Urteil des FG Köln vom 29.09.2010

FG Köln (kläger, beerdigungskosten, beerdigung, soziale gerechtigkeit, höhe, belastung, angemessenheit, betrag, notwendigkeit, vater)

Finanzgericht Köln, 12 K 784/09
Datum:
29.09.2010
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 K 784/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Beerdigungskosten als
außergewöhnliche Belastungen.
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Die Kläger werden als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der
Kläger ist als Geschäftsführer nichtselbständig tätig, die Klägerin ist Hausfrau. Die
Kläger erzielten im Streitjahr 2006 einen Gesamtbetrag der Einkünfte von 206.610 € und
im Streitjahr 2007 von 315.611 €.
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In der Einkommensteuererklärung des Streitjahres 2006 machten die Kläger Kosten für
die Beerdigung des Vaters des Klägers in Höhe von 20.926 € als außergewöhnliche
Belastungen geltend. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Aufwendungen:
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Todesanzeige 5.249,41
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Blumenschmuck Beisetzung 1.611,50
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Danksagung 2.645,90
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Film Begräbnis 2.784,00
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Beerdigungsinstitut/Sarg 5.612,60
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Stadt F 3.012,00
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Im Einkommensteuerbescheid 2006 vom 18.04.2008 erkannte der Beklagte vor Abzug
der zumutbaren Belastung lediglich 7.500 € hiervon an.
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In der Einkommensteuererklärung 2007 machten die Kläger weitere 19.898,-- € als
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außergewöhnliche Belastungen wegen der Beerdigung des Vaters des Klägers geltend.
Der Betrag von 19.898 € setzt sich u.a. aus Rechnungen eines Steinmetzbetriebs
("Grabanlage der Fam. A") in einer Gesamthöhe von 17.854,02 € und einer Rechnung
der Stadt F ("Genehmigungs- und Gebührenbescheid von Grabanlagen") i.H.v. 41,00 €
zusammen. Hinsichtlich des Restbetrages (2.002,98 €) waren keine Erläuterungen und
Nachweise beigefügt.
Im Einkommensteuerbescheid 2007 vom 22.09.2008 erkannte der Beklagte keinerlei
Bestattungskosten als außergewöhnliche Belastung an.
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Gegen beide Bescheide legten die Kläger – auch aus anderen Gründen – Einspruch
ein. Mit Änderungsbescheiden vom 22.07.2008 (für 2006) und 06.02.2009 (für 2007) half
der Beklagte den Einsprüchen teilweise ab, nicht jedoch hinsichtlich der
Beerdigungskosten. In diesem Punkt wies er mit Einspruchsentscheidungen vom
16.02.2009 die Einsprüche zurück.
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Der Beklagte war nicht bereit, einen höheren Betrag als 7.500 € anzuerkennen. Im
Streitfall sei bei den Aufwendungen die Grenze der Angemessenheit im Sinne des § 33
Abs. 2 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) überschritten. Bei Ausgaben im
Zusammenhang mit einem Todesfall sei in der Regel der persönlichen Anschauung des
Steuerpflichtigen ein größerer Spielraum zu gewähren als in sonstigen Fällen. Denn die
Ausgestaltung eines Begräbnisses und einer Grabstätte gehöre zu den
höchstpersönlichen Angelegenheiten. Gleichwohl dürften derartige Kosten mit
Rücksicht auf die steuerliche Gleichmäßigkeit und soziale Gerechtigkeit nur insoweit
berücksichtigt werden, als sie im Rahmen der steuerlichen Leistungsfähigkeit als
notwendig und angemessen anzusehen seien. § 33 EStG solle dazu dienen, unbillige
Härten bei der Besteuerung zu verhindern. Mit dem Billigkeitscharakter dieser Vorschrift
sei es unvereinbar, Begräbniskosten unbeschränkt als außergewöhnliche Belastung
anzuerkennen. Für die Berücksichtigung von Krankheitskosten als außergewöhnliche
Belastung habe der BFH entschieden, dass Behandlungskosten, die nur deshalb in
außergewöhnlichem Umfang entstünden, weil die wirtschaftlichen Verhältnisse dem
Steuerpflichtigen dies erlaubten, nur in Höhe eines zu schätzenden angemessenen
Betrages zu einer Steuerermäßigung führen dürften (Hinweis auf BFH-Urteil vom
03.12.1964 IV 67/62 U, BStBl. III 1965, 91). Von gleichen Grundsätzen sei im Streitfall
auszugehen. Verhältnismäßig hohe Aufwendungen, wie sie den Klägern im
Zusammenhang mit dem Todesfall entstanden seien, könnten sich nur aufgrund
besonderer Umstände in der gesamten Höhe als außergewöhnliche Belastung und
damit teilweise zu Lasten der Allgemeinheit auswirken. Die Aufwendungen in der
genannten Höhe seien aber nicht als angemessen im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 1
EStG anzusehen, um dem Vater des Klägers ein gebührendes Andenken zu Teil
werden zu lassen. Sie rührten nach Einschätzung des Beklagten in erster Linie daher,
dass die wirtschaftlichen Verhältnisse der Kläger es ihnen erlaubten, eine Beerdigung
und eine Grabstätte dieses außergewöhnlichen Formats errichten zu lassen. Dabei
werde von den Klägern selbst mit deren gesellschaftlicher Stellung argumentiert, die
keine andere Bestattungszeremonie als die gewählte zuließe. Dies heiße aber nicht
zwangsläufig, dass für den verstorbenen Vater, der kein Erbe hinterlassen habe, nicht
auch eine weniger aufwendige Zeremonie und ein weniger aufwendiges Grabmal
genau so würdig gewesen seien.
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Die Finanzverwaltung gehe aktuell von einer Angemessenheitsgrenze bei den
gesamten Beerdigungskosten von 7.500 € aus.
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Mit der gegen die Einspruchsentscheidung gerichteten Klage machen die Kläger
geltend, dass die Beerdigungskosten in der beantragten Höhe als außergewöhnliche
Belastungen abzuziehen seien.
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Sein Vater sei im Jahre 2006 verstorben. In Ermangelung eines vorhandenen
Nachlasses habe er, der Kläger, die angefallenen Beerdigungskosten in den Jahren
2006 und 2007 vollumfänglich aus eigenen Mitteln getragen.
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Bei diesen Aufwendungen handele es sich unstrittig um außergewöhnliche
Belastungen. Lediglich hinsichtlich der Höhe sei der Beklagte nur bereit, auf eine
Verfügung der OFD Berlin gestützt, Beerdigungskosten von 7.500 € anzuerkennen.
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Dem könne nicht gefolgt werden. Im Falle des Ablebens eines Verstorbenen seien die
Angehörigen in der sittlichen Verpflichtung, eine angemessene Beisetzung
herzurichten. Hierbei sei der gesellschaftlichen Stellung des Verstorbenen und der
Hinterbliebenen Beachtung zu schenken. Beispielsweise würde beim Ableben unserer
Bundeskanzlerin Niemand behaupten wollen, eine Beerdigung für 7.500 € sei
angemessen. In diesem Falle würde man eher von Pietätlosigkeit als von
Angemessenheit sprechen müssen. Dem Kläger mit seiner sehr angesehenen,
persönlichen Stellung innerhalb F sei es aus sittlichen Gründen gar nicht möglich
gewesen, die Beisetzung seines Vaters zu einem solch unangemessen niedrigen Preis
auszurichten. Er habe unter Abwägung seiner sittlichen Verpflichtungen und dem von
ihm durch die Gesellschaft geforderten Anstand eine angemessene und in keiner Weise
preislich überzogene Beisetzung hergerichtet. Die Tatsache, dass kein Erbe vorhanden
gewesen sei, entbinde ihn zweifelsohne auch nicht von seiner sittlichen Verpflichtung.
Zudem gebiete es wohl der Anstand und die Pietät, dass man im Fall des Heimgangs
eines geliebten Menschen nicht über den Preis verhandeln oder gar feilschen wird. Der
Kläger sei persischer Abstammung und in seiner Weltanschauung stelle, wie auch
vergleichbar mit dem christlichen Glauben, die Beisetzung eine der höchsten
Zeremonien im Leben dar, deren Ausgestaltung nicht diskussionsfähig sei. Für einen
Atheisten möge sich wohl persönlich die Frage der Angemessenheit der
Beerdigungskosten stellen, aber sei nicht gerade die Religionsfreiheit eine unserer
elementaren Grundrechte!? Nun, Religion bedeute aber auch Pflichten zu haben, wie
hier für eine angemessene Beerdigung seiner verstorbenen Angehörigen zu sorgen.
Dies habe der Gesetzgeber auch in Artikel 3 Abs. 3 Grundgesetz und in Artikel 4 Abs. 1
Grundgesetz deutlich zum Ausdruck gebracht.
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In einem anderen Bereich der außergewöhnlichen Belastungen, den Heimkosten,
erfolge auch keine Angemessenheitsprüfung. Warum hier in § 33 Abs. 1 EStG mit
zweierlei Maß gemessen werden solle, erschließe sich nicht aus dem Gesetz; denn
dann müsse man doch schon die Frage stellen, ob ein Heimplatz für monatlich 5.000 €
nicht unangemessen sei, während einer für 2.000 € beispielsweise noch als
angemessen gewertet werden müsste. In einem Urteil vom 11.05.1979 (VI R 37/76
BStBl. 1979 II, 558) habe der BFH entschieden, dass Aufwendungen für eine Flugreise
in die USA zur Vorbereitung der Einäscherung eines dort verstorbenen nahen
Angehörigen und die Überführung der Urne in die Bundesrepublik nicht in vollem
Umfang als außergewöhnliche Belastungen Berücksichtigung finden könnten. Hierbei
habe er in Bezug auf Notwendigkeit und Angemessenheit dargestellt, dass die
Anwesenheit der mit den örtlichen Gegebenheiten nicht vertrauten Kläger in New York
zur Regelung des Todesfalls nicht erforderlich gewesen sei. Anzumerken sei aber, dass
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der Beklagte und Revisionsbeklagte in diesem Fall die Kosten für Einäscherung,
Überführung und die Bestattung anerkannt habe.
Dem Argument, die hohen Beerdigungskosten seien in erster Linie den guten
wirtschaftlichen Verhältnissen der Kläger geschuldet, sei entgegen zu halten, dass über
die zumutbare Eigenbelastung der Besserverdienende auch einen höheren
"Selbstbeitrag" leisten müsse.
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Die Kläger beantragen,
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unter Aufhebung der Einspruchsentscheidungen vom 16.02.2009 die
Einkommensteuerbescheide 2006 und 2007 zu ändern und hierbei die geltend
gemachten Aufwendungen im Bereich der außergewöhnlichen Belastungen
(Beerdigungskosten) so, wie in den Einkommensteuererklärungen 2006 und 2007
erklärt, zu berücksichtigen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidungen und führt ergänzend
an:
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Es sei zutreffend, dass nach einer Verfügung der OFD Berlin vom 27.12.1999 eine
Angemessenheitsgrenze für Beerdigungskosten ab dem Veranlagungszeitraum 1999
von 13.000 DM gelte. Diese Angemessenheitsgrenze sei aber inzwischen bundesweit
gängige Verwaltungspraxis. Diese Angemessenheitsgrenze, die in den Streitjahren
7.500 € betrage, sei weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur bislang
angezweifelt worden.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet.
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Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzten die Kläger nicht in ihren
Rechten.
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Über die vom Beklagten anerkannten 7.500 € im Jahr 2006 können in den Streitjahren
keine weiteren Beerdigungskosten als außergewöhnliche Belastungen abgezogen
werden.
