Urteil des FG Köln vom 19.11.2002

FG Köln: wiedereinsetzung in den vorigen stand, mündliche prüfung, klagefrist, bekanntgabe, gesetzliche frist, anschluss, erlass, bestätigung, steuerberater, prüfungsergebnis

Finanzgericht Köln, 8 K 7737/01
Datum:
19.11.2002
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 K 7737/01
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger über die nach seiner Auffassung von
ihm bestandene Steuerberaterprüfung 1999 ein schriftlicher Prüfungsbescheid zu
erteilen ist.
2
Der Kläger unterzog sich am 15.03.2000 der mündlichen Prüfung der
Steuerberaterprüfung 1999. In der Verwaltungsakte des Beklagten, Bl. 125, befindet sich
hierzu ein auf den Prüfungstag für den Prüfungsausschuss 1 gedrucktes
Protokollformblatt in Kopie mit der Überschrift "Niederschrift". Auf dem Protokollvordruck
sind die Mitglieder des Prüfungsausschusses sowie die Bewerber benannt. Der Beginn
und das Ende der mündlichen Prüfung sind handschriftlich vermerkt. Das Ergebnis der
Prüfung ist in Bezug auf den Kläger (Bewerber 4) dadurch notiert, dass von den
Alternativen "bestanden/nicht bestanden" der Vermerk "bestanden" durchgestrichen
worden ist. In derselben Zeile ist vermerkt durch Wegstreichen der Alternative "nicht
erwünscht", dass dem Kläger eine Begründung der Bewertung seiner mündlichen
Prüfungsleistungen erteilt worden ist. In einem weiteren Abschnitt steht der Satz "Ich
habe den Bewerbern die Entscheidung des Prüfungsausschusses bekannt gegeben".
Der Kläger hatte die Prüfung als einziger der Bewerber nicht bestanden. Der
Protokollvordruck ist unterschrieben vom Vorsitzenden des Prüfungsausschusses 1. Auf
Bl. 124 der Verwaltungsakte befindet sich ein Schreiben des ... vom Prüfungstag mit
folgendem Wortlaut: "1. Herr.. W... hat am 15.03.2000...den mündlichen Teil der
Steuerberaterprüfung 1999 abgelegt..." Sodann folgt ein Auszug aus dem
Prüfungsprotokoll. Das Schreiben endet mit dem Satz "Es ist nichts zu veranlassen. 2.
zdA"
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Mit Schreiben vom 30.05.2000 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers dem
Beklagten mit, der Kläger habe ihn mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt.
Bisher liege dem Kläger weder ein Prüfungsbescheid noch eine Begründung der
Prüfungsentscheidung vor. Der Kläger habe Anspruch auf Erteilung eines begründeten
Prüfungsbescheids mit substantiierter Darlegung der Sachverhalte, die Grundlage der
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Prüfungsbescheids mit substantiierter Darlegung der Sachverhalte, die Grundlage der
Entscheidung seien. Der Kläger habe im Anschluss an die Prüfung bereits substantiierte
Gegenvorstellungen erhoben. Der Beklagte teilte dem Prozessbevollmächtigten des
Klägers mit Schreiben vom 05.06.2000 mit, nach § 28 Abs. 1 Satz 3 DVStB habe der
Vorsitzende des Prüfungsausschusses unmittelbar im Anschluss an die mündliche
Prüfung und Beratung des Ausschusses den Bewerbern lediglich mündlich zu eröffnen,
ob sie die Prüfung bestanden haben. Dementsprechend sei dem Kläger am 15.03.2000
mitgeteilt worden, dass er die Prüfung mit der von ihm erzielten Gesamtnote von 4,35
nicht bestanden habe. Einen schriftlichen Prüfungsbescheid sehe die DVStB nicht vor.
Den vom Kläger unmittelbar im Anschluss an die mündliche Prüfung erhobenen
Gegenvorstellungen sei durch die im Anschluss an die Prüfung erfolgte Begründung der
Bewertung der mündlichen Prüfungsleistungen Rechnung getragen worden. Ein
darüber hinausgehendes Begründungsverlangen läge nicht vor. Daraufhin teilte der
Prozessbevollmächtigte des Klägers am 02.10.2000 mit, der Kläger habe, unmittelbar
nachdem ihm das negative Ergebnis der Prüfung mündlich verkündet worden sei,
substantiierte Gegenvorstellungen erhoben und im Anschluss darauf hingewiesen, dass
er für weiteres Vorgehen den Prüfungsbescheid abwarte, wobei er nicht darauf
hingewiesen worden sei, dass ein schriftlicher Prüfungsbescheid ihm gegenüber nicht
mehr ergehen würde. Dem Schriftsatz lag ein vom Kläger erstelltes sogenanntes
Teilprotokoll der mündlichen Prüfung, datiert auf den 30.03.2000 bei, in dem auf S. 14
ausgeführt wird: " Herr W äußerte, dass die erteilte Benotung... nicht nachvollziehbar
sei, und er...insoweit den Bescheid über die Prüfung abwarte." Der Beklagte teilte dem
Prozessbevollmächtigten des Klägers daraufhin unter dem 18.10.2000 mit, die
Mitteilung über das Nichtbestehen der Prüfung am 15.03.2000 sei die Bekanntgabe
eines mündlichen Prüfungsbescheides gewesen. Zwischenzeitlich sei die Klagefrist
nach § 47 Abs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 FGO von einem Monat nach Bekanntgabe des
mündlichen Prüfungsbescheids abgelaufen. Die Prüfungsentscheidung sei
bestandskräftig, da keine Klage erhoben worden sei. Auch die Durchführung eines
verwaltungsinternen Kontrollverfahrens scheide damit wegen der Verfristung aus.
Mit Klageerhebung vom 07.02.2001 trägt der Kläger vor, der Vorsitzende des
Prüfungsausschusses habe ihm zum Ende der mündlichen Prüfung erklärt, er habe
leider nicht bestanden, hierüber werde ihm ein schriftlicher Bescheid zugehen. Diesem
Bescheid, in dem auf seine Gegenvorstellungen zum Prüfungsergebnis eingegangen
werden würde, werde auch der von ihm beigebrachte Haftpflichtversicherungsnachweis
für Steuerberater beigefügt. Für diese Aussage des Vorsitzenden hat der Kläger die
namentlich benannten Mitglieder der Prüfungskommission und dem Gericht namentlich
nicht bekannte sonstige Prüfungsteilnehmer als Zeugen benannt. Der
Haftpflichtversicherungsnachweis (Deckungszusage der ... Versicherung) befinde sich
als Bl. 123 nach wie vor in der Verwaltungsakte. Das als Bl. 124 in der Verwaltungsakte
befindliche, an den Kläger adressierte Entwurfschreiben mit einem Auszug aus der
Protokollniederschrift könne nur so verstanden werden, dass ein kanzleimäßig
vorbereiteter schriftlicher Prüfungsbescheid existiere, aber nachfolgend vom Beklagten
nicht abgesandt worden sei. Das Protokollformular (Bl. 125 d.A.) enthalte zwar den Satz,
die Prüfungsentscheidung sei den Bewerbern bekannt gegeben worden. Dies habe
aber keinerlei Aussage- und Beweiskraft für das tatsächliche Geschehen, da es sich um
ein vorgefertigtes Protokoll handele. Dass dieser Vermerk nicht dem tatsächlichen
Geschehen entspreche, folge allein schon daraus, dass die erfolgreichen Bewerber
einen schriftlichen Prüfungsbescheid erhielten. Der Beklagte habe sich in der Folgezeit
geweigert, den schriftlichen Prüfungsbescheid zu erlassen, obwohl die Erklärung des
Prüfungsausschuss-Vorsitzenden, es werde dem Kläger noch ein Bescheid zugehen,
vor Augen führe, dass eine wirksame Prüfungs-Bescheidung fehle und der Vorsitzende
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nicht die Absicht gehabt hätte, einen Prüfungsbescheid in mündlicher Form zu erlassen.
Entgegen der Auffassung des Beklagten enthalte die DVStB keine Regelungen über die
Form des Prüfungsbescheids. Die Formulierung in § 28 Abs. 1 Satz 3 DVStB "Der
Vorsitzende eröffnet den Bewerbern, ob sie bestanden haben" sage hierzu nichts.
Selbst wenn aus § 28 Abs. 1 Satz 2 DVStB entnommen werden könnte, dass die
Prüfungsentscheidung als mündlicher Verwaltungsakt gegenüber den Kandidaten zu
erlassen sei, sei diese Bestimmung mangels Ermächtigungsgrundlage nichtig. § 158
StBerG enthalte keinerlei Ermächtigung zum Erlass einer Verordnung über
Prüfungsverfahrensvorschriften. Abgesehen davon hätte eine Regelung über
Steuerberaterprüfungsverfahrensfragen nur unmittelbar im Steuerberatungsgesetz und
nicht in einer Verordnung ihren rechtmäßigen Platz. Selbst wenn aber in Gestalt eines
förmlichen Gesetzes geregelt worden wäre, dass Steuerberaterprüfungsergebnisse
lediglich mündlich ohne Rechtsbehelfsbelehrung zu verkünden seien mit einer
Klagefrist von einem Monat nach Bekanntgabe, sei die Frage, ob eine solche Vorschrift
vor Art. 12 Abs. 1 GG Bestand haben könne, zu verneinen. Da es jedenfalls keine
ausdrückliche Bestimmung über die Förmlichkeit des Steuerberaterprüfungsbescheids
gebe, habe dieser stets in Schriftform zu ergehen. Dies folge aus einer Orientierung am
allgemeinen Verwaltungsrecht, nach dem Prüfungsentscheidungen entsprechend der
höchstrichterlichen verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung grundsätzlich schriftlich zu
begründen seien. Zumindest müsse die Rechtsbehelfsbelehrung eines mündlichen
Prüfungsbescheids schriftlich ergehen. Sei dies nicht geschehen, müsse zumindest
eine ohne Rechtsbehelfsbelehrung ergangene mündliche Entscheidung binnen
Jahresfrist angefochten werden können. Dies folge auch aus den zur
Grundrechtsverwirklichung des Art. 12 Abs. 1 GG und 19 Abs. 4 GG entwickelten
prüfungsverfahrensrechtlichen Gewährleistungen, die das Prüfungsverfahren
hinsichtlich des Verfahrens in die Nähe des förmlichen Verwaltungsverfahrens gemäß
§§ 63 ff. Verwaltungsverfahrensgesetz rückten. Auch das FG Münster (EFG 1977, 618)
und das FG Düsseldorf (EFG 1980, 98 ff.) hätten eine Klagefrist von einem Jahr gegen
Steuerberater- Prüfungsentscheidungen angenommen. Zwar vertrete der BFH mit
Urteilen vom 28.11.1978 (BStBl II 1979, 185) und 11.01.1994 (BStBl II 1994, 358 ff.) die
Ansicht, die Klagefrist nach mündlicher Eröffnung des Ergebnisses der
Steuerberaterprüfung betrage auch ohne Erteilung einer schriftlichen
Rechtsbehelfsbelehrung stets einen Monat. Damit widerspreche der BFH der
zutreffenden höchstrichterlichen Rechtsprechung im Verwaltungsrechtszug und
berücksichtige nicht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach der
Grundrechtsschutz des Art. 12 Abs. 1 GG auch für die Gestaltung des
Prüfungsverfahrens zu gewährleisten sei. Des weiteren trägt der Kläger unter Hinweis
auf das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 18.02.2000, EFG 2001, 43 ff. vor, nach
den Bestimmungen des Steuerberatungsgesetzes sei bis zu einer Gesamtnote von 4,5
die Steuerberaterprüfung bestanden. Er habe mit der Gesamtnote 4,35 bewiesen, dass
er ausreichendes Wissen für die ordnungsgemäße Ausübung des Steuerberaterberufes
besitze.
Der Kläger beantragt ,
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1. den Beklagten zum Erlass eines Prüfungsbescheids ihm gegenüber zu
verurteilen, wonach er die Prüfung als Steuerberater mit Wirkung am 15.03.2000
bestanden hat, 2. hilfsweise unter Aufhebung des Prüfungsbescheids vom
15.03.2000 den Beklagten zu verpflichten, einen Prüfungsbescheid gemäß Antrag
zu 1. zu erlassen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er vertritt die Auffassung, die Klage sei unzulässig, da der Kläger die Klagefrist
versäumt habe. Die Klagefrist habe mit Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses im
Anschluß an die mündliche Prüfung vom 15.03.2000 begonnen und am 17.04.2000
geendet. Die am 07.02.2001 anhängig gewordene Klage sei mithin verfristet. Eine
schriftliche Rechtsbehelfsbelehrung sei entsprechend den Ausführungen des BFH in
BStBl II 1994, 358 nicht für die Ingangsetzung der einmonatigen Klagefrist erforderlich.
Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO seien nicht
vorgetragen worden und nach Aktenlage auch nicht ersichtlich. Der Vorsitzende des
Prüfungsausschusses könne sich nach fast einem Jahr an seine Äußerungen in der
mündlichen Prüfung vom 15.03.2000 im Einzelnen nicht mehr erinnern. Er könne sich
nicht vorstellen, in diesem Zusammenhang die Rückgabe des von dem Kläger
beigebrachten Haftpflichtversicherungsnachweises angesprochen zu haben. Ihm sei gar
nicht bekannt, wie der Beklagte mit dem Nachweis bei Nichtbestehen der Prüfung zu
verfahren pflege. Hierzu sei zu sagen, dass er, der Beklagte, die mit Nichtbestehen der
Prüfung obsolet gewordene vorläufige Haftpflichtversicherungsdeckungszusage in der
Verwaltungsakte belasse. Der Kläger selbst habe in seinem Schriftsatz vom 02.10.2000
im Gegensatz zu seinem Vortrag im Klageverfahren lediglich ausgeführt, dass er nicht
darauf hingewiesen worden sei, dass ein schriftlicher Prüfungsbescheid ihm gegenüber
nicht mehr ergehen werde. Bl. 124 der Verwaltungsakte sei ein automatisch von der
Datenbank erzeugter innerdienstlicher Vermerk, mit dem ein Auszug aus der
Niederschrift der mündlichen Prüfung zu den Akten des Bewerbers gemäß § 31 Abs. 2
DVStB genommen werde. Die missverständliche Gestaltung der Verfügung, die für
einen Außenstehenden den Eindruck erwecke, es handele sich um einen Entwurf eines
schriftlichen Prüfungsbescheids, der an den Bewerber gesandt werden solle, habe
EDV-Ursachen (Einsparung von Programmieraufwand). Der Verfügung fehle
demzufolge auch der Absendevermerk. Auch erfolgreichen Bewerbern werde kein
schriftlicher Prüfungsbescheid erteilt. Ihnen werde nach mündlicher Bekanntgabe des
Prüfungsergebnisses eine Urkunde über das Bestehen der Steuerberaterprüfung
ausgehändigt. Der Prüfungsablauf sei zutreffend in der Niederschrift wiedergegeben
worden. Die vordruckmäßige Unterstützung der Protokollierung sei zulässig.
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Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage war abzuweisen, da die mit dem Hauptantrag erhobene Verpflichtungsklage
unbegründet sowie die mit dem Hilfsantrag erhobene Anfechtungsklage unzulässig und
die gleichfalls mit dem Hilfsantrag erhobene Verpflichtungsklage unbegründet sind.
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I. Die vom Kläger mit seinem Hauptantrag erhobene Verpflichtungsklage ist
zulässig, aber unbegründet.
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A. Die Verpflichtungsklage auf Erlass eines schriftlichen Prüfungsbescheids des Inhalts,
dass der Kläger die Prüfung bestanden hat, ist zulässig.
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Die Klageerhebung gegen die den Kläger belastende Ablehnung seines Antrags auf
Erlass eines derartigen Prüfungsbescheides, ergangen spätestens mit Bekanntgabe
des Schreibens des Beklagten vom 18.10.2000 ohne Rechtsbehelfsbelehrung, ist
innerhalb der einjährigen Klagefrist gemäß §§ 47 Abs. 1, 55 Abs. 2 FGO erfolgt.
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B. Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet, da der Kläger kein Recht auf den
Erlass des begehrten schriftlichen Prüfungsbescheides hat, denn der dort zu regelnde
Sachverhalt ist bereits mit dem wirksamen, bestandskräftigen mündlichen
Prüfungsbescheid vom 15.03.2000 geregelt worden.
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Die Rechtmäßigkeit des wirksamen Prüfungsbescheides vom 15.03.2000 kann
angesichts seiner formellen und materiellen Bestandskraft dahinstehen (vgl. § 124 Abs.
2 AO; Tipke/Kruse, AO, FGO, § 124 AO Tz. 17,18, vor § 130 AO Tz. 1). Allerdings ist
anzumerken, dass der Vortrag des Klägers, der bis zum Abschluss der mündlichen
Verhandlung lediglich dahinging, mit der von ihm erzielten Note 4,35 habe er die
Steuerberaterprüfung bestanden, eine materiell-rechtliche Rechtswidrigkeit des
Prüfungsbescheides angesichts des BFH-Urteils vom 06.03.2001 VII R 38/00, BFH/NV
2001, 871, auf das der Kläger hingewiesen worden ist, nicht erkennen lässt.
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1. Der Prüfungsbescheid ist mit Bekanntgabe an den Kläger am 15.03.2000 gem. § 164
a StBerG, § 124 Abs. 1 AO wirksam geworden. Der Prüfungsausschuss 1 hat am
15.03.2000 gemäß § 158 Abs. 1 Nr. 1 b Steuerberatungsgesetz (-StBerG-), § 28
Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater,
Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften (-DVStB-) idF bis zum
30.06.2000 in unmittelbarem Anschluss an die mündliche Prüfung des Klägers und der
Mitbewerber unstreitig über das Ergebnis beraten und eine Prüfungsentscheidung
erlassen. Wenn der Vorsitzende dem einzelnen Bewerber entsprechend § 28 Abs. 1
Satz 3 DVStB sodann "eröffnet", ob er die Prüfung nach der Entscheidung des
Prüfungsausschusses bestanden hat, gibt er dem Bewerber als Organ (Sprecher) des
Prüfungsausschusses die vom Prüfungsausschuss erlassene Prüfungsentscheidung,
einen mündlichen Verwaltungsakt im Sinne der §§ 47 Abs. 1 Satz 1 FGO, § 164 a
StBerG, §§ 118, 119 Abs. 2 Satz 1 AO, bekannt (BFH-Urteile vom 11.01.1994 VII R
53/93, BStBl II 1994, 358 und vom 12.02.1980 VII R 80/79, BStBl II 1980, 459). Dem
Kläger hat der Vorsitzende nach dessen eigenem Vortrag mitgeteilt, "er habe leider nicht
bestanden" und ihm somit das Prüfungsergebnis im Sinne des vom § 28 Abs. 1 DVStB
eröffnet.
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Ob der Vorsitzende im Streitfall zusätzlich gesagt hat, hierüber werde dem Kläger ein
schriftlicher Bescheid, in dem auf seine Gegenvorstellungen zum Prüfungsergebnis
eingegangen werde, zukommen, ist für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich
und kann deshalb dahinstehen. Von der Anhörung der vom Kläger zu dieser
angeblichen Äußerung des Vorsitzenden benannten Zeugen hat der erkennende Senat
daher absehen können (BFH-Beschluss vom 01.12.1998 VII B 192/98, BFH/NV 1999,
660).
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In der Äußerung des Vorsitzenden, sollte sie so gefallen sein, ist lediglich die
Ankündigung einer schriftlichen Bestätigung des mündlichen Prüfungsbescheides vom
15.03.2002 gem. § 164 a StBerG i. V. m. § 119 Abs. 2 Satz 2 AO ohne eigene
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Verwaltungsaktsqualität (vgl Tipke/Kruse, AO, FGO, § 119 AO Tz. 9) zu erkennen, die
mit Schreiben des Beklagten vom 05.06.2000 und 18.10.2000 erfolgte und im übrigen
keiner Begründung bedurfte (vgl BFH-Urteil vom 05.08.1986 VII R 117/85, BStBl II 1986,
870). Dabei ist die vom Kläger behauptete Bezeichnung der schriftlichen Bestätigung
als " Bescheid " durch den Vorsitzenden für die rechtliche Qualität sowohl des zuvor
ergangenen mündlichen Prüfungsbescheids als auch der nachfolgenden schriftlichen
Bestätigung unerheblich (vgl Kopp, VwVfG, 6. Aufl., § 35 Anm. 5 a).
Ist gegenüber dem Kläger mithin nach seinem eigenem Vortrag ein mündlicher
Prüfungsbescheid erlassen und bekannt gegeben worden, der - wie angekündigt -
schriftlich bestätigt worden ist, kann dahin stehen, welche Bedeutung dem auf Blatt 124
der Verwaltungsakte befindlichen Entwurfschreiben zukommt und ob erfolgreiche
Bewerber in Gestalt der Bescheinigung gem. § 28 Abs. 2 DVStB aF entsprechend dem
klägerischen Vortrag einen schriftlichen Prüfungsbescheid erhalten. Auch auf die
Beweiskraft des Prüfungsprotokolls sowie die Umstände des Verbleibs der
Versicherungsbescheinigung in der Verwaltungsakte kommt es nicht an.
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2. Der Prüfungsbescheid ist auch wirksam geblieben, da er in der Folgezeit
entsprechend dem klägerischen Vortrag nicht aufgehoben oder auf andere Weise
erledigt worden ist, § 124 Abs. 2 AO (materielle Bestandskraft). Wie bereits dargelegt,
besagt die vom Kläger behauptete Aussage des Vorsitzenden nach Bekanntgabe der
Prüfungsentscheidung nach eigenem Vortrag des Klägers lediglich, dass der
Prüfungsbescheid -wie auch geschehen- schriftlich bestätigt werden würde. Mit der
Aussage ist keine Aufhebung des Prüfungsbescheids erfolgt. Ein Aufheben eines
wirksam bekannt gegebenen Prüfungsbescheides ist dem hierfür von der
Rechtsprechung entwickelten, mittlerweile in § 29 DVStB nF niedergelegten
verwaltungsinternen Kontrollverfahren vorbehalten (vgl grundlegend BFH-Beschluss
vom 10.08.1993 VII B 68/93 BStBl II 1994, 50 m. w. N.), dessen Durchführung im
Streitfall vom Kläger nicht beantragt worden ist.
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3. Der Prüfungsbescheid ist auch nicht wegen Nichtigkeit unwirksam, § 164 a StBerG,
§§ 124 Abs. 3, 125 Abs. 1 AO.
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Ein Verwaltungakt ist nichtig, soweit er an einen besonders schwerwiegenden Fehler
leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände
offenkundig ist, § 125 Abs. 1 AO.
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a. Ein schwerwiegender Fehler in diesem Sinne liegt vor, wenn für einen
Verwaltungsakt unter keinen vertretbaren Umständen eine gesetzliche Grundlage
gefunden werden kann.
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Im Streitfall ist gesetzliche Grundlage für den Prüfungsbescheid vom 15.03.2000 die
Vorschrift des § 28 Abs. 1 DVStB, ergangen aufgrund der Verordnungsermächtigung in
§ 158 Abs. 1 Nr. 1 b StBerG, die entgegen den Ausführungen des Klägers schon nach
ihrem Wortlaut den Bundesgesetzgeber ermächtigt, Bestimmungen zu erlassen über die
Durchführung der Steuerberaterprüfung, wozu unzweifelhaft auch das
Prüfungsverfahren gehört.
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b. Der vorliegende mündliche Prüfungsbescheid ohne Rechtsbehelfsbelehrung ist nicht
nichtig, weil er auf vom Kläger für verfassungswidrig gehaltenen gesetzlichen
Grundlagen (§ 158 Abs. 1 Nr. 1 b StBerG, § 28 Abs. 1 DVStB im Zusammenspiel mit § §
29
47,55 FGO) beruht und den Kläger nach seiner Auffassung in seinen Grundrechten
insbesondere gem. Art. 12 und 19 des Grundgesetzes verletzt.
Solange das Bundesverfassungsgericht nicht die Verfassungswidrigkeit der
gesetzlichen Grundlagen für die mündlichen Prüfungsbescheide anlässlich der
Steuerberaterprüfung festgestellt hat, hatte der Prüfungsausschuss und sein
Vorsitzender unter Anwendung des § 28 Abs. 1 DVStB den Prüfungsbescheid vom
15.03.2000 mündlich ohne Rechtsbehelfsbelehrung bekannt zu geben. Der erkennende
Senat wäre verpflichtet gewesen, gem. Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes das
Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
mangels eigener Verwerfungkompetenz einzuholen (sogenannte Richtervorlage), hätte
er die Auffassung des Klägers zur Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Grundlagen
des Prüfungsbescheids vom 15.03. 2000 geteilt.
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Der erkennende Senat ist jedoch in Übereinstimmung mit dem
Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 14.07.1980 2 BvR 780/79,
Steuerrechtsprechung in Karteiform, StBerG, DVStB a. F. § 22 Rechtsspruch 3) und dem
Bundesfinanzhof (Urteile vom 28.11.1978 VII R 48/78, BStBl II 1979, 185, vom
12.02.1980 VII R 80/79 a. a. O. und vom 11.1.1994 VII R 53/93 a. a. O, vgl auch Urteil
des erkennenden Senats vom 24.10.2000, 8 K 2638/00 in juris; ebenfalls zustimmend:
Gräber/Koch, FGO, 3. Auflage, § 55 Anmerkung 7; Tipke/Kruse, aaO, § 55 FGO Tz. 3)
der Auffassung, dass die mündliche Bekanntgabe eines negativen Prüfungsergebnisses
gem. § 158 Abs. 1 Nr. 1b StBerG i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 3 DVStB ohne
Rechtsbehelfsbelehrung mit der Folge des Anlaufens der Klagefrist gem. § § 47, 55
FGO mit der Bekanntgabe einfach rechtlich vertretbar geregelt und verfassungsrechtlich
nicht zu beanstanden ist. Der erkennende Senat nimmt zur Begründung seiner
Rechtsauffassung auf die vorstehend zitierten höchstrichterlichen Entscheidungen
vollinhaltlich Bezug und sieht angesichts der gefestigten höchstrichterlichen
Rechtsprechung von ihrer Wiederholung in den vorliegenden Entscheidungsgründen
ab.
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Ergänzend ist anzuführen, dass der Gesetzgeber auch nach Ergehen des BFH-Urteils
vom 11.01.1994 (VII R 53/93 a. a. O.) anlässlich zahlreicher, zwischenzeitlicher
Änderungen der FGO und der DVStB trotz der bekannten Einwendungen gegen die
mündliche Bekanntgabe von (negativen) Prüfungsentscheidungen bei der
Steuerberaterprüfung die einschlägigen Vorschriften der FGO und DVStB im Sinne des
klägerischen Vorbringens nicht geändert hat und auch nicht die (Verfahrens-)
Vorschriften über die Durchführung der Steuerberaterprüfung in das
Steuerberatungsgesetz übernommen hat.
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Insbesondere die Auffassung des Klägers zur Verfassungswidrigkeit der
unterschiedlichen Klagefristen, je nach Geltung der VwGO oder der FGO, teilt der
erkennende Senat nicht.
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Dass bei der Steuerberaterprüfung im Hinblick auf § 55 Abs. 1 Satz 1 FGO eine kürzere
(einmonatige) Klagefrist gegeben ist als bei anderen staatlichen Prüfungen, so weit auf
diese die Verfahrensvorschriften der VwGO (§ 58 VwGO) anwendbar sind, ist nicht von
vornherein sachwidrig und stellt keinen Verstoß gegen die Art. 3 Abs. 1, 12 oder 19 des
Grundgesetzes dar. Die Mündlichkeit des Prüfungsbescheides ist angesichts der
Besonderheit bei der Steuerberaterprüfung, dass das Prüfungsergebnis nur darin
besteht, ob der Bewerber bestanden hat oder nicht, nicht sachwidrig. Der mündliche
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Prüfungsbescheid hat dadurch einen so einfachen und eindeutigen Inhalt, dass der
betroffene Bewerber auch angesichts der Prüfungssituation den Inhalt des
Prüfungsbescheides einfach erfassen kann und ohne weiteres zu beurteilen vermag, ob
der Prüfungsbescheid ihn belastet und welche Bedeutung das für ihn hat. Diese
Einfachheit ist bei anderen Prüfungsverfahren nicht gegeben, insbesondere dort nicht,
wo Noten erteilt werden. In diesen Fällen war es vom Gesetzgeber sachgemäß zu
bestimmen, dass die Prüfungsentscheidungen grundsätzlich schriftlich ergehen bzw. bei
unterbliebener Rechtbehelfsbelehrung gem. § 58 VwGO mit einer Klagefrist von einem
Jahr angreifbar sind. Bei Bewerbern für die Steuerberaterprüfung geht der erkennende
Senat mit dem Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 14.07.1980 (a. a.
O.) des weiteren davon aus, dass sie aufgrund ihrer Ausbildung über die gegen
Prüfungsentscheidungen einzulegenden Rechtsbehelfe informiert sind.
c. Steht fest, dass die Mündlichkeit des Prüfungsