Urteil des FG Köln vom 23.09.2010

FG Köln (kind, sohn, bemühen, behinderung, begründung, schulausbildung, bluterkrankheit, umstände, ausdrücklich, beendigung)

Finanzgericht Köln, 10 K 3480/08
Datum:
23.09.2010
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
10 .Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 K 3480/08
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Kindergeld für den Zeitraum August
2005 bis September 2008 für den Sohn G., geboren am 31.1.1986. Der Sohn schloss
seine Schulausbildung im Juli 2005 ab.
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Die Klägerin hat für die Zeit von August 2005 bis Dezember 2007 Kindergeld für ihren
Sohn erhalten. Mit Bescheid vom 02.07.2008 hob die Beklagte die Festsetzung des
Kindergeldes ab August 2005 auf und forderte das für den Zeitraum von August 2005
bis Dezember 2007 gezahlte Kindergeld in einer Gesamthöhe von 4.466,- € zurück. Zur
Begründung teilte sie mit, dass das Kind nach Aktenlage keine Ausbildung mehr
anstrebe.
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Am 16.07.2008 legte die Klägerin gegen den Aufhebungsbescheid Einspruch ein. Zur
Begründung teilte sie mit, dass ihr Sohn sich auf der Suche nach einem Praktikumsplatz
im kaufmännischen Bereich befunden habe. Er habe nach seinen Angaben bei
zahlreichen Firmen erfolglos nach einem Praktikumsplatz gesucht. Die Bewerbungen
seien mündlich erfolgt. Der Sohn habe darüber kein Buch geführt, so dass die
Bewerbungen nicht nachweisbar seien. Nachweisbar seien lediglich die Bemühungen
bei dem Arbeitsamt in ..... Die Bemühungen seien weiterhin dadurch erschwert, dass
das Kind durch eine Bluterkrankheit zu 100 % schwerbehindert sei.
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Mit Bescheid vom 09.09.2008 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
Zur Begründung führte sie aus, dass die Voraussetzungen für einen
Kindergeldanspruch ab dem Zeitraum ab August 2005 nicht nachgewiesen worden sei.
Nach Beendigung der Schulausbildung seien keine Bemühungen um eine
Berufsausbildung nachgewiesen.
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Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Klage, die die Klägerin am
10.10.2008 erhoben hat. Zur Begründung führt sie aus, dass sich der Sohn in der Zeit
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nach Beendigung der Schulausbildung bei diversen Firmen um einen Praktikumsplatz
beworben habe. Dies sei telefonisch beziehungsweise durch persönliche Vorsprache
erfolgt. Auf die Auflistung der einzelnen Firmen, Blatt 37 und 38 der Gerichtsakten, wird
Bezug genommen.
Das Kindergeld für die Monate August, September und Oktober 2007 sei zu Recht
gezahlt worden, da sich der Sohn während dieses Zeitraums jedenfalls in einem
Übergangsstadium befunden habe. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin
zwischen April 2007 und Februar 2008 arbeitslos war und ihr Arbeitslosengeld wegen
des Kindergeldbezuges monatlich gekürzt worden sei.
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Die Klägerin beantragt,
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den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 2.7.2008 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 09.09.2008 aufzuheben und Kindergeld für den
Zeitraum August 2005 bis September 2008 zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte verweist auf die Ausführungen der Einspruchsentscheidung. Sie trägt vor,
dass sich der Sohn nicht in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten zwischen
zwei Ausbildungsabschnitten befunden habe und somit eine Berücksichtigung gemäß §
32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 b) EStG nicht in Betracht käme.
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Ausweislich der Verbis-Kundenhistorie sei der Sohn der Klägerin während des
Streitzeitraumes zu keinem Zeitpunkt ausbildungssuchend und erst ab dem 08.02.2007
– also nach Vollendung des 21. Lebensjahres – als arbeitssuchend gemeldet gewesen.
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Das Gericht hat die in der Aufstellung Blatt 37 und 38 der Gerichtsakten aufgeführten
Unternehmen angeschrieben und danach befragt, ob sich der Sohn der Klägerin dort
beworben habe. In allen Fällen teilten die Firmen mit, dass sie hierzu keine Auskünfte
erteilen könnten, da keine Bewerbungen registriert seien beziehungsweise mögliche
Unterlagen unterdessen vernichtet worden seien. Einzig die ... hat mitgeteilt, dass sich
der Sohn der Klägerin weder telefonisch noch schriftlich beworben habe, Blatt 87 der
Gerichtsakten.
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Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung beantragt, zum Beweis für die
Bewerbungsbemühungen den Sohn der Klägerin als Zeugen zu vernehmen.
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Der Senat hat die Beweiserhebung durch Beschluss abgelehnt.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet.
