Urteil des FG Münster vom 18.06.2008

FG Münster: herstellungskosten, treu und glauben, abschreibung, venire contra factum proprium, vermietung, umbau, verpachtung, allgemeiner rechtsgrundsatz, gebäude, einspruch

Finanzgericht Münster, 6 K 4466/07 E
Datum:
18.06.2008
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 4466/07 E
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
1
Streitig ist, ob der Klägerin (Kl.) und ihrem Ehemann im Rahmen der
Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 2006 ein Anspruch auf Absetzung für
Abnutzung (AfA) nach dem Fördergebietsgesetz (FöGbG) bei den Einkünften aus
Vermietung und Verpachtung i.S. des § 21 Einkommensteuergesetz (EStG) zusteht.
2
Die Kl. ist ehemalige Mitarbeiterin der Finanzverwaltung. Sie wird mit ihrem Ehemann
zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Eheleute sind hälftige Miteigentümer
des Mehrfamilienhauses "B Str. 21 in D". Der Ehemann der Kl. erwarb das 1904 erbaute
und denkmalgeschützte Objekt durch Schenkung von seiner Mutter im Jahr 1991
zunächst zu Alleineigentum. Im Jahr 2005 übertrug er 50% seines Eigentums auf die Kl.
Das Objekt dient seit Längerem der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und
Verpachtung. Im Zeitraum zwischen 1994 bis 1997 fanden grundlegende
Sanierungsarbeiten sowie ein Umbau von einem Haus mit drei zu einem Haus mit
sieben Wohneinheiten statt.
3
Bereits mit Abgabe der Einkommensteuererklärung 1994 am 07.11.1995 wiesen die Kl.
und ihr Ehemann den Beklagten (Bekl.) auf das in Gang gesetzte und geplante Umbau-
und Sanierungsvorhaben hin und erläuterten den groben Ablauf und die Finanzierung.
Die Baumaßnahmen sollten nach ihren Angaben voraussichtlich bis April/Mai 1996
abgeschlossen sein.
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In der Einkommensteuererklärung 1995 erklärten die Kl. und ihr Ehemann im
Zusammenhang mit dem Umbau und der Sanierung des Objekts Herstellungskosten
i.H. von 22.073,36 DM (Aufwendungen für Elektroinstallation). Diese Herstellungskosten
sollten nach dem Antrag der Kl. und ihres Ehemannes gemäß § 7 Abs. 4 EStG mit 2%
jährlich linear abgeschrieben werden. Im Einkommensteuerbescheid 1995 vom
26.09.1996 berücksichtigte der Bekl. insoweit antragsgemäß eine AfA i.H. von 441,- DM.
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In der Einkommensteuererklärung 1996 – Eingang beim Bekl. 30.09.1997 - gaben die
6
In der Einkommensteuererklärung 1996 – Eingang beim Bekl. 30.09.1997 - gaben die
Kl. und ihr Ehemann an, dass sechs der sieben neu gestalteten Wohneinheiten bereits
seit 1996 und eine Wohneinheit seit dem 01.03.1997 wieder vermietet worden seien
(vgl. Aufstellung Mieteinnahmen). In dem zur Anlage V gehörigen Formularfeld
"Fertiggestellt am" trugen die Kl. und ihr Ehemann "1996" ein. Ferner erklärten sie im
Zusammenhang mit dem Umbau und der Sanierung des Objekts weitere
Herstellungskosten i.H. von 494.267,12 DM. Als Werbungskosten bei den Einkünften
aus Vermietung und Verpachtung machten sie eine linerae AfA gemäß § 7 Abs. 4 EStG
i.H. von 10.327,- DM (2% von 516.340,- DM) sowie eine Sonderabschreibung gemäß §
4 Abs. 1 u. 2 FöGbG i.H. von 36.380,- DM geltend. Mit Bescheid vom 05.12.1997 setzte
der Bekl. die Einkommensteuer (ESt) 1996 zunächst auf 4.146,- DM fest. Dabei wurden
die geltend gemachten Abschreibungsbeträge antragsgemäß berücksichtigt. Gegen
diesen Bescheid legten die Kl. und ihr Ehemann am 05.01.1998 Einspruch ein und
beantragten den Abzug weiterer Sonderabschreibungen i.H. von 14.880,- DM. Der Bekl.
half dem Einspruch mit Bescheid vom 30.01.1998 ab und setzte die ESt 1996 auf 10,-
DM fest.
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Mit der Einkommensteuererklärung 1997 erklärten die Kl. und ihr Ehemann
"Nachträgliche Herstellungskosten" i.H. von 59.804,- DM (Elektroinstallation, Architekt
und Bauleitung, Trockenbauarbeiten, Restbeträge Fliesenarbeiten und Einbauküche).
Gleichzeitig machten sie als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und
Verpachtung eine linerae AfA gemäß § 7 Abs. 4 EStG i.H. von 11.523,- DM und eine
Sonderabschreibung nach § 4 Abs. 1 u. 2 FöGbG i.H. von 140.000,- DM geltend. Auch
hier enthielt das Formularfeld "Fertiggestellt am" der Anlage V zur
Einkommensteuererklärung den Eintrag "1996". Der Bekl. setzte die ESt 1997 mit
Bescheid vom 23.04.1998 auf 0,- DM fest. Das zu versteuernde Einkommen lag dabei
5.309,- DM unter dem seinerzeitigen Grundfreibetrag. Die erklärten AfA-Beträge wurden
antragsgemäß berücksichtigt.
