Urteil des FG Köln vom 18.10.2010

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Finanzgericht Köln, 5 K 696/09
Datum:
18.10.2010
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
5. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 K 696/09
Rechtskraft:
2251/10 (vorläufiges Aktenzeichen des BFH)
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
1
Streitig ist die Festsetzung der Einkommensteuer 2001. Diese erfolgte zunächst durch
Bescheid vom 02.02.2004 durch Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162
der Abgabenordnung (AO). Im Laufe des Klageverfahrens wurde diese Festsetzung
durch Bescheid vom 22.03.2010 geändert. Wegen der Einzelheiten der
Steuerfestsetzungen wird auf die in den Verwaltungs- und Gerichtsakten befindlichen
Steuerbescheide verwiesen.
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Der Kläger hatte am 27.05.2005 unter der Adresse in ... C, D-Straße ..., unter
Aktenzeichen 5 K 2196/05 gleichzeitig sowohl gegen die Einkommensteuerfestsetzung
2000 als auch gegen die Festsetzung 2001 Klage erhoben, nachdem die Einsprüche
des Klägers gegen beide Einkommensteuerbescheide durch Entscheidung vom
27.04.2005 in einer Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen worden waren.
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Durch Schreiben der damals als Bevollmächtigte des Klägers auftretenden Frau E vom
15.11.2008 wurde dem Gericht mitgeteilt, dass sich der Kläger unter der Adresse von
Frau E in B1 angemeldet habe.
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Zur Einkommensteuer 2000 erließ die Einzelrichterin am 04.03.2009 ein Urteil; die
dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg.
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Das Verfahren zur Einkommensteuer 2001 wurde vom Gericht im ersten Termin zur
mündlichen Verhandlung vom 04.03.2009 vom Verfahren zur Einkommensteuer 2000
abgetrennt, weil der Kläger hinsichtlich der Einkommensteuer 2001 vorgetragen hatte,
er habe das vom beklagten Finanzamt - auf Bitten des Gerichts wiederholt - verschickte
Steuererklärungsformular nicht erhalten, ohne das er eine Steuererklärung nicht
abgeben könne. Dem Kläger wurde daher in der mündlichen Verhandlung vom
04.03.2009 das Formular von der Einzelrichterin ausgehändigt bei gleichzeitiger
Aufforderung, das Formular binnen vier Wochen ausgefüllt vorzulegen und die erklärten
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Beträge belegmäßig nachzuweisen.
Mit Verfügung vom 05.03.2009 wurde diese Aufforderung gemäß § 79 b Abs. 2 FGO
wiederholt. Die hierin gesetzte Frist von vier Wochen wurde auf Antrag des Klägers
wiederholt verlängert, da der Kläger angab, krankheitsbedingt an der geforderten
Erklärungsabgabe gehindert zu sein, er im Übrigen bereits einmal eine Steuererklärung
für das Jahr 2001 abgegeben habe, die vom Finanzamt nur vorgelegt werden müsse.
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Mit Verfügung vom 19.06.2009 wurde die Sache mangels Abgabe der angeforderten
Einkommensteuererklärung 2001 durch den Kläger langfristig erneut zur weiteren
mündlichen Verhandlung am 14.10.2009 geladen. Dieser Termin wurde aufgehoben,
nachdem der Kläger dem Gericht drei Monate nach der Ladung Kenntnis gegeben hatte
von einer bereits im Februar gebuchten Kreuzfahrt in M in der Zeit vom 29.09. -
20.10.2009. Der Termin 14.10.2009 wurde daraufhin verlegt auf den 30.10.2009.
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Auch der Termin 30.10.2009 wurde verlegt, nachdem sich Frau E vom Arzt hatte
bescheinigen lassen, in der Zeit vom 27.10. - 10.11.2009 keinen Gerichtstermin
wahrnehmen zu können. Der neue Termin sollte am 13.11.2009 stattfinden. Nachdem
Frau E aber am 05.11.2009 unter Hinweis auf ihre Erkrankung eine weitere
Terminverschiebung beantragt hatte, wurde die mündliche Verhandlung auf den
02.12.2009 anberaumt. Im Anschluss an die Umladung vom 06.11.2009 beantragte Frau
E die Verschiebung auch dieses Termins. Als neuer Termin wurde ein Tag nach dem
05.01.2010 erbeten. Gleichzeitig wies Frau E darauf hin, dass sie ab dem 21.12.2009 in
Österreich Urlaub mache und in der Zeit vom 21.12.2009 - 04.01.2010 "bei Bekannten
zu einer größeren Feier" weile. Der neue Termin solle daher anberaumt werden
"zwischen dem 05.01. und 20.01.2010 oder einen Tag nach dem 04.01.2010". Dem
erneuten Terminverschiebungsantrag war eine ärztliche Bescheinigung vom 23.11.2009
beigefügt, aus der ersichtlich ist, dass Frau E unter anderem unter Osteoporose,
Klimaterium, Hypercholesterin, Anämie, Senk-Spreizfuß, Belastungshypertonie,
Sprunggelenkarthrose, Herzinsuffizienz mit Ödem, Diabetes etc. leidet. - Wegen der
Einzelheiten wird auf das ärztliche Attest vom 22.11.2009 verwiesen.
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Die Einzelrichterin verlegte daraufhin den Termin zur mündlichen Verhandlung am
02.12.2009 auf den 11.01.2010. Gleichzeitig wurde Frau E darauf hingewiesen, dass sie
als Prozessvertreterin des Klägers ungeeignet sein dürfte und vom Gericht gemäß § 62
Abs. 2 FGO zurückgewiesen werden könne.
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Am 06.01.2010 ging bei Gericht ein Antrag des Klägers auf Fristverlängerung wegen
Abgabe der Einkommensteuererklärung 2001 und Verlegung des Termins zur
mündlichen Verhandlung am 11.01.2010 ein. Zur Begründung wurde auf die
gesundheitlichen Beschwerden sowohl des Klägers als auch der der Lebensgefährtin
und Prozessbevollmächtigten E hingewiesen, im Übrigen auf die Schwierigkeiten bei
Erstellung einer erneuten Steuererklärung. Wegen der Einzelheiten des Antrages wird
auf den Schriftsatz vom 06.01.2010 verwiesen.
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Am 08.01.2010 teilte Frau E dem Gericht mit, dass sie die Prozessvollmacht
"niedergelegt" habe. Gleichzeitig bat sie, Rechtsanwalt F "zu bestellen", gegebenenfalls
Steuerberater G zu beauftragen. Mit gesondertem Schreiben vom 08.01.2010, bei
Gericht eingegangen am 11.01.2010, dem Tag der anberaumten mündlichen
Verhandlung, machte Frau E Ausführungen zu den Einkünften des Klägers und reichte
hierzu diverse Belege ein. Wegen der Belege im Einzelnen wird auf Blatt 401-492 der
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FG-Akte verwiesen.
Der Termin 11.01.2010 wurde daraufhin aufgehoben. Dem gleichwohl erschienenen
Beklagten wurden der Schriftsatz von Frau E und die von ihr übersandten Belege
ausgehändigt.
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Am 22.03.2010 erließ der Beklagte unter Berücksichtigung der am 11.01.2010 vom
Kläger vorgelegten Unterlagen einen Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 2001
(Einkommensteuer bisher 11.341,48 €, neu 9.334,66 €). Der Kläger wurde daraufhin
vom Gericht mit Schreiben vom 31.03.2010 aufgefordert mitzuteilen, ob er die Sache für
erledigt erkläre.
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Der Kläger teilte daraufhin mit Schreiben vom 16.04.2010 mit, die Sache möge
mindestens sechs Wochen ruhen, da er sich krankheitsbedingt nicht mit der Sache
befassen könne, sich im Übrigen viereinhalb Wochen auf einer Kreuzfahrt in der Karibik
aufhalte. Steuerberater G müsse sich zunächst in die Sache einarbeiten.
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Mit Verfügung gemäß § 79b Abs. 1 FGO vom 20.04.2010 wurde der Kläger daraufhin
aufgefordert, innerhalb von vier Wochen nach Zustellung dieser Anordnung Tatsachen
anzugeben, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung er sich
beschwert fühle.
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Mit Schreiben vom 04.05.2010 teilte Steuerberater G dem Gericht mit, der Kläger habe
ihn mit der Wahrnehmung der steuerlichen Interessen beauftragt. Aufgrund des Urlaubs
des Klägers bat er um Fristverlängerung bis Mitte Juni 2010.
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Nachdem das Gericht durch Schreiben vom 07.05.2010 Steuerberater G aufgefordert
hatte, eine Prozessvollmacht vorzulegen, teilte dieser am 19.05.2010 mit, er versuche
schon seit Tagen, den Kläger zu erreichen, sodass er davon ausgehe, dass dieser sich
noch in Urlaub befinde, weshalb Fristverlängerung bis zum 15.06.2010 beantragt werde.
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Nachdem eine weitere Reaktion klägerseits nicht erfolgte, verfügte das Gericht am
06.07.2010 Termin zur mündlichen Verhandlung am 27.07.2010. Die Ladung wurde
sowohl dem Kläger persönlich als auch dem als Bevollmächtigten aufgetretenen
Steuerberater G zugestellt. Letztgenannter teilte dem Gericht daraufhin mit, dass er für
den Kläger kein Mandat übernommen habe.
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Am 22.07.2010 beantragte der Kläger Aufhebung des Termins 27.07.2010, da er am
26.07.2010 einen Termin in der Klinik habe, wodurch er zwei Tage nicht in der Lage sei,
etwas zu unternehmen. Im Übrigen wies der Kläger darauf hin, dass das Büro H das
Mandat übernommen habe. Ein Anruf seitens des Gerichts im Büro H ergab, dass ein
Mandatsverhältnis noch nicht bestand, die Übernahme des Mandats aber nach dem
Urlaub von K geprüft werden sollte. Daraufhin verlegte das Gericht den Termin
27.07.2010 auf den 30.08.2010. Am 22.07.2010 wandte sich Frau E an das Gericht mit
der Darstellung ihrer und der Beschäftigung des Klägers durch einen mehrwöchigen
Urlaub in L sowie zu einer möglichen Prozessvertretung. Wegen der Einzelheiten wird
auf dieses Schreiben, Blatt 554, 555 der FG-Akte verwiesen.
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Am 20.08.2010 bestellten sich die Rechtsanwälte H als Prozessbevollmächtigte für den
Kläger und beantragten Akteneinsicht. Diese erfolgte am 24.08.2010. Im Anschluss
hieran beantragten die Prozessbevollmächtigten des Klägers Verlegung des Termins
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30.08.2010. Gleichzeitig beantragten sie Beiziehung von Akten und erneute
Akteneinsicht. Telefonisch teilte das Büro dem Gericht mit, es bestünden
Schwierigkeiten, den Kläger zu erreichen, um Unterlagen anfordern zu können.
Daraufhin verlegte das Gericht den Termin zur mündlichen Verhandlung erneut, dieses
Mal auf den 28.09.2010. Zur beantragten Aktenbeiziehung teilte das Gericht am
27.08.2010 dem Bevollmächtigten mit, dass diese nicht erfolgen werde, da die Relevanz
der bezeichneten Akten nicht erkennbar sei.
Der für den 28.09.2010 anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung fand unter
Teilnahme nicht nur des Prozessbevollmächtigten K, sondern auch des Klägers und
seiner Lebensgefährtin E statt. Dem Prozessbevollmächtigten wurde im Termin
Gelegenheit gegeben, die dem Gericht vorliegenden, bisher nicht eingesehenen Akten
einzusehen, was im Rahmen einer Sitzungsunterbrechung geschah. Diesbezüglicher
Vortrag erfolgte nicht.
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Der Prozessbevollmächtigte trug in der mündlichen Verhandlung vor, der tatsächliche
Wohnsitz des Klägers sei im Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen
Einkommensteuerbescheides vom 02.02.2004 nicht in N/C, sondern in B, im Haus der
Lebensgefährtin E, gewesen.
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Nachdem der Beklagtenvertreter diese Aussage ausdrücklich bestritten und festgestellt
hatte, dass bei Erlass des Ursprungsbescheides in 2004 nicht bekannt gewesen sei,
dass der Kläger dort seinen Wohnsitz gehabt habe, beschloss das Gericht, die vom
Prozessbevollmächtigten des Klägers als Zeugin benannte anwesende Lebensgefährtin
E im Termin zu hören. Wegen der Einzelheiten der Aussage wird auf das Protokoll vom
28.09.2010, Blatt 587-590 der FG-Akte verwiesen.
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Nach Durchführung der Vernehmung von Frau E stellte der Prozessbevollmächtigte des
Klägers den weiteren Antrag, auch den Sohn von Frau E als Zeuge zu hören. Nachdem
vom Prozessbevollmächtigten zunächst ausgeführt wurde, es seien weitere Zeugen zu
hören, Namen und ladungsfähige Adressen aber nicht genannt werden könnten, wurde
die Sache vertagt.
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Nach Ergehen eines Beweisbeschlusses in Bezug auf den Zeugen E wurde die Sache
am 29.02.2010 erneut zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am
18.10.2010 geladen. Vor diesem Termin hatte das Gericht dem
Prozessbevollmächtigten des Klägers diverse Schriftstücke aus den Akten in Kopie zur
Kenntnis übersandt. Hierbei handelte es sich um Schreiben des Klägers unter seiner
Adresse C, D-Straße ..., vom 12.04.2004, 14.8.2007, 23.7.2008, sowie ein Schreiben
des Gerichts vom 13.08.2008 zu Aktenzeichen 5 K 1952/04 und 5 K 2196/05, ein
Schreiben der Rechtsanwälte F & Kollegen vom 29.08.2008, sowie eine Abmeldung
des Klägers vom 02.09.2008 zum Tag des "Auszuges" aus dem Objekt C am
15.08.2008. Wegen des Inhaltes dieser Schriftstücke wird auf Blatt 96-604 der FG-Akte
verwiesen.
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Darüberhinaus übersandte der Beklagte dem Gericht Schriftwechsel zur Zuständigkeit,
welcher dem Bevollmächtigten des Klägers in Kopie ebenfalls übersandt wurde. Wegen
des Inhaltes insoweit wird auf Blatt 625 bis 634 der FG-Akte verwiesen. Eine
Stellungnahme des Bevollmächtigten, insbesondere die Benennung weiterer Zeugen,
erfolgte bis zum Termin 18.10.2010 nicht.
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Im Termin am 18.10.2010 wurde zunächst der Zeuge E gehört. Wegen des Ergebnisses
der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
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Im Übrigen führte der Bevollmächtigte des Klägers aus, es bestünden weiterhin
Unklarheiten hinsichtlich der Wohnungsfrage, weshalb weitere Zeugen gehört werden
sollten. Benannt wurden Nachbarn von Frau E. Der Bevollmächtigte rügte gleichzeitig
die Nichterhebung des Beweises. Darüber hinaus führte der Bevollmächtigte aus,
soweit der Beklagte sich auf § 26 der Abgabenordnung (AO) berufe, gelte diese
Vorschrift im Streitfalle nicht, weil hier ursprünglich das Finanzamt O zuständig gewesen
sei und der Wechsel zum beklagten Finanzamt zweifelhaft gewesen sei. Soweit der
Beklagte ausführe, die örtliche Zuständigkeit sei unbeachtlich, wenn in der Sache keine
andere Entscheidung hätte getroffen werden können, sei festzustellen, dass nicht
ausgeschlossen sei, dass das Finanzamt O entweder nicht geschätzt hätte oder die
Schätzung anders ausgefallen wäre. Im Übrigen sei nicht geklärt, ob der Kläger nicht
doch eine Einkommensteuererklärung für 2001 abgegeben habe.
