Urteil des FG Münster vom 16.03.2003

FG Münster (Anzahlung, Anschaffungskosten, Vorauszahlung, Gestaltung, Kaufvertrag, Stadt, Realisierung, Verfügung, Grundstück, Genehmigung)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Münster, 11 K 2612/01 F
16.03.2003
Finanzgericht Münster
11. Senat
Urteil
11 K 2612/01 F
Der Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen 1994 vom 6. Dezember 1999 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 10. April 2001 wird dergestalt geändert,
dass Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung 1994 in Höhe von .I.
001 DM festgestellt werden.
Die Kosten des Rechtsstreites fallen dem Beklagten zur Last.
Die Revision wird zugelassen.
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Sonderabschreibung für Anzahlungen auf
Anschaffungskosten gemäß § 4 Abs. 2 FördG.
Mit notariellem Vertrag vom 27. Oktober 1994 (UR Nr. 000H/1994 des Notars Dr. I. mit dem
Amtssitz in Münster), ergänzt durch Änderungsvereinbarungen vom 2. November und 29.
Dezember 1994 (UR Nr. 001 H/1994, 002 und 003 L/1994, 004 H/1995 und 005 H/1996
des Notars Dr. I. mit dem Amtssitz in N.) erwarb der Kläger zusammen mit seiner - am 7.
September 1998 verstorbenen - Mutter F. T. zu je 1/2 ein Grundstück in X. (Sachsen-
Anhalt). Der Kläger und seine Mutter genehmigten die zunächst durch einen
vollmachtlosen Vertreter abgegebenen Erklärungen am 2. bzw. 4. November 1994 (UR Nr.
006/H1994 des Notars Dr. I. mit dem Amtssitz in N.; UR Nr. 007/94 des Notars Dr. L. mit
dem Amtssitz in M.). Eine Genehmigung des Vertrages nach der GVO war nicht
erforderlich.
Auf diesem Grundstück sollte ein Alten- und Pflegeheim errichtet werden, wobei der
Grundstücksverkäufer die schlüsselfertige Errichtung des Bauvorhabens schuldete. Der
Kaufpreis betrug 002 DM und war am 1. November 1994 zur Zahlung fällig, Zug um Zug
gegen Gestellung einer unbefristeten, unbedingten, selbstschuldnerischen, unter Verzicht
auf die Einrede der Anfechtbarkeit und Aufrechenbarkeit erteilten Bankbürgschaft. Das
Objekt sollte spätestens am 30. Juni 1996 übergeben werden. Wegen der weiteren
Einzelheiten wird auf den notariellen Kaufvertrag vom 27. Oktober 1994 nebst
Ergänzungsurkunden Bezug genommen.
Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses war der Grundstücksverkäufer noch nicht Eigentümer
des Grundstückes. Verfügungsberechtigte war die Stadt X., mit der der
Grundstücksverkäufer einen entsprechenden Kaufvertrag gemäß § 18
Investitionsvorranggesetz noch nicht abgeschlossen hatte. Hierzu kam es erst am 21.
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Dezember 1994 (UR Nr. 008H/1994 des Notars Dr. I. mit dem Amtssitz in N.).
Bereits im September 1993 hatte der Veräußerer - über die Stadt X. - einen Antrag auf
Erteilung eines Bauvorbescheides für den Neubau eines Altenpflegeheimes und von
altengerechten Wohnungen gestellt. Diesem Vorhaben hatte die Stadt X. mit Beschluss
vom 6. Dezember 1993 zugestimmt.
Im Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses mit dem Kläger waren die Baugenehmigungen für
das Objekt noch nicht erteilt. Der Bauantrag für das Objekt wurde am 26. Oktober 1994
gestellt. Der Veräußerer stand weiterhin in konkreten Verhandlungen mit dem
Generalunternehmer. Der Abschluss des GU-Vertrages war noch für das Jahr 1994
angestrebt. Auch hatte der Veräußerer weitere Planungsleistungen für das Projekt bereits
beauftragt.