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In der Einkommensteuererklärung 1998 machten die Kl. und ihr Ehemann weitere
Herstellungskosten i.H. von 57.554,- DM geltend. Auf Rückfrage des
Veranlagungsbezirks erklärten sie, dass es sich hierbei um bereits im Jahr 1996
entstandene, jedoch erst im Jahr 1998 bezahlte Aufwendungen gehandelt habe. Als
Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung beantragten die
Kl. und ihr Ehemann eine linerae AfA gemäß § 7 Abs. 4 EStG i.H. von 12.674,- DM
sowie eine Sonderabschreibung gemäß § 4 Abs. 1 u. 2 FöGbG i.H. von 130.898,- DM.
Der Bekl. setzte die ESt 1998 mit Bescheid vom 24.03.1999 auf 24.784,- DM fest. Dabei
berücksichtigte er die lineare AfA antragsgemäß sowie eine Sonderabschreibung i.H.
von 125.589,- DM. Gegen diesen Steuerbescheid legte die Kl. am 27.04.1999 Einspruch
ein. Bei der Festsetzung sei, wie erklärt, eine um 5.309,- DM höhere
Sonderabschreibung zu berücksichtigen. In dieser Höhe habe sich die
Sonderabschreibung im Rahmen der Veranlagung 1997 nicht ausgewirkt und der
Grundfreibetrag das zu versteuernde Einkommen überstiegen. Die nicht ausgeschöpfte
Sonderabschreibung könne nunmehr erneut geltend gemacht werden. Der Bekl. half
dem Einspruch der Kl. mit Bescheid vom 05.07.1999 ab und setzte die ESt 1998
antragsgemäß auf 23.708,- DM fest.
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In der Einkommensteuererklärung 1999 beantragten die Kl. und ihr Ehemann den
Abzug einer linearen AfA i.H. von 12.674,- DM als Werbungskosten bei den Einkünften
aus Vermietung und Verpachtung. Der Bekl. setzte die ESt 1999 mit Bescheid vom
13.07.2000 auf 0,- DM fest. Dabei berücksichtigte er eine Restwertabschreibung gemäß
§ 4 Abs. 3 FöGbG i.H. von 40.270,- DM. In den Erläuterungen zum Steuerbescheid
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führte er aus, dass die AfA für das Gebäude für die nächsten 7 Jahre 40.270,- DM
betrage. Bei Inanspruchnahme von AfA nach dem FöGbG sei das Gebäude innerhalb
von 10 Jahren abzuschreiben. Die Summe der verbliebenen negativen Einkünfte belief
sich im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung 1999 auf 19.684,- DM. Diesen Betrag
stellte der Bekl. mit Verlustfeststellungsbescheid vom 29.03.2001 als verbleibenden
Verlustvortrag zum 31.12.1999 fest.
Im Zuge der Einkommensteuerfestsetzungen der Jahre 2000 bis 2005 berücksichtigte
der Bekl. eine jährliche Restwertabschreibung i.S. des § 4 Abs. 3 FöGbG i.H. von
40.270,- DM (20.589,72 EUR). Die Veranlagungen führten jeweils zu einer positiven
Steuerfestsetzung. Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2000 wurde zudem
der zum 31.12.1999 festgestellte Verlustvortrag i.H. von 19.684,- DM angesetzt.
10
Mit ihrer Einkommensteuererklärung 2006 beantragten die Kl. und ihr Ehemann bei der
Ermittlung der Einkünfte aus der Vermietung des D Objekts nochmals eine
Restwertabschreibung i.S. des § 4 Abs. 3 FöGbG i.H. von 20.590,- EUR zum Abzug
zuzulassen. Der Bekl. kam dem nicht nach. Mit Bescheid vom 06.03.2007 setzte er die
ESt 2006 auf 9.691,- EUR fest. In den Erläuterungen zum Steuerbescheid führte er aus,
dass der Förderzeitraum für die Inanspruchnahme von AfA nach dem FöGbG mit Ablauf
des Jahres 2005 ausgelaufen sei.
11
Die Kl. und ihr Ehemann legten am 08.03.2007 Einspruch gegen den
Einkommensteuerbescheid 2006 ein und beantragten u.a. die Berücksichtigung der
erklärten AfA nach dem FöGbG. Zur Begründung führten sie zunächst an, dass die
Mitteilung des Bekl., die Restwertabschreibung sei im Jahr 2005 ausgelaufen, nicht mit
den Erläuterungen im Einkommensteuerbescheid 1999 übereinstimme. Dort sei der
Begünstigungszeitraum bis einschließlich 2006 ausgewiesen. Im weiteren Verlauf des
außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens trugen die Kl. und ihr Ehemann ferner vor,
dass die Ermittlung sowohl der linearen AfA als auch der Sonder- und
Restwertabschreibung nach dem FöGbG durch den Bekl. in der Vergangenheit nicht
entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen vorgenommen worden sei. Gemäß § 4
Abs. 1 FöGbG könnten Sonderabschreibungen im Jahr des Investitionsabschlusses und
in den folgenden vier Jahren in Anspruch genommen werden. Jahr des
Investitionsabschlusses sei in ihrem Fall das Kalenderjahr 1997, da in diesem Jahr
noch Investitionskosten i.H. von 59.804,- DM angefallen seien. Die wahlweise innerhalb
von 5 Jahren zulässigen Sonderabschreibungen i.H. von 50% der
Bemessungsgrundlage seien von ihr und ihrem Ehemann bis einschließlich 1998 in
Anspruch genommen worden. Der Restwert der Investitionen i.H. von 281.884,- DM
(144.125,- EUR) sei nach § 4 Abs. 3 FöGbG bis zum Ende des neunten Jahres nach der
Beendigung der Herstellungsarbeiten, mithin bis einschließlich zum
Veranlagungszeitraum 2006 in gleichen Jahresbeträgen (18.016,- EUR) abzusetzen.
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Der Bekl. wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 16.10.2007 als
unbegründet zurück. Dabei führte er aus: Nach den Angaben der Kl. und ihres
Ehemannes in der Einkommensteuererklärung 1996 seien die Baumaßnahmen an dem
D Objekt im Jahr 1996 abgeschlossen gewesen. Dies sei dem Bekl. zudem nochmals
im Rahmen einer Rückfrage zur Einkommensteuererklärung 1998 bestätigt worden.
Demnach beginne der zehnjährige Abschreibungszeitraum i.S. des FöGbG im Jahr
1996 und ende im Jahr 2005. Die Sonder- und die Restwertabschreibungen seien daher
zutreffend ermittelt worden. Der Vortrag, dass die Investitionen erst im Jahr 1997
abgeschlossen worden wären, sei neu und widerspreche den Angaben aus den
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Einkommensteuererklärungen 1996 bis 1998. Aber auch wenn der
Investitionsabschluss tatsächlich erst im Jahr 1997 erfolgt sei, dürfte für 2006 keine AfA
nach dem FöGbG mehr in Anspruch genommen werden. Denn die gesamten
Herstellungskosten i.H. von insgesamt 633.698,- DM seien bis zum Ende des Jahres
2005 vollständig – im Wege der linearen Afa sowie als AfA nach dem FöGbG -
abgeschrieben worden.
Die Kl. hat am 24.10.2007 die vorliegende Klage erhoben.
14
Zur Begründung ihrer Klage trägt sie zunächst vor, dass der Bekl. den Abschluss der
Investitionen und damit den Beginn des Förderzeitraums zu Unrecht im Jahr 1996
veranschlagt habe. Es sei zwar richtig, dass die Umbau- und Sanierungsarbeiten nach
den ursprünglichen Bauzeitplänen bis Mitte 1996 hätten abgeschlossen werden sollen.
Infolge diverser Verzögerungen habe sich diese Planung jedoch nicht realisieren
lassen. Durch den Widerstand einiger Mieter und die verzögerte Durchführung von
Arbeiten verschiedener Handwerker habe die letzte Wohnung erst im Jahr 1997
fertiggestellt und vermietet werden können (Beweis: schriftliche Abmahnungen an den
Maler K N vom 03.02. und 27.05.1997 - Bl. 24 u. 25 GA, Mietvertrag der Wohnung II. OG
rechts vom 07.02.1997 zum 01.03.1997 – Bl. 22 GA). Arbeiten im Treppenhaus,
Rückbaumaßnahmen im Keller, Restarbeiten in den bereits bezogenen Wohnungen
sowie die Fertigstellung der Wege zum Haus hätten sich sogar noch bis Ende 1997
hingezogen. Damit seien sowohl der Investitionsabschluss und der Beginn des
Förderzeitraums für die Abschreibung nach dem FöGbG als auch der Zeitpunkt der
Fertigstellung und der Beginn der linearen Abschreibung des Gebäudes nach § 7 Abs. 4
EStG erst im Jahr 1997 zu veranschlagen. Indiz dafür seien auch die in diesem Jahr
noch angefallenen Herstellungskosten i.H. von 59.804,- DM. Dass der Großteil der
Herstellungskosten bereits 1996 angefallen sei, sei in diesem Zusammenhang
unbeachtlich. Insofern lägen Teilherstellungskosten i.S. des § 4 Abs. 1 S. 5 FöGbG vor,
für die bereits eine Sonderabschreibung nach dem FöGbG, jedoch keine lineare
Abschreibung gemäß § 7 Abs. 4 EStG hätte in Anspruch genommen werden dürfen. Im
Ergebnis beginne der zehnjährige Begünstigungszeitraum im Jahr 1997 und ende damit
erst im Kalenderjahr 2006.
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Vor diesem Hintergrund sei die Absetzung für Abnutzung wie folgt vorzunehmen:
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(Teil-)Herstellungskosten 1996 516.340,- DM 516.340,- DM
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SonderAfA 50% für 1996-1998 - 258.170,- DM
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Verbleibende Herstellungskosten 1996 258.170,- DM
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Herstellungskosten 1997 59.804,- DM 59.804,- DM
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Summe 317.974,- DM
21
Lineare AfA 1997 (2% v. 576.144,- DM) - 9.602,- DM
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Summe 308.372,- DM
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Herstellungskosten 1998 (§ 11 EStG) 57.554,- DM 57.554,- DM
24
Summe 365.926,- DM 633.698,- DM
25
Lineare AfA 1998 (2% v. 633.698,- DM) - 12.673,- DM
26
Restwert 31.12.1998 353.253,- DM
27
Dieser Restwert sei in gleichen Jahresbeträgen auf die Veranlagungszeiträume 1999
bis 2006 zu verteilen (Restwertabschreibung: 44.156,62 DM = 22.576,66 EUR).
Demzufolge sei bei der Einkommensteuerveranlagung 2006 noch eine
Restwertabschreibung in entsprechender Höhe zu veranschlagen. Die bisherige
Behandlung des Vorgangs durch den Bekl. sei in diesem Zusammenhang unbeachtlich.