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Der Kläger beantragt,
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den Einkommensteuerbescheid 2001 vom 02.02.2004 in Gestalt des
Änderungsbescheides vom 22.03.2010 und die dazu ergangene
Einspruchsentscheidung vom 27.04.2005 ersatzlos aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Seiner Auffassung nach ist das Finanzamt P in 2004 zuständig gewesen. Jedenfalls
habe er, der Beklagte, unter Berücksichtigung des Schriftverkehrs mit dem Kläger keine
Kenntnis von einer möglichen anderen örtlichen Zuständigkeit in 2004 gehabt. Der
Einzug des Klägers in den Zuständigkeitsbereich des Finanzamtes O habe erst nach
dem Schreiben von Frau E vom 15.11.2008 stattgefunden. Im Übrigen gelte § 26 AO
sowie § 127 AO. Zur geänderten Steuerfestsetzung als solcher habe der Kläger bisher
keine Ausführungen gemacht.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist unbegründet.
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Entgegen der Auffassung des Klägers war das beklagte Finanzamt berechtigt, den
ursprünglichen Einkommensteuerbescheid 2001 vom 02.02.2004 zu erlassen. Der
Beklagte war zu diesem Zeitpunkt örtlich zuständig im Sinne des § 19 Abs. 1 AO.
Danach ist für die Besteuerung natürlicher Personen nach dem Einkommen das
Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz,
oder in Ermangelung eines Wohnsitzes, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Hieraus
ergibt sich, dass der Wohnsitz einer natürlichen Person maßgeblich ist für die
Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit und nur dann, wenn ein solcher nicht gegeben
ist, der gewöhnliche Aufenthalt maßgeblich ist.
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Wann und wo ein Wohnsitz gegeben ist, ergibt sich aus § 8 AO. Danach hat jemand
einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen inne hat, die darauf
schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und als solche benutzen wird (vgl.
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nur Urteile des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 14.11.1969 III R 95/68, BStBl II 1970, 153,
vom 19.03.1997 I R 69/96, BStBl II 1997, 447 und vom 28.01.2004 I R 56/02, BFH/NV
2004, 917). Für die Bestimmung des Wohnsitzes ist weder die polizeiliche Anmeldung
ausschlaggebend (Urteil des BFH vom 10.11.1978 VI R 127/76, BStBl II 1979, 335),
noch ist maßgeblich, wo sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen eines
Steuerpflichtigen befindet (Urteil des BFH vom 19.03.1997 I R 69/96 a.a.O.).
Entscheidend ist, ob zum Wohnen geeignete Räume vorhanden sind und der
Steuerpflichtige über diese Wohnung tatsächliche Verfügungsgewalt hat. Die Wohnung
muss dem Inhaber jederzeit als Bleibe zur Verfügung stehen (Urteil des BFH vom
19.03.1997 I R 69/96 a.a.O.). Nicht erforderlich ist, dass die Wohnung regelmäßig
aufgesucht wird (Urteil des BFH vom 28.01.2004 I R 56/02 a.a.O. m.w.N.).
Dies berücksichtigend ist im Streitfalle von einem Wohnsitz des Klägers in 2004 in ... C,
D-Straße ..., und damit von einer örtlichen Zuständigkeit des beklagten Finanzamtes P
auszugehen (vgl. hierzu Verordnung über die Zuständigkeiten der Finanzämter vom
16.12.1987, BStBl I 47).
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Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks in C. In diesem Objekt hat er nach
Aktenlage jahrelang mit seiner Tochter gelebt. Auch hat er jahrelang in seinen
Steuererklärungen angegeben, im Erdgeschoss des ansonsten vermieteten Objektes
selbst gewohnt zu haben, was sich nicht nur aus den Angaben des Klägers im
anhängigen Verfahren, sondern auch aus den Akten zu den Klageverfahren 5 K
1952/04 und 5 K 2196/05 ergibt. Bis heute hat er nach Aussage der Zeugin E die
Wohnung auch nicht vermietet, diese vielmehr in unverändertem Zustand gelassen. Die
Verhältnisse sind laut Frau E unverändert. Danach wohnt der Kläger - nach dem
Wortverständnis also auch heute noch - im Erdgeschoss des Objektes in C, wo er immer
gewohnt hat. Diese Aussage ist ungeachtet der im November 2008 durchgeführten
"Anmeldung" in B1 eindeutig und spricht für das Beibehalten des einmal gegründeten
Wohnsitzes in C. Bei dem von der Zeugin dargestellten und vom Kläger selbst nicht
bestrittenen Sachverhalt von einer reinen Meldeadresse auszugehen, so wie vom
Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung behauptet, ist abwegig. Es
widerspräche jeder Lebenserfahrung, dass der Kläger seine eigene, immerhin 115 qm
große Wohnung über viele Jahre (bis heute in 2010) komplett eingerichtet bestehen
lässt, ohne diese, wenn auch möglicherweise nur selten, für eigene Zwecke nutzen zu
wollen. Dies gilt jedenfalls deshalb, weil der Kläger keine besonderen Umstände
dargetan hat, um diese Vermutung zu widerlegen (vgl. Urteil des BFH vom 17.05.1995 I
R 8/94, BStBl II 1996, 2).
