Urteil des FG Köln vom 26.02.2009

FG Köln: steuerberater, geschäftsführer, gewissenhafte berufsausübung, freier beruf, geschäftsführung, widerruf, handelsregister, beratung, interessenkollision, gesellschafterversammlung

Finanzgericht Köln, 2 K 1863/08
Datum:
26.02.2009
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 K 1863/08
Rechtskraft:
VII B 110/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Tatbestand
1
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Bestellung des Klägers zum Steuerberater
zu Recht widerrufen wurde. Dabei ist insbesondere streitig, ob der Kläger eine
gewerbliche Tätigkeit ausübt, die mit seinem Beruf nicht vereinbar ist.
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Der Kläger ist als Steuerberater zugelassen. Er ist zudem - neben Herrn N - als
einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der D, N & Partner GmbH im
Handelsregister des Amtsgerichts E eingetragen. Dabei wird auch seine Bezeichnung
als Steuerberater angeführt. Gegenstand des Unternehmens ist die
Unternehmensberatung.
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Ursprünglich firmierte die GmbH unter "D, N & Partner Treuhand- und
Steuerberatungsgesellschaft mbH". Deren Anerkennung als
Steuerberatungsgesellschaft war am 00.00.0000 erloschen. In der
Gesellschafterversammlung vom 00.00.0000 erfolgte die Umfirmierung zu "D, N &
Partner GmbH" und der Gegenstand des Unternehmens u.a. mit Unternehmensberatung
angegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die notarielle Niederschrift vom
00.00.0000 verwiesen (befindlich in der Verwaltungsakte der Beklagten).
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Mit Verfügung vom 00.00.0000 forderte die Beklagte den Kläger auf, dafür Sorge zu
tragen, dass er als Geschäftsführer dieser Gesellschaft abberufen werde, da
anderenfalls die Bestellung als Steuerberater zu widerrufen sei. Nachdem der Kläger
hierauf nicht reagierte, leitete die Beklagte ein Berufsaufsichtsverfahren ein und gab
dem Kläger wiederholt und unter Ankündigung eines möglichen Widerrufs der
Bestellung als Steuerberater Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Kläger äußerte sich
dahingehend, dass die Tätigkeit als Geschäftsführer zulässig sei, da die Gesellschaft
seit 0000 keine originäre Tätigkeit mehr ausübe.
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Mit Schreiben vom 00.00.0000 bat der Kläger die Beklagte für einen überschaubaren
Zeitraum noch Geschäftsführer der D, N Partner GmbH sein zu dürfen, da Herr N seine
Geschäftsführertätigkeit niedergelegt habe und eine GmbH nicht ohne Geschäftsführer
sein könne. Es sei beabsichtigt, einen neuen Geschäftsführer zu bestellen. Die Beklagte
lehnte dies ab und forderte den Kläger erneut auf, für seine Abberufung als
Geschäftsführer Sorge zu tragen.
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Mit Verfügung vom 00.00.0000 wurde die Zulassung des Klägers als Steuerberater
unter Hinweis auf die gewerbliche Tätigkeit als Geschäftsführer nach § 46 Abs. 2 Nr. 1
StBerG widerrufen.
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Am 00.00.0000 beschloss die Gesellschafterversammlung Herrn Rechtsanwalt H als
weiteren Geschäftsführer zu bestellen.
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Zur Begründung seiner gegen den Widerruf gerichteten Klage trägt der Kläger vor, dass
er keine gewerbliche Tätigkeit ausübe. Er sei ausweislich des Handelsregisters des
Amtsgerichts E nur als Geschäftsführer der D, N & Partner GmbH eingetragen, deren
Unternehmensgegenstand formal die Unternehmensberatung sei.
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Nur bei einer tatsächlichen Geschäftsführertätigkeit könne eine gewerbliche Tätigkeit in
Betracht kommen, die mit dem Beruf des Steuerberaters unvereinbar sein könne.
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In seinem Fall werde die Tätigkeit als Geschäftsführer jedoch nur aufrecht erhalten, um
die GmbH abzuwickeln. Nach der Satzung der GmbH dürften nur Steuerberater
Geschäftsführer der GmbH sein. Sie müsse in korrekter Weise liquidiert werden.