Dass die vergangenen Einkommensteuerveranlagungen bereits bestandskräftig und
dort teilweise überhöhte Abschreibungsbeträge berücksichtigt worden seien, spiele
keine Rolle. Bestandskraft erlangten nur die einzelnen Steuerfestsetzungen, nicht
jedoch die ihnen zugrunde liegenden Besteuerungsgrundlagen. Letztere seien für jeden
Veranlagungszeitraum nach Maßgabe der Steuergesetze neu zu ermitteln. Vor diesem
Hintergrund sei im Veranlagungszeitraum 2006 bei den Einkünften aus Vermietung und
Verpachtung für das Objekt in D noch eine RestwertAfA i.H. von 22.576,66 EUR
(44.156,62 DM) zu berücksichtigen. Hinsichtlich der weiteren Klagebegründung wird auf
die Schriftsätze der Kl. vom 24.10.2007, 10.12.2007, 27.01.2008 und 29.04.2008
verwiesen.
28
Die Kl. beantragt,
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den Einkommensteuerbescheid vom 06.03.2007 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 16.10.2007 zu ändern und bei den Einkünften
aus Vermietung und Verpachtung eine AfA i.H. von 22.576,66 anzusetzen.
30
Der Bekl. beantragt,
31
die Klage abzuweisen.
32
Er nimmt im Rahmen seiner Gegenäußerung zunächst auf die in der
Einspruchsentscheidung dargelegte Sach- und Rechtsauffassung Bezug. Ergänzend
und vertiefend führt er aus: Dem Vortrag der Kl. und den von ihr im Klageverfahren
vorgelegten Unterlagen sei nicht zu entnehmen, dass die Investitionen an dem D Objekt
erst im Jahre 1997 abgeschlossen gewesen sein. Die Fertigstellung des Gebäudes und
damit auch der Investitionsabschluss sei zur Überzeugung des Bekl. im Jahr 1996
anzunehmen, da das Objekt in diesem Zeitpunkt seiner bestimmungsgemäßen
Verwendung habe zugeführt werden könne, mithin bewohnbar gewesen sei. In dem von
der Kl. vorgelegten Schreiben an den Handwerker N werde nur die Beseitigung von
Mängeln sowie die Erledigung von Restarbeiten angemahnt. Damit sei zur Frage der
Nutzbarkeit des Gebäudes zu Wohnzwecken nichts gesagt. Die Mängel und
Restarbeiten beträfen im Übrigen das gesamte Gebäude und nicht ausschließlich die
angeblich erst im Jahr 1997 fertiggestellte Wohnung. Der vorgelegte Mietvertrag aus
dem Jahr 1997 weise nur nach, dass die betreffende Wohnung erst ab dem 01.03.1997
vermietet worden sei. Der Zeitpunkt der Fertigstellung sei damit nicht nachzuweisen.
Aber selbst wenn letztendlich nachgewiesen würde, dass der Investitionsabschluss erst
im Jahr 1997 vollzogen worden sei, käme es nicht zu einer Berücksichtigung von
zusätzlichem Abschreibungsvolumen, sondern allenfalls zu einer anderen Verteilung.
Die Einkommensteuerbescheide der Vorjahre seien dann gemäß § 174 Abs. 4
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Abgabenordnung (AO) zu Ungunsten der Kl. und ihres Ehemannes zu ändern.
Der Berichterstatter hat den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten am 24.04.2008
erörtert. Auf das Protokoll vom selben Tage wird hingewiesen.
34
Der erkennende Senat hat am 18.06.2008 mündlich in der Sache verhandelt. Auf die
Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
35
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die
beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Der Einkommensteuerbescheid des Jahres 2006 vom 06.03.2007 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 16.10.2007 ist rechtmäßig und verletzt die Kl. nicht in
ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO).
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1) Der Bekl. hat den Antrag der Kl. und ihres Ehemannes auf Gewährung einer weiteren
Restwertabschreibung bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des
Mehrfamilienhauses "B Str. 21 in D" für den Veranlagungszeitraum 2006 zu Recht
abgelehnt. Die im Zeitraum von 1995 bis 1998 für die Sanierung und den Umbau des
Objekts angefallenen Herstellungskosten sind bereits im Rahmen der
Einkommensteuerveranlagungen 1995 bis 2005 in voller Höhe abgeschrieben worden.
Im Jahr 2006 stand der Kl. und ihrem Ehemann aus der Umbau- und
Sanierungsmaßnahme damit kein Abschreibungsvolumen mehr zur Verfügung.
40
a) Gemäß § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7 EStG i.V. mit den einzelnen Vorschriften über die
Absetzung für Abnutzung und Substanzverringerung sind die Anschaffungs- oder
Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung durch den
Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen
Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, über diesen (zumeist typisierten) Zeitraum
verteilt als Werbungskosten abziehbar. Das gilt auch für Gebäude im Rahmen der
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Die Abschreibung
der Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Gebäudes ist durch § 7 Abs. 4 EStG
in Form der linearen AfA und durch § 7 Abs. 5 EStG in Gestalt der degressiven AfA
geregelt. Darüber hinaus sind besondere Vorschriften über die Inanspruchnahme
erhöhter Abschreibungen und/oder Sonderabschreibungen, wie etwa vorliegend das
Gesetz über Sonderabschreibungen und Abzugsbeträge im Fördergebiet (FöGbG) zu
beachten. Sonderabschreibungen werden zusätzlich zur linearen Normalabschreibung
i.S. des § 7 Abs. 4 EStG gewährt (§ 7a Abs. 4 EStG).