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Der Vermutung, dass der Kläger in 2004 seine Wohnung in C für eigene Zwecke inne
hatte und weiterhin genutzt hatte, steht nicht die Aussage der Zeugin E entgegen,
wonach der Kläger in 2004 bei ihr eingezogen sein soll. Abgesehen davon, dass die
Zeugin sich auf Nachfrage durch das Gericht nicht mehr genau erinnern konnte, spricht
auch das ganze Verhalten des Klägers für die Beibehaltung des vor Jahren
eingerichteten Wohnsitzes in C. So hat der Kläger in 2004 bis ins Jahr 2008 unter dieser
Adresse Schriftverkehr mit dem Beklagten geführt und beim Finanzgericht die Klagen
zur Einkommensteuer 1999 bis zum Streitjahr 2001 in 2004 und 2005 anhängig
gemacht. Er hat sogar auf Nachfrage durch das Gericht noch in 2008 durch seine
damaligen Prozessvertreter klarstellen lassen, dass die Adresse von Frau E nur als
Nachsendeanschrift diente, um während seiner häufigen urlaubs- und
krankheitsbedingten Abwesenheit Zustellungen zu ermöglichen. Hätte der Kläger schon
in 2004 seinen Wohnsitz in B1 bei Frau E gehabt, wäre sein Beharren auf der Adresse
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in C nicht nachvollziehbar. Der Kläger selbst hat im anhängigen Klageverfahren auch
nie vorgetragen, dass sein Wohnsitz in 2004 dort gewesen sein soll, wohin er sich seine
Post zwecks sicheren Erhalts hat nachsenden lassen. Vielmehr hat er erstmals Ende
2008, durch Schreiben von Frau E vom 15.11.2008, dem Gericht mitteilen lassen, dass
er sich in B1, in der Wohnung von Frau E, an- also noch nicht einmal umgemeldet habe,
und dies zudem ohne Angaben dazu, ob er gleichzeitig seine Wohnung in C
aufgegeben habe. Die Umstände sprechen daher dafür, dass der Kläger seinen
Wohnsitz in C, jedenfalls in 2004, noch nicht aufgegeben hatte. Denn von der Aufgabe
einer Wohnung kann nur dann gesprochen werden, wenn diese aufgelöst und nicht
mehr benutzt wird, wofür im Streitfalle keine Anhaltspunkte bestehen.
Nach Überzeugung des Gerichts hatte damit der Kläger in 2004, so wie in den Jahren
zuvor, in C eine eigene Wohnung inne, über die er jederzeit verfügen konnte und auch
wollte, weshalb er bis heute deren Zustand unverändert belassen hat. Diese Wohnung
hat er in 2004 nach Überzeugung des Gerichts auch genutzt, ohne dass es, anders als
bei einer Neubegründung eines Wohnsitzes, darauf ankommt, wie oft dies in 2004 der
Fall war. Der Kläger hat bis ins Jahr 2008 nach außen eindeutig zu erkennen gegeben,
dass sein Wohnsitz in C ist, weshalb er Wert auf die Nennung dieser Adresse in seinem
nach außen gerichteten Auftritt gegenüber Behörden legte. Dementsprechend hat er
nicht, jedenfalls nicht im Streitjahr 2004, zu erkennen gegeben, dass er diesen Wohnsitz
aufgegeben habe. Erstmals im Klageverfahren zur Einkommensteuer 2001 und dort erst
nach Einschaltung des Rechtsanwaltsbüros H in 2010, also fünf Jahre nach
Klageerhebung, wurde vorgetragen, dass der Wohnsitz des Klägers in 2004 in B1 und
damit nicht im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gewesen sei. Das Gericht geht
daher davon aus, dass dieser Vortrag jeglicher Grundlage entbehrt.
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Die Aussage des Zeugen E ändert an diesem Ergebnis nichts, da dieser nur zu
Aufenthalten des Klägers im Hause seiner Mutter Ausführungen machen konnte. Auch
häufige Aufenthalte des Klägers im Haus seiner Lebensgefährtin sind jedoch nach § 19
Abs. 1 AO für die örtliche Zuständigkeit des Finanzamtes solange unbeachtlich, wie der
Kläger einen Wohnsitz in C hatte, was zuvor festgestellt wurde.
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Dementsprechend konnte das Gericht auch auf die Aussagen der Eheleute Q, den
Nachbarn von Frau E, verzichten. Denn selbst bei Unterstellung einer Aussage dieser
Zeugen dahingehend, dass sich der Kläger ständig in B1 aufgehalten habe - was in
Anbetracht der häufigen krankheits- und urlaubsbedingten Abwesenheit des Klägers
einerseits und der nicht wahrscheinlichen dauerhaften Kontrolle durch die Nachbarn
andererseits nicht zu erwarten gewesen sein dürfte - änderte eine entsprechende
Aussage zugunsten des Klägers nichts an der örtlichen Zuständigkeit des Beklagten in
2004. Denn nach den vorangegangenen Ausführungen hatte der Kläger in 2004 seinen
Wohnsitz in C, welcher nach § 19 Abs. 1 AO für die Zuständigkeitsbestimmung
maßgeblich ist. Ein ständiger Aufenthalt des Klägers bei seiner Freundin in B1 änderte
hieran nichts.
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Hatte aber der Kläger nach Überzeugung des Gerichts in C seinen Wohnsitz, so
bedurfte es auch keiner Ausführungen zu § 127 AO, das heißt dazu, ob der
Einkommensteuerbescheid 2001 trotz fehlender örtlicher Zuständigkeit des Beklagten
rechtmäßig ist. Denn die angefochtene Einkommensteuerfestsetzung 2001 erging in
örtlicher Zuständigkeit des Beklagten.
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Ebenso bedurfte es keiner Ausführungen zu § 26 AO. Denn die Kenntnis des
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Finanzamtes in diesem Zusammenhang ist nur dann von Bedeutung, wenn ein
Verwaltungsakt nach Zuständigkeitswechsel von der inzwischen nicht mehr
zuständigen Behörde erlassen wurde, was im Streitfalle nicht gegeben ist.
Auch in der Sache konnte der Kläger mit seinem Antrag auf Aufhebung der
Einkommensteuerfestsetzung 2001 keinen Erfolg haben. Der Kläger hatte im Streitjahr
2001 unstreitig steuerpflichtige Einkünfte, so wie dies unter Berücksichtigung des
Klägervortrages durch Vorlage diverser Unterlagen im
Einkommensteueränderungsbescheid 2001 vom 22.03.2010 erfasst wurde. Der Kläger
hat auch nicht vorgetragen, dass bzw. inwieweit der die Schätzung vom 02.02.2004
ändernde Einkommensteuerbescheid zu beanstanden sein soll, sei es, weil
Besteuerungsgrundlagen zu Unrecht berücksichtigt bzw. nicht berücksichtigt wurden.
Das Gericht geht daher mangels ersichtlichen Fehlers bei der
Einkommensteuerfestsetzung 2001 in Gestalt des Änderungsbescheides vom
22.03.2010 von der Rechtmäßigkeit dieses Bescheides aus, so dass die Klage auch
unter dem Aspekt der materiellen Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerfestsetzung
erfolglos bleiben musste.
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Im Ergebnis war daher die Klage abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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