Außerdem bestanden bereits Pachtverträge mit dem AWO Kreisverband X. e.V., die von
den Erwerbern zu übernehmen waren.
Der Kläger und seine Mutter entrichteten den Kaufpreis am 30. Dezember 1994. Mit
Wirkung zum 31. Mai 1995 ist der Anteil der Frau F. T. im Wege der vorweggenommenen
Erbfolge auf den Kläger übergegangen.
Am 20. März 1995 begannen die Abbruch-, Erd- und Rodungsarbeiten. Die
Baugenehmigungen wurden am 25. April, 15. und 30. Mai 1995 erteilt. Das Grundstück
wurde am 12. Dezember 1995 zu Gunsten des Grundstücksverkäufers aufgelassen. Die
Eintragung des Verkäufers als Eigentümer folgte am 15. Mai 1996. Die
Auflassungsvormerkung zu Gunsten des Klägers und seiner Mutter wurde am 17. Juli 1996
eingetragen, der Besitz ging am 1. September 1996 über.
Mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Bescheid zur gesonderten und
einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 1994 vom 30. Oktober
1995 berücksichtigte der Beklagte zunächst - erklärungsgemäß - eine Sonderabschreibung
gemäß § 4 Abs. 2 FördG in Höhe von 003 DM (ausgehend von einer
Bemessungsgrundlage in Höhe von 004 DM, davon 50%).
Im Anschluss an eine im Jahre 1998 durchgeführte Außenprüfung (Bericht vom 1. Juni
1999) ermittelte der Beklagte eine - zwischen den Beteiligten unstreitige - Afa-
Bemessungsgrundlage in Höhe von 005 DM. Außerdem kürzte er die Sonderabschreibung
für das Streitjahr unter Hinweis auf das BMF-Schreiben vom 29. März 1993 (BStBl. I 1993,
279) auf 006 DM (Bescheid zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen 1994 vom 6. Dezember 1999) und stellte einen Verlust in Höhe
von 007 DM fest. Die Sonderabschreibung auf Anzahlungen könne nur insoweit
berücksichtigt werden, als der geplante Herstellungsaufwand im Jahr der Anzahlung und
im Folgejahr anfalle. Im Streitfall sei daher für das Streitjahr die Abschreibung in Höhe von
50% lediglich auf 70% der Bemessungsgrundlage (geplanter Fertigstellungsgrad zum
31.12.1995) zu gewähren. Mit einem sog. Richtigstellungsbescheid vom 4. April 2000
stellte der Beklagte klar, dass Feststellungsbeteiligter zu 2) der Kläger als
Gesamtrechtsnachfolger nach Frau F. T. ist.
Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 10.
April 2001).
Seine Klage begründet der Kläger im Wesentlichen damit, dass gemäß § 4 Abs. 2 FördG
Anzahlungen auf Anschaffungskosten zu 100% begünstigt seien. Eine Befristung,
innerhalb derer die Baumaßnahme abgeschlossen sein müsse, kenne das Gesetz nicht.
Der Erlass des BMF beschränke ein insoweit eindeutiges Gesetz gegen das klare Ziel der
gesetzlichen Regelung. Auch sei § 3 Abs. 2 MaBV kein geeigneter Maßstab für die
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Entscheidung, ob Anzahlungen auf Anschaffungskosten als willkürlich anzusehen seien,
da der wirtschaftliche Vorteil aus der Anzahlung unberücksichtigt bleibe. Das BMF-
Schreiben sei verfassungswidrig, da es eine ungleiche Besteuerung gleicher Sachverhalte
zur Folge habe und damit weder die Gleichmäßigkeit der Besteuerung noch der
gleichmäßige Normenvollzug gewährleistet sei.