41
Das FöGbG sieht für begünstigte Investitionen (§ 1 Abs. 1 i.V. mit §§ 2 u. 3 FöGbG), die
im Fördergebiet durchgeführt werden (§ 1 Abs. 2 FöGbG), sowohl
Sonderabschreibungen (§ 4 Abs. 1 u. 2 FöGbG) als auch erhöhte
Restwertabschreibungen (§ 4 Abs. 3 FöGbG) vor. Zu den begünstigten Investitionen
zählen u.a. Modernisierungsmaßnahmen oder nachträgliche Herstellungsarbeiten an
Gebäuden als abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsgütern (§ 3 S. 1 FöGbG).
Bemessungsgrundlage für die Sonderabschreibungen sind in diesen Fällen die
Herstellungskosten, die für die nachträglichen Herstellungsarbeiten aufgewendet
42
worden sind (§ 4 Abs. 1 S. 1 FöGbG). Sonderabschreibungen können im Jahr des
Investitionsabschlusses und in den folgenden vier Jahren in Anspruch genommen
werden (§ 4 Abs. 1 S. 2 FöGbG). Investitionen sind in dem Zeitpunkt abgeschlossen, in
dem die nachträglichen Herstellungsarbeiten beendet sind (§ 4 Abs. 1 S. 3 FöGbG).
Ferner besteht die Möglichkeit, Sonderabschreibungen bereits auf
Teilherstellungskosten in Anspruch zu nehmen (§ 4 Abs. 1 S. 5 FöGbG). Die
Sonderabschreibungen betragen bei nach dem 31.12.1990 und vor dem 01.01.1997
abgeschlossenen Investitionen 50% der Bemessungsgrundlage (§ 4 Abs. 2 Nr. 1
FöGbG). Der nach Vornahme von Sonderabschreibungen sowie
Normalabschreibungen verbleibende Restwert ist von dem auf das Jahr der
Inanspruchnahme der insgesamt zulässigen Sonderabschreibungen folgenden Jahr an,
spätestens vom fünften auf das Jahr der Beendigung der Herstellungsarbeiten
folgenden Jahr an, bis zum Ende des neunten Jahres nach dem Jahr der Beendigung
der Herstellungsarbeiten in gleichen Jahresbeträgen abzusetzen (§ 4 Abs. 3 FöGbG).
b) Auf der Grundlage dieser Bestimmungen haben die Kl. und ihr Ehemann die
anlässlich des Umbaus und der Sanierung des D Objekts entstandenen
Herstellungskosten bis einschließlich zum Veranlagungszeitraum 2005 durch
Vornahme linearer AfA i.S. des § 7 Abs. 4 EStG und Inanspruchnahme von Sonder- und
Restwertabschreibungen nach dem FöGbG der Höhe nach insgesamt vollständig als
Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgesetzt.
43
Die von der Kl. und ihrem Ehemann in ihren Einkommensteuererklärungen 1995 bis
1998 als abschreibungsfähig ermittelten und erklärten Herstellungskosten betragen
insgesamt 633.698,- DM. Diese Herstellungskosten haben die Kl. und ihr Ehemann im
Zeitraum von 1995 bis 2005 antragsgemäß wie folgt abgeschrieben:
44
Zeitraum HK
AfA
EStG
SonderAfA
FöGbG
RestwertAfA
FöGbG
1995
22.073,00
DM
441,00 DM
1996
494.267,00
DM
10.327,00
DM
51.260,00 DM
1997
59.804,00
DM
11.523,00
DM
134.691,00 DM
1998
57.554,00
DM
12.674,00
DM
130.898,00 DM
1999
40.270,00 DM
2000
40.270,00 DM
2001
40.270,00 DM
2002
20.589,72 (
2003
20.589,72 (
2004
20.589,72 (
2005
20.589,72 (
Summen
34.965,00
316.849,00 DM
281.890,00 DM
45
DM
633.698,00 DM
633.704,00 DM
46
Die gesamten Herstellungskosten waren damit zum 31.12.2005 in vollem Umfang
abgeschrieben. Ein abzuschreibender Restwert existierte zu diesem Zeitpunkt nicht
mehr. Der Antrag der Kl., auch noch im Jahr 2006 eine Restwertabschreibung in
Anspruch zu nehmen, kann vor diesem Hintergrund keinen Erfolg haben.
47
c) Der erkennende Senat geht davon aus, dass Anschaffungs- oder Herstellungskosten
eines Wirtschaftsguts grundsätzlich nur insoweit abgeschrieben werden dürfen, als sie
auch tatsächlich angefallen sind. Sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines
Wirtschaftsgutes in der Vergangenheit vollständig abgeschrieben worden und ist das
zur Verfügung stehende Abschreibungsvolumen damit verbraucht, so kommt eine
weitergehende Inanspruchnahme von AfA – unabhängig nach welcher Methode (lineare
AfA, degressive AfA, Sonderabschreibung, erhöhte Abschreibung) - nicht mehr in
Betracht. Dieser Grundsatz ergibt sich schon aus den Formulierungen und der
Systematik der steuerlichen Vorschriften über die Absetzung für Abnutzung und
Substanzverringerung. So spricht etwa § 7 Abs. 1 EStG von einer gleichmäßigen
Verteilung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf die Gesamtdauer der
Verwendung oder Nutzung eines Wirtschaftsgutes. § 7 Abs. 4 EStG ordnet für Gebäude
ausdrücklich die Abschreibung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten in
bestimmten Prozentsätzen bis zu deren voller Absetzung an. Auch § 7 Abs. 5 EStG
spricht von einer Abschreibung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Ferner
zeigen die Regelung des § 7a Abs. 9 EStG sowie die dort verwandten Begriffe des
"Restwertes" und der "Restnutzungsdauer", dass ein Wirtschaftsgut nur bis zum
Verbrauch seiner Anschaffungs- oder Herstellungskosten abgeschrieben werden darf.
Gleiches ergibt sich auch aus den Vorschriften des FöGbG. In § 4 Abs. 1 und 2 FöGbG
heißt es zunächst, dass die Bemessungsgrundlage (d.h. die Anschaffungs- oder
Herstellungskosten) bis zu einem bestimmten Prozentsatz innerhalb eines bestimmten
Zeitraums nach Investitionsabschluss abzuschreiben ist § 4 Abs. 3 FöGbG ordnet im
Anschluss daran eine Abschreibung des Restwertes in gleichen Jahresbeträgen an.
Mehr als die ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten bzw. der
verbliebende Restwert kann nicht abgeschrieben werden.
48
Dass ein Steuerpflichtiger in keinem Fall höhere Beträge abschreiben kann, als er
selbst an Anschaffungs- oder Herstellungskosten geleistet hat, folgt darüber hinaus
auch aus dem Sinn und Zweck der steuerlichen Vorschriften über die Absetzung für
Abnutzung und Substanzverringerung. Die einzelnen AfA-Vorschriften dienen dazu, die
mit der Anschaffung oder Herstellung eines Wirtschaftsgutes anfallenden
Aufwendungen über einen bestimmten Zeitraum (nach dem voraussichtlichen
Wertverzehr als Maßstab) zu verteilen (sog. Aufwandsverteilungsthese, vgl. Kulosa in
Schmidt, EStG27, München 2008, § 7 EStG Rz. 2). Ihre Anwendung hat zur Folge, dass
der mit einer Einkunftsart zusammenhängende Aufwand, der sich grundsätzlich schon
im Zeitpunkt der Verausgabung im Rahmen des Betriebsausgaben- oder
Werbungskostenabzugs gewinn- oder überschussmindernd auswirkt (§ 11 Abs. 2
49
EStG), bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern über deren voraussichtlichen
Nutzungszeitraum verteilt wird. Verteilt werden kann jedoch nur derjenige Aufwand, der
auch tatsächlich angefallen ist und der den Steuerpflichtigen tatsächlich wirtschaftlich
belastet hat. Ist ein Wirtschaftsgut in der Vergangenheit bereits komplett abgeschrieben
und der mit seiner Anschaffung oder Herstellung einhergehende Aufwand damit
vollumfänglich steuermindernd berücksichtigt worden, kommt eine weitergehende
Abschreibung nicht mehr in Betracht, und zwar unabhängig davon, ob die bisherige
Abschreibung zutreffend oder fehlerhaft war. In gleichem Maße können sofort
abziehbare Aufwendungen auch nur einmal steuermindernd geltend gemacht werden.
Die Anwendung der lediglich auf Aufwandsverteilung angelegten AfA-Vorschriften darf
im Ergebnis nicht zu einer Aufwandsmehrung führen. Dies ergibt sich nicht zuletzt auch
aus dem Prinzip einer Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und
dem daraus abzuleitenden objektiven Nettoprinzip sowie aus dem Grundsatz der
wirtschaftlichen Betrachtungsweise (dazu jeweils Tipke/Lang, Steuerrecht17, Köln
2002, § 4 Rz. 81 ff. u. § 9 Rz. 54, § 5 Rz. 65 ff.).
d) Die von der Kl. in diesem Zusammenhang erhobenen Einwände sind nicht
durchgreifend. Die Kl. ist der Auffassung, dass die Abschreibung des D Objekts durch
den Bekl. in den Jahren 1995 bis 2005 fehlerhaft erfolgt sei. Die Umbau- und
Sanierungsmaßnahme sei – entgegen der Handhabung des Bekl. – nicht bereits 1996,
sondern erst im Jahr 1997 abgeschlossen gewesen. Infolgedessen müsste sich der
zehnjährige Abschreibungszeitraum nach dem FöGbG auf die Jahre 1997 bis 2006
erstrecken. Die im Jahr 1996 bereits in Anspruch genommene Sonderabschreibung sei
als eine Abschreibung von Teilherstellungskosten i.S. des § 4 Abs. 1 S. 5 FöGbG
trotzdem zutreffend gewesen. Allerdings hätte die lineare Gebäude-AfA i.S. des § 7 Abs.
4 EStG erst mit Beginn des Jahres 1997 (oder 1996 bei Teilfertigstellung des
Gebäudes) gewährt werden dürfen. Im Ergebnis ist die Kl. der Ansicht, dass ihr bei
dieser Sichtweise auch im Jahr 2006 noch eine Abschreibung gemäß § 4 Abs. 3 FöGbG
i.H. von 22.576,92 EUR (44.156,25 DM) auf den zum 31.12.1998 mit 353.253,- DM zu
beziffernden Restwert der ursprünglichen Herstellungskosten zustehe, zumal nur die
Steuerfestsetzungen, nicht jedoch die einzelnen Besteuerungsgrundlagen in
Bestandskraft erwüchsen. Dem vermag der erkennende Senat nicht zu folgen. Für den
Fall, dass der Abschluss der Investitionen an dem D Objekt tatsächlich erst im Jahr 1997
vollzogen war, so hätten die Kl. und ihr Ehemann in der Vergangenheit im Ergebnis
schlichtweg überhöhte Abschreibungen in Anspruch genommen. Die Korrektur einer
solchen Inanspruchnahme überhöhter Abschreibungen erfolgt jedoch weder durch eine
Änderung der früheren Steuerbescheide bis zur Fehlerquelle (jedenfalls nicht, wenn
diese bestandskräftig sind) noch durch eine erfolgswirksame Fehlerbeseitigung im
ersten noch offenen Veranlagungszeitraum und schon gar nicht durch einfachen
Übergang zur gesetzmäßigen Abschreibung, ohne dass die Inanspruchnahme der
bislang überhöhten AfA weitere Auswirkungen nach sich zöge. Nach der
Rechtsprechung ist bei der Inanspruchnahme überhöhter AfA im Bereich der
Gebäudeabschreibung gemäß § 7 Abs. 4 S. 1, Abs. 5 EStG vielmehr die Anwendung
der vorgeschriebenen AfA-Sätze auf die bisherige Bemessungsgrundlage bis zur vollen
Absetzung des Restbuchwertes geboten, so dass es im Ergebnis zu einer Verkürzung
des Förderzeitraums kommt (vgl. BFH, Urteil v. 04.05.1993, VIII R 14/90, BStBl. II 1993,
661). Im Bereich der Abschreibung nach dem Fördergebietsgesetz sind überhöhte
Abschreibungen ferner dadurch zu korrigieren, dass unter Beibehaltung der
Gesamtförderdauer von zehn Jahren die Restwertabschreibung nach § 4 Abs. 3 FöGbG
für die Zukunft anteilig vermindert wird (vgl. FG Münster, Urteil v. 08.12.2005, 8 K 802/03
E, EFG 2006, 903). Weder bei der linearen bzw. degressiven AfA nach dem EStG noch
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bei der Fördergebietsabschreibung hat die Inanspruchnahme überhöhter AfA jedoch zur
Folge, dass es zu einer Abschreibung des betroffenen Wirtschaftsgut über die
ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten bzw. den Restwert hinaus
kommt. Dies gilt erst Recht, soweit – wie vorliegend - die bisher fehlerhafte
Abschreibung erst moniert wird bzw. auffällt, nachdem die Anschaffungs- oder
Herstellungskosten eines Wirtschaftsgut bereits vollständig abgeschrieben worden sind
(zu den Rechtsfolgen überhöhter AfA s.a. Kulosa in Schmidt, EStG27, München 2008, §
7 EStG Rz. 6 ff., 11). Vor diesem Hintergrund brauchte das Gericht die Frage nach dem
tatsächlichen Zeitpunkt des Investitionsabschlusses und damit dem gesetzesmäßigen
Lauf des Abschreibungszeitraums nach dem FöGbG letztlich nicht zu entscheiden.
Denn selbst wenn sich (etwa im Rahmen einer Beweisaufnahme) ergeben sollte, dass
die Umbau- und Sanierungsmaßnahmen an dem Dresdner Objekt tatsächlich erst im
Jahre 1997 abgeschlossen waren, könnte die Kl. - aufgrund der bisherigen
Inanspruchnahme überhöhter AfA – mit der skizzierten Rechtsprechung allenfalls
erreichen, dass im Veranlagungszeitraum 2006 (letztes Jahr eines zehnjährigen
Fördergebietsabschreibungszeitraums bei Investitionsabschluss im Jahr 1997) noch der
Restwert der ursprünglichen Herstellungskosten abgeschrieben wird. Dieser beläuft
sich jedoch zum 31.12.2005 auf 0,- DM/EUR, so dass einem dahingehenden Antrag der
Kl. das Rechtschutzbedürfnis fehlte.
e) Schließlich kommt auch keine Nachholung unterlassener AfA zugunsten der Kl. und
ihres Ehemannes in Betracht, denn sowohl die Abschreibungen i.S. des § 7 Abs. 4
EStG als auch die Fördergebietsabschreibungen haben sich in der Vergangenheit
jeweils durchgehend steuerlich ausgewirkt. Die Veranlagungen 1995 bis 2005 führten
überwiegend zu positiven Steuerfestsetzungen. Lediglich in den Jahren 1997 und 1999
kam es zu einer Unterschreitung des Grundfreibetrages (1997 um 5.309,- DM) bzw. zur
Festsetzung negativer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (1999 auf 19.684,-
DM). Die insofern nicht ausgeschöpfte Gebäudeabschreibung hat sich dann jedoch im
jeweiligen Folgejahr steuermindernd ausgewirkt (1998 durch Nachholung sowie 2000
durch Berücksichtigung eines entsprechenden Verlustvortrages).
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2) Dem Antrag der Kl., den Investitionsabschluss i.S. des § 4 Abs. 1 S. 3 FöGbG erst im
Jahr 1997 zu verorten und aufgrund dessen auch noch im Veranlagungszeitraum 2006
eine weitere Restwertabschreibung zu berücksichtigen, steht nach Ansicht des Gerichts
auch der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen.
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Der Grundsatz von Treu und Glauben gilt als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch im
Steuerrecht und wendet sich an die Beteiligten eines konkreten
Steuerrechtsverhältnisses. Er verlangt jeweils die angemessene Rücksichtnahme auf
die berechtigten Interessen des anderen Beteiligten. Der Grundsatz von Treu und
Glauben ist insbesondere verletzt, wenn sich ein Beteiligter mit seinem eigenen
früheren Verhalten, auf das der andere Beteiligte vertraut hat, in Widerspruch setzt. Der
Vertrauenstatbestand besteht in einem bestimmten Verhalten des einen Teils, aufgrund
dessen der andere Teil bei objektiver Beurteilung annehmen kann, jener werde an
seinem Verhalten festhalten. Sowohl die Finanzbehörden als auch die Steuerpflichtigen
sind zu konsequentem Verhalten verpflichtet. Das Verbot des "venire contra factum
proprium" gilt auch im Steuerrecht (vgl. Kruse/Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 4 AO
Tz. 125 ff. m.w.N.).
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Einen entsprechenden Vertrauenstatbestand haben die Kl. und ihr Ehemann gegenüber
dem Bekl. gesetzt, indem sie in der Vergangenheit selbst mehrfach angaben, der
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Umbau und die Sanierung des D Objekts sei bereits im Jahr 1996 abgeschlossen
gewesen. So haben sie etwa im Zuge ihrer Einkommensteuererklärung 1994 auf einen
voraussichtlichen Abschluss des Bauvorhabens in 1996 hingewiesen. Im Rahmen der
Einkommensteuererklärungen 1996 und 1997 haben sie in der Anlage V ausdrücklich
das Jahr 1996 als Fertigstellungszeitpunkt bezeichnet. Den im Jahr 1996 angefallenen
Großteil der Aufwendungen für die Umbau- und Sanierungsmaßnahme haben sie als
"Herstellungskosten" tituliert. Einen Hinweis darauf, dass es sich dabei lediglich – wie
nunmehr behauptet – um Teilherstellungskosten und bei der geltend gemachten
Sonderabschreibung um eine solche i.S. des § 4 Abs. 1 S. 5 FöGbG gehandelt haben
soll, enthalten weder die Steuererklärungsformulare noch die dazu erstellten Anlagen. In
der Einkommensteuererklärung 1997 haben die Kl. und ihr Ehemann die geltend
gemachten Herstellungskosten ausdrücklich als "nachträgliche Herstellungskosten"
deklariert. Auf eine Nachfrage des Veranlagungsbezirks im Jahr 1998 haben sie ferner
mitgeteilt, dass sämtlicher Herstellungsaufwand bereits im Jahr 1996 entstanden, ein
Teil davon jedoch erst später entrichtet worden sei (ansonsten wäre für die nach dem
01.01.1997 entstandenen Herstellungskosten nur eine 40%tige Sonderabschreibung
zulässig gewesen, vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 2 FöGbG). Darüber hinaus haben die Kl. und ihr
Ehemann mit der Geltendmachung der linearen AfA i.S. des § 7 Abs. 4 EStG zu
erkennen gegeben, dass der Umbau bereits 1996 fertiggestellt war.
Mit Blick auf diese eigenen Angaben der Kl. und ihres Ehemannes ist der Bekl.
zutreffend davon ausgegangen, dass der zehnjährige Abschreibungszeitraum nach dem
FöGbG vorliegend die Jahre 1996 bis 2005 umfasst. Bis zum Jahr 1998 hat der Bekl.
sowohl die Sonderabschreibung nach § 4 Abs. 1 u. 2 FöGbG als auch die lineare
Abschreibung i.S. des § 7 Abs. 4 EStG auf der Grundlage der von der Kl. und ihrem
Ehemann eingereichten Einkommensteuererklärungen, mithin antragsgemäß
vorgenommen. Nachdem das Sonderabschreibungsvolumen von 50% der
Herstellungskosten ausgeschöpft war, hat der Bekl. die gesetzlich vorgeschriebene
Restwertabschreibung gemäß § 4 Abs. 3 FöGbG folgerichtig von 1999 bis 2005
durchgeführt. Einwendungen dagegen haben die Kl. und ihr Ehemann nicht erhoben.
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Vor diesem Hintergrund stellt sich das jetzige Verhalten der Kl. als treuwidrig dar. Die
Kl. hat erstmals im Rahmen des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens zur
Einkommensteuerveranlagung 2006 behauptet, dass der Abschluss der Investitionen an
dem D Objekt tatsächlich im Jahr 1997 vollzogen worden sei. Sie hat damit nicht nur
ihren bisherigen Angaben zum Investitionsabschluss aus der Vergangenheit
widersprochen, sondern diese Behauptung auch erst aufgestellt, nachdem die
steuerliche Förderung i.S. des FöGbG zu ihren Gunsten bereits abgeschlossen war. Der
zehnjährige Begünstigungszeitraum nach dem FöGbG, den der Bekl. zunächst auf der
Grundlage der bisherigen Angaben der Kl. und ihres Ehemannes zum
Investitionsabschluss bis einschließlich des Jahres 2005 ermittelt hatte, war zu diesem
Zeitpunkt bereits abgelaufen. Ferner hatten die Kl. und ihr Ehemann zu diesem
Zeitpunkt bereits das volle Abschreibungsvolumen und die höchstmögliche steuerlichen
Förderung i.S. des § 4 Abs. 2 FöGbG in Anspruch genommen. Nunmehr und im
Gegensatz zu den bisherigen Angaben eine spätere Fertigstellung bzw. einen späteren
Investitionsabschluss zu behaupten und eine Restwertabschreibung bis in das Jahr
2006 zu beantragen, erachtet der erkennende Senat als widersprüchlich und gegenüber
dem Bekl. treuwidrig.
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3) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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4) Gründe für eine Zulassung der Revision waren nicht ersichtlich (§ 115 Abs. 2 FGO).
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