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Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer ermäßigt, wenn einem Steuerpflich-
tigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der
Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse erwachsen. Die
Aufwendungen erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen
aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit
sie den Umständen nach notwendig sind und einen angemessen Betrag nicht
übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
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Nach der Rechtsprechung des BFH sind die Ausgaben eines Steuerpflichtigen für die
Beerdigung eines nahen Angehörigen regelmäßig als außergewöhnliche Belastung zu
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berücksichtigen, sofern - wie hier - die Aufwendungen nicht aus dem Nachlass bestritten
werden können oder durch sonstige einem Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit
dem Tod des Angehörigen zugeflossene Geldleistungen gedeckt sind. Einem nahen
Angehörigen erwachsen dabei nur solche Bestattungskosten zwangsläufig i.S. des § 33
Abs.2 EStG, die unmittelbar mit der eigentlichen Beerdigung zusammenhängen. Mit
einer Bestattung nur mittelbar zusammenhängende Kosten, wie beispielsweise die
Aufwendungen für Traueressen, Trauerkleidung, aufwendige Grabstätte und Grabmal,
werden mangels Zwangsläufigkeit nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt
(BFH-Urteile vom 19.10.1990, III R 93/87, BStBl II 1991, 140 und vom 17.06.1994, III R
42/93, BStBl II 1994, 754).
Danach sind die nicht unmittelbar mit der Beerdigung des Vaters des Klägers
zusammenhängenden Kosten für die Filmaufnahmen und die aufwendige Grabstätte
bereits nicht zwangsläufig. Der insoweit nicht abzugsfähige Betrag und die
verbleibenden dem Grunde nach zwangsläufig erwachsenen Beerdigungskosten
bedürfen aber keiner genauen Bezifferung, da im Streitfall höchstens die vom Beklagten
bereits anerkannten 7.500 € noch als angemessen i.S.d. § 33 Abs. 2 EStG anzusehen
sind.
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Sind die Aufwendungen dem Grunde nach zwangsläufig, so kommt ein Abzug als
außergewöhnliche Belastungen nur insoweit in Betracht, als sie auch der Art und der
Höhe nach zwangsläufig, nämlich den Umständen nach notwendig sind und einen
angemessenen Betrag nicht übersteigen. Die Frage der Notwendigkeit ist dabei unter
Berücksichtigung der Umstände des Falles zu beurteilen (Loschelder in Schmidt, EStG,
29. Aufl., § 33 Rz. 30). § 33 EStG soll nur der Minderung der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit durch existenziell notwendige und unvermeidbare private
Aufwendungen Rechnung tragen, die sonst nicht abziehbar wären. Zu berücksichtigen
sind deshalb nur übliche, auf eine bescheidene Lebensführung zugeschnittene
Aufwendungen. Welche Aufwendungen der Höhe nach angemessen sind, bestimmt
sich zwar nach den Besonderheiten des Einzelfalls - vor allem auch danach, aus
welchem Grunde die Aufwendungen erwachsen sind -, jedoch losgelöst von den
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen nach
objektiven Merkmalen (BFH-Urteil vom 04.07.2002, III R 58/98, BStBl II 2002, 765). Bei
Bestattungskosten ist bei der Prüfung der Angemessenheit und Notwendigkeit
allerdings eine großzügige Beurteilung geboten (vgl. BFH-Urteil vom 17.06.1994, III R
42/93, BStBl II 1994, 754).
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Der Senat folgt diesen Grundsätzen. Für die nach objektiven Kriterien anzustellende
Angemessenheitsprüfung sind nach der Auffassung des Senats die durchschnittlichen
Kosten einer Beerdigung in den Streitjahren als Maßstab heranzuziehen. Nach einer
Recherche der Stiftung Warentest im Heft test 11/2004 ("Die teuren Toten", S. 14 ff.) auf
die Bezug genommen wird, kostete eine Bestattung in Deutschland durchschnittlich
rund 4.500 €. Unter Berücksichtigung der bis zu den Streitjahren 2006 und 2007
gestiegenen Preisen und der gebotenen großzügigen Beurteilung ist die Grenze der
Angemessenheit bei dem anerkannten Betrag von 7.500 € erreicht.
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Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO genannten
Zulassungsgründe vorliegt.
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