Urteil des FG Münster vom 05.05.2004

FG Münster (Einkünfte, Ausbildung, Installation, Diplom, Software, Qualifikation, Anteil, Ingenieur, Gewerbesteuer, Einzelunternehmer)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Münster, 8 K 3508/02 G
05.05.2004
Finanzgericht Münster
8. Senat
Urteil
8 K 3508/02 G
Unter teilweiser Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 28.05.2002
und unter Änderung des Gewerbesteuermessbetragsbe-scheides vom
20.06.1995 für das Jahr 1991 wird der einheitliche Ge-
werbesteuermessbetrag für 1991 auf 5.060,00 DM herabgesetzt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 87 v. H. und der Be-
klagte zu 13 v. H.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Zu entscheiden ist, ob bzw. inwieweit die Tätigkeit des Klägers (Kl.) als freiberufliche
Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) (ähnliche
Tätigkeit zu einem der in dieser Vorschrift genannten Katalogberufe) anzusehen ist, so
dass die hieraus erzielten Einkünfte insgesamt bzw. teilweise nicht als gewerbliche
Einkünfte anzusehen sind und damit auch keine Gewerbesteuer anfällt.
Der Kl., der nach Abschluss seiner beruflichen Ausbildung bis zum 30.06.1991
ausschließlich bzw. später überwiegend Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt
hatte, war in der Zeit vom 01.07.1991 bis zum 30.06.1992 als Einzelunternehmer tätig. Er
bezeichnet sich als Unternehmensberater auf dem Gebiet "EDV-Consulting/Software
Engineering". Ab dem 01.07.1992 übt er diese Tätigkeit im Rahmen einer von ihm
gegründeten GmbH aus, die zurzeit 6 Mitarbeiter beschäftigt.
Der Kl. hatte zunächst eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann und eine
Marketing-Ausbildung abgeschlossen. Im Rahmen einer beruflichen Neuorientierung
besuchte er eine Fachschule für EDV. Hier legte er im Jahre 1972 eine staatliche Prüfung
zum "Betriebswirt-EDV" ab. Anschließend war er nach eigenen Angaben im Rahmen eines
Großversandhauses und bei der Fa. O Computer AG im Bereich der Systemanalyse,
Systemberatung, Systemtechnik und Systemprogammierung tätig. Ab dem Jahre 1980
betätigte er sich im Hause der Fa. C N - Tochterfirma der Fa. O - als Systemprogammierer.
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Daneben führte er nach eigenen Angaben auch freiberufliche Nebentätigkeiten auf diesem
Gebiet aus. Ab dem 01.07.1991 hat er seine nichtselbständige Arbeit beendet. Er betätigt
sich seitdem auf dem Gebiet des EDV-Consulting/Software Engineering, zunächst als
Einzelunternehmer und später, ab dem 01.07.1992, im Rahmen seiner GmbH. Aufgrund
eines Software-Partnervertrages mit seiner früheren Arbeitgeberin, der Fa. C, hat er in den
Streitjahren die Betreuung für Systemsoftware bei verschiedenen Firmen übernommen, mit
der die C entsprechende Verträge hat. Darüber hinaus hat er auch weitere Aufträge
übernommen. Nach den während einer Betriebsprüfung und im Klageverfahren
eingereichten Tätigkeitsbeschreibungen und weiteren Unterlagen handelt es sich in der
Regel um die Installation und Einrichtung von Betriebssystemen und
Datenübertragungssystemen aus dem Hause O. Teilweise handelt es sich auch um
Umstellungen von einem Betriebssystem auf ein anderes Betriebssystem. Bei dem Kunden
"OXE" hat er darüber hinaus im Rahmen eines Gesamtauftrages auch ein so genanntes
"Lager-Paternoster-System" aufgebaut, mit dem Auftragspositionen vom Hauptrechner
automatisch in das Lagersystem übergeben werden und von dem Paternoster-System
ausgeführt werden können. Im Streitjahr 1991 hat er außerdem für die Fa. J Deutschland in
deren Labor Forschungs- und Entwicklungsarbeiten geleistet. Dabei wurde ihm auch
Personal von der Fa. J zur Verfügung gestellt. Ziel des Auftrages war "festzustellen, wie
groß die Abweichung zwischen dem O-Betriebssystem und Zusatzmodulen gegenüber
dem vergleichbaren J-Betriebssystem und Zusatzmodulen war". Damit sollten bisherige O-
Kunden dazu bewegt werden, auf ein J-System umzusteigen, das dieselben
Arbeitsergebnisse erbringt, wie das bisherige O-System. Die hieraus erzielten Erlöse
betragen 32.062,90 DM. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Tätigkeitsbeschreibung
des Kl. vom 04.11.1994 und auf die im Klageverfahren eingereichten
Tätigkeitsbeschreibungen und Auftragsunterlagen vewiesen (vgl. Sonderakte "Auszug aus
der Prüferhandakte" und Bl. 28 bis 47, 52 bis 63 sowie 110 und 111 der Gerichtsakte).
Ergänzend wird auch auf die Tätigkeitsbeschreibung durch den Kl. im Rahmen des
Erörterungstermins vom 13.10.2003 verwiesen (vgl. Bl. 103 bis 106 der Gerichtsakte).
Der Kl. hatte seine Einkünfte aus der genannten Tätigkeit von vorneherein als Einkünfte
aus selbständiger, nicht gewerblicher Tätigkeit angesehen und dementsprechend auch
keine Gewerbesteuererklärungen abgegeben. Im Rahmen einer in den Jahren 1994 und
1995 durchgeführten Betriebsprüfung griff die Finanzverwaltung diesen Sachverhalt auf
und beurteilte die Tätigkeit des Kl. als gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 15 EStG.
Dementsprechend wurden die Erträge aus dieser Tätigkeit auch als Gewerbeerträge
angesehen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom
08.03.1995 Bezug genommen. Der Beklagte (Bekl.) folgte dieser Einschätzung und setzte
mit getrennten Bescheiden vom 20.06.1995 für das Jahr 1991 einen einheitlichen
Gewerbesteuermessbetrag in Höhe von 6.665,00 DM und für das Jahr 1992 einen solchen
in Höhe von 5.760,00 DM fest. Die hiergegen gerichteten Einsprüche, mit denen die
Aufhebung dieser Festsetzungen begehrt wurde, hatten keinen Erfolg. Nachdem die
Einsprüche wegen einer damals anhängigen Verfassungsbeschwerde zur
steuerrechtlichen Bewertung der Tätigkeit eines EDV-Beraters als gewerbliche Tätigkeit
zwischenzeitlich einvernehmlich geruht hatten, wies der Bekl. die Einsprüche mit
einheitlicher Einspruchsentscheidung vom 28.05.2002 als unbegründet zurück.
Im Rahmen der sich anschließenden Klage regen die Beteiligten erneut das Ruhen des
Verfahrens an, sofern die unterschiedliche Beurteilung zwischen Systemsoftware und
Anwendersoftware eine Rolle spielen sollte.
Zur Sache selbst meint der Kl. im Wesentlichen, er übe eine ingenieurähnliche Tätigkeit
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aus, die einem Katalogberuf des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG entspreche. Die Forderung des
Bundesfinanzhofes, dass er als EDV-Berater auf dem Gebiet der Systemsoftware tätig sei,
werde von ihm erfüllt. Sein Schwerpunkt habe stets in der Installation und der
Implementierung von Betriebssystemen gelegen. Der Anteil der von ihm entwickelten
Anwendersoftware sei relativ gering. Zur Systemsoftwareentwicklung dürfe nicht nur die
orginäre Entwicklung dieser Software gerechnet werden, sondern auch ihre Einrichtung
und Anpassung auf spezielle Bedürfnisse des Anwenders. Darüber hinaus müsse auch
berücksichtigt werden, dass nach der neueren Rechtsprechung auch die Entwicklung von
Anwendersoftware als freiberufliche, selbständige Tätigkeit eingestuft werde, wenn der
Selbständige Kenntnisse eines Ingenieurs oder Diplom-Informatikers aufweise. Das sei bei
ihm der Fall. Bei dem Auftrag bei der Fa. OXE habe es sich im Wesentlichen um die
Einrichtung bzw. Umstellung des Betriebssystems I/II gehandelt. Das Lager-
Paternostersystem habe dabei nur einen Anteil von etwa 20 % gehabt. Innerhalb dieses
Teilprojektes habe der Anteil der Erstellung von Anwendersoftware bei ca. 10 % gelegen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 28.11.2002, 24.02.2003 und
10.11.2003 verwiesen.
Der Kl. beantragt,
die Gewerbesteuermessbetragsbescheide 1991 und 1992 vom 20.06.1995 und die
Einspruchsentscheidung vom 28.05.2002 aufzuheben
und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu
erklären,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Er meint im Wesentlichen, die Tätigkeit des Kl. sei die eines Gewerbetreibenden. Zum
Einen verfüge der Kl. nicht über eine ingenieurähnliche Ausbildung. Zum Anderen sei auch
die Tätigkeit nicht mit der eines Ingenieurs vergleichbar. Hinweise auf die Entwicklung
eigener Systemsoftware gebe es aus der Darstellung des Kl. nicht. Sein Schwerpunkt liege
bei der Installation und Implementierung von Betriebssystemen. Zwar arbeite der Kl.
überwiegend im Bereich der Systemtechnik, die Installierung, Implementierung und
Betreuung dieser, von anderen Firmen stammenden Technik erfülle aber nicht die
Voraussetzungen für eine ingenieurähnliche Tätigkeit. Sie stelle keine Entwicklung von
Systemsoftware dar. Soweit der Kl. Anwendersoftware entwickele, liege auch keine
ingenieurähnliche Tätigkeit vor, da diese Tätigkeit nach den Rechtsprechungsgrundsätzen
des BFH als gewerbliche Tätigkeit einzuordnen sei. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf
den Schriftsatz vom 16.01.2003 und die Einspruchsentscheidung vom 28.05.2002
verwiesen.
Im Übrigen wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 05.05.2004
Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist teilweise begründet.
Soweit der Kl. im Streitjahr 1991 für die Fa. J deren Systemsoftware so weiterentwickelt hat,
dass mit ihr in der Praxis dieselben Arbeitsergebnisse erzielt werden konnten, wie sie mit
einem Konkurrenzsystem der Fa. O zu erzielen waren, sieht der Senat die Tätigkeit als
Softwareentwicklungstätigkeit im Sinne der ständigen Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofes an. Die hieraus erzielten Erträge können daher nicht als Gewerbeertrag
angesehen werden, so dass der Kl. durch ihre Einbeziehung im Rahmen der
Gewerbesteuermessbetragsfestsetzung für das Jahr 1991 in seinen Rechten verletzt ist (§
100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Insoweit ist die Klage begründet. Soweit der Kl. darüber hinaus
aufgrund eigener Aufträge oder aufgrund von Aufträgen seines früheren Arbeitgebers, der
Fa. C tätig geworden ist, handelt es sich dagegen um eine gewerbliche Tätigkeit, da diese
Tätigkeit nicht als Systemsoftwareentwicklung anzusehen ist. Das gilt auch für die
Ertragsanteile, die auf eine eventuelle Systemsoftwareentwicklung im Rahmen des
Auftrages der Fa. OXE erzielt wurden, denn dieser Teil stellt nach eigenen Angaben des
Kl. lediglich eine Tätigkeit von geringem Umfang dar. Er ist außerdem auch nicht von den
übrigen Auftragsanteilen abgrenzbar. Soweit der Kl. im Rahmen seiner Aufträge
Anwendersoftware entwickelt hat, folgt bereits aus der ständigen Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofes, der der Senat folgt, dass die hieraus erzielten Erträge als
Gewerbeerträge anzusehen sind. Außerdem fehlt es insoweit auch überwiegend an einer
Abgrenzbarkeit dieser Erträge aus der übrigen Tätigkeit des Kl.. Die Klage ist insoweit nicht
begründet.
Nach § 2 Abs. 1 Gewerbesteuergesetz i. V. m. § 15 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 EStG unterliegt
ein im Inland betriebener Gewerbebetrieb der Gewerbesteuer. Gewerbebetrieb ist nach
dieser Regelung ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes.
Nach der Legaldefinition des § 15 Abs. 2 EStG ist hierunter u. a. nicht die Ausübung eines
freien Berufes oder einer anderen selbständigen Arbeit im Sinne des § 18 EStG zu
verstehen. Zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit sind u. a. die Einkünfte aus
freiberuflicher Tätigkeit zu rechnen. Dazu gehören auch Tätigkeiten als Ingenieur,
Betriebswirt oder eine diesen Berufen ähnliche Tätigkeit. Unter den ausdrücklich in § 18
EStG erwähnten Tätigkeiten fällt nicht die Tätigkeit eines EDV-Beraters oder Informatikers,
selbst wenn er im Bereich der Systemsoftwareentwicklung tätig ist. Eine derartige Tätigkeit
fällt nur dann unter § 18 EStG, wenn sie als ähnliche Tätigkeit zur Tätigkeit eines
Ingenieurs oder Betriebswirtes einzusehen ist. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nur
teilweise erfüllt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH), der der Senat folgt, ist ein
Beruf einem Katalogberuf im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ähnlich, wenn er in
wesentlichen Punkten mit ihm verglichen werden kann. Dafür ist es erforderlich, dass die
Tätigkeit des Steuerpflichtigen in einem für den Katalogberuf typischen Bereich liegt.
Darüber hinaus muss der Steuerpflichtige über eine Ausbildung verfügen, die der für den
Katalogberuf erforderlichen Ausbildung vergleichbar ist. Entsprechende, in den
Hauptgebieten dieser Berufe liegende Kenntnisse und Fähigkeiten, wie sie in der
Ausbildung zu einem der vom Gesetzgeber genannten Katalogberufe regelmäßig erworben
werden, sind im Zweifelsfall vom Steuerpflichtigen nachzuweisen, wenn er keinen
entsprechenden Ausbildungsabschluss nachweisen kann (vgl. nur BFH-Beschluss vom 16.
Januar 2002, IX B 70/01, BFH/NV 2002, 644 m. w. N.).
Im Streitfall verfügt der Kl. weder über einen Hochschulabschluss noch über einen
Fachhochschulabschluss als Betriebswirt oder Ingenieur - nur diese beiden Katalogberufe
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kommen hier als ähnliche Berufe in Betracht. Der von ihm erworbene Abschluss an einer
Fachschule als staatlich geprüfter Betriebswirt-EDV kann für sich gesehen einem
Fachhochschul- oder Hochschulabschluss nicht gleichgesetzt werden. Soweit eine
vergleichbare Qualifikation als Betriebswirt in Frage steht, fehlen Darlegungen und
Nachweise dazu, dass in den Hauptbereichen der Betriebswirtschaftslehre entsprechende
Kenntnisse vorhanden sind. Dazu gehören u. a. Kenntnisse in den Bereichen der Führung,
der Fertigung, der Materialwirtschaft, der Finanzierung, des Vertriebes, des Verwaltungs-
und Rechnungswesens sowie des Personalwesens (vgl. BFH-Urteil vom 14. März 1991, IV
R 135/90, BFHE 164, 408, BStBl. II 1991, 769, 770 und BFH-Beschluss vom 16. Januar
2002, IV B 70/01, BFHNV 2002, 644, 645).
Anders sind dagegen nach Auffassung des Senates die Fähigkeiten und Kenntnisse des
Kl. hinsichtlich seiner ingenieurähnlichen Qualifikation zu beurteilen. Hier wird nach
ständiger Rechtsprechung die Ausbildung und der Abschluss zu einem Diplom-Informatiker
als ähnliche Tätigkeit zu der eines Ingenieurs im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG
angesehen. Die Qualifikation und die Tätigkeit eines Diplom-Informatikers im Bereich der
Datenverarbeitung wird als ähnliche Qualifikation und Tätigkeit zu der eines Ingenieurs im
Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG angesehen, wenn sich die Kenntnisse und Fähigkeiten
und die Tätigkeiten auf den Bereich der Systemsoftwareentwicklung beziehen (BFH-Urteil
vom 7. Dezember 1989, IV R 115/87, BStBl. II 1990, 337, 338). Im Streitfall hat der Kl. zwar
auch keinen Fachhochschul- oder Hochschulabschluss als Diplom-Informatiker. Auch
reicht allein der Umstand, dass jemand im Bereich der System-Software-Entwicklung tätig
ist, nach der Rechtsprechung des BFH nicht aus, die Ähnlichkeit mit dem Beruf eines
Ingenieurs oder Informatikers zu begründen (BFH-Beschluss vom 8. November 2002, IV B
120/01, BFHNV 2003, 170). Vielmehr kann ein "Autodidakt", zu denen der Kl. zählt, den
Nachweis seiner Kenntnisse und Fähigkeiten, die die Ähnlichkeit begründen, durch eigene
praktische Arbeiten auf diesem Gebiet erbringen (BFH-Urteil vom
7. November 1991, IV R 17/90, BStBl. II 1993, 324, 325 f.). Im Zweifel ist hierfür ein
Sachverständiger einzuschalten, der diese Arbeiten begutachtet. Im Streitfall sieht der
Senat aber den Nachweis entsprechender Kenntnisse und Fähigkeiten auch ohne
Einschaltung eines Sachverständigen als erbracht an. Es steht fest, dass der Kl. sich
spätestens seit seinem Abschluss im Jahre 1972 als staatlich geprüfter Betriebswirt-EDV
auf diesem Bereich ständig fortgebildet hat. Anders ist zur Überzeugung des Senates nicht
erklärbar, dass er zunächst nicht nur im Bereich der Systemanalysen und Systemberatung
tätig war, sondern auch im Bereich der Systemprogrammierung bei Firmen, die
Betriebssysteme entwickeln. Nicht zuletzt wird das auch dadurch bestätigt, dass er im
Jahre 1991 für die Fa. J die Prüfung, Analyse und Weiterentwicklung von
Systemsoftwareprogrammen übertragen erhalten hat. Die Abwicklung eines derartigen
Auftrages in selbständiger, leitender Position erfordert zur Überzeugung des Senates
derartige Kenntnisse und Fähigkeiten. Der Senat geht daher davon aus, dass der Kl. trotz
fehlenden Fachhochschul-und Hochschulabschlusses bereits in den Streitjahren 1991 und
1992 über die Kenntnisse und Fähigkeiten eines Diplom-Informatikers verfügte, so dass er
insoweit einem Ingenieur im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gleichgestellt werden kann.
Dieser Umstand führt jedoch noch nicht dazu, die gesamten Einkünfte des Kl. als Einkünfte
aus § 18 EStG anzusehen. Vielmehr erfordert diese steuerliche Behandlung der Erträge,
dass auch die vom Kl. tatsächlich ausgeübte Tätigkeit insgesamt, zumindest aber in ihrem
überwiegenden Teil als ingenieurähnliche Tätigkeit anzusehen ist. Soweit Einzelaufträge
abgrenzbar sind, erfolgt die Beurteilung und Einordnung als ingenieurähnliche bzw.
nichtingenieurähnliche Tätigkeit für diese Einzelaufträge.
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Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH), der der Senat folgt, ist im
EDV-Bereich lediglich die Tätigkeit als Systemsoftwareentwickler als freiberufliche
Tätigkeit anzusehen. Zur Systemsoftwareentwicklung gehört insbesondere die Entwicklung
von Betriebssystemen und die Entwicklung von Hilfs- und Dienstprogrammen, Compiler
und Übersetzer oder Datenbanksystemen. Derartige Systeme werden in Pflichtenheften
fixiert und detailliert. Die Pflichtenhefte sind wiederum Grundlage dafür, beim Anwender die
Systeme zu installieren und auf der Grundlage der installierten Systeme
Anwenderprogramme zu entwickeln. Dagegen gehört die Entwicklung von
Anwendersoftware, entgegen der Auffassung des Kl., nicht zu einer ingenieurähnlichen
Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG (vgl. BFH-Urteile vom 7. Dezember 1989, IV
R 115/87, BFHE 159, 171, BStBl. II 1990, 337, vom 7. November 1991, IV R 17/90, BFHE
166, 443, BStBl. II 1993, 324, vom 24. August 1995, IV R 60-61/94, BFHE 178, 364, BStBl.
