Urteil des FG Köln vom 24.08.2006

FG Köln: auskunft, einspruch, pauschal, gebrauchtwagen, anteil, akte, anschaffungskosten, fahrzeug, jstg, vorschlag

Finanzgericht Köln, 10 K 1356/05
Datum:
24.08.2006
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 K 1356/05
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten materiellrechtlich über die Verfassungsmäßigkeit der 1%-
Regelung.
2
Der Kläger ist Steuerberater. Seinen Gewinn ermittelte er im Streitjahr 2003 durch
Einnahme- /Überschussrechnung mit 88.942 EUR. Als Firmenwagen bediente sich der
Kläger eines im Oktober 1997 für rd. 42.000 DM erworbenen Peugeot 406 (Rechnung
RbSt-Akte). Die Einkünfte des Klägers wurden im Einkommensteuerbescheid vom 17.
November 2004 zunächst erklärungsgemäß berücksichtigt; die Einkommensteuer wurde
mit 14.104 EUR festgesetzt.
3
Mit seinem Einspruch wandte sich der Kläger zunächst gegen die Kürzung/teilweise
Nichtberücksichtigung von Sonderausgaben. Bei dieser Gelegenheit erklärte er, er halte
die 1%-Regelung für verfassungswidrig und habe die Kfz-Kosten daher pauschal mit
35% der angefallenen Kosten angesetzt. Der Beklagte erklärte daraufhin, die private
Kfz-Nutzung sei nach Maßgabe der 1%-Regelung zu erfassen, nach der sich ein
Privatanteil von unstreitig 2.232 EUR (RbSt-Akte) ergab, sodass der Gewinn nach
Ansicht des Beklagten wegen des vom Kläger angesetzten Privatanteils (816 EUR) auf
90.358 EUR zu korrigieren war. Mit Schreiben vom 20. Januar 2005 wies der Beklagte
nochmals darauf hin, dass sich unter Berücksichtigung der vom Kläger im
Sonderausgaben-Bereich begehrten Änderungen und der Ermittlung der privaten Kfz-
Nutzung nach der 1%-Regelung eine Verböserung ergeben würde. Da der Kläger an
seinem Einspruch festhielt, wurde die Einkommensteuer entsprechend der
Ankündigung des Beklagten mit Bescheid vom 3. März 2005 auf 14.300 EUR erhöht.
Der aufrechterhaltene Einspruch des Klägers wurde mit Einspruchsentscheidung vom
12. April 2005 als unbegründet zurückgewiesen.
4
Mit seiner noch vor Ergehen der Einspruchsentscheidung am 3. April 2005 beim FG
Köln eingegangenen "Sprungklage" wehrt sich der Kläger nur noch gegen die
Anwendung der 1%-Regelung. Der Kläger hält diese Regelung für verfassungswidrig,
5
Anwendung der 1%-Regelung. Der Kläger hält diese Regelung für verfassungswidrig,
weil sie nur innerhalb der Abschreibungsdauer des PKW zu einem halbwegs
brauchbaren Ergebnis führe. Nach Ablauf der Abschreibungsdauer von fünf Jahren
führe die 1%-Regelung hingegen zu einer Übermaß-Besteuerung. Die vom Gesetz
vorgesehene Alternative, nämlich die Führung eines Fahrtenbuchs, sei faktisch nicht
vorhanden, weil die Fahrtenbücher von der Finanzverwaltung in aller Regel nicht
anerkannt würden. Die Betriebsprüfer würden sich offen damit rühmen, jedes
Fahrtenbuch "kaputtmachen" zu können. Der Steuerbürger ersticke mehr und mehr
unter der Besteuerung nach Formalvorschriften, die nichts mehr mit dem Grundsatz der
Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu tun habe.
Der Kläger beantragt, 1. den Einkommensteuerbescheid vom 3. März 2005 unter
Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 12. April 2005 dahin zu ändern, dass die
privaten Kfz-Kosten mit 35% der insgesamt angesetzten Kfz-Kosten berücksichtigt
werden, hilfsweise die Aussetzung des Verfahrens, um eine Entscheidung des BVerfG
gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der 1%-Regelung
einzuholen, äußerst hilfsweise die Zulassung der Revision, 2. den Beklagten zu
verurteilen, Auskunft über den prozentualen Anteil der im Endeffekt wirklich anerkannten
Fahrtenbücher zu erteilen.
6
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
7
Der Beklagte hat mit Schreiben vom 12. April 2005 mitgeteilt, das er der Erhebung der
Klage als Sprungklage nicht zustimme; die Einspruchsentscheidung erging am gleichen
Tage.
8
Entscheidungsgründe
9
1. Die Klage ist zulässig. Die zunächst gemäß § 44 FGO mangels Vorverfahren
unzulässige Klage ist zwischenzeitlich durch den Erlass der Einspruchsentscheidung
vom 12. April 2005 in die Zulässigkeit hineingewachsen. Denn es genügt, wenn die
Sachentscheidungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
vor dem FG vorliegen (grundlegend BFH-Urteil vom 17. Mai 1985 III R 213/82, BFHE
143, 509, BStBl II 1985, 521; vgl. ferner BFH-Urteile vom 29. März 2001 III R 1/99, BFHE
194, 331BStBl II 2001, 432, vom
10
7. Juli 1992 VIII R 24/91, BFH/NV 1993, 461, vom 7. August 1990 VII R 120/89, BFH/NV
1991, 569; zur Sachurteilsvoraussetzung vgl. ferner BFH-Urteil vom 14. Juli 1992 VIII R
86/89, BFH/NV 1993, 38 , 39).
11
2. Die Klage ist unbegründet. Das FA hat die private Nutzung zutreffend nach der
typisierenden Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ermittelt. Die pauschale
Bewertung der privaten Nutzung eines betrieblichen Kfz nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2
EStG verstößt auch bei bereits abgeschriebenen Fahrzeugen nicht gegen den
Gleichheitssatz (FG Köln, Urteil vom 14. November 2002 10 K 4268/98, EFG 2003,
381).
12
a) Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist die private Nutzung eines Kraftfahrzeugs ist
für jeden Kalendermonat mit 1% des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der
Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der
Umsatzsteuer anzusetzen. Abweichend davon kann die private Nutzung nach Satz 3
der Vorschrift mit den auf die Privatfahrten entfallenden Aufwendungen angesetzt
13
werden, wenn die für das Kraftfahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch
Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein
ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden.
b) Die pauschalierende sog. 1%-Regelung ist verfassungsgemäß.
14
aa) Der Senat lässt offen, ob der Gesetzgeber überhaupt verpflichtet wäre, den Abzug
von Betriebsausgaben für ein Kfz zuzulassen, wenn der betriebliche Nutzungsanteil
nicht durch ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch nachgewiesen wird, oder ob er
diese Aufwendungen gemäß dem Aufteilungs- und Abzugsverbot für gemischt
veranlasste Aufwendungen gemäß § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG ganz vom Abzug
ausschließen könnte. Jedenfalls darf der Gesetzgeber in solchen Fällen typisierende
oder pauschalierende Regelungen für den Betriebsausgabenabzug treffen. Dies ist in §
6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG geschehen. Der erkennende Senat macht sich insoweit die
grundlegenden Ausführungen des III. Senats des BFH zur Verfassungsmäßigkeit
widerlegbarer gesetzlicher Typisierungen zu Eigen (FG Köln, Urteil vom 14. November
2002 10 K 4268/98, EFG 2003, 381 unter Bezugnahme auf BFH-Urteil vom 24. Februar
2000 III R 59/98, BFHE 191, 286, BStBl II 2000, 273 für einen Fall, in dem der Kläger die
Nutzungsentnahme eines Gebrauchtwagens mit rd. 50% der ermittelten Gesamtkosten
angesetzt hatte; ebenso BFH-Urteil vom 1. März 2001 IV R 27/00 BStBl II 2001, 403,
BFH/NV 2001, 851).
15
bb) Ein Verstoß der Vorschrift gegen den Gleichheitssatz ist auch nicht feststellbar,
soweit es um die Bewertung von Nutzungsentnahmen für Gebrauchtwagen geht. Der
Gleichheitssatz gebietet im Gegenteil, den Maßstab des Listenpreises beizubehalten,
gleichgültig, ob das Fahrzeug nach Jahren noch von einem Ersterwerber oder einem
weiteren Gebrauchtwagenkäufer genutzt wird. Insoweit erweist sich die Regelung als
folgerichtig und daher auch nicht willkürlich im Sinne der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts zum Gleichheitssatz. Hinzu kommt, dass der
Steuerpflichtige jederzeit die Möglichkeit gehabt hätte, den privaten Nutzungsanteil den
tatsächlichen Verhältnissen entsprechend durch Führung eines Fahrtenbuchs zu
ermitteln (BFH-Urteil vom 1. März 2001 IV R 27/00 BStBl II 2001, 403, BFH/NV 2001,
851 für einen Fall, in dem der Steuerpflichtige den Wert der Nutzungsentnahme für
einen voll abgeschriebenen Gebrauchtwagen zwar auf der Grundlage der 1%-Regelung
ermittelt hatte, dabei jedoch nicht vom Neuwagenpreis ausgegangen war, sondern
seine tatsächlichen Anschaffungskosten zugrunde gelegt hatte; ferner BFH-Urteil vom
16
24. Februar 2000 III R 59/98, BFHE 191, 286, BStBl II 2000, 273).
17
c) Die hier streitige Vorschrift ist auch im Hinblick auf bereits abgeschriebene
Fahrzeugen entgegen der Ansicht der Kläger nicht lückenhaft.
18
aa) Die Vorschrift war im Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. zum
JStG 1996 vom 27. März 1995 (BT-Drucks. 13/901) und im Gesetzentwurf der
Bundesregierung vom 24. April 1995 (BT-Drucks. 13/1173) zunächst nicht enthalten. Im
Zuge des Gesetzgebungsverfahrens wurde über einen Vorschlag zur "Änderung der
pauschal unterstellten Annahme in den Einkommensteuerrichtlinien (Abschnitt 118 Abs.
2 Satz 3), dass Geschäftsfahrzeuge, die ebenfalls privat genutzt werden, i.d.R. zu 65 bis
70 % geschäftlich genutzt werden, auf 50 %" diskutiert (BT-Drucks. 13/936, 15).
Nachdem der Finanzausschuss des Deutschen Bundestags diesen Antrag zunächst
abgelehnt hatte (BT-Drucks. 13/1558, 9), empfahl der Finanzausschuss des Bundesrats
19
am 23. Mai 1995 "zur Vereinfachung der Bewertung der privaten Nutzung eines
betrieblichen Kraftfahrzeugs eine zwingende Regelung", nämlich die 1%-Regelung
einzuführen (BR-Drucks. 171/2/95, 8). Die nunmehrige Bemessung der privaten
Nutzungsentnahme betrieblicher Kfz ist im Bundestag Gegenstand gegenläufiger
Initiativen von Bundestag und Bundesrat gewesen (BFH-Urteil vom 1. März 2001 IV R
27/00 BStBl II 2001, 403, BFH/NV 2001, 851).
bb) Der Senat verkennt nicht, dass die 1%-Regelung bei bereits abgeschriebenen
Fahrzeugen jedenfalls in den Fällen zu einer unzutreffenden Besteuerung führt, in
denen - wie im Streitfall - die Gesamtaufwendungen nur geringfügig höher sind als der
1%-Wert. Ein im Einzelfall unzutreffendes Ergebnis ist aber gerade die typische Folge
einer gesetzlichen Typisierung, die jedenfalls dann zulässig ist, wenn der
Steuerpflichtige die Möglichkeit hat, seinen tatsächlichen Aufwand durch Führung eines
Fahrtenbuchs zu ermitteln, zumal es sich bei den Fahrzeugkosten eines auch privat
genutzten Fahrzeugs um grundsätzlich nichtabziehbare gemischte Aufwendungen
handelt. Der Senat teilt nicht die Ansicht des Bevollmächtigten, dass Fahrtenbücher in
aller Regel nicht anerkannt werden. Denn er hat bereits in mehreren Fällen
Fahrtenbücher anerkannt.
20
d) Angesichts der inzwischen wiederholt bestätigten gesetzlichen Regelung sieht der
Senat keinen Anlass, das Verfahren auszusetzen, um eine Entscheidung des BVerfG
gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zur Frage ihrer Verfassungsmäßigkeit einzuholen.
21
e) Auch der Antrag, den Beklagten zu verurteilen, Auskunft über den prozentualen Anteil
der im Endeffekt wirklich anerkannten Fahrtenbücher zu erteilen, hat keinen Erfolg. Für
einen solchen Antrag sieht der Senat keine Anspruchsgrundlage. Der Beklagte könnte
ohnehin nur Auskunft über die in seinem Zuständigkeitsbereich nicht anerkannten
Fahrtenbücher geben. Selbst wenn sich dabei ergeben würde, dass Fahrtenbücher vom
Beklagten in aller Regel nicht anerkannt würden, so wäre auch dies für das Begehren
des Klägers nicht hilfreich, weil sich aus einer solchen Erhebung nicht ergäbe, ob die
Fahrtenbücher grob fehlerhaft sind und deshalb zu Recht nicht anerkannt werden oder
weil der Beklagte unzumutbar hohe Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit stellt.
22
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
23