Urteil des FG Münster vom 07.12.2010

FG Münster (juristische person, kläger, gesetzlicher vertreter, träger, person, wissenschaft und forschung, geschäftsbetrieb, satzung, förderung, land)

Finanzgericht Münster, 15 K 3110/06 U
Datum:
07.12.2010
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
15. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 K 3110/06 U
Sachgebiet:
Finanz- und Abgabenrecht
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Streitig ist im Rahmen der Umsatzsteuer(USt)-Festsetzungen für 2000 bis 2003, ob
Umsätze, die der Kläger im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art (BgA) durch
Auftragsforschung erzielt hat, gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a des
Umsatzsteuergesetzes (UStG) dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.
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Der Kläger, das Land Nordrhein-Westfalen, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts,
errichtete mit Bekanntmachung des Ministers Z vom 00.00.0000 (...) das Institut "Y" mit
Sitz in H (Bezeichnung in den Streitjahren: "...", im Folgenden jeweils "Y"). Das Y war in
den Streitjahren eine Einrichtung des Landes im Sinne des § 14 des
Landesorganisationsgesetzes Nordrhein-Westfalen (LOG NRW). Nach § 6 Abs. 1 und 2
der in den Streitjahren geltenden Institutsordnung (Bekanntmachung des
Ministerpräsidenten vom 00.00.0000, ...) wurde das Y von einer Präsidentin oder einem
Präsidenten geleitet, die oder der das Land für den Geschäftsbereich des Instituts
vertrat, wobei sich der Ministerpräsident vorbehielt, die Vertretung im Einzelfall selbst zu
übernehmen. Mit Bekanntmachung des Ministeriums X des Landes Nordrhein-
Westfalen (X) vom 00.00.0000 wurde das Y mit Wirkung zum 31.12.2006 als Einrichtung
des Landes im Sinne des § 14 LOG NRW aufgelöst und in die Universität E sowie in die
Fachhochschule H eingegliedert. Zwischen dem X und den beiden Hochschulen
bestand dabei nach einem von dem Kläger eingereichten Eckpunktepapier vom
01.09.2006 Einvernehmen darüber, dass eine eventuelle Steuerschuld des Y aus
Drittmittelprojekten von den Hochschulen nicht übernommen werden sollte.
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Das Y war nach § 1 Abs. 1 der Institutsordnung eine Forschungseinrichtung, die in
besonderem Maße der Förderung des Arbeits- und Wirtschaftlebens diente. Der
Forschungsauftrag des Instituts wurde dabei durch einen jährlich fortzuschreibenden
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Forschungs- und Entwicklungsplan bestimmt, den die Präsidentin oder der Präsident
des Y erstellten und der jeweils der Zustimmung des Ministerpräsidenten bedurfte (§ 2
Abs. 1 der Institutsordnung). Das Institut konnte nach § 3 der Institutsordnung auch
Forschungs-, Entwicklungs- und Beratungsaufträge der Landesregierung übernehmen
sowie aus Drittmitteln finanzierte Forschung durchführen, soweit diese der
Aufgabenstellung des Instituts entsprach.
In den Streitjahren war das Y sowohl in der Grundlagen- als auch in der
Auftragsforschung tätig. Finanziert wurde das Institut überwiegend durch Zuwendungen
der Europäischen Union, des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen. Darüber
hinaus erzielte es Einnahmen durch die Auftragsforschung sowie durch wirtschaftliche
Tätigkeiten ohne Forschungsbezug.
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Im Einzelnen erzielte das Y in den Streitjahren folgende Einnahmen (brutto):
6
2000 2001 2002 2003
Einnahmen Auftragsforschung
xxx
DM
xxx
DM
xxx
EUR
xxx
EUR
Einnahmen aus sonstigen wirtschaftlichen Tätigkeiten ohne
Forschungsbezug
xxx
DM
xxx
DM
xxx
EUR
xxx
EUR
Gesamtsumme der institutionellen Förderung der
Europäischen Union, des Bundes und des Landes
xxx
DM
xxx
DM
xxx
EUR
xxx
EUR
Anteil der Zuwendungen der öffentlichen Hand an den
Gesamteinnahmen
91,18
%
86,75
%
81,86
%
63,54
%
7
Das Y reichte in den Jahren 2001 bis 2004 USt-Erklärungen für die Streitjahre ein, in
denen es mit Ausnahme eines steuerpflichtigen Eingangsumsatzes im Jahr 2003 keine
Umsätze erklärte. Die Frage, ob und mit welchem Steuersatz die Umsätze des Y aus
dem Bereich Auftragsforschung umsatzsteuerpflichtig sind, wurde zu dieser Zeit bereits
seit mehreren Jahren (seit 1991) unter Beteiligung des X und des nordrhein-
westfälischen Finanzministeriums mit dem Beklagten besprochen.
8
Am 22.07.2005 reichte das Y geänderte USt-Erklärungen für die Streitjahre ein. Darin
wurden die Umsätze aus den wirtschaftlichen Tätigkeiten ohne Forschungsbezug als
zum Regelsteuersatz steuerpflichtige Leistungen und die Umsätze aus dem Bereich
Auftragsforschung als zum ermäßigten Steuersatz steuerpflichtige Leistungen erklärt.
9
Daraufhin führte der Beklagte am 02.08.2005 eine USt-Sonderprüfung bei dem Y durch.
In seinem Bericht vom selben Tage führte der Prüfer aus: Das Y sei eine Einrichtung
des Landes im Sinne des § 14 LOG NRW und damit Teil der juristischen Person des
öffentlichen Rechts "Land Nordrhein-Westfalen". Tätigkeiten des Y, die die
Voraussetzungen eines Betriebs gewerblicher Art (BgA) im Sinne des § 4 des
Körperschaftsteuergesetzes (KStG) erfüllten, seien dem Kläger als Unternehmer
zuzurechnen. Dies treffe im Streitfall sowohl auf die Umsätze aus den wirtschaftlichen
Tätigkeiten ohne Forschungsbezug als auch auf die Umsätze aus dem Bereich
Auftragsforschung zu. Der Bereich Auftragsforschung sei dabei nicht als Zweckbetrieb
10
anzusehen, sodass abweichend von den USt-Erklärungen sämtliche Umsätze mit dem
Regelsteuersatz zu besteuern seien.
Am 22.08.2005 erließ der Beklagte auf Grundlage der Prüfungsfeststellungen USt-
Bescheide für die Streitjahre, in denen er die USt für 2000 auf xxx EUR, für 2001 auf xxx
EUR, für 2002 auf xxx EUR, für 2003 auf xxx EUR festsetzte. Adressiert waren diese
Bescheide an das Land Nordrhein-Westfalen, z. Hd. Herrn M, A-Straße ..., 00000 H, als
gesetzlicher Vertreter für Y, A-Straße ..., 00000 H.
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Gegen diese Bescheide legte das Y mit Schreiben vom 13.09.2005 Einspruch ein. Zur
Begründung führte es aus: Das X habe das Y angewiesen, gegen die USt-Bescheide
Einspruch einzulegen. Es gebe auf politischer Ebene Initiativen, Forschungsinstituten
wie dem Y die Gemeinnützigkeit wieder zuzuerkennen. Im Übrigen sei noch ungeklärt,
ob als Träger der Einrichtung der isoliert zu betrachtende BgA "Auftragsforschung" oder
das Institut in seiner Gesamtheit anzusehen sei.
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Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 23.06.2006 zurück.
Adressiert war diese Einspruchsentscheidung an das Land Nordrhein-Westfalen, z. Hd.
des Präsidenten des Y, A-Straße ..., 00000 H. Als Einspruchsführer wurde das Y,
vertreten durch den Präsidenten, aufgeführt.