Außerdem sei die Anzahlung nicht willkürlich im Sinne des § 42 AO gewesen. Denn durch
die Vorauszahlung habe eine Minderung des Kaufpreises sowie die Senkung weiterer
Kosten (Courtage etc) erreicht werden können. Der wirtschaftliche Vorteil habe netto etwa
2,3 Mio. DM betragen (Berechnung siehe Schriftsatz vom 12. Juni 2001). Die Stadt X. habe
ein großes eigenes Interesse an der Realisierung des Projektes gehabt, dem sie letztlich
im Rahmen der Bauvoranfrage bereits im Dezember 1993 zugestimmt habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen 1994 vom 6. Dezember 1999 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 10. April 2001 aufzuheben und die Einkünfte aus Vermietung
und Verpachtung 1994 mit .I. 001 DM festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist unter Hinweis auf die Darlegungen der Einspruchsentscheidung der Auffassung,
dass die Anzahlung willkürlich und damit als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten
des Rechts im Sinne von § 42 AO anzusehen sei. Gemäß dem BMF-Schreiben vom 29.
März 1993 und der Verfügung der OFD Münster vom 1. Oktober 1998 (S 1988 - 100 - St 12
- 31) gelte eine Vorauszahlung dann nicht als willkürlich, wenn das Wirtschaftsgut
spätestens im folgenden Jahr geliefert werde. Sei dies nicht der Fall, seien Anzahlungen
gleichwohl insoweit nicht willkürlich, als diese nicht die Zahlungen überschreiten, die nach
§ 3 Abs. 2 MaBV im laufenden oder im folgenden Jahr voraussichtlich zu leisten wären.
Demgegenüber sei die Vorauszahlung des vollen Kaufpreises durch den Kläger willkürlich.
Entgegen der Ansicht des Klägers ergebe sich hieraus auch kein Verstoß gegen das Gebot
der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Fraglich sei zudem, ob der vom Kläger dargestellte
Vorteil aus der Vorauszahlung tatsächlich eingetreten sei.
Die Beteiligten haben im Rahmen des durchgeführten Erörterungstermins auf die
Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 FGO).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die zwischen den Beteiligten
gewechselten Schriftsätze, das Protokoll des Erörterungstermins sowie die Steuerakten
Bezug genommen.
II.
Die zulässige Klage ist begründet. Dem Kläger steht die begehrte Sonderabschreibung in
voller Höhe zu.
1. Gemäß § 4 Abs. 1 Fördergebietsgesetz (FördG) kann der Anspruchsberechtigte (§ 1
FördG) für begünstigte Investitionen im Fördergebiet (§§ 2, 3 FördG) - unter anderem -
Sonderabschreibungen in Höhe von bis zu 50% der Anschaffungs- oder
Herstellungskosten vornehmen. Diese Sonderabschreibungen können nach § 4 Abs. 2
FördG bereits für Anzahlungen auf Anschaffungskosten und für Teilherstellungskosten in
Anspruch genommen werden. Dies gilt auch im Streitfall.
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a. Neben den - unstreitigen - Voraussetzungen der §§ 1 bis 3 FördG liegen auch die
Voraussetzungen des § 4 FördG, insbesondere des § 4 Abs. 2 FördG vor. Bei dem vom
Kläger und seiner Mutter am 30. Dezember 1994 (voraus)gezahlten Betrag handelt es sich
um eine Anzahlung auf Anschaffungskosten im Sinne dieser Regelung.
Anzahlungen auf Anschaffungskosten im Sinne des § 4 Abs. 2 FördG, § 7 a
Einkommensteuergesetz (EStG) sind Vorleistungen auf ein zu einem späteren Zeitpunkt
noch zu vollziehendes Anschaffungsgeschäft (vgl. BFH-Urteile vom 4. März 1983 III R
20/82, BFHE 138, 286, BStBl II 1983, 509; vom 21. November 1980 III R 19/79, BFHE 132,
175, BStBl II 1981, 179, je zu § 4b des Investitionszulagengesetzes -InvZulG-; vom 28. Juni
2002 IX R 51/01, BStBl. II 2002, 758 zu § 4 FördG). Mithin muss die Leistung des
Erwerbers in Erfüllung des Anschaffungsgeschäftes erbracht werden. Diese Voraussetzung
ist nur gegeben, wenn die Vorleistung unmittelbar der Tilgung der Kaufpreisschuld dient.