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Wenn aber keine Geschäftsführertätigkeit ausgeübt werde, die Gesellschaft ihre
Tätigkeit seit langem eingestellt habe, dann greife nach Wortlaut und Sinn die
Inkompatibilitätsbestimmung des § 46 Abs. 2 StBerG nicht.
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Es komme hinzu, dass die Gesellschafterversammlung am 00.00.0000 – wenn auch
gegen seinen Willen – beschlossen habe, Rechtsanwalt H zum Geschäftsführer zu
bestellen.
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Der Widerruf der Zulassung als Steuerberater sei bei Untätigkeit verfassungswidrig.
Allein der Umstand, dass er noch formal die Geschäftsführerfunktion ausübe, reiche
nicht aus, um den schwerwiegenden Eingriff des Widerrufs der Zulassung am Maßstab
des Art. 12 Abs. 1 GG und des dort garantierten Grundrechts der Berufsfreiheit zu
rechtfertigen.
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Das Argument der Beklagten, dass ein organschaftliches Handeln für eine gewerbliche
Gesellschaft unabhängig vom Umfang eine mit dem Beruf unvereinbare gewerbliche
Tätigkeit darstelle, sei nicht überzeugend. Wenn ein organschaftliches Handeln nicht
stattfinde, könne auch kein Beruf ausgeübt werden, der unvereinbar mit dem des
Steuerberaters sei. Bloße formale Positionen, denen keine Tätigkeit entspreche, würden
nicht den schwerwiegenden Eingriff des Widerrufs der Zulassung rechtfertigen.
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Erst recht sei der Widerruf der Zulassung unverhältnismäßig am Maßstab der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zweitberufsfreiheit von
Rechtsanwälten (BVerfGE 1993, 317). Die dort genannten materiellen Maßstäbe
würden grundsätzlich auch für Steuerberater gelten. Die Berufe von Rechtsanwälten
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und Steuerberatern seien artverwandt. Dies ergebe sich aus der Sozietätsfähigkeit der
beiden Berufe. Allein der Umstand, dass bei Rechtsanwälten eine gesetzliche
Zweitberufsverbotsregelung fehle, es allein die Inkompatibilitätsregelung des § 7 Nr. 8
BRAO gebe, rechtfertige keine andere Bewertung am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG
sowie des Art. 3 Abs. 1 GG und dem Gebot der Verhältnismäßigkeit. Es sei kein
sachlicher Grund dafür erkennbar, warum Rechtsanwälten grundsätzlich eine
gewerbliche Tätigkeit erlaubt sein solle, Steuerberatern hingegen nicht, zumal
Rechtsanwälte uneingeschränkt wie Steuerberater steuerberatend tätig sein könnten.
Der Kläger beantragt,
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den Widerrufsbescheid vom 00.00.0000 ersatzlos aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte trägt vor, dass die Übernahme der Geschäftsführung einer gewerblichen
Gesellschaft unzulässig sei, da das organschaftliche Handeln in dieser Funktion
notwendig vom gewerblichen Charakter der Unternehmenstätigkeit der Gesellschaft
geprägt werde.
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Das organschaftliche Handeln für eine gewerbliche Gesellschaft stelle unabhängig von
ihrem Umfang eine mit dem Beruf des Steuerberaters unvereinbare gewerbliche
Tätigkeit dar. Bereits die Eintragung als Organ einer gewerblichen Gesellschaft im
Handelsregister sei geeignet, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Unabhängigkeit
und Unparteilichkeit des Steuerberaters zu erschüttern und könne somit den Widerruf
der Bestellung rechtfertigen. Dies sei zuletzt auch durch den Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 20. Mai 2008 (1 BvR 2258/07, n.v.) bestätigt worden.
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Darüber hinaus räume der Kläger selbst eine, wenn auch möglicherweise nur sehr
geringe, gewerbliche Tätigkeit ein, indem er vortrage, dass er "praktisch nicht
nennenswert gewerblich tätig" sei.
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Der Verweis des Klägers auf die berufsrechtlichen Regelungen für Rechtsanwälte greife
nicht. Die unterschiedlichen berufsrechtlichen Regelungen für Rechtsanwälte und
Steuerberater seien begründet in dem unterschiedlichen Tätigkeitsfeld beider Berufe.