13
Zur Begründung seiner Einspruchsentscheidung führte Beklagte aus: Der Bereich der
Auftragsforschung sei kein Zweckbetrieb im Sinne des § 68 Nr. 9 der Abgabenordnung
(AO), da sich der Träger dieses Tätigkeitsbereichs nicht überwiegend aus öffentlichen
Mitteln finanziere. Als Träger des Zweckbetriebes komme im Streitfall nur der BgA
Auftragsforschung selbst in Betracht. Das Y sei als juristische Person des öffentlichen
Rechts nicht unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig und könne daher - unabhängig
von dem Vorliegen einer Satzung - nicht im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG
gemeinnützig tätig werden. Der somit für das Vorliegen der Finanzierungserfordernisse
des § 68 Nr. 9 AO maßgebliche BgA Auftragsforschung finanziere sich aber nicht aus
öffentlichen Mitteln, sondern ausschließlich aus den Einnahmen der entgeltlichen
Auftragsforschung. Die öffentlichen Zuwendungen, die das Y erhalte, könnten insoweit
nicht berücksichtigt werden, da sie der steuerlich nicht relevanten hoheitlichen Tätigkeit
zuzurechnen seien.
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Daraufhin hat das Y, vertreten durch seinen Präsidenten, am 18.07.2006 die
vorliegende Klage erhoben. Mit Schreiben vom 12.12.2006 hat der Kläger erklärt, dass
er das Klageverfahren nach Auflösung des Y als Einrichtung des Landes im Sinne des §
14 LOG NRW als Rechtsnachfolger fortführen werde. Die Rechtsnachfolge ergebe sich
daraus, dass das Y - abgesehen vom Steuerrecht - kein Rechtssubjekt sei und er - der
Kläger - somit Bezugspunkt sämtlicher Rechte und Pflichten des Instituts sei.
15
Zur Begründung der Klage wird vorgetragen: Entgegen der Auffassung des Beklagten
seien die Voraussetzungen des § 68 Nr. 9 AO im Streitfall erfüllt. Denn "Träger" des
Zweckbetriebs sei nicht der BgA, sondern das Y in seiner Eigenschaft als Einrichtung
des Landes Nordrhein-Westfalen. Das Y sei insoweit auch Aufgriffseinheit der
Besteuerung. Ihm würden die im Rahmen des BgA ausgeübten wirtschaftlichen
Tätigkeiten zugerechnet. Damit könnten auch die Zuwendungen, die das Y aus
öffentlichen Mitteln erhalte, in die Prüfung des § 68 Nr. 9 AO einbezogen werden.
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Dass als Träger des Zweckbetriebs nicht der BgA, sondern die dahinter stehende
17
juristische Person des öffentlichen Rechts anzusehen sei, ergebe sich bereits aus dem
Wortlaut des § 68 Nr. 9 AO. Danach seien Zweckbetriebe auch Wissenschafts- und
Forschungseinrichtungen, deren Träger sich überwiegend aus Zuwendungen der
öffentlichen Hand oder Dritter oder aus der Vermögensverwaltung finanzierten. Die
Formulierung "deren Träger" lasse dabei nur den Rückschluss zu, dass der potentiell
als Zweckbetrieb zu qualifizierende BgA oder wirtschaftliche Geschäftsbetrieb eine von
dessen Träger zu unterscheidende Einheit darstelle. Träger im Sinne des § 68 Nr. 9 AO
könne danach nur die rechtliche Einheit sein, die die Forschungseinrichtung betreibe.
Als Betreiber sei dabei derjenige anzusehen, der die Tätigkeit der von ihm betriebenen
Einrichtung leitend steuere. Dies könne im Streitfall aber nur das Y sein. Nur dieses sei
eine rechtlich verselbständigte Einheit. Der BgA existiere dagegen außerhalb des
Steuerrechts nicht. Daher würden auch sämtliche Handlungen des BgA
Auftragsforschung unter dem Briefkopf des Y vorgenommen.
Dieses Wortlautverständnis füge sich auch nahtlos in die Systematik der Besteuerung
der öffentlichen Hand ein. Der BgA werde auch im Körperschaftsteuerrecht als nicht
steuerrechtsfähiges, organisatorisch in eine andere Struktur eingegliedertes Objekt der
Gewinnermittlung angesehen. Soweit der BgA für Zwecke der Gewinnermittlung - und
nur dafür - wie eine eigenständige Körperschaft behandelt werde, diene dieses
Gedankenmodell allein der sachgerechten Ermittlung der Höhe der erzielten Einkünfte.
Die auf diese Weise ermittelten Einkünfte des BgA würden jedoch - auch nach
Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. H 6 KStH 2004) - der juristischen Person des
öffentlichen Rechts zugerechnet, die als Träger des BgA für jeden ihrer Betriebe Subjekt
der Körperschaftsteuer sei.
18
Auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) sei die von dem Beklagten
vorgenommene Auslegung der Norm bedenklich, da die mit dem Wortlaut des § 1 Abs. 1
Nr. 6 KStG begründete Gleichsetzung des Trägers und der Forschungseinrichtung bei
Betrieben gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts
zwangsläufig zur Folge habe, dass die Finanzierungserfordernisse des § 68 Nr. 9 AO
nicht erfüllt werden könnten, weil sich die Forschungseinrichtung "Auftragsforschung"
bei isolierter Betrachtung stets zu 100 % durch die mit der Auftragsforschung erzielten
Einnahmen finanziere. Bei juristischen Personen des Privatrechts sei § 1 Abs. 1 Nr. 6
KStG dagegen nicht einschlägig, sodass nach Lesart der Finanzverwaltung die
juristische Person Träger der Forschungseinrichtung im Sinne des § 68 Nr. 9 AO sei
und damit die Finanzierungserfordernisse in eigener Person erfüllen könne.
19
Der Kläger beantragt,
20
die USt-Bescheide für 2000 bis 2003 vom 22.08.2005 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 23.06.2006 dahingehend zu ändern, dass die
USt für 2000 auf xxx EUR für 2001 auf xxx EUR für 2002 auf xxx EUR und für
2003 auf xxx EUR herabgesetzt wird,
21
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
22
Der Beklagte beantragt,
23
die Klage abzuweisen,
24
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
25
Der Beklagte verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung vom
23.06.2006.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die vom Beklagten vorgelegten
Verwaltungsvorgänge verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die USt-Bescheide für 2000 bis 2003 vom 22.08.2005 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 23.06.2006 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger
nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Der
Kläger muss die in den Streitjahren durch die Tätigkeiten des Y im Bereich der
Auftragsforschung erzielten Umsätze zum Regelsteuersatz versteuern.
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Durch die Leistungen, die das Y im Bereich der Auftragsforschung gegen Entgelt
erbracht hat, wurden in den Streitjahren unstreitig steuerpflichtige Umsätze im Sinne des
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG erzielt. Diese Umsätze sind dem Kläger, der insoweit einen
BgA betreibt, zuzurechnen.
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Der Kläger ist als juristische Person des öffentlichen Rechts im Rahmen seiner Betriebe
gewerblicher Art unternehmerisch tätig (vgl. § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG), wobei ihm
Tätigkeiten seiner unselbständigen Einrichtungen als eigene zuzurechnen sind (vgl.
hierzu z.B. Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Tz. 838; Birkenfeld, Das große
Umsatzsteuerhandbuch, § 46 Tz. 176). Zu den unselbständigen Einrichtungen des
Klägers gehörte in den Streitjahren auch das Y. Dieses Institut war keine juristische
Person des öffentlichen Rechts, sondern als Einrichtung des Landes im Sinne des § 14
LOG NRW ein rechtlich nicht verselbständigter Teil des Klägers. Dies wird auch an den
in der Institutsordnung vorgesehenen Vertretungsregelungen deutlich (Bekanntmachung
des Ministerpräsidenten vom 00.00.0000, ...) Danach vertraten die Präsidentin bzw. der
Präsident des Y nicht das Y als solches, sondern den Kläger, soweit der
Geschäftsbereich des Y betroffen war und der Ministerpräsident nicht von seinem
vorrangigen Vertretungsrecht Gebrauch gemacht hatte (§ 6 Abs. 2 der Institutsordnung).
31
Diese Umstände waren den Beteiligten zu jeder Zeit des Verfahrens bekannt. In dem
Bericht über die USt-Sonderprüfung vom 02.08.2005 legte der Prüfer ausführlich dar,
dass die Tätigkeiten des Y, die die Voraussetzungen eines BgA im Sinne des § 4 KStG
erfüllten, dem Kläger als Unternehmer zuzurechnen seien. Auch in den zahlreichen
Schreiben zwischen den Beteiligten und den ihnen übergeordneten Ministerien, die den
USt-Festsetzungen vorausgingen, wurde wiederholt betont, dass Steuersubjekt nicht
das Y, sondern der Kläger sei. Vor diesem Hintergrund geht der Senat im Streitfall
davon aus, dass die abweichenden Bezeichnungen des Inhaltsadressaten in den USt-
Bescheiden (der Kläger als gesetzlicher Vertreter des Y) bzw. des Klägers in der
Klageschrift (das Y vertreten durch seinen Präsidenten) als unbeachtliche
Ungenauigkeiten anzusehen sind.