Das wiederum setzt einerseits voraus, dass die Zahlung dem Leistungsempfänger zur
freien Verfügung zufließt. Zahlungen des Erwerbers, die nur bei Gelegenheit des
Anschaffungsgeschäftes erfolgen, durch die aber keine Kaufpreistilgung eintritt bzw.
eintreten soll, stellen hingegen keine Anzahlungen im Sinne des § 4 Abs. 2 FördG, § 7 a
EStG dar ( vgl. BFH-Urteil vom 4. März 1983 III R 20/82, BStBl. II 1983, 509; FG Hamburg,
Urteil vom 12. Oktober 2000, EFG 2001, 382 rkr). Zum anderen muss die
Kaufpreisverpflichtung wirksam begründet worden sein (vgl. BFH-Urteil vom 4. März 1983
III R 20/82, BStBl. II 1983, 509, Breuninger/Prinz FR 1993, 350, 351).
Der Kläger und seine Mutter haben mit der Überweisung des Kaufpreises am 30.
Dezember 1994 die im Rahmen des Kaufvertrages wirksam übernommene
Zahlungsverpflichtung (§ 3 des Vertrages) erfüllt.
Aus Sicht des Senates bestehen hinsichtlich der Wirksamkeit der Zahlungsverpflichtung
keine Bedenken. Weder die Tatsache, dass der Verkäufer (noch) nicht Eigentümer des
Grundstückes war, noch der Umstand, dass die erforderlichen Baugenehmigungen (noch)
nicht erteilt waren, führen zur Unwirksamkeit der vertraglichen Verpflichtung.
Der Wirksamkeit der Kaufpreiszahlungspflicht stehen auch die Regelungen der Makler-
und Bauträgerverordnung (MaBV) nicht entgegen. Denn gemäß § 7 Abs. 1 MaBV darf
abweichend von der Regelung des § 3 Abs. 2 MaBV - und damit abweichend von einer
Zahlung in Abhängigkeit vom Baufortschritt - auch die Vorauszahlung des Kaufpreises
durch den Erwerber vereinbart werden, wenn für alle etwaigen Ansprüche des
Auftraggebers auf Rückgewähr oder Auszahlung seiner Vermögenswerte Sicherheit
geleistet wird. Dies ist im Streitfall durch die Gestellung einer entsprechenden
Bankbürgschaft geschehen.
Auch war der Kaufvertrag nicht etwa wegen Fehlens der Genehmigung nach der
Grundstücksverkehrsordnung (GVO) (schwebend) unwirksam (vgl. Palandt-Heinrichs BGB
Kommentar, § 275 Rn 27), denn eine solche Genehmigung war im Streitfall nicht
erforderlich.
Soweit bei Abschluss des Vertrages auf Seiten der Erwerber ein vollmachtloser Vertreter
gehandelt hat, war das Rechtsgeschäft zwar zunächst (schwebend) unwirksam (§ 177, §
184 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB). Mit der Genehmigung durch die Erwerber am 2. bzw.
4. November 1994 ist der Kaufvertrag jedoch noch vor der Zahlung des Kaufpreises durch
die Erwerber wirksam geworden.
Schließlich ist der am 30. Dezember 1994 an den Veräußerer überwiesene Betrag diesem
zur freien Verfügung zugeflossen. Dem steht die im Gegenzug gewährte Bürgschaft nicht
entgegen, auch nicht, wenn der gezahlte Kaufpreis zur Bereitstellung derselben verwendet
worden ist (so auch FG Hamburg, Urteil vom 12. Oktober 2000, EFG 2001, 382 rkr).
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b. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist weder § 4 Abs. 2 FördG noch § 7a EStG
dahingehend - einschränkend - auszulegen, dass eine Anzahlung nur dann vorliegt, wenn
diese nach dem Stand der Baumaßnahmen bemessen ist.
