Urteil des FG Köln vom 15.12.2009

FG Köln (allgemeine versicherungsbedingungen, pflege, kläger, pflegebedürftigkeit, eintritt des versicherungsfalls, höhe, versicherungsfall, teil, krankheitskosten, heilbehandlung)

Finanzgericht Köln, 12 K 4176/07
Datum:
15.12.2009
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 K 4176/07
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten um die Anrechnung von erhaltenem Pflegegeld auf die als
außergewöhnliche Belastungen abzugsfähigen Pflegekosten.
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Die Kläger werden als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
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Beide Kläger beziehen Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, der Kläger als
Versorgungsbezüge.
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Der Kläger ist pflegebedürftig (Pflegestufe III) und lebt in einem Pflegeheim in K. Die für die
Pflege entstehenden Aufwendungen werden ihm teilweise durch die Beihilfe und die
Pflegeversicherung ersetzt.
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Er hat außerdem bei der G eine Pflegezusatzversicherung im Tarif ... abgeschlossenen. Die
hierfür gezahlten Beiträge hat er in den Jahren vor Eintritt des Versicherungsfalls in seinen
Einkommensteuererklärungen als Sonderausgaben in der Rubrik "Kranken- und
Pflegeversicherung" geltend gemacht. Aus dieser Versicherung bezieht er ein monatliches
Pflegegeld. Für das Jahr 2004 erhielt er insgesamt ... Euro, in 2005 ... Euro. Die
Versicherungsbedingungen lauten auszugsweise wie folgt:
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Allgemeine Versicherungsbedingungen für die ergänzende
Pflegekrankenversicherung
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Teil I: Musterbedingungen 1997 (MB/EPV 97)
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Der Versicherungsschutz
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§ 1 Gegenstand, Umfang und Geltungsbereich des Versicherungsschutzes
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§ 1 Gegenstand, Umfang und Geltungsbereich des Versicherungsschutzes
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1. Der Versicherer leistet im Versicherungsfall in vertraglichem Umfang Ersatz von
Aufwendungen für Pflege oder ein Pflegegeld oder ein Pflegetagegeld sowie sonstige
im Tarif vorgesehene Leistungen.
2. Versicherungsfall ist die Pflegebedürftigkeit einer versicherten Person. Pflegebedürftig
sind Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit
oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrender
Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für
mindestens sechs Monate, nach Maßgabe der Absätze 6 bis 8 in erheblichem oder
höherem Maße der Hilfe bedürfen.
3. Die Hilfe im Sinne des Absatzes 2 Satz 2 besteht in der Unterstützung, in der
teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen
Lebens oder in der Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen
Übernahme dieser Verrichtungen.
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(...)
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(8) Der Zeitaufwand den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als
Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der
Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im
Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe III mindestens 5 Stunden betragen; hierbei
müssen auf die Grundpflege mindestens vier Stunden entfallen.
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(9) Der Versicherungsfall beginnt mit der ärztlichen Feststellung der
Pflegebedürftigkeit. Er endet, wenn Pflegebedürftigkeit nicht mehr besteht. (...)
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§ 5 Einschränkungen der Leistungspflicht
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1. Keine Leistungspflicht besteht
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f) während der Durchführung einer vollstationären Heilbehandlung im
Krankenhaus sowie von stationären Rehabilitationsmaßnahmen, Kur- oder
Sanatoriumsbehandlungen und während der Unterbringung aufgrund richterlicher
Anordnung, es sei denn, dass diese ausschließlich auf Pflegebedürftigkeit beruht;
(...)
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Allgemeine Versicherungsbedingungen für die ergänzende
Pflegekrankenversicherung Teil II
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TARIF ... mit Tarifbedingungen (...)
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II. Versicherungsleistungen
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1. Es kann ein monatliches Pflegegeld von 300,00 DM oder einem Vielfachen davon
versichert werden. Bei Pflegebedürftigkeit wird das monatliche Pflegegeld
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In der Pflegestufe in Höhe von
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III 100 %
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II 60 %
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I 30 %
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des vereinbarten Betrages gezahlt, wenn pflegerische Leistungen jeweils für den
vollen Kalendermonat erbracht wurden. Die Pflegestufen sind in § 1 Abs. 6
MB/EPV 97 festgelegt. Eine Unterscheidung zwischen vollstationärer,
teilstationärer und häuslicher Pflege wird nicht vorgenommen. (...)
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4. Bestehen die Voraussetzungen für die Zahlung des Pflegegeldes nicht für den
vollen Kalendermonat, wird das Pflegegeld anteilig gezahlt. Dabei wird die
Monatsleistung durch 30 geteilt und mit der Anzahl der Tage im Monat
multipliziert, an denen pflegerische Leistungen erbracht wurden.
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Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Versicherungsbedingungen wird auf die Kopien der
Versicherungsbedingungen in den Steuerakten des Beklagten (Rechtsbehelfsakte)
verwiesen.
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Der Beklagte führte die Einkommensteuerveranlagung der Streitjahre mit
Einkommensteuerbescheiden 2004 vom 14.12.2006 und 2005 vom 23.03.2007 zunächst
erklärungsgemäß durch und berücksichtigte für den Kläger jeweils einen Pflege-
Pauschbetrag in Höhe von ... Euro.
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Gegen die Bescheide legten die Kläger fristgerecht Einspruch ein und machten im
Einspruchsverfahren Krankheitskosten, insbesondere für die stationäre Pflege des Klägers,
nach § 33 EStG wie folgt geltend:
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2004
2005
Aufwendungen
... €
... €
Erstattung/Beihilfe
... €
... €
Erstattung G ohne Pflegegeld
... €
... €
Verbleiben
... €
... €
bereits mit Pflegepauschale berücksichtigt
... €
... €
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Mehraufwand vor zumutbarer Eigenbelastung
... €
... €
Die Einsprüche waren überwiegend erfolgreich, der Beklagte erkannte in der
Einspruchsentscheidung vom 02.10.2007 die Aufwendungen als außergewöhnliche
Belastungen an, brachte jedoch entgegen der von den Klägern durchgeführten Berechnung
noch das von der Pflegezusatzversicherung erhaltene Pflegegeld zum Abzug. Vor
Berücksichtigung der zumutbaren Eigenbelastung kam er somit auf noch zu
berücksichtigende Aufwendungen von ... Euro in 2004 und ... Euro in 2005.
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Hiergegen haben die Kläger am 05.11.2007 Klage erhoben und diese wie folgt begründet:
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Das Pflegegeld sei von den entstandenen Aufwendungen für die Pflege nicht zum Abzug zu
bringen. Mit dem Pflegegeld seien keine konkreten Pflegekosten erstattet worden.
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Von den Gesamtkosten für die Unterbringung in dem Pflegeheim trage die Beihilfe 70 % der
reinen Pflegekosten, in dem Umfang, indem sie auch die gesetzliche Pflegeversicherung
übernehmen würde. Die restlichen 30 % trage die Krankenversicherung im Rahmen der
"freiwilligen" Pflegeversicherung nach dem Versicherungstarif T ....
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Daneben erhalte der Kläger von der G aufgrund des abgeschlossenen Tarifes ... im
Rahmen einer Pflegezusatzversicherung ein Pflegegeld ausgezahlt. Entsprechend den
dem Beklagten vorliegenden Versicherungsbedingungen trete der Versicherungsfall für die
Zusatzversicherung bei Vorliegen einer Pflegebedürftigkeit der versicherten Person,
unabhängig von Anfall und Höhe der Pflegekosten und unabhängig davon, ob die Pflege
häuslich oder stationär erfolge, ein. Hiernach sei das Pflegegeld abhängig von der
Pflegestufe, jedoch unabhängig von Anfall und Höhe der Pflegekosten und losgelöst davon,
ob stationäre oder häusliche Pflege durch Berufspflegekräfte oder häusliche Pflege durch
Angehörige bzw. andere Personen erfolge. Das Pflegegeld werde auch unabhängig davon,
ob überhaupt Pflegekosten angefallen seien und unabhängig davon, ob pflegerische
Leistungen erbracht würden, bezahlt. Das ausgezahlte Pflegegeld stehe damit dem
Berechtigten zur freien Verfügung. Er könne es zur Abdeckung entstandener Pflegekosten
oder zum Ausgleich von Einnahmeausfällen des pflegebedürftigen Ernährers der Familie
bzw. des pflegenden Angehörigen, der seine Berufstätigkeit pflegebedingt einschränke oder
ganz aufgebe, verwenden. Hiermit decke das Pflegegeld ebenso wie das Krankentagegeld
auch Einnahmeausfälle ab. Der Kläger sei aufgrund seiner Pflegebedürftigkeit
dienstunfähig geworden und daher vorzeitig in den Ruhestand getreten. Daher sei das
Ruhegehalt gekürzt worden.