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Die Umsätze, die der Kläger im Rahmen seines BgA Auftragsforschung erzielt hat,
unterliegen dem Regelsteuersatz. Die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a
UStG liegen entgegen der Auffassung des Klägers im Streitfall nicht vor.
33
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG ermäßigt sich die Umsatzsteuer u.a. für die
Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar u.a. gemeinnützige
Zwecke verfolgen (§§ 51 bis 68 AO).
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Unter Körperschaften sind dabei die Körperschaften, Personenvereinigungen und
Vermögensmassen im Sinne des KStG zu verstehen (§ 51 Abs. 1 Satz 2 AO), wobei
funktionale Untergliederungen (Abteilungen) von Körperschaften nach § 51 Satz 3 AO
nicht als selbständige Steuersubjekte gelten. Zu den Körperschaften im Sinne des § 51
Abs. 1 Satz 2 AO gehören auch juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit
diese im Rahmen von Betrieben gewerblicher Art tätig werden (vgl. z.B. BFH vom 11.
Februar 1997, I R 161/94, BFH/NV 1997, 625). Insoweit kommt dann auch eine
Anwendung gemeinnützigkeitsrechtlicher Steuervergünstigungen in Betracht.
35
Nach § 59 AO werden Steuervergünstigungen, die an die Gemeinnützigkeit anknüpfen,
allerdings nur gewährt, wenn sich aus der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der
sonstigen Verfassung (Satzung im Sinne dieser Vorschriften) ergibt, welchen Zweck die
Körperschaft verfolgt, dass dieser Zweck den Anforderungen der §§ 52 bis 55 AO
entspricht und dass er ausschließlich und unmittelbar verfolgt wird. Dazu müssen die
Satzungszwecke und die Art ihrer Verwirklichung so genau bestimmt sein, dass allein
auf Grund der Satzung geprüft werden kann, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen
für die Steuervergünstigung gegeben sind (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juli 1988 I R 244/83,
BFH/NV 1989, 479).
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Dabei wird davon ausgegangen, dass diese Voraussetzungen bei juristischen Person
des öffentlichen Rechts auf Ebene des jeweiligen BgA erfüllt sein müssen, da zwar die
juristische Person des öffentlichen Rechts das maßgebliche Steuerrechtssubjekt sei,
dies aber gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG nur "wegen jeden einzelnen Betriebs" (vgl. BFH-
Urteil vom 31. Oktober 1984 I R 21/81, BFHE 142, 386, BStBl II 1985, 162, dort zu § 4
Abs.1 Nr. 6 KStG a.F., § 5 Abs.1 Nr.9 KStG 1977). Daraus ergebe sich, dass der BgA
Gewinnerzielungssubjekt bleibe und daher auch die Voraussetzungen der jeweiligen
Vergünstigungsvorschrift erfüllen müsse (vgl. Jachmann/Unger in Beermann, AO/FGO,
§ 51 AO Tz. 52; so im Ergebnis auch die Finanzverwaltung, vgl. AEAO zu § 51 Nr. 1 und
zu § 59 Nr. 2). Ob diese durch den Verweis in § 51 Abs. 1 Satz 2 AO bedingte
körperschaftsteuerliche Auslegung der Gemeinnützigkeitsvorschriften der AO zutreffend
ist und insbesondere auch auf Steuervergünstigungen im gemeinschaftsrecht-lich
geprägten Umsatzsteuerrecht übertragbar ist, kann der Senat offen lassen, da im
Streitfall weder der BgA Auftragsforschung noch der Kläger als das maßgebliche
Steuerrechtssubjekt über eine Satzung im Sinne des § 59 AO verfügten.
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Auch die Institutsordnung des Y (Bekanntmachung des Ministerpräsidenten vom
00.00.0000, ...) war - unabhängig davon, dass sie nicht nur für den BgA
Auftragsforschung, sondern für das gesamte Institut galt - keine Satzung, die den
Anforderungen der §§ 59 ff. AO entsprach. Aus ihr ergab sich nicht mit hinreichender
Bestimmtheit (vgl. § 60 Abs. 1 AO), dass das Institut ausschließlich und unmittelbar
gemeinnützige Zwecke im Sinne der § 52 ff. AO verfolgte. Nach § 1 Abs. 1 der
Institutsordnung war das Y eine Forschungseinrichtung, die in besonderem Maße der
Förderung des Arbeits- und Wirtschaftlebens diente. Wie und zu wessen Gunsten diese
Förderung erfolgen sollte, war in der Institutsordnung aber nicht geregelt. § 2 Abs. 1 der
Institutsordnung konkretisierte die von dem Y verfolgten Zwecke nur dahingehend, dass
der Forschungsauftrag des Instituts in einem Forschungs- und Entwicklungsplan
festgelegt werden sollte, der jährlich von der Präsidentin bzw. dem Präsidenten des
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Instituts zu erstellen war und der Zustimmung des Ministerpräsidenten bedurfte. Dass
dabei grundsätzlich auch Forschungsvorhaben berücksichtigt werden durften, die nicht
ausschließlich und unmittelbar der Allgemeinheit zu Gute kamen, folgt aus § 3 der
Institutsordnung. Danach war es dem Institut ausdrücklich und ohne eine Beschränkung
des Umfangs dieser Tätigkeiten erlaubt, aus Drittmitteln finanzierte Forschung zu
betreiben sowie Forschungs-, Entwicklungs- und Beratungsaufträge der
Landesregierung durchzuführen.
Neben den formalen Voraussetzungen des § 59 AO liegen im Streitfall auch die
materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Begünstigung des Klägers nicht vor. §
12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 2 UStG schließt die Anwendung des ermäßigten
Steuersatzes trotz der Verfolgung gemeinnütziger Zwecke aus, soweit der Zweck durch
die Erbringung von Leistungen verfolgt wird, die im Rahmen eines wirtschaftlichen
Geschäftsbetriebs ausgeführt werden. In einem solchen Fall bleibt die
Steuervergünstigung nach § 64 Abs. 1 AO nur dann erhalten, wenn es sich bei dem
wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb um einen Zweckbetrieb im Sinne der §§ 65 ff. AO
handelt.
39
Ausgehend von diesen Grundsätzen kann der Kläger die in § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a
Satz 1 UStG vorgesehene Steuerermäßigung nicht in Anspruch nehmen, da die
streitigen Leistungen im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt
wurden, der nicht als Zweckbetrieb anzusehen ist. Ob der Kläger bzw. der BgA
überhaupt gemeinnützige Zwecke verfolgt haben bzw. verfolgen konnten (vgl. zur
Gemeinnützigkeitsfähigkeit des Staates etwa Isensee in Festschrift Dürig, 1990, S. 57 ff.;
vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 7. März 2007 I R 90/04, BFHE 217, 413, BStBl II 2007,
628 und BFH-Beschluss vom 27. April 2005 I R 90/04, BFHE 209, 489, BStBl II 2006,
198), kann daher im vorliegenden Verfahren offen bleiben.
40
Die im Bereich der entgeltlichen Auftragsforschung erbrachten Leistungen sind
unstreitig im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt worden.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist in dieser Tätigkeit aber kein Zweckbetrieb im
Sinne der AO zu sehen, da der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb Auftragsforschung
weder die Voraussetzungen des § 68 Nr. 9 AO noch die der allgemeinen
Zweckbetriebsdefinition des § 65 AO erfüllt.
41
Die Voraussetzungen des § 68 Nr. 9 AO liegen im Streitfall nicht vor. Nach § 68 Nr. 9
AO sind Zweckbetriebe nur Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen, deren Träger
sich überwiegend aus Zuwendungen der öffentlichen Hand oder Dritter oder aus der
Vermögensverwaltung finanzieren. Dies war hier aber nicht der Fall. Dies gilt
unabhängig von der zwischen den Beteiligten umstrittenen Frage, ob bei
wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben einer juristischen Person des öffentlichen Rechts
der BgA oder die juristische Person selbst als Träger des fraglichen Zweckbetriebs
anzusehen ist. Im Streitfall haben sich weder der Kläger noch der BgA überwiegend
durch Zuwendungen der öffentlichen Hand oder Dritter oder aus der
Vermögensverwaltung finanziert.