Anzahlungen auf Anschaffungskosten im Sinne des § 4 Abs. 2 FördG sind - wie dargelegt -
Vorleistungen auf ein zu einem späteren Zeitpunkt noch zu vollziehendes
Anschaffungsgeschäft (vgl. BFH-Urteile vom 4. März 1983 III R 20/82, BFHE 138, 286,
BStBl II 1983, 509; vom 21. November 1980 III R 19/79, BFHE 132, 175, BStBl II 1981, 179,
je zu § 4b des Investitionszulagengesetzes -InvZulG-; vom 28. Juni 2002 IX R 51/01, BStBl.
II 2002, 758 zu § 4 FördG). Eine Einschränkung dahingehend, dass Anzahlungen nur
vorliegen, wenn diese sich am Fertigstellungsgrad der Baumaßnahme orientieren, ergibt
sich weder aus dem Wortlaut der Norm, der keinen solchen Bezug herstellt, noch aus dem
Begriff der Anzahlung selbst (so auch FG Hamburg, Urteil vom 12. Oktober 2000, EFG
2001, 382 rkr). Er ist insbesondere auch nicht einschränkend dahingehend zu verstehen,
dass eine Anzahlung begrifflich stets nur eine Teilvorauszahlung darstellen kann (offen
gelassen in FG Hamburg, Urteil vom 12. Oktober 2000, EFG 2001, 382 rkr). Nach
Auffassung des Senates kann auch die vollständige Vorauszahlung des Kaufpreises als
Anzahlung verstanden werden (so wohl i.E. auch BFH-Urteil vom 28. Juni 2002 IX R 51/01,
BStBl. II 2002, 758; Stuhrmann in Blümich, FördG, § 4 Rn 8a). Denn für die Qualifizierung
als Anzahlung kann es keinen Unterschied machen, ob ein - mehr oder minder geringer -
Teil der Kaufpreisforderung offen bleibt oder nicht. Maßgebend ist vielmehr, dass die
Zahlung eine Vorausleistung auf ein noch zu vollziehendes Anschaffungsgeschäft darstellt.
Ihre Höhe ist dabei für die Qualifizierung als Anzahlung ohne Belang.
Diese Auslegung des Begriffes der Anzahlung entspricht auch dem Sinn und Zweck des
FördG. Durch das FördG soll ein Anreiz gegeben werden, die dringend erforderlichen
Neubauten sowie Maßnahmen zum Ausbau, zur Erweiterung und zur Modernisierung von
Gebäuden im Fördergebiet unverzüglich vorzunehmen (BTDrucks 12/562, S. 72). Im
Gesetzgebungsverfahren wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass angesichts des
desolaten Zustandes des Wohnungsbestandes alle Anstrengungen zu unternehmen seien,
einen umfassenden Instandsetzungs- und Modernisierungsprozess sowie eine
umfassende Neubautätigkeit in den neuen Bundesländern und in Berlin in Gang zu setzen
(BTDrucks 12/562, S. 61, vgl. auch BFH-Urteil vom 14. September 1999 IX R 35/97, BStBl.
II 2000, 478). Dieses Ziel wollte der Gesetzgeber nicht nur durch die Gewährung von
Sonderabschreibungsmöglichkeiten auf Anschaffungs- und Herstellungskosten
verwirklichen. Vielmehr sollte - wie § 4 Abs. 2 FördG unmissverständlich zum Ausdruck
bringt - der Investor auch bereits für Anzahlungen auf Anschaffungskosten
Sonderabschreibungen geltend machen können, was nur so verstanden werden kann,
dass die Abschreibungsmöglichkeit unabhängig vom konkreten Baufortschritt gewährt
werden sollte. Mit anderen Worten, der Investor sollte in den frühzeitigen Genuss der
Sonderabschreibung kommen können (vgl. zu § 19 Abs. 3 BerlinFG BFH-Urteil vom 2. Juni
1978 III R 48/77, BStBl. II 1978, 475) und zwar konkret in dem Zeitpunkt, in dem er -
aufgrund einer wirksamen vertraglichen Verpflichtung - Anzahlungen leistet, d.h. der
Geldabfluss erfolgt. Mithin steht der Sinn und Zweck der Regelung des § 4 Abs. 2 FördG
einer an den Baufortschritt anknüpfenden, einschränkenden Auslegung entgegen.