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Wegen der Ausgestaltung des Pflegegeldes sei das Pflegegeld mit dem Krankentagegeld
vergleichbar. Dieses werde nach dem BFH-Urteil vom 22.10.1971 (BStBl II 1972, 177) nicht
auf die als außergewöhnlichen Belastungen abzugsfähigen Krankheitskosten angerechnet,
da es im Gegensatz zum Krankenhaustagegeld allein bei Arbeitsunfähigkeit ausgezahlt
werde und unmittelbar krankheitsbedingte Kosten nicht anfallen bräuchten im Gegensatz
zum Krankenhaustagegeld, bei dem normalerweise ein mit Kosten verbundener
Krankenhausaufenthalt vorausgesetzt werde.
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Die Pflegezusatzversicherung könne daher nicht als Pflegekostenversicherung
charakterisiert werden und ebenso nicht als Pflegeheimtagegeldversicherung, da der
Versicherungsfall keinen mit Kosten verbundenen Pflegeheimaufenthalt voraussetze. Es
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handle sich vielmehr um eine Pflegetagegeldversicherung, bei der das – wenn auch nach
Pflegestufe gestaffelte – volle monatliche Pflegegeld nur gezahlt werde, wenn die
Pflegebedürftigkeit während des ganzen Monats bestanden habe und nicht – etwa
zeitweise – von einer vollstationären Heilbehandlung im Krankenhaus überlagert werde.
Beim Pflegegeld fehle es ebenso wie beim Krankentagegeld an dem vom BFH für eine
Anrechnung auf die außergewöhnlichen Belastungen geforderten engen Zusammenhang
zwischen der Zahlung und dem Anfall von krankheits- bzw. pflegebedingten Kosten.
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Soweit der Beklagte seine gegenteilige Auffassung darauf stütze, dass das ausgezahlte
Pflegegeld nur für Monate bezahlt werde, in denen pflegerische Leistungen erbracht würden
und damit grundsätzlich einen Anfall von Pflegekosten voraussetze, sei dies nicht richtig.
Nach § 1 Abs. 2 der allgemeinen Versicherungsbedingungen für die ergänzende Pflege-
Krankenversicherung Teil I trete der Versicherungsfall bereits bei Pflegebedürftigkeit ein.
Pflegebedürftige Leistungen müssten nicht zwingend erbracht werden und auch nicht
zwangsläufig (extern) zu Pflegekosten führen. Dies ergebe sich auch nicht aus der vom
Beklagten erwähnten Regelung in Teil I, II. 4. der Allgemeinen Versicherungsbedingungen
für die ergänzende Pflegekrankenversicherung. Hiernach werde nicht der Versicherungsfall
anders umschrieben und von der Erbringung von pflegerischer Leistung abhängig gemacht.
Vielmehr werde lediglich zum Ausdruck gebracht, dass das volle monatliche Pflegegeld nur
bezahlt werde, wenn pflegerische Leistungen für den vollen Monat erbracht würden, im
Übrigen eben zeitanteilig, wenn etwa der Pflegebedürftige sich für einige Tage während
des Monats einer vollstationären Heilbehandlung im Krankenhaus unterziehen müsse.
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Die Kläger beantragen:
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die Einkommensteuerbescheide 2004 und 2005 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 02.10.2007 dahingehend zu ändern, dass weitere
außergewöhnliche Belastungen von ... Euro für 2004 und ... Euro für 2005
berücksichtigt werden,
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hilfsweise, die Revision zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt:
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die Klage abzuweisen,
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hilfsweise, die Revision zuzulassen.
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Nach Ansicht des Beklagten ist das Pflegegeld wegen der Vergleichbarkeit mit dem
Krankenhaustagegeld auf die als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten
Kosten anzurechnen. Nach dem Urteil des BFH vom 22.10.1971 seien
Krankenhaustagegelder auf die als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten
Krankheitskosten anzurechnen, obwohl sie unabhängig von der Höhe der angefallenen
Aufwendungen pauschal für die Dauer des Krankenhausaufenthalts gezahlt würden. Der
BFH sehe hier alleine auf Grund der Anknüpfung an den grundsätzlichen Anfall
krankheitsbedingter Kosten einen Ersatz der durch die Krankheit bedingten Aufwendung,
der auf die Höhe der berücksichtigungsfähigen außergewöhnlichen Belastungen
anzurechnen sei. Etwas anderes gelte für das Krankentagegeld, weil dieses eben nicht zur
Abdeckung von Krankheitskosten, sondern als Verdienstausfall gezahlt werde. Hier reiche
für die Zahlung auch alleine das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit aus. Das dem Kläger
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gezahlte Pflegegeld sei mit dem Krankenhaustagegeld vergleichbar. Es staffele sich nach
Pflegestufen und werde sowohl bei häuslicher als auch bei stationärer Pflege gezahlt. Es
sei zwar weitgehend unabhängig von der Höhe der anfallenden Kosten der Pflege (ein
indirekter Kostenbezug ergebe sich nur aus der Bemessung des Pflegegeldes nach der
Pflegestufe des Pflegebedürftigen), es werde jedoch nur für Monate gezahlt, in denen
pflegerische Leistungen erbracht würden, setze also eindeutig den grundsätzlichen Anfall
von Pflegekosten voraus. Auch das Krankenhaustagegeld setze den grundsätzlichen Anfall
von krankheitsbedingten Kosten voraus und werde unabhängig von deren Höhe pauschal
bezahlt. Nicht vergleichbar sei das Pflegegeld dagegen mit dem Krankentagegeld, das
nach der Rechtsprechung nicht auf die abzugsfähigen außergewöhnlichen Belastungen
anzurechnen sei. Dieses werde als Verdienstausfall für die Krankheitszeit und nicht als
(wenn auch pauschaler) Kostenersatz für die angefallenen Aufwendungen der Krankheit
gezahlt. Das Pflegegeld hingegen diene, wenn auch in pauschalisierter Form, der
Abdeckung der durch die Pflege verursachten Aufwendungen.
Soweit die Kläger der Auffassung seien, dass das Pflegegeld im Streitfall auch unabhängig
vom Anfall von Pflegekosten und nur auf Grund bestehender Pflegebedürftigkeit gezahlt
werde, ergebe sich dies nicht aus den Versicherungsbedingungen. Es ergebe sich auch
nicht aus der in der Klagebegründung vorgenommenen Differenzierung zwischen den
verschiedenen Arten der Pflege. Denn auch durch eine häusliche Pflege würden
grundsätzlich Kosten verursacht. Gerade aus der Tatsache, dass sich das Pflegegeld nach
dem Grad der Pflegestufe bemesse, ergebe sich eindeutig, dass es als pauschaler
Kostenersatz gedacht sei und damit nach den Grundsätzen der BFH-Rechtsprechung auf
die abzugsfähigen Kosten anzurechnen sei.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet.
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Die Leistungen aus der Pflegezusatzversicherung sind auf die als außergewöhnliche
Belastungen geltend gemachten Pflegekosten anzurechnen.
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Nach der Rechtsprechung des BFH zur Krankenhaustagegeld- und
Krankentagegeldversicherung (BFH-Urteil vom 22.10.1971 VI R 242/69, BFHE 104, 63,
BStBl II 1972, 177) erfolgt eine Anrechnung der Versicherungsleistungen auf die als
außergewöhnliche Belastungen abzugsfähigen Aufwendungen, wenn ein enger
Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Leistung besteht. Für das
Krankentagegeld hat der BFH einen solchen Zusammenhang verneint, da die
Krankentagegelder im Fall der völligen Arbeitsunfähigkeit ohne Rücksicht auf die durch die
Krankheit angefallenen Kosten als Ausgleich für den Verdienstausfall gezahlt würden. Das
Einkommen einerseits - "das insgesamt versicherte Krankentagegeld darf das Einkommen
aus beruflicher ärztlicher Tätigkeit nicht übersteigen" - und das Kranksein andererseits
spielten die entscheidende Rolle. Anders verhalte es sich mit der
Krankenhaustagegeldversicherung. Wenn auch das Tagegeld anders als im Falle der
normalen Krankheitskostenversicherung ohne Rücksicht auf die Höhe der tatsächlich
angefallenen Krankenhauskosten gewährt werde, so sei hier wegen der Anknüpfung an
den Krankenhausaufenthalt doch ebenfalls der Zusammenhang mit den Krankheitskosten
zu bejahen. Im Grunde handele es sich um eine zusätzliche Krankheitskostenversicherung
mit dem besonderen Ziel, die heute erfahrungsgemäß hohen Krankenhauskosten
abzudecken. Richtig sei zwar, dass die Krankenhaustagegelder ebenso wie die
Krankentagegelder dem Berechtigten zur freien Verfügung gewährt würden. Während aber
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bei diesen allein die völlige Arbeitsunfähigkeit ausreicht und also unmittelbar
krankheitsbedingte Kosten nicht anzufallen brauchten, ist bei jenen doch der normalerweise
mit Kosten verbundene Krankenhausaufenthalt vorausgesetzt.
Diese Grundsätze wendet der Senat – ebenso wie die Beteiligten – auf die hier streitige
Frage der Anrechnung der Leistungen aus der Pflegezusatzversicherung an.
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Danach besteht im Streitfall ein enger Zusammenhang zwischen den durch die Pflege
entstandenen Aufwendungen und den Leistungen aus der Pflegezusatzversicherung.
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Anders als eine Krankentagegeldversicherung und vergleichbar mit einer
Krankenhaustagegeldversicherung setzt die Pflegezusatzversicherung voraus, dass Kosten
infolge der Pflegebedürftigkeit angefallen sind. Denn das Pflegegeld wird nur bei
Einordnung in eine der drei in den Versicherungsbedingungen definierten Pflegestufen
gezahlt. Voraussetzung hierfür ist notwendigerweise, dass der Versicherungsnehmer Hilfe
bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität und der hauswirtschaftlichen
Versorgung bedarf. Aufgrund dieser Hilfsbedürftigkeit entsteht Aufwand und zwar durch
Pflegeleistungen von Familienangehörigen oder Dritten, wie z.B. Pflegediensten oder
Pflegeheimen. Der Finanzierung dieses Pflegeaufwandes dient das Pflegegeld, das zwar
nicht konkret entstandene Kosten abdeckt und dem Begünstigten zur freien Verfügung steht,
aber ohne den Anfall pflegebedingter Aufwendungen nicht denkbar ist. Mit der Einteilung in
die der gesetzlichen Pflegeversicherung angepassten 3 Pflegestufen wird typisierend
davon ausgegangen, dass je höher der Grad der Pflegebedürftigkeit ist, desto höher die
anfallenden Aufwendungen sind. Hierin liegt der entscheidende Unterschied zum
Krankentagegeld, für dessen Leistung keinerlei Aufwendungen entstehen müssen.
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Die Pflegezusatzversicherung bezweckt lediglich einen Ausgleich für die durch die
Pflegebedürftigkeit anfallenden und von der (gesetzlichen) Pflegeversicherung nicht
gedeckten Mehrkosten. Der enge Zusammenhang zwischen Versicherungsleistung und
Aufwand wird auch durch die nach den Versicherungsbedingungen geltende Regelung des
Rangverhältnisses zwischen Leistungen aus der Pflegezusatzversicherung und
gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung deutlich: Während der Durchführung einer
vollstationären Heilbehandlung im Krankenhaus besteht gemäß § 5 Abs. 1 f) Teil I der
Allgemeinen Versicherungsbedingungen keine Leistungspflicht der
Pflegezusatzversicherung. Hier wird davon ausgegangen, dass die entsprechenden
Aufwendungen durch die Krankenversicherung abgedeckt sind und aufgrund der
stationären Unterbringung keine zusätzlichen pflegebedingten Aufwendungen anfallen.
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Soweit die Kläger der Auffassung sind, dass das Pflegegeld – wie das Krankentagegeld -
auch Verdienstausfälle umfasst, lässt sich dafür in der Ausgestaltung der
Pflegezusatzversicherung kein Beleg finden. Im Vergleich zur
Krankentagegeldversicherung, bei der die Leistungshöhe durch die Höhe des Einkommens
gedeckelt ist (vgl. z.B. § 4 Abs. 1 Musterbedingungen für die Krankentagegeldversicherung,
im Internet zu finden unter
www.pkv.de/recht/musterbedingungen/krankentagegeldversicherung_mb_kt_2009_pdf.pdf),
finden sich bei dem Pflegegeld keinerlei Anknüpfungspunkte an das Einkommen.
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Letztlich ist die Pflegezusatzversicherung nach ihrer Ausgestaltung – ähnlich einer
zusätzlichen Krankheitskostenversicherung - nur eine private Ergänzung der gesetzlichen
Pflegeversicherung. Insbesondere die Einteilung in die Pflegeklassen entspricht fast
wörtlich der Regelung in § 15 Abs. 1 SGB XI. Die Leistungen der Pflegeversicherung sind
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aber nach allgemeiner Auffassung von den als außergewöhnliche Belastungen
abzugsfähigen Aufwendungen abzuziehen. Dies bestreiten auch die Kläger nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. FGO zur Fortbildung des Rechts
zugelassen, da über die Streitfrage – soweit ersichtlich – bislang nicht entschieden wurde
und der Senat ein allgemeines Interesse an der Klärung dieser Rechtsfrage sieht.
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