem
von der Mutter übertragenen Vermögen insoweit nicht angepasst worden seien. Es habe
auch Einigkeit zwischen der Vermögensübergeberin und den Kindern bestanden, erst dann
eine Anpassung der Versorgungsleistungen vorzunehmen, wenn auch eine Anpassung der
Mieteinnahmen im Rahmen der Wertsicherungsklausel vollzogen würde.
Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 21.06.2000 wies der Bekl. den Einspruch
zurück. Zur Begründung trägt er vor, der Vertrag über die Versorgungsleistungen sei nach
den Rechtsprechungsgrundsätzen über Verträge zwischen Angehörigen steuerlich nicht
anzuerkennen. Die monatlichen Leistungen an die Mutter seien nicht entsprechend der
vereinbarten Wertsicherungsklausel angepasst worden. Der maßgebende Preisindex habe
zum Zeitpunkt der Vereinbarung 133,7 Punkte betragen und im Streitjahr 1997 bei 155,78
Punkten gelegen. Trotz der Steigerung um rund 16,5 % seien weiter 3.500 DM monatlich
gezahlt worden.
Es sei unerheblich, dass die Vertragsbeteiligten die Genehmigung der
Indexvereinbarung nicht beantragt hätten. Darin läge eine Abweichung zu dem, was
zwischen fremden Dritten üblich sei. Ein fremder Dritter hätte nicht auf eine wirksame
Wertsicherung verzichtet. Im Übrigen seien die Vertragspartner nach § 9 des notariellen
Übertragungsvertrages verpflichtet, anstelle unwirksamer Vertragsbestimmungen eine
ihrem wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommende Regelung zu treffen. Das sei,
soweit ersichtlich, nicht geschehen.
Die Höhe der Versorgungsleistungen sei nach dem Übertragungsvertrag nicht an
eine entsprechende indexbezogene Anpassung der gewerblichen Mieteinnahmen aus dem
übertragenen Grundstück gebunden.
Mit Schreiben vom 11.07.2000 erhoben die Kl. gegen die EE Klage. Zur
Begründung tragen sie unter Wiederholung ihres Vortrages im Verwaltungsverfahren
ergänzend vor, nach Ziffer 26 Abs. 2 des Rentenerlasses seien Änderungen der
Versorgungsleistungen steuerlich nur anzuerkennen, wenn sie durch ein in der Regel
langfristig verändertes Versorgungsbedürfnis des Berechtigten und/oder die veränderte
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Verpflichteten veranlasst seien. Die
Wertsicherungsklausel werde im Rentenerlass nur im Zusammenhang mit der Abgrenzung
der echten Rente von der dauernden Last thematisiert. Entsprechend habe der BFH
entschieden, dass die bloße Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel die Abänderbarkeit
der wiederkehrenden Leistung nicht ausschließe (BFH, Urteile vom 11. März 1992 X R
141/88, BStBl II 1992, 499; vom 27. November 1996 X R 85/94, BStBl II 1997, 284). Eine
Wertsicherungsklausel mache also aus einer echten Rente keine dauernde Last. Die
Frage, ob eine Wertsicherungsklausel automatisch umgesetzt werden müsse, auch ohne
ein langfristig verändertes Versorgungsbedürfnis des Berechtigten, werde erst gar nicht
gestellt.
Im Übrigen vertrete der BFH (Urteil vom 15. Juli 1992 X R 31/91, BFH/NV 1993,
18) die Auffassung, aus dem Umstand, dass die Berechtigten über einen längeren Zeitraum
hinweg von ihrem Recht, eine Anpassung der Rente zu verlangen, keinen Gebrauch
gemacht hätten, lasse sich grundsätzlich nicht folgern, der Vertrag sei nicht wie vereinbart
durchgeführt.
Auch in der Rechtsprechung der Finanzgerichte (FG München, Urteil vom 12.
August 1999, EFG 1999, 1218; FG Münster, Urteil vom 28. Dezember 2000, EFG 2001,
489) werde die Nichtbeachtung der Wertsicherungsklausel als unschädlich angesehen,
wenn der Charakter als Versorgungsvertrag unberührt bleibe.
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Die Kl. beantragen,
1. den ESt-Bescheid 1997 vom 08.02.2000 unter Aufhebung der EE
vom 21.06.2000 zu ändern und die ESt 1997 unter Berücksichtigung der dauernden Last
auf DM festzusetzen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für
notwendig zu erklären.
3. das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Zur Begründung trägt er unter Bezugnahme auf die EE vor, die Kl. würden
verkennen, dass die Nichtbeachtung der Wertsicherungsklausel dazu führe, dass wegen
fehlender tatsächlicher Durchführung des Übertragungsvertrages nicht von einem
begünstigten Versorgungsvertrag auszugehen sei. Eine Wertsicherungsklausel werde nicht
vereinbart, um einem langfristig veränderten Versorgungsbedürfnis gerecht zu werden,
sondern um die wiederkehrenden Leistungen der Geldentwicklung anzupassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten
gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Der Senat hat am 19.04.2002 mündlich verhandelt. Auf das Protokoll wird Bezug
genommen.
Die Klage ist unbegründet.
Der Beklagte hat die geltend gemachten wiederkehrenden Leistungen zu Recht
nicht als dauernde Lasten im Rahmen der Sonderausgaben berücksichtigt.
Der notarielle Vertrag vom 28.3.1991 ist seiner Rechtsnatur nach ein
Versorgungsvertrag (Übertragung existenzsichernden Vermögens gegen
Versorgungsleistungen), den der Gesetzgeber dem Rechtsinstitut der dauernden Last
zugeordnet hat. Die Bar-Altenteilsleistungen an die Eltern des Kl. können jedoch nicht als
Sonderausgaben berücksichtigt werden, weil der Vertrag insoweit steuerrechtlich nicht
anzuerkennen ist. Ein Vertrag zwischen nahen Angehörigen kann steuerrechtlich nur
anerkannt werden, wenn die gegenseitigen Rechte und Pflichten klar und eindeutig
vereinbart und die Vereinbarungen ernsthaft gewollt und tatsächlich durchgeführt sind.
Nach den allgemeinen steuerrechtlichen Grundsätzen über die Behandlung von Verträgen
zwischen nahen Angehörigen steht es den Parteien des Übertragungsvertrages nicht frei,
ob und in welchem Umfang sie ihren Vertragspflichten nachkommen wollen. Die
Leistungen müssen wie vereinbart erbracht werden. Hierzu gehört u.a., dass eine Schuld in
der vereinbarten Höhe zu den vertraglich vereinbarten Fälligkeitszeitpunkten gezahlt wird
(BFH, Urteil vom 31. August 1994 X R 79/92, BFH/NV 1995, 382 m.w.N.).
An einer so charakterisierten Durchführung fehlt es im Streitfall. Die Parteien
haben die in § 2 des Übertragungsvertrages vom 20.3.1991 vereinbarte
Wertsicherungsabrede nicht umgesetzt. Sie haben an die Mutter auch in den Streitjahren
die ursprünglich vertraglich vereinbarten Altenteilsleistungen von monatlich 7000 DM (Kl.
und Bruder je 3.500 DM) gezahlt, obwohl der Lebenshaltungsindex für einen Vier-
Personen-Arbeitnehmerhaushalt mit mittlerem Einkommen (Statistisches Bundesamt in
Wiesbaden) zwischen 1991 und 1996 unstreitig um 16,5 % angestiegen ist.
Die Höhe der Versorgungsleistungen gehört zum wesentlichen Inhalt des
Übergabevertrages. Diese Höhe war nicht nominal, sondern real, d.h. in dem vereinbarten
Umfang inflationsbereinigt, vereinbart. Da die Indexsteigerung zu einer Erhöhung der
wiederkehrenden Leistungen geführt hätte, sind die Leistungen in einem geringeren
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Umfang als vereinbart gezahlt worden.
Die Nichtbeachtung der Wertsicherungsklausel ist für die Beurteilung der
steuerlichen Wirksamkeit des Versorgungsvertrages nicht unerheblich (ebenso FG
Münster, Urteil vom 24. Oktober 2000, 15 K 4938/00 E; a.A. FG Münster, Urteile vom 28.
Dezember 2000, 7 K 7481/99 E; vom 26. März 2001, 4 K 7352/99 E, EFG 2001, 1033; Urteil
vom 05. Februar 2001, 6 K 6565/99 E, nv.). Zwar ist es nicht die Wertsicherungsabrede, die
dazu führt, dass wiederkehrende Leistungen als dauernde Last zu beurteilen sind (BFH,
Urteil vom 28. Januar 1986 IX R 5/80, BFH/NV 1986, 526). Die Einordnung der
wiederkehrenden Leistungen als dauernde Last folgt daraus, dass die getroffene
Vereinbarung dem Typus des Versorgungsvertrages vergleichbar ist, der auch ohne
Wertsicherungsabrede vereinbart sein kann.
Die Versorgung als Hauptleistungspflicht erfolgte in den Streitjahren jedoch nicht
in der abgesprochenen Höhe, wenn die wiederkehrenden Leistungen im ursprünglich
verabredeten Umfang weitergezahlt werden, ohne die vertraglich bedeutsamen
Indexsteigerungen zu beachten, die zur automatischen Anpassung der
Versorgungsleistungen führten.
Die wertgesicherte wiederkehrende Leistung beziffert die Versorgungshöhe bei
gegenüber dem Vertragsabschluss unveränderter Bedürftigkeit des Empfängers und
unveränderter Leistungsfähigkeit des Verpflichteten. Dass die wiederkehrende Leistung
erst dadurch zur dauernden Last wird, dass die Option zur Abänderung der Höhe bei
geänderten Verhältnissen vorhanden ist, bedeutet daher nicht, dass die Nichtzahlung der
vereinbarten wertgesicherten Ausgangsleistung im Rahmen der Beurteilung des
Angehörigenvertrages unerheblich ist. Sie hat im Rahmen der Versorgungsabrede eine
eigenständige wesentliche Bedeutung. Zum einen ist die wertgesicherte Ausgangsleistung
die Basis für die Anpassung der Versorgungsleistung bei veränderten Verhältnissen. Zum
anderen führt die automatische Anpassung der Ausgangsleistung dazu, dass sich der
Versorgungsempfänger im Umfang der Wertsicherung dem Prozessrisiko einer
Änderungsklage nicht aussetzen muss und nach dem Willen der Vertragsbeteiligten nicht
ausgesetzt werden soll.
Soweit die Kl. vortragen, die erforderliche Genehmigung der
Wertsicherungsklausel durch die Landeszentralbank liege nicht vor, führt das zu keinem
anderen Ergebnis. Abgesehen davon, dass der ablehnende Bescheid der zuständigen
Genehmigungsbehörde nicht vorgelegt wurde, wären die Vertragsbeteiligten nach § 9 Ziffer
2 des Übertragungsvertrages verpflichtet gewesen, anstelle der unwirksamen Bestimmung
eine ihrem wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommende gültige Regelung zu treffen.
Das ist offensichtlich nicht geschehen. Auch bei fehlender Genehmigung der
Wertsicherungsklausel wären die wiederkehrenden Leistungen im Übrigen nur nominal
erbracht worden, obwohl wertbeständige Leistungen vereinbart waren.
Der Vortrag der Kl., warum sie die Wertsicherungsklausel nicht angewendet
haben und eine abredegemäße Durchführung des Versorgungsvertrages anzunehmen
sein soll, ist widersprüchlich. Zum einen haben sie zunächst angegeben, sie seien
aufgrund der fehlenden Genehmigung davon ausgegangen, die Wertsicherungsklausel sei
nicht wirksam (SS vom 14.1.2000; Rb-Hefter ). Zum anderen tragen sie nunmehr vor, die
Beteiligten hätten auf die Anwendung der Wertsicherungsklausel verzichtet, weil sie auch
gegenüber der bank, der Mieterin des übertragenen Grundstücks, aufgrund der
Marktverhältnisse nicht geltend gemacht worden sei. Abgesehen davon, dass die
Indexregelungen im Mietvertrag mit der bank (Anpassung erst bei Änderung um 10 Punkte)
und im Übertragungsvertrag (jede Änderung) nicht deckungsgleich sind, ist eine
entsprechende Einigung der Beteiligten nicht nachvollziehbar, wenn die Kl. von der
Unwirksamkeit der Indexklausel im Übertragungsvertrag ausgingen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO
zugelassen.
Einer Entscheidung über die Anträge, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten
für das Vorverfahren für notwendig und das Urteil wegen der Kosten für vorläufig
vollstreckbar zu erklären, bedurfte es angesichts des klageabweisenden Tenors nicht.