Eine einschränkende Auslegung der Norm kann - entgegen der Ansicht des Beklagten -
auch nicht aus § 3 Abs. 2 MaBV abgeleitet werden. Zum einen fehlt es an einer
Verweisung des § 4 Abs. 2 FördG auf die Bestimmungen der MaBV. Zum anderen erachtet
die MaBV selbst eine vom Baufortschritt unabhängige Zahlungsweise - nach Maßgabe des
§ 7 Abs. 1 MaBV - für grundsätzlich zulässig. Bewegt sich eine Zahlungsvereinbarung
innerhalb des durch die MaBV - oder sonstige gesetzliche Bestimmungen - vorgegebenen
rechtlichen Rahmens, und ist demzufolge die Vereinbarung der Vorauszahlung wirksam,
liegt nach Auffassung des Senates eine - begünstigte - Anzahlung im Sinne des § 4 Abs. 2
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FördG vor.
Aus den dargestellten Gründen ist der im BMF-Schreiben vom 29. März 1993 bzw. in der
OFD Verfügung vom 1. Oktober 1998 vorgenommenen Einschränkung des § 4 Abs. 2
FördG nicht zu folgen (im Ergebnis auch FG Hamburg, Urteil vom 12. Oktober 2000, EFG
2001, 382 rkr, so auch Breuninger/Prinz FR 1993, 352).
2. Vielmehr unterliegt die von den Beteiligten im Streitfall gewählte Gestaltung - allein - den
in § 42 Abgabenordnung (AO) umschriebenen allgemeinen Grenzen, die im Streitfall
hingegen nicht überschritten sind.
a. Nach § 42 Satz 1 AO kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts
das Steuergesetz nicht umgangen werden. Von einer Umgehung ist auszugehen, wenn
eine Gestaltung gewählt wird, die - gemessen an dem erstrebten Ziel - unangemessen ist,
der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche
nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B.
Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 29. November 1982 GrS 1/81,
BFHE 137, 433, BStBl II 1983, 272; BFH-Urteile vom 7. Juli 1998 VIII R 10/96, BFHE 186,
534, BStBl II 1999, 729; vom 26. März 1996 IX R 51/92, BFHE 180, 330, BStBl II 1996, 443,
m.w.N.). Eine rechtliche Gestaltung ist unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom
Gesetzgeber vorgegebene typische Gestaltung zur Erreichung bestimmter wirtschaftlicher
Ziele nicht gebraucht, sondern hierfür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den
Wertungen des Gesetzgebers das Ziel, Steuern zu sparen, nicht erreichbar sein soll (BFH-
Urteile vom 16. Januar 1992 V R 1/91, BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541; vom 13. Oktober
1992 VIII R 3/89, BFHE 169, 336, BStBl II 1993, 477). Die Unangemessenheit einer
Rechtsgestaltung tritt insbesondere zu Tage, wenn diese keinem wirtschaftlichen Zweck
dient (vgl. BFH-Urteile vom 19. August 1999 I R 77/96, BFHE 189, 342; vom 17. Januar
1991 IV R 132/85, BFHE 163, 449, BStBl II 1991, 607). Dient die Gestaltung hingegen
wirtschaftlichen Zwecken, darf das Verhalten der Beteiligten nicht auf seine
Angemessenheit beurteilt werden (z.B. BFH-Urteil vom 30. November 1989 IV R 97/86,
BFH/NV 1991, 432).
b. Im Streitfall diente die von den Beteiligten gewählte vertragliche Gestaltung der
Vorauszahlung des vollständigen Kaufpreises - neben der Reduzierung des Kaufpreises
sowie sonstiger Nebenkosten des Erwerbes (Notarkosten, Grunderwerbsteuer,
Maklercourtage) - zweifelsohne auch dazu, den Kläger frühzeitig in den Genuss der
Sonderabschreibung gemäß § 4 FördG und der daraus resultierenden steuerlichen Vorteile
zu bringen. Diese Intention widerspricht jedoch nicht dem Willen des Gesetzgebers. Der
Kläger erhält mithin durch die gewählte Vertragsgestaltung keinen Vorteil, der nicht von der
Regelung des § 4 FördG gedeckt wäre. Denn insbesondere die Regelung des § 4 Abs. 2
FördG dient dazu, dem Investor möglichst frühzeitig die Inanspruchnahme der
Sonderabschreibung zu ermöglichen. Ist es aber Ziel des Gesetzgebers,
Investitionsanreize - unter anderem - auch durch eine frühzeitige Inanspruchnahme der
Sonderabschreibung zu gewähren, kann eine (volle) Kaufpreisvorauszahlung, die sich
innerhalb der gesetzlichen Regelungen der MaBV bewegt, grundsätzlich nicht
rechtsmissbräuchlich sein (vgl. auch FG Hamburg, Urteil vom 12. Oktober 2000, EFG 2001,
382 rkr, so auch Breuninger/Prinz FR 1993, 352).
Die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung kommt jedoch ausnahmsweise
dann in Betracht, wenn die Vertragsbeteiligten mit der Vereinbarung der Anzahlung
einerseits erstreben, dass der Erwerber frühzeitig in den Genuss der Sonderabschreibung
gelangt, während sie andererseits eine unverzügliche und alsbaldige Realisierung des
begünstigten Vorhabens - und damit der Anschaffung selbst - nicht beabsichtigen oder von
einer solchen nicht ausgehen können. In diesen Fällen erfolgt die Anzahlung ins Blaue
hinein und ist willkürlich. Das bedeutet hingegen nicht, dass die Durchführung des
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Investitionsvorhabens zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bzw. der Leistung der
Anzahlung vollständig (rechtlich) abgesichert sein muss. Vielmehr reicht es aus der Sicht
des Senates aus, wenn die Vertragsbeteiligten im Zeitpunkt des Abschlusses des
Kaufvertrages aufgrund der Gesamtumstände davon ausgehen konnten, dass das Projekt
alsbald realisiert werden kann und sie unverzüglich mit dessen Realisierung beginnen.
Kommt es sodann in angemessener Zeit zur Umsetzung des Vorhabens, so spricht dies
dafür, dass die Beteiligten bei Vertragsschluss von einer alsbaldigen Realisierung
ausgehen konnten und ein Gestaltungsmissbrauch nicht vorliegt.
So war es auch im Streitfall. Obwohl der Veräußerer im Zeitpunkt des Vertragsschlusses -
im Oktober 1994 - noch keinen Kaufvertrag über das Grundstück abgeschlossen hatte und
auch keine Baugenehmigungen vorlagen bzw. der Generalunternehmer noch nicht
beauftragt war, konnten die Vertragsbeteiligten von einer alsbaldigen Verwirklichung des
Vorhabens ausgehen. Dies ergibt sich nicht nur daraus, dass das Objekt - vertragsgemäß -
im September 1996 übergeben werden konnte, was in Anbetracht der Größe des
Vorhabens keine überlange Realisierungsphase darstellt. Auch die Tatsache, dass zeitnah
im Anschluss an den Kaufvertragsschluss die Baugenehmigungen beantragt und erteilt
sowie die Bauarbeiten begonnen wurden und auch der Generalunternehmer beauftragt
wurde, sprechen für diese Annahme. Dies gilt auch im Hinblick auf das offenbare
Eigeninteresse, das die Stadt X. an der Realisierung des Vorhabens hatte und das sie
bereits Ende 1993 im Rahmen ihrer Zustimmung zur Bauvoranfrage dokumentiert hat.
Mithin konnten die Beteiligten im Zeitpunkt des Vertragsschlusses aufgrund der
Gesamtumstände davon ausgehen, dass das Projekt alsbald würde realisiert werden
können. Der unverzügliche Beginn der Bauarbeiten und die vertragsgemäße Übergabe des
Objektes im September 1996 schließen im Streitfall die Annahme eines
Gestaltungsmissbrauches aus.
3. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit aus § 151 FGO iVm §§ 708, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).