Urteil des FG Köln vom 03.11.2010

FG Köln (lieferung, unternehmer, umsatzsteuer, juristische person, gegenstand, erwerb, steuerbefreiung, eugh, spanien, zeitpunkt)

Finanzgericht Köln, 4 K 4262/08
Datum:
03.11.2010
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 4262/08
Tenor:
Der Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 26.10.2007 wird dergestalt
geändert, dass die Umsatzsteuer 2004 in Höhe von ./. 19.249,18 €
festgesetzt wird.
Die Einspruchsentscheidung vom 14.11.2008 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt. Das Urteil
ist we-gen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig
vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des
Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die
Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Klägerin, eine GmbH, wurde mit Vertrag vom 01.08.2002 gegründet. Gegenstand
des Unternehmens ist der Handel sowie der Im- und Export von Waren aller Art,
insbesondere von gebrauchten und neuen Maschinen und Zubehörteilen.
2
Am 26.10.2006 begann das seinerzeit für die Klägerin zuständige Finanzamt (FA) B mit
einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung für die Jahre 2004 und 2005 mit dem
Prüfungsschwerpunkt "innergemeinschaftliche Lieferungen" (Umsatzsteuer-Sonderprü-
fungsbericht vom 01.08.2007).
3
Die Prüferin stellte fest, dass die Klägerin in den Streitjahren u. a.
Geschäftsbeziehungen zur spanischen Firma C (C) hatte. Die Lieferungen an die C
hatte die Klägerin als innergemeinschaftliche Lieferungen umsatzsteuerfrei behandelt.
Die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) der C hatte erst ab dem 24.02.2005
Gültigkeit. Lieferungen von Maschinen waren nach den Feststellungen der Prüferin aber
bereits Ende 2004, also vor dem 24.02.2005 erfolgt. Die Klägerin selbst hatte bei der
zusammenfassenden Meldung für das 4. Quartal 2004 Umsätze gegenüber der C i. H. v.
213.136,00 € angegeben. Der tatsächliche Umfang der Lieferungen, der vor der
Erteilung der USt-IdNr. getätigt worden war, konnte trotz erheblicher Bemühungen
sowohl auf Seiten der Prüferin als auf Seiten der Klägerin nicht geklärt werden. Aus den
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vorgelegten Unterlagen und den erteilten Auskünften ergab sich kein schlüssiges Bild.
Deshalb wurde im Rahmen der Schlussbesprechung, die am 11.06.2007 stattfand,
Übereinstimmung erzielt, dass wegen erschwerter Sachverhaltsaufklärung eine
tatsächliche Verständigung erfolgen sollte.
Das Protokoll über eine Verhandlung zur Vereinfachung und Beschleunigung des
Besteuerungsverfahrens (tatsächliche Verständigung) hatte auszugsweise den
folgenden Wortlaut:
5
A. Vorbemerkung
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7
...
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3. Mit dem Abschluss der Vereinbarung sind die Beteiligten an die vereinbarte
Tatsachenbehandlung gebunden.
9
B. Ergebnis der Verhandlung
C. Die Verhandlungsteilnehmer stimmen darin überein, dass wegen erschwerter
Sachverhaltsermittlungen hinsichtlich folgender strittiger Punkte die
Voraussetzungen für eine tatsächliche Verständigung vorliegen:
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Es wurden insgesamt drei Maschinen an die C, Spanien verkauft. Die ID-Nr. der C
hat seit dem 24.02.2005 Gültigkeit. Es besteht Einigung darüber, dass zwei
Maschinen vor dem 24.02.2005 nach Spanien geliefert worden sind. Die
Steuerfreiheit ist für die Lieferung dieser beiden Maschinen mangels gültiger USt-
IdNr. zu versagen.
12
Für eine Maschine ist die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen zu
gewähren.
13
Der Gesamtpreis betrug 152.000,00 € (laut Rechnung vom 12.12.2006 110.000,00
€ zuzüglich der bereits im Kalenderjahr 2004 geleisteten Anzahlungen i. H. von
insgesamt 42.000,00 €).
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2. Zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung bzw. –vereinfachung und zur
Herstellung des Rechtsfriedens wird deshalb verbindlich vereinbart, hinsichtlich
der o. a. strittigen Punkte bei der Besteuerung folgenden Sachverhalt zugrunde zu
legen:
15
16
Der Wert i. H. v. 152.000,00 € für drei Maschinen ist folgendermaßen aufzuteilen:
87,5 % entfallen auf den Verkauf der beiden Maschinen, für die die Steuerfreiheit
zu versagen ist.
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12,5 % entfällt auf den Verkauf der Maschine, für die die Steuerfreiheit gewährt
wird.
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Berechnung des steuerpflichtigen Umsatzes:
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87,5 % von 152.000,00 € = 133.000,00 € (Bruttobetrag)
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Gemäß § 10 Abs. 1 UStG ist aus diesem Betrag die Umsatzsteuer heraus zu
rechnen, so dass der Nettobetrag 114.655,17 € und die zu schuldende
Umsatzsteuer 18.344,83 € beträgt.
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Das Protokoll zur tatsächlichen Verständigung wurde am 21.06.2007 vom
Sachgebietsleiter der Umsatzsteuer-Sonderprüfung und am 28.06.2007 von der
einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführerin der Klägerin (Frau A) sowie dem
damals für die Klägerin tätigen Steuerberater (Herr D) unterzeichnet.
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Der Bericht der Umsatzsteuer-Sonderprüfung bzw. das Protokoll der tatsächlichen
Verständigung wurden mit Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 26.10.2007 umgesetzt.
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Gegen den vorbezeichneten Bescheid richtet sich die nach erfolglosem
Einspruchsverfahren erhobene Klage.
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Mit Schreiben vom 30.04.2008 legte die Klägerin eine Fax-Kopie einer
Umsatzsteuererklärung der C aus dem Jahr 2006 vor und machte geltend, dass diese
Firma im Jahr 2006 einen innergemeinschaftlichen Erwerb i. H. v. 110.000,00 € erklärt
habe, der mit dem Betrag laut Rechnung vom 12.12.2006 aus dem Prüfungsbericht
korrespondiere.
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Die Klägerin vertritt die Ansicht, das FA habe ihren Lieferungen an die C zu Unrecht die
Steuerfreiheit versagt. Die Voraussetzungen des § 6a UStG seien vorliegend mit der
Lieferung an die in Spanien ansässige Gesellschaft gegeben. Dies werde – abgesehen
von dem Nachweis der USt-IdNr. - von dem FA nicht angezweifelt, auch nicht für den
Zeitraum vor dem 24.02.2005.
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Sie könne lediglich den in § 6a Abs. 3 UStG i. V. m. §§ 17a ff. UStDV vorgesehenen
Nachweis durch Vorlage einer gültigen USt-IdNr. der Abnehmerin nicht führen. Dies
stehe jedoch im vorliegenden Fall der Anerkennung der ausgeführten Lieferungen als
innergemeinschaftlich nicht entgegen. Das Vorhandensein bzw. die Gültigkeit einer
USt-IdNr. sei nicht zwingende Voraussetzung einer innergemeinschaftlichen Lieferung.
Ein entsprechendes Tatbestandsmerkmal kenne § 6a UStG nicht und könne auch nicht
über Abs. 3 Satz 2 der Vorschrift i. V. m. der UStDV konstruiert werden. Die
Nachweispflichten des Unternehmers seien keine materiellen Voraussetzungen für die
Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung. Die Regelungen des § 6a Abs. 3 UStG
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und §§ 17a ff. UStDV bestimmten lediglich, dass und wie der Unternehmer die
Nachweise zu erbringen habe, vgl. BFH-Urteil vom 16.12.2007, BFH/NV 2008, 515,
BFH-Urteil vom 08.11.2007, BFH/NV 2008, 905. Hieraus folgere der BFH weiter, dass
zumindest dann, wenn trotz der Nichterfüllung der formellen Nachweispflichten auf
Grund der objektiven Beweislage feststehe, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1
UStG vorlägen, die Steuerbefreiung zu gewähren sei. Diese Schlussfolgerung müsste
insbesondere im Hinblick auf die USt-IdNr. gelten. Gerade wenn keine ernsthaften
Zweifel an der Unternehmereigenschaft des Abnehmers und der damit verbundenen
Entlastung von der Umsatzsteuer bestünden, könne es auf die Vorlage der USt-IdNr.
letztlich nicht ankommen. Im vorliegenden Fall sei der Anfang 2004 gegründeten
spanischen Abnehmerin noch während der laufenden (Teil-) Lieferungen die USt-IdNr.
erteilt worden. Vor und nach dieser Erteilung sei die C unter der gleichen Firma am
Markt wettbewerbend tätig. Dies rechtfertige hier die Annahme, dass bereits vor dem
24.02.2005 die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Nr. 3 UStG gegeben gewesen seien.
Letztlich stehe auch die im Protokoll vom 21.06.2007 getroffene tatsächliche
Verständigung diesem Ergebnis nicht entgegen. Es sei bereits zweifelhaft, ob über eine
ermittelbare Tatsache, hier den Zeitpunkt einer innergemeinschaftlichen Lieferung von
Maschinen, überhaupt eine tatsächliche Verständigung hätte getroffen werden können.
Darüber hinaus beziehe sich die Verständigung hier lediglich auf den Zeitpunkt der
Lieferung und den jeweils zuzurechnenden Kaufpreis, nicht aber auf die Frage, welche
rechtlichen Folgen aus der erst ab dem 24.02.2005 gültigen USt-IdNr. resultierten. Dies
sei eine Frage der Veranlagung, die mit dem Einspruch vom 27.11.2007 angegriffen
worden sei.