42
Zuwendung im Sinne des § 68 Nr. 9 AO ist ein Mitteltransfer, der der Körperschaft ohne
eigene Gegenleistung zufließt. Unter den Begriff der Zuwendung fallen daher
unentgeltliche Leistungen wie Spenden, Mitgliedsbeiträge, Projektförderungszahlungen
und Zahlungen, durch die eine aus strukturpolitischen, volkswirtschaftlichen oder
allgemein politischen Gründen erwünschte Tätigkeit des Zahlungsempfängers gefördert
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werden soll. Keine Zuwendungen im Sinne des § 68 Nr. 9 AO sind hingegen Entgelte,
die als Gegenleistung für eine konkrete Tätigkeit im Interesse des Auftraggebers, der
auch die öffentliche Hand sein kann, geleistet werden (BFH-Urteile vom 4. April 2007 I
R 76/05, BFHE 217, 1, BStBl II 2007, 631; vom 15. Oktober 1998 V R 51/96, BFH/NV
1999, 833; vom 30. November 1995 V R 29/91, BFHE 179, 447, BStBl II 1997, 189).
Im Streitfall haben sich weder der BgA Auftragsforschung noch der Kläger überwiegend
aus Zuwendungen im Sinne des § 68 Nr. 9 AO finanziert. Der BgA Auftragsforschung,
der nur die steuerpflichtigen Tätigkeiten aus dem Bereich Auftragsforschung umfasst,
hat sich in den Streitjahren ausschließlich aus den durch die Auftragsforschung
erzielten Einnahmen finanziert. Die öffentlichen Mittel, die dem Y zur Förderung der
Grundlagenforschung zur Verfügung gestellt wurden, können insoweit nicht
berücksichtigt werden, da die Grundlagenforschung nicht gegen Entgelt ausgeübt wurde
und daher nicht dem BgA, sondern dem Hoheitsbereich des Klägers zuzurechnen ist.
Auch der Kläger finanzierte sich nicht überwiegend aus unentgeltlichen Leistungen oder
aus der Vermögensverwaltung, sondern aus Steuereinnahmen. Steuereinnahmen
erfolgen aber nicht auf freiwilliger Grundlage und können daher unentgeltlichen
Leistungen wie Spenden oder Mitgliedsbeiträgen nicht gleichgestellt werden.
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Schließlich ist in dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb "Auftragsforschung" auch kein
Zweckbetrieb i.S. des § 65 AO zu sehen. Nach dieser Vorschrift ist ein Zweckbetrieb nur
gegeben, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb in seiner Gesamtrichtung dazu
dient, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu
verwirklichen (§ 65 Nr. 1 AO), die Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb
erreicht werden können (§ 65 Nr. 2 AO) und der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht
begünstigten Betrieben derselben oder ähnlichen Art nicht in größerem Umfang in
Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist (§
65 Nr. 3 AO). Dies ist hier nicht der Fall. Im Streitfall kann wegen der bei dem Kläger und
dem BgA fehlenden Satzungen schon nicht festgestellt werden, welche
satzungsmäßigen Zwecke in den Streitjahren verfolgt wurden. Unabhängig von dieser
formellen Frage hat der Kläger aber auch nicht dargelegt, dass er den von ihm
verfolgten gemeinnützigen Zweck, Wissenschaft und Forschung zu fördern, nur durch
einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erreichen konnte.
45
Die Frage, ob § 65 AO bei einer Forschungseinrichtung neben der insoweit spezielleren
Vorschrift des § 68 Nr. 9 AO überhaupt anwendbar ist, kann daher im vorliegenden
Verfahren unbeantwortet bleiben (verneinend BMF-Schreiben in BStBl I 1999, 944 unter
I. Nr. 3; bejahend demgegenüber etwa Strahl, DStR 2000, 2163).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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Die Zulassung der Revision folgt aus § 115 Abs. 2 FGO.
48