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Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren
Rechten, § 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
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1. Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c) EStG in der in
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den Streitjahren geltenden Fassung besteht für ein über 18 Jahre altes Kind, das das
27. Lebensjahr (bzw. das 25. Lebensjahr ab 2007) noch nicht vollendet hat, Anspruch
auf Kindergeld, wenn es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatz nicht
beginnen oder fortsetzen kann.
a) Nach ständiger Rechtsprechung erfordert die Berücksichtigung eines Kindes gemäß
§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c) EStG, dass sich dieses ernsthaft um einen
Ausbildungsplatz bemüht hat.
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b) Das Bemühen um einen Ausbildungsplatz ist glaubhaft zu machen. Pauschale
Angaben, das Kind sei im fraglichen Zeitraum ausbildungsbereit gewesen, habe sich
ständig um einen Ausbildungsplatz bemüht oder sei stets beim Arbeitsamt bzw. bei der
Agentur für Arbeit als ausbildungssuchend gemeldet gewesen, reichen nicht aus. Um
einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Kindergeldes entgegenzuwirken, muss
sich die Ausbildungsbereitschaft des Kindes durch belegbare Bemühungen um einen
Ausbildungsplatz objektiviert haben. Die Nachweise für die Ausbildungswilligkeit des
Kindes und für sein Bemühen, einen Ausbildungsplatz zu finden, hat der
Kindergeldberechtigte beizubringen. Die besondere Mitwirkungspflicht unter
Einbeziehung des über 18 Jahre alten Kindes sieht § 68 Abs. 1 EStG ausdrücklich vor.
Außerdem liegt es auch im Einflussbereich des Kindergeldberechtigten, Vorsorge für
die Nachweise der Ausbildungswilligkeit des Kindes zu treffen (BFH-Beschluss vom 21.
Juli 2005 III S 19/04 (PKH), BFH/NV 2005, 2207; Hollatz, EFG 2008, 141).
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c) Nachgewiesen werden kann das ernsthafte Bemühen um einen Ausbildungsplatz
z.B. durch eine Bescheinigung der Agentur für Arbeit, dass das Kind als Bewerber um
eine berufliche Ausbildungsstelle registriert ist. Über die Meldung bei der
Ausbildungsvermittlung hinaus kann das Bemühen um einen Ausbildungsplatz auch
durch Suchanzeigen in der Zeitung, durch direkte schriftliche Bewerbungen an
Ausbildungsstätten und ggf. darauf erhaltene Zwischennachrichten oder Absagen sowie
konkrete und detaillierte Angaben zu Telefongesprächen glaubhaft gemacht werden
(BFH vom 19. Juni 2008 III R 66/05, BFHE 222, 343, BStBl II 2009, 1005; FG Köln,
Urteile vom 11. November 2004 10 K 5425/03, EFG 2005, 455 und vom 22. September
2005 10 K 5182/04, EFG 2006, 68; 25. September 2008 10 K 2443/07, EFG 2009, 260).
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d) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Klägerin das ernsthafte Bemühen
ihres Kindes um einen Ausbildungsplatz nicht glaubhaft gemacht. Das Kind war weder
bei der Arbeitsverwaltung als ausbildungsplatzsuchend registriert, noch wurden im
erforderlichen Maße eigene Bemühungen um einen Praktikumsplatz glaubhaft gemacht
oder nachgewiesen. Die erst im späteren Verfahrensverlauf vorgelegte Liste mit
diversen Unternehmensanschriften ist insoweit nicht ausreichend. Sämtliche auf die
Anfrage nach den Bewerbungen des Sohnes des Gerichts antwortende Unternehmen,
bei denen sich das Kind mündlich oder telefonisch um einen Praktikumsplatz bemüht
haben will, konnten eine solche Bewerbung entweder nicht bestätigen oder wiesen
ausdrücklich darauf hin, dass das Kind sich nicht beworben hatte. Zum Teil konnten die
benannten Firmen unter den von der Klägerin benannten Adressen nicht ausfindig
gemacht werden. Demgemäß war die Benennung der Firmen, bei denen sich das Kind
beworben haben will, nicht geeignet, um die Ausbildungsbereitschaft des Kindes
glaubhaft zu machen.
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e) Das Gericht braucht darüber hinaus unsubstantiierte Beweisanträge nicht zu
berücksichtigen. Unsubstantiiert ist nach der Rechtsprechung ein Beweisantrag dann,
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wenn allein das Zeugnis des Kindes zur Ausbildungsbereitschaft angeboten wird, ohne
im Einzelnen die Namen der Firmen zu benennen, wo die Bewerbungen stattgefunden
haben sollen (BFH vom 14. November 2008 III B 73/08, BFH/NV 2009, 414; FG Köln
vom 17. Juli 2008 14 K 3413/07, EFG 2008, 1903; Siegers, EFG 2009, 262).
Unsubstantiiert ist ein Beweisantrag weiterhin dann, wenn der Antrag dazu dienen soll,
eine unsubstantiierte Behauptung zu stützen (BFH vom 21. Dezember 2001 VIII B
132/00, BFH/NV 2002, 661; FG Köln vom 26. Februar 2009 10 K 4211/07, nicht
veröffentlicht; Stapperfend in Gräber, FGO, § 76, Rz. 29).
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f) Allein das angebotene Zeugnis des Kindes, im fraglichen Zeitraum ausbildungsbereit
gewesen zu sein und sich um Praktikumsstellen bemüht zu haben, ist vor diesem
Hintergrund nach Überzeugung des Senats nicht geeignet, die Ausbildungsbereitschaft
glaubhaft zu machen bzw. nachzuweisen. Da bereits die Benennung der Firmen, bei
denen sich das Kind beworben haben will, ungeeignet war, die behauptete
Ausbildungsbereitschaft glaubhaft zu machen, konnte der Senat darauf verzichten, den
Sohn der Klägerin zu seinen angeblichen Bewerbungsbemühungen zu hören. Der
Senat geht dabei davon aus, dass die schlichte Benennung von Firmen, bei denen sich
das Kind mündlich beworben haben will, zu unsubstantiiert ist, um eine
Ausbildungsbereitschaft glaubhaft machen zu können. Dies gilt jedenfalls dann, wenn
weder die konkreten Umstände der Bewerbungsmaßnahmen (z.B. Zeit, Ort,
Ansprechpartner des Unternehmens) dargelegt werden und darüber hinaus keine der
genannten Firmen auf Nachfrage entsprechende Bewerbungsbemühungen bestätigen
kann bzw. diese sogar ausdrücklich verneint. Der Senat ist der Auffassung, dass –
insbesondere vor dem Hintergrund eines Zeitraumes von mehr als 2 Jahren, in denen
sich der Sohn beworben haben will – eine Beweisvorsorge hinsichtlich der angeblich
unternommenen Bewerbungen hätte getroffen werden müssen. Insoweit wäre zu
erwarten gewesen, dass Bewerbungen schriftlich eingereicht werden. Dies hätte sich
umso mehr aufgedrängt, da mehrere der angeschriebenen Firmen gegenüber dem
Gericht angegeben haben, dass vorsprechenden Bewerbern mitgeteilt werde, dass
Bewerbungen nur schriftlich akzeptiert würden.
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2. Kindergeld war auch vor dem Hintergrund der Behinderung wegen der
Bluterkrankheit nicht zu gewähren.
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Zwar ist gemäß § 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG Kindergeld auch dann zu gewähren, wenn das
Kind wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich
selbst zu unterhalten. Auch bei einem Grad der Behinderung von mehr als 50 % ist die
Ursächlichkeit der Behinderung für die mangelnde Fähigkeit zum Selbstunterhalt aber
nur bei Hinzutreten besonderer Umstände anzunehmen (Loschelder in Schmidt, EStG, §
32 EStG, Rz. 46). Insoweit ist der Vortrag der Klägerin aber unzureichend. Allein die
Tatsache, dass das Kind an der Bluterkrankheit leidet, indiziert nach Auffassung des
Senates noch nicht, dass das Kind nicht in der Lage ist, für den Selbstunterhalt zu
sorgen. Dass darüber hinaus noch Umstände vorlägen, die eine mangelnde Fähigkeit
zum Selbstunterhalt begründen würden, ist weder ersichtlich noch hat die Klägerin dies
in irgendeiner Weise dargetan.
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3. Schließlich befand sich das Kind entgegen der Auffassung der Klägerin auch für die
Monate August bis Oktober 2007 nicht in einer Übergangsphase zwischen zwei
Ausbildungsabschnitten.
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Zwar besteht gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe b) EStG dann ein Anspruch auf
Kindergeld, wenn sich dass Kind in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten
zwischen zwei Ausbildungsabschnitten befindet. Ein solcher Anspruch entfällt
allerdings vollständig, wenn die Übergangszeit vier Monate überschritten wird
(Loschelder in Schmidt, EStG, § 32, Rz. 30 m.w.N.).
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Der Sohn der Klägerin hat nach Beendigung der Schulausbildung bis zum Erlass der
Einspruchsentscheidung unstreitig keinen weiteren Ausbildungsabschnitt begonnen. Es
wurde – wie dargestellt – noch nicht einmal das Bemühen um einen Ausbildungsplatz
glaubhaft gemacht. Vor diesem Hintergrund befand sich der Sohn der Klägerin in den
Monaten August bis Oktober 2007 nicht in einer Übergangsphase im Sinne des § 32
Abs. 4 b) EStG.
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4. Die Gewährung von Kindergeld nach § 32 Abs. 4 Nr. 1 EStG kommt ebenfalls nicht in
Betracht, da das Kind der Klägerin erst ab dem 08.02.2007 – und damit nach
Vollendendung des 21. Lebensjahres – bei der Arbeitsagentur als arbeitssuchend
gemeldet war.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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