II 1995, 888 sowie BFH-Beschlüsse vom 21. Mai 1992, IV B 89/91, BFHNV 1993, 292, vom
8. September 1994, IV B 130/93, BFHNV 1995, 209, vom 14. Mai 1997, IV B 92/96, BFHNV
1997, 751 und vom 23. Januar 2001, IV B 68/00, BFHNV 2001, 893).
Der Auffassung einiger Finanzgerichte, auch die Entwicklung von Anwendersoftware als
freiberufliche Tätigkeit anzusehen, folgt der Senat nicht (vgl. insoweit z. B. Finanzgericht
Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Juli 2001, 2 K 187/99, EFG 2001, 1449, Finanzgericht
Köln, Urteil vom 11. Dezember 2002, 4 K 6906/94, EFG 2003, 536, Finanzgericht
Nürnberg, Urteil vom 6. November 2002, V 191/2000, DStRE 2003, 280, Finanzgericht
Hamburg, Urteil vom 13. September 2002, VI 170/00, EFG 2003, 230 und Finanzgericht
Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. Mai 2002, 4 K 1375/01, EFG 2002, 1046 - anderer Ansicht
für derartige Tätigkeiten bis in das Jahr 1994 hinein Finanzgericht Baden-Württemberg,
Urteil vom 19. Mai 1999, 12 K 410/95, Finanzrundschau 1999, 1373). Letztlich kommt es für
die Entscheidung des Streitfalles aber nicht auf die Frage an, ob ein
Anwendersoftwareentwickler einem Systemsoftwareentwickler gleichgesetzt werden kann,
denn der Anteil der Tätigkeit des Kl. auf dem Gebiet der Anwendersoftware ist nach
eigenen Angaben von untergeordneter Bedeutung. Auch lässt er sich bei den einzelnen
Aufträgen, soweit sie beide Tätigkeitsbereiche betreffen, nicht von der übrigen Tätigkeit des
Kl. abgrenzen. Aus diesem Grunde war auch dem Antrag der Beteiligten, das Verfahren
ruhen zu lassen, nicht zu folgen.
Da die Tätigkeit des Kl. im Bereich der Systemsoftware deutlich überwiegt und bestimmend
ist, entscheiden allein die dazu vom BFH aufgestellten Rechtsprechungsgrundsätze
darüber, ob diese Tätigkeit insgesamt oder – bei abgrenzbaren Aufträgen oder
Auftragsteilen – teilweise gewerblich oder ingenieurähnlich im Sinne des
§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist. Nach diesen Grundsätzen zählt aber nur die Entwicklung von
Systemsoftware zur ingenieurähnlichen Tätigkeit. Allein die Tätigkeit im Bereich der
Systemsoftware und damit insbesondere auch die Installation und Betreuung von
Systemsoftware reicht nicht aus, eine ingenieurähnliche, freiberufliche Tätigkeit
anzunehmen (BFH-Urteile vom 7. Dezember 1989, IV R 115/87, BStBl. II 1990, 337 und
vom 7. November 1991, IV R 17/90, BStBl. II 1993, 324, 326 sowie vom 24. August 1995, IV
R 60-61/94, BStBl. II 1995, 888). Die Einordnung der Tätigkeit als
Systemsoftwareentwicklung oder als EDV-Betreuer bzw. Anwendersoftwareentwickler hat
dabei anhand des jeweils konkreten Auftrages zu erfolgen. Überwiegt bei einem Auftrag
eine dieser Tätigkeiten, so ist die Gesamttätigkeit im Rahmen dieses Auftrages diesem
Bereich zuzuordnen (vgl. BFH-Urteil vom 7. November 1991, IV R 17/90, BStBl. II 1993,
324 und BFH-Beschluss vom 5. Mai 1999, IV B 35/98, BFH/NV 1999, 1328).
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Nach diesen Grundsätzen kann im Streitfall lediglich die Tätigkeit des Kl. für die J im Jahre
1991 als Systemsoftwareentwicklung angesehen werden. Die Tätigkeit bestand erkennbar
darin, eine bereits entwickelte Systemsoftware grundlegend weiter zu entwickeln, um diese
weiterentwickelte Systemsoftware interessierten Kunden in Konkurrenz zur Systemsoftware
der Fa. O anbieten zu können. Die weiteren Tätigkeiten des Kl. stellen demgegenüber
keine Systemsoftwareentwicklung im Sinne der genannten Rechtsprechungsgrundsätze
dar. Aufgrund der Tätigkeitsbeschreibungen durch den Kl. und insbesondere aufgrund
seiner Erläuterungen im Erörterungstermin vom 13.10.2003 steht fest, dass die
Haupttätigkeit des Kl. im Rahmen der weiteren Aufträge darin bestand, die von fremden
Herstellern entwickelte Systemsoftware - in der Regel Systemsoftware der Firmen O und J -
beim Kunden zu installieren und, soweit erforderlich, den dortigen Erfordernissen
anzupassen. Die Installation und Programmierung beim Kunden erfolgte aufgrund der von
den Herstellern der Systemsoftware vorgegebenen Anleitungen (Leistungsbe-
schreibungen und Spezifikationen in entsprechenden Pflichtenheften). Unerheblich ist,
dass der Kl. diese Systeme in Großrechneranlagen installierte, denn auch hierfür waren
nach seinen Angaben die entsprechenden Pflichtenhefte anzuwenden. Soweit einzelne
Programmteile verändert werden mussten, kann diese Tätigkeit lediglich als
untergeordnete Tätigkeit angesehen werden, die es nicht rechtfertigt, den gesamten Auftrag
als Systemsoftwareentwicklungsauftrag einzuordnen. Das gilt auch für Betreuungsarbeiten,
das Aufspüren und die teilweise auch selbständige Fehlerkorrekturen im Rahmen der
Systemsoftwarebetreuung und die Installation und Einrichtung von
Datenfernübertragungssytemen. Gleiches gilt auch für die bei einzelnen Kunden erfolgte
Umstellung von Systemen der Fa. O auf Systeme der Fa. J, denn auch hierfür war zuvor die
zur Anwendung und Umschreibung notwendige Entwicklungsarbeit von den
Herstellerfirmen geleistet worden. Unerheblich ist, dass der Kl. bei der Entwicklung der
dafür erforderlichen geänderten Systemsoftware im Rahmen eines Sonderauftrages für die
Fa. J tätig gewesen ist, denn die in diesem Rahmen durchgeführte
Systemsoftwareentwicklung war durch diesen gesonderten Auftrag abgeschlossen. Soweit
es um eine besondere Systemsoftwareentwicklung im Rahmen des Auftrages bei der Fa.
OXE geht, gibt der Kl. selbst an, dass diese Entwicklungstätigkeit von untergeordneter
Bedeutung ist. Sie kann daher nicht dazu führen, den Gesamtauftrag und die daraus
erzielten Einkünfte als freiberufliche Tätigkeit bzw. Einkünfte aus selbständiger Arbeit
anzusehen.
Dementsprechend ist allein der Gewerbesteuermessbetrag für das Jahr 1991 zu
vermindern. Der maßgebende Gewerbeertrag als Ausgangswert für die Berechnung des
Gewerbesteuermessbetrages für dieses Jahr vermindert sich von bisher 169.347,00 DM um
die Erträge aus dem Auftrag für die J in Höhe von 32.063,00 DM auf 137.234,00 DM. Unter
Berücksichtigung des Freibetrages von 36.000,00 DM verbleibt dabei zur Berechnung des
Messbetrages ein auf volle 100,00 DM abgerundeter Betrag in Höhe von 101.200,00 DM,
so dass der Gewerbesteuermessbetrag sich von bisher 6.665,00 DM auf 5.060,00 DM
vermindert. Im Übrigen ist aber die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages für 1991
und darüber hinaus die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages für das Jahr 1992
(6.040,00 DM) nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 136 Abs. 1 FGO. Die Vollstreckbarkeitserklärung
hinsichtlich der Kostenentscheidung folgt aus § 155 FGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 11 ZPO
und 711 ZPO.
Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für
das Vorverfahren ergibt sich aus § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, da der Senat der höchstrichterlichen Rechtsprechung
des BFH folgt. Die im Streitfall maßgebende Frage, was unter Systemsoftwareentwicklung
zu verstehen ist, ist durch die Rechtsprechung des BFH bereits geklärt.