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Die Klägerin beantragt,
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1.) die mit Bescheid vom 26.10.2007 festgesetzte Umsatzsteuer 2004 unter
Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 14.11.2008 i. H. v. 18.344,83 €
niedriger festzusetzen;
30
2.) hilfsweise, die Revision zuzulassen.
31
Der Beklagte beantragt,
32
1.) die Klage abzuweisen;
33
2.) hilfsweise, die Revision zuzulassen.
34
Der Beklagte vertritt die Ansicht, er habe für die Lieferungen an die spanische Firma C
im Umfang von netto 114.655,00 € zu Recht die Steuerbefreiung für
innergemeinschaftliche Lieferungen versagt. Bei der rechtlichen Beurteilung sei der
Sachverhalt zugrunde zu legen, wie er bei der tatsächlichen Verständigung vereinbart
worden sei.
35
Die im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung zulässig getroffene tatsächliche
Verständigung sei wirksam. Faktoren, die die Zulässigkeit der tatsächlichen
Verständigung ausschlössen, seien nicht erkennbar. Darunter würde im vorliegenden
Fall insbesondere eine Vereinbarung über die Rechtsfrage fallen, welche
steuerrechtlichen Folgen daraus zu ziehen seien, dass die Klägerin bereits Maschinen
an die Firma C geliefert gehabt habe, bevor diese eine gültige USt-IdNr. gehabt habe.
36
Über die rechtliche Wirkung der fehlenden USt-IdNr. hätten sich die Beteiligten aber
nicht verständigt. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut bzw. der Auslegung der
tatsächlichen Verständigung und sei im Übrigen von der Prüferin bestätigt worden. Aus
dem bloßen Umstand, dass bei Unterzeichnung der tatsächlichen Verständigung auch
auf Seiten der Klägerin beteiligte Personen von einer Umsatzsteuerpflicht derjenigen
Lieferungen ausgegangen seien, die vor dem 24.02.2005 erfolgt seien, könne nicht
geschlossen werden, dass diese Rechtsfrage ebenfalls Gegenstand der tatsächlichen
Verständigung gewesen sei. Die Verständigung habe vielmehr Vorfragen zum
Sachverhalt betroffen, die geklärt hätten werden müssen, damit die steuerlichen
Folgerungen aus der Nichtanerkennung der Steuerbefreiung wegen der fehlenden USt-
IdNr. gezogen werden konnten.
Die streitigen Lieferungen seien nicht als innergemeinschaftliche Lieferungen nach § 4
Nr. 1 Buchst. b UStG steuerfrei.
37
Eine innergemeinschaftliche Lieferung liege nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG vor, wenn
bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt seien:
38
1. Der Unternehmer oder der Abnehmer habe den Gegenstand der Lieferung in das
übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet;
2. der Abnehmer ist
39
a. ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen
erworben hat,
b. eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der
Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c. bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber
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41
42
und
43
3. der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem
anderen Mitgliedsstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung.
44
45
Nach § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG müsse der Unternehmer die Voraussetzungen des § 6a
Abs. 1 UStG nachweisen. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) könne mit
Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der
46
Unternehmer den Nachweis zu führen habe (§ 6a Abs. 3 Satz 2 UStG).
Das BMF habe von dieser Ermächtigung in § 17a Abs. 1 der Umsatzsteuer-
Durchführungsverordnung (UStDV) und in § 17c UStDV Gebrach gemacht.
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Der Unternehmer müsse gemäß § 17 c UStDV die Voraussetzungen der
Umsatzsteuerbefreiung buchmäßig nachweisen. Die Voraussetzungen müssten
eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung ersichtlich sein (sog.
Buchnachweise). Zur Führung des Buchnachweises müsse der Unternehmer die USt-
IdNr. des Abnehmers aufzeichnen (§ 17c Abs. 1 UStDV).
48
Die Verpflichtung des Unternehmers aus § 6a Abs. 3 UStG, die Voraussetzungen einer
innergemeinschaftlichen Lieferung nach Maßgabe der §§ 17a, 17c UStDV
nachzuweisen, sei mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar.
49
Im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung seien keine Feststellungen getroffen
worden, die zu Zweifeln Anlass geben würden, dass die Maschinen zur Abnehmerin
nach Spanien gelangt seien. Es fehle jedoch an der Aufzeichnung der USt-IdNr. (§ 17c
Abs. 1 UStDV). Soweit die Klägerin die USt-IdNr. aufgezeichnet habe, könne dies nicht
vor dem 24.02.2005 geschehen sein, weil die Firma C vorher noch keine USt-IdNr.
gehabt habe. Eine gültige USt-IdNr. des Abnehmers sei jedoch Voraussetzung für das
Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung i. S. des § 4 Nr. 1b UStG. Dieser
Schluss folge aus der Auslegung des § 6a Abs. 1 Nr. 3 UStG. Eine Steuerbefreiung sei
gemäß § 6a Abs. 1 Nr. 3 UStG nur zu gewähren, wenn "der Erwerb des Gegenstandes
der Lieferung beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedsstaat den Vorschriften der
Umsatzbesteuerung unterliege".
50
Durch die Verlagerung der Besteuerung vom Ursprungslandmitgliedsstaat auf den
Bestimmungsmitgliedsstaat ergäbe sich systembedingt die Notwendigkeit, die
steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung von der steuerlichen Erfassung des
Abnehmers in dem empfangenden EU-Mitgliedsstaat abhängig zu machen. Die
Aufzeichnung der ID-Nr. nach § 17c Abs. 1 UStDV gehöre zwar nicht ausdrücklich zu
den Tatbestandsmerkmalen des § 6a Abs. 1 UStG. Da aber die Voraussetzungen des §
6a Abs. 1 Nr. 3 UStG praktisch nicht nachgewiesen werden könnten, trete an die Stelle
des Nachweises dieser Voraussetzung die Aufzeichnungspflicht der USt-IdNr. des
Abnehmers. Verwende der Erwerber gegenüber dem inländischen Unternehmer eine
ihm von dem anderen Mitgliedsstaat zugeteilte USt-IdNr. könnten die Voraussetzungen
des § 6a Abs. 1 Nr. 3 UStG als erfüllt angesehen werden. Denn damit gebe der
Erwerber zu erkennen, dass er den Gegenstand steuerfrei erwerben wolle, weil er den
Erwerb in dem anderen Mitgliedsstaat versteuern müsse (Sölch/Ringleb, UStG, § 6a
UStG Rz. 35, 50). Der Unternehmer habe nicht nachzuweisen, dass der Erwerber des
Gegenstandes die Erwerbsbesteuerung tatsächlich durchgeführt habe (BMF-Schreiben
vom 29.03.1996, BStBl I 1996, 458).
51
Damit sei die USt-IdNr. als Buchnachweis mangels anderer Nachweismöglichkeiten für
das Vorliegen der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Nr. 3 UStG von entscheidender
Bedeutung. Das gelte auch in zeitlicher Hinsicht, denn die Voraussetzungen des § 6a
Abs. 1 UStG müssten im Zeitpunkt der Lieferung vorliegen.
52
Die Lieferung der Maschinen auf Seiten der Klägerin bzw. der Erwerb der Maschinen
auf Seiten der C sei hinsichtlich der streitbefangenen Umsätze nicht unter Verwendung
53
einer (gültigen) USt-IdNr. der Abnehmerin erfolgt.
Soweit die Klägerin im Einspruchsschreiben vortrage, dass ein etwa vorliegender
Mangel geheilt worden sei, weil die im Jahr 2004 verwendete USt-IdNr. mit der später
gültigen USt-IdNr. identisch sei, könne dieser Auffassung nicht gefolgt werden.
54
Anders als in Deutschland, wo die USt-IdNr. in ihrer Zusammensetzung völlig
unabhängig von der StNr. vergeben werde, sei die St-Nr. in Spanien Bestandteil der
USt-IdNr. Der StNr. würden lediglich die Buchstaben ES (für Spanien) vorangestellt.
Über die Gültigkeit bzw. das Vorliegen einer USt-IdNr. des Abnehmers könne sich der
Lieferant über eine Bestätigungsanfrage beim Bundesamt für Finanzen nach § 18e Nr. 1
UStG Gewissheit verschaffen. Er müsse sich nicht allein auf die Angaben des
Abnehmers verlassen.
55
Im Streitfall seien zum Zeitpunkt der Lieferungen die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1
Nr. 3 UStG nicht erfüllt. Die geltend gemachte Steuerbefreiung sei daher nicht zu
gewähren.
56
Entscheidungsgründe
57
Die Klage ist begründet.
58
Die streitigen Lieferungen sind entgegen der Auffassung des FA steuerfrei. Dass die
Abnehmerin dieser Lieferungen zum Zeitpunkt der Lieferungen nicht über eine USt-IdNr.
verfügte ist unschädlich, weil zur Überzeugung des Senats feststeht, dass die von § 6a
Abs. 1 Satz 1 UStG geforderten Voraussetzungen für die Annahme von steuerbefreiten
innergemeinschaftlichen Lieferungen vorlagen.
59
1.
liegt nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden
Voraussetzungen erfüllt sind:
60
1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige
Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet;
61
2. der Abnehmer ist
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a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben
hat,
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b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der
Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
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c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber
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und
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3. der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem
anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung.
67
a)
68
28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der im Streitjahr geltenden Sechsten Richtlinie des
Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten
über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach befreien die
Mitgliedstaaten u.a. die Lieferungen, die durch den Erwerber nach Orten außerhalb des
Inlandes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese
Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen bewirkt werden, der als solcher in
einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versandes oder der Beförderung
des Gegenstandes handelt (BFH-Urteil vom 06.12.2007 V R 59/03, BFHE 219, 469,
BStBl II 2009, 57).
Nach der Rechtsprechung des EuGH setzt die innergemeinschaftliche Lieferung --in
Übereinstimmung mit den nationalen Grundsätzen-- neben den Anforderungen an den
Abnehmer voraus, dass die Befugnis, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu
verfügen, auf den Erwerber übergegangen ist und der gelieferte Gegenstand vom
Lieferstaat in einen anderen Mitgliedstaat physisch verbracht worden ist (EuGH-Urteile
vom 27.09.2007 Rs. C-409/04, Teleos u.a., UR 2007, 774 Randnrn. 42, 70; vom
27.09.2007 Rs. C-184/05, Twoh, UR 2007, 782 Randnr. 23). Hingegen ist nicht
erforderlich, dass der innergemeinschaftliche Erwerb tatsächlich besteuert worden ist
(EuGH-Urteil Teleos u.a. in UR 2007, 774 Randnrn. 69 ff.).
69
b)
vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das bedeutet, dass der Unternehmer einer
innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nur nachweisen muss, dass der Gegenstand
der Lieferung in einen anderen Mitgliedstaat gelangt ist, sondern auch, dass die
Abnehmervoraussetzung des Abs. 1 Nr. 2 und die Steuerpflicht des
innergemeinschaftlichen Erwerbs vorliegen (Treiber in Sölch, Ringleb § 6a UStG Rz.
51).
70
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) kann mit Zustimmung des Bundesrates
durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat
(§ 6a Abs. 3 Satz 2 UStG).
71
Dazu ist in § 17a Abs. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) geregelt
worden, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der Unternehmer im
Geltungsbereich dieser Verordnung durch Belege nachweisen muss, dass er oder der
Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert
oder versendet hat; dies muss sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar
ergeben (sog. Belegnachweis).
72
Ferner bestimmt § 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV, dass bei innergemeinschaftlichen
Lieferungen der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung die
Voraussetzungen der Steuerbefreiung einschließlich USt-IdNr. des Abnehmers
buchmäßig nachweisen muss; die Voraussetzungen müssen gemäß § 17c Abs. 1 Satz
2 UStDV "eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen" sein (sog.
Buchnachweis).
73
Der zwingend vorgeschriebenen Aufzeichnung der USt-IdNr. des Abnehmers kommt
deshalb besondere Bedeutung zu, weil sie zusammen mit der zusammenfassenden
Meldung (§ 18a UStG) in praktikabler Weise die Möglichkeit eröffnet, die Besteuerung
des innergemeinschaftlichen Umsatzes im Bestimmungsland zu gewährleisten. Die
zutreffende Erfassung im Bestimmungsland setzt voraus, dass der Unternehmer die
74
richtige USt-IdNr. des wirklichen Abnehmers aufgezeichnet hat und diese USt-IdNr. im
Zeitpunkt der Lieferung schon oder noch gültig war. Hat das Bundeszentralamt für
Steuern dem Unternehmer auf Anfrage nach § 18e UStG die Gültigkeit einer USt-IdNr.
bestätigt, so hat der liefernde Unternehmer seine Nachweispflichten – was die
Aufzeichnung der USt-IdNr. betrifft – erfüllt, wenn der Inhaber der USt-IdNr. tatsächlich
Abnehmer der Lieferung war (vgl. Treiber in Sölch/Ringleb UStG § 6a UStG Rz. 82 m.
w. N.).
c)
75
"Hinsichtlich der Nachweise, die die Steuerpflichtigen für eine Mehrwertsteuerbefreiung
zu führen haben, ist festzustellen, dass die Sechste Richtlinie keine Vorschrift enthält,
die sich unmittelbar mit dieser Frage befasst. Sie bestimmt lediglich in Art. 28c Teil A
erster Halbsatz, dass die Mitgliedstaaten die Bedingungen für die Befreiung
innergemeinschaftlicher Lieferungen von Gegenständen festlegen" (EuGH-Urteil Collée
in UR 2007, 813 Randnr. 24, IStR 2007, 747, HFR 2007, 1256, BFH/NV Beilage 2008,
34).
76
"Art. 22 der Sechsten Richtlinie regelt zwar bestimmte formelle Pflichten der
Steuerschuldner in Bezug auf Aufzeichnungen, Rechnungen, Steuererklärungen und
die der Finanzverwaltung vorzulegende Aufstellung. Nach Abs. 8 dieses Artikels
können die Mitgliedstaaten jedoch weitere Pflichten vorsehen, die sie als erforderlich
erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und
Steuerhinterziehungen zu verhindern …
77
Aus der ständigen Rechtsprechung ergibt sich, dass die Maßnahmen, die die
Mitgliedstaaten nach Art. 22 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie erlassen dürfen, um eine
genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu verhindern,
nicht über das hinausgehen dürfen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist …
Sie dürfen daher nicht so eingesetzt werden, dass sie die Neutralität der Mehrwertsteuer
in Frage stellen, die ein Grundprinzip des durch das einschlägige Gemeinschaftsrecht
geschaffenen gemeinsamen Mehrwertsteuersystems ist" (EuGH-Urteil Collée in UR
2007, 813 Randnrn. 25, 26, IStR 2007, 747, HFR 2007, 1256, BFH/NV Beilage 2008,
34).
78
Der Grundsatz der Neutralität erfordert es, dass "die Mehrwertsteuerbefreiung gewährt
wird, wenn die materiellen Anforderungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige
bestimmten formellen Anforderungen nicht genügt hat. Anders verhielte es sich nur,
wenn der Verstoß gegen die formellen Anforderungen den sicheren Nachweis
verhinderte, dass die materiellen Anforderungen erfüllt wurden" (EuGH-Urteil Collée in
UR 2007, 813 Randnr. 31, IStR 2007, 747, HFR 2007, 1256).
79
"Bei der Ausübung ihrer Befugnisse müssen die Mitgliedstaaten … die allgemeinen
Rechtsgrundsätze beachten, zu denen u. a. die Grundsätze der Rechtssicherheit und
der Verhältnismäßigkeit gehören" (EuGH-Urteil Twoh in UR 2007, 782 Randnr. 25).
80
d)
die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nach Maßgabe der §§
17a, 17c UStDV nachzuweisen, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist (vgl. bereits
BFH-Urteile vom 18.07.2002 V R 3/02, BFHE 199, 80, BStBl II 2003, 616, unter II. 2. b;
vom 01.02.2007 V R 41/04, BFH/NV 2007, 1059, unter II. 2. b).
81
Die Nachweispflichten sind aber keine materiellen Voraussetzungen für die Befreiung
als innergemeinschaftliche Lieferung. Soweit die bisherige Rechtsprechung (BFH-
Beschlüsse vom 02.04.1997 V B 159/96, BFH/NV 1997, 629; vom 05.02.2004 V B
180/03, BFH/NV 2004, 988; BFH-Urteil vom 30.03.2006 V R 47/03, BFHE 213, 148,
BStBl II 2006, 634, unter II. 2. a) von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, hält der
BFH angesichts der dargelegten neueren Rechtsprechung des EuGH daran nicht mehr
fest. Dies gilt auch für die Aufzeichnung der USt-IdNr. (BFH-Urteil vom 06.12.2007 V R
59/03, BFHE 219, 469, BStBl II 2009, 57, Treiber in Sölch/Ringleb UStG § 6a UStG Rz.
52, 80 m. w. N., Schwarz in Vogel/Schwarz UStG § 6a UStG Rz. 100, Leonard in
Buntjes/Geist UStG § 6a UStG Rz. 47).
82
Die Regelungen des § 6a Abs. 3 UStG und §§ 17a, 17c UStDV bestimmen vielmehr
lediglich, dass und wie der Unternehmer die Nachweise zu erbringen hat. Diese
Formvorschriften haben lediglich dienende Funktion. Sie sollen die Prüfung der
Einhaltung der Voraussetzungen der Abs. 1 oder Abs. 2 des § 6a UStG ermöglichen, vor
allem die Beförderungen oder Versendung der Gegenstände zum angegebenen
Abnehmer in das übrige Gemeinschaftsgebiet und die Steuerpflicht des
innergemeinschaftlichen Erwerbs in dem anderen Mitgliedstaat. Wo dies feststeht, sind
formelle Fehler grundsätzlich zu vernachlässigen (vgl. Treiber in Sölch/Ringleb UStG §
6a UStG Rz. 52).
83
Daraus folgt: Kommt der Unternehmer seinen Nachweispflichten nicht nach, ist
grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer
innergemeinschaftlichen Lieferung (§ 6a Abs. 1 UStG) nicht erfüllt sind. Etwas anderes
gilt ausnahmsweise nur dann, wenn trotz der Nichterfüllung der --formellen--
Nachweispflichten aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die
Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen. Dann ist die Steuerbefreiung zu
gewähren, auch wenn der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG erforderlichen
Nachweise nicht erbringt (BFH-Urteil vom 06.12.2007 V R 59/03, BFHE 219, 469, BStBl
II 2009, 57). In Streitfällen müssen zukünftig die Finanzgerichte im Rahmen ihrer
tatsächlichen Würdigung der vorliegenden Beweise, die der BFH nach § 118 Abs. 2
FGO nur eingeschränkt überprüfen kann (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 27.04.1995 V R 2/94,
BFH/NV 1996, 184) entscheiden, ob Sie trotz eines Verstoßes gegen die
Nachweispflichten des § 6a Abs. 3, §§ 17a ff UStDV von der Erfüllung der materiellen
Voraussetzungen der Abs. 1 oder 2 überzeugt sind oder nicht. Für diese
Überzeugungsbildung ist erforderlich, dass das Gericht persönliche Gewissheit in einem
Maße erlangt, dass es an sich mögliche Zweifel überwindet und sich von einem
bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann (vgl. z. B. BFH-Beschluss vom
11.07.2007 IV B 121/06, BFH/NV 07/2241), wobei der Richter nicht eine von allen
Zweifeln freie Überzeugung anstreben darf, sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen
vielmehr mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit
überzeugen muss (vgl. BFH-Urteil vom 24.03.1987 VII R 155/85, BFH/NV 1987, 560).
Alle Indizien, die für oder gegen das Vorliegen einer Tatsache sprechen sind zu
berücksichtigen und in eine Gesamtwürdigung einzubeziehen (vgl. BFH-Urteil vom
14.09.1999 IX R 59/96, BFHE 189, 428, BStBl II 2000, 67). Im Rahmen dieser
Würdigung kann das Gericht zwar auch die Nichterfüllung der §§ 17a ff UStDV mit
berücksichtigen (Die Nichterfüllung der Nachweispflichten spricht gegen eine
innergemeinschaftliche Lieferung.). Allerdings kann das Gericht gleichwohl davon
überzeugt sein, dass die materiellen Voraussetzungen des 6a Abs. 1 UStG vorliegen.
Verbleibende Zweifel gehen zu Lasten des Lieferers, der sich auf die Befreiung beruft
84
(vgl. Sölch/Ringleb § 6a UStG Rz. 55 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH).
2.
Buchnachweis steuerfrei.
85
a)
vor. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das
übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet.
86
Über dieses Tatbestandsmerkmal des § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG haben sich die
Beteiligten tatsächlich verständigt. Denn es wurde ausdrücklich vereinbart, dass zwei
Maschinen vor Erteilung der USt-IdNr. nach Spanien geliefert wurden.
87
An der Wirksamkeit dieser Verständigung bestehen keine Zweifel.
88
In der Rechtsprechung des BFH ist die Zulässigkeit tatsächlicher Verständigungen
grundsätzlich anerkannt. In Fällen erschwerter Sachverhaltsermittlung dient es der
Förderung und Beschleunigung des Besteuerungsverfahrens und allgemein dem
Rechtsfrieden, besondere Vereinbarungen über eine bestimmte (steuerliche)
Behandlung von Sachverhalten (nicht aber über das anzuwendende Recht) zuzulassen.
Tatsächliche Verständigungen dienen dem Ziel, Unsicherheiten und Ungenauigkeiten
in einem konkreten Besteuerungssachverhalt zu beseitigen (BFH Urteil vom 22.09.2004
- III R 9/03, BFHE 207, 549, BStBl II 2005, 160).
89
Die im vorliegenden Fall getroffene tatsächliche Verständigung war danach zulässig.
Hierauf weist der Beklagte zu Recht in seiner Einspruchsentscheidung hin. Die bei der
Prüfung vorgelegten Unterlagen und die erteilten Auskünfte ließen weder einen
eindeutigen und sicheren Schluss zu, wann die Maschinen jeweils geliefert worden
waren, noch welches Entgelt der jeweiligen Maschine zuzuordnen war. Im letzteren Fall
lag ein Bewertungsspielraum vor, während die zeitliche Zuordnung in den Bereich der
Beurteilung bzw. Beweiswürdigung fiel.
90
Ob die Beteiligten sich zugleich auch über die Frage einigen wollten, dass die vor der
Erteilung der ID-Nr. abgewickelten Lieferungen zu steuerpflichtigen Umsätzen der
Klägerin führten, mag im Streitfall dahingestellt bleiben. Selbst wenn dies der Fall
gewesen wäre und aus diesem Grund dieser Teil der Vereinbarung unwirksam wäre, da
nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, Vereinbarungen über
Rechtsfragen unzulässig sind (vgl. Seer in Tipke/Kruse AO/FGO Vor § 118 AO Rz. 10
unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH), würde dies die Wirksamkeit der
übrigen Verständigung nicht berühren. Das gilt jedenfalls dann, wenn, wie im Streitfall,
beide Beteiligte an dieser Vereinbarung festhalten wollen und sich an diese gebunden
fühlen.
91
Die von den Beteiligten getroffene tatsächliche Verständigung war auch in formeller
Hinsicht wirksam. Insbesondere besaßen die handelnden Personen die hierfür
erforderliche Vertretungsbefugnis. Auf Seiten der Klägerin wurde die Vereinbarung von
der einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführerin und dem von ihr bevollmächtigten
Steuerberater abgeschlossen. Für das FA handelte der Sachgebietsleiter der
Umsatzsteuer-Sonderprüfung. Dieser war zur Entscheidung über die Steuerfestsetzung
befugt.
92
b)
sein Unternehmen erwarb (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a UStG). Diese Voraussetzung für
die Annahme innergemeinschaftlicher Lieferungen ist zwischen den Beteiligten
unstreitig. Für ihr Vorliegen sprechen auch die Art und der Preis der gelieferten
Gegenstände, bei denen es sich um Kunststoff verarbeitende Maschinen handelte, von
denen jede einzelne netto mehrere 10.000 € kostete (vgl. hierzu auch Schwarz in
Vogel/Schwarz UStG § 6a UStG Rz. 109). Auch die Tatsache, dass der C später eine
USt-IdNr. zugeteilt wurde, spricht dafür, dass es sich bei ihr um einen Unternehmer
handelte.
93
c)
Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG).
Auch dies wird, wie der Vertreter des Beklagten im Termin der mündlichen Verhandlung
auf Frage des Vorsitzenden noch einmal bestätigt hat, vom Beklagten nicht
angezweifelt. Nach Aktenlage bestehen hieran auch keinerlei Zweifel. Denn dafür, dass
es sich bei der C um einen Kleinunternehmer gehandelt haben könnte oder diese Firma
nur steuerbefreite, den Vorsteuerabzug ausschließende, Umsätze getätigt haben
könnte, bestehen nicht die geringsten Anhaltspunkte. Vielmehr sprechen Art und Preis
der angekauften Gegenstände eindeutig dagegen. Ob die C die Lieferung der
Maschinen als innergemeinschaftlichen Erwerb tatsächlich versteuert hat, ist
demgegenüber ohne Belang. Es mag deshalb dahingestellt bleiben, ob der von der
Klägerin mit Fax-Kopie vorgelegten Umsatzsteuererklärung der C entnommen werden
kann, dass eine derartige Versteuerung erfolgt ist.
94
d)
nicht über eine USt-IdNr. verfügte ist unerheblich. Zwar hat die Klägerin aus diesem
Grund den ihr nach § 17c Abs. 1 UStDV obliegenden Buchnachweis nicht erbracht.
Dies gereicht der Klägerin aber nicht zum Nachteil, weil aufgrund der objektiven
Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorlagen. Dass
die die Klägerin vertretenden Personen bei Abschluss der tatsächlichen Verständigung
davon ausgingen, dass dieser Umstand (Fehlen einer USt-IdNr.) zu einer Steuerpflicht
der streitigen Lieferungen führte, ist für die im Streitfall zu bejahende Steuerfreiheit ohne
Bedeutung, da sich diese nach objektiven Kriterien richtet.
95
Der Senat lässt es dahingestellt, ob seine Beurteilung der Erlasslage des BMF
widerspricht, da er an diese nicht gebunden ist. Im BMF-Schreiben vom 5.5.2010, IV D 3
- S 7141/08/10001 heißt es einerseits unter III 1. Rz. 22:
96
Kann der Unternehmer den beleg- und buchmäßigen Nachweis nicht, nicht
vollständig oder nicht zeitnah führen, ist deshalb grundsätzlich davon auszugehen,
dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen
Lieferung (§ 6a Abs. 1 und 2 UStG) nicht erfüllt sind. Etwas anderes gilt
ausnahmsweise dann, wenn - trotz der Nichterfüllung, der nicht vollständigen oder
der nicht zeitnahen Erfüllung des Buchnachweises - aufgrund der vorliegenden
Belege und der sich daraus ergebenden tatsächlichen Umstände objektiv feststeht,
dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 und 2 UStG vorliegen. Damit kann ein
zweifelsfreier Belegnachweis Mängel beim Buchnachweis heilen.
97
Andererseits wird unter III 2. Rz. 23 ausgeführt:
98
§ 17c Abs. 1 UStDV setzt voraus, dass auch in der Person des Abnehmers die
99
Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung durch den
liefernden Unternehmer vorliegen müssen und bestimmt (Mussvorschrift), dass der
Unternehmer die USt-IdNr. des Abnehmers buchmäßig nachzuweisen, d.h.
aufzuzeichnen hat.
3.
100
Die festzusetzende Umsatzsteuer laut Urteil berechnet sich wie folgt:
101
Festgesetzte Umsatzsteuer laut angefochtenem Bescheid ./. 904,35 €
102
weniger Umsatzsteuer laut Urteil ./. 18.344,83 €
103
festzusetzende Umsatzsteuer laut Urteil ./. 19.249,18 €
104
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10,
711 ZPO. Die Revision war zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
105
Es ist von grundsätzlicher Bedeutung, ob das Vorliegen steuerbefreiter
innergemeinschaftlicher Lieferungen auch dann bejaht werden kann, wenn der
Abnehmer nicht über eine USt-IdNr. verfügt.
106