Steuerberater seien naturgemäß umfassend über die wirtschaftlichen Verhältnisse ihrer
Mandanten informiert. Schon die Gefahr, dass ein Steuerberater die bei der Beratung
eines Gewerbetreibenden gewonnenen Kenntnisse im eigenen Gewerbebetrieb
verwenden könnte, würde das Vertrauen in eine unabhängige und gewissenhafte
Berufsausübung beeinträchtigen und daher dem Ansehen des Berufs schaden.
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Durch die Unvereinbarkeit einer gewerblichen Tätigkeit mit dem steuerberatenden Beruf
werde die Freiheit der Berufswahl nicht unangemessen eingeschränkt.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist unbegründet.
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Der Widerrufsbescheid vom 00.00.0000 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in
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seinen Rechten. Die Beklagte hat die Bestellung des Klägers als Steuerberater zu
Recht unter Berufung auf § 46 Abs. 2 Nr. 1 StBerG widerrufen.
I. Nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 StBerG ist die Bestellung zu widerrufen, wenn der
Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte eine gewerbliche Tätigkeit oder eine Tätigkeit
als Arbeitnehmer ausübt, die mit seinem Beruf nicht vereinbar ist (§ 57 Abs. 4). Die
vorliegend einschlägigen §§ 57 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Nr. 2 StBerG bestimmen
insoweit, dass sich Steuerberater jeder Tätigkeit zu enthalten haben, die mit ihrem Beruf
oder mit dem Ansehen des Berufs nicht vereinbar ist (§ 57 Abs. 2 Satz 1 StBerG).
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Zu solchen gewerblichen Tätigkeiten, die mit dem Beruf oder mit dem Ansehen des
Steuerberaters nicht vereinbar sind, gehört die Übernahme der Geschäftsführung einer
gewerblichen Gesellschaft. Denn das organschaftliche Handeln in dieser Funktion wird
notwendig vom gewerblichen Charakter der Unternehmenstätigkeit der Gesellschaft
geprägt (vgl. BGH, Urteil vom 29. Februar 1988 StbSt (R) 1/87, NJW 1988, 3274). Diese
Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Der Kläger ist Geschäftsführer der D, N &
Partner GmbH, deren Unternehmensgegenstand u.a. in der Unternehmensberatung
besteht, also einer gewerblichen GmbH. Damit ist auch die Übernahme der
Geschäftsführung gewerblich geprägt.
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II. Der Einwand des Klägers, dass er nur formal zum Geschäftsführer bestellt sei, er rein
faktisch aber keine entsprechende Tätigkeit ausübe, steht dem nicht entgegen. Denn
selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass er tatsächlich keine – und nicht nur wie
von ihm selber eingeräumt "keine nennenswerte" - Geschäftsführertätigkeit ausüben
würde, wäre der Widerrufstatbestand des § 46 Abs. 2 Nr. 1 StBerG als erfüllt anzusehen.
Denn für die Frage der Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit in Form der Übernahme
der Geschäftsführung einer gewerblichen Gesellschaft reicht eine formelle
Geschäftsführung aus (vgl. BGH- Urteil vom 3. Juli 1989 StbSt (R) 14/88, wistra 1990, 60
im Zusammenhang mit einer Pflichtverletzung aufgrund der Stellung eines
Konkursantrages; Maxl, in Kuhls/Meurers/Maxl/Schäfer/Goez/Willerscheid, StBerG, § 57
Rn. 426).
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Dies ergibt sich aus dem Selbstverständnis des Berufs des Steuerberaters und dem
Sinn und Zweck des § 46 Abs. 2 Nr. 1 StBerG. Denn eines der Hauptziele dieser
Vorschrift ist die Hebung des Berufs der Steuerbevollmächtigten (BVerfG-Beschluss
vom 15. Februar 1967 1 BvR 569/62, BVerfGE 21, 173). Der Beruf der Steuerberatung
ist nach ausdrücklicher Vorschrift des Gesetzes kein Gewerbe; er ist ein gehobener
freier Beruf. Damit verträgt es sich schon allgemein schlecht, wenn der
Steuerbevollmächtigte daneben eine gewerbliche Tätigkeit ausübt. Die besonderen
Bedingungen, unter denen der Steuerbevollmächtigte seine Berufsaufgaben zu
erledigen hat, machen eine solche Berufskombination noch weniger erträglich als bei
anderen freien Berufen. Die Tätigkeit der Steuerbevollmächtigten bringt es mit sich,
dass sie von internen Geschäftsvorgängen der Betriebe ihrer Klienten Kenntnis
erlangen; üben sie gleichzeitig einen gewerblichen Beruf aus, so besteht die
Möglichkeit, dass sie die bei ihrer steuerberatenden Tätigkeit erworbenen Kenntnisse in
ihren eigenen Gewerbebetrieben verwerten und dem Gewerbetreibenden, den sie
beraten, Konkurrenz machen. Da die gewerbliche Tätigkeit maßgebend vom Streben
nach Gewinn bestimmt ist und eine Rücksichtnahme auf den jeweiligen Kundenkreis
verlangt, kann hierdurch die vom Gesetzgeber geforderte Unabhängigkeit und
Unparteilichkeit des Steuerbevollmächtigten gegenüber seinem Klienten sowie das
Vertrauensverhältnis zwischen diesen beeinträchtigt werden (BVerfG-Beschluss vom
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15. Februar 1967 1 BvR 569/62, a.a.O.).
Dieses Vertrauensverhältnis zwischen Steuerberater und Mandanten, das nach der
Intention der Norm geschützt werden soll, wird allerdings schon mit der formalen
Bestellung des Steuerberaters zum Geschäftsführer einer Gesellschaft beeinträchtigt.
Denn für den Mandanten als Außenstehenden ist in der Regel nicht erkennbar, ob der
Steuerberater lediglich eine formale Position als Geschäftsführer inne hat oder ob er
insoweit auch tatsächlich tätig ist. Hinzu kommt im Streitfall, dass der Kläger auch im
Handelsregister unter der Bezeichnung als Steuerberater als Geschäftsführer
eingetragen ist, also eine nach außen hin erkennbare Verbindung der beiden
Tätigkeiten als Steuerberater und als Geschäftsführer erfolgt, wodurch das Vertrauen
des Mandanten noch stärker erschüttert wird.
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Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es sich bei § 46 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 57
Abs. 4 StBerG um einen abstrakten Gefahrentatbestand handelt (vgl. BVerfG-Beschluss
vom 20. Mai 2008 1 BvR 2258/07, n.v.; BFH-Urteil vom 9. Februar 1993 VII R 89/92,
BFH/NV 1993, 693). Eine solche abstrakte Gefährdung tritt bereits mit der Eintragung
als Geschäftsführer im Handelsregister ein. Ob es konkret zu der vom Gesetz
befürchteten Interessenkollision kommt, ist unerheblich. Auch angesichts dessen kommt
es nicht darauf an, ob der Kläger faktisch untätig ist.
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III. Entgegen der Auffassung des Klägers sind die streitigen Bestimmungen, § 46 Abs. 2
Nr. 1 i.V.m. § 57 Abs. 4 StBerG, verfassungsgemäß (vgl. BFH-Beschluss vom 28. April
2004 VII B 44/04, BFH/NV 2004, 1297; Urteil vom 9. Februar 1993, VII R 89/92, BFH/NV
1993, 693 jeweils m.w.N.; s.a. BVerfG-Beschluss vom 15. Februar 1967, 1 BvR 569/62,
BVerfGE 21, 173 zu diesen Bestimmungen in der damals geltenden Fassung).
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1. Insbesondere ist eine Übertragung der Rechtsprechung des BVerfG (z.B. Beschluss
vom 4. November 1992 1 BvR 79/85 u.a., NJW 1993, 317) zur ähnlichen Problematik
bei Rechtsanwälten (vgl. § 7 Nr. 8 BRAO) auf das Steuerberatungsgesetz abzulehnen.
Denn zum einen unterscheiden sich § 46 Abs. 2 Nr. 1 StBerG und § 7 Nr. 8 BRAO in
ihrem Regelungsgehalt. Zum anderen unterscheiden sich auch die Berufsbilder in nicht
unerheblicher Weise, so dass ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht vorliegt.
Zwischen der Berufsausübung eines Rechtsanwaltes und der eines Steuerberaters
bestehen im allgemeinen wesentliche Unterschiede. Diese Unterschiede ergeben sich
vor allem daraus, dass der Steuerberater über einen gegebenen Einzelfall hinaus meist
eingehende und umfassende Kenntnisse über die persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse - einschließlich der beruflichen Tätigkeit, der Betriebsverhältnisse und
dergleichen - seiner Mandanten benötigt, um sie richtig beraten und ihre Interessen in
vollem Umfang wahrnehmen zu können. Für das Tätigwerden eines Rechtsanwaltes
sind derartige Kenntnisse in der Regel nicht erforderlich. Dies gilt auch dann, wenn sie
gem. § 3 Abs. 1 Nr. 2 StBerG Hilfe in Steuersachen leisten; denn diese bezieht sich bei
Rechtsanwälten in der Regel auf die Beratung und Prozessvertretung in
steuerrechtlichen Einzelfragen, während sie bei Steuerberatern meist eine umfassende
steuerliche Beratung - einschließlich Gewinnermittlung und Erstellung der gesamten
Steuererklärungen - häufig im Sinne eines Dauermandats umfasst. Wenn ein
Steuerberater sich neben diesem Beruf noch als Arbeitnehmer bzw. Gewerbetreibender
betätigt, so ist grundsätzlich nicht auszuschließen, dass er auf Grund seiner
umfassenden Kenntnisse über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
seines Mandanten bei der Erledigung seiner Aufgaben als Arbeitnehmer bzw.
Gewerbetreibender in Interessenkollision gerät. Diese - abstrakte - Gefahr macht bei
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dieser Berufsgruppe eine derartige Berufskombination zumindest weniger erträglich als
bei anderen freien Berufen (BFH-Urteil vom 9. Februar 1993 VII R 89/92, BFH/NV 1993,
693 auch unter Hinweis auf BVerfG-Beschluss vom 15. Februar 1967, 1 BvR 569/62,
BVerfGE 21, 173, 182).
Die mangelnde Übertragbarkeit der Rechtsprechung des BVerfG, insbesondere des
Beschlusses vom 4. November 1992 (1 BvR 79/85 u.a., NJW 1993, 317) zum
Nebenberuf von Rechtsanwälten wird auch daran deutlich, dass das
Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung u.a. ausdrücklich darauf abstellt,
dass in der Bundesrechtsanwaltsordnung kein Grundsatz zum Ausdruck komme,
wonach anwaltliche und erwerbswirtschaftliche Tätigkeiten grundsätzlich unvereinbar
sind (s. Rn. 130 der Entscheidung). Nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber das
Ansehen der Rechtsanwaltschaft durch wirtschaftliche Betätigungen bedroht glaubte.
Hierin unterscheidet sich das Berufsbild des Rechtsanwalts von dem des
Steuerberaters.
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2. Zwar ist dem Kläger zuzugestehen, dass auch Rechtsanwälte im Bereich der
Steuerberatung tätig werden. Gleichwohl führt dies nicht zu einem Gleichklang beider
Berufsbilder. Trotz gewisser Überschneidungen im Bereich der Steuerberatung handelt
es sich gleichwohl um unterschiedliche Berufsbilder. Denn sowohl hier als auch bei der
Auslegung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 57 Abs. 2, Abs. 4 Nr. 2 StBerG ist eine
abstrakte Betrachtungsweise vorzunehmen. Es ist daher nicht darauf abzustellen, ob im
konkreten Einzelfall eine - insoweit kaum nachprüfbare - Interessenkollision vorliegt;
entscheidend ist vielmehr, ob abstrakt eine solche Möglichkeit besteht.
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3. Schließlich hat der Gesetzgeber im Jahre 2000 mit dem 7. StBÄndG in Kenntnis der
Problematik § 46 Abs. 2 Nr. 1 StBerG dahingehend erweitert, dass die Bestellung nicht
nur zu widerrufen ist, wenn der Steuerberater eine Tätigkeit als Arbeitnehmer ausübt,
sondern auch dann, wenn er eine gewerbliche Tätigkeit ausübt. Die Norm ist daher
sowohl nach ihrem Wortlaut als auch nach dem Willen des Gesetzgebers eindeutig,
sodass auch eine anderweitige Auslegung nicht in Betracht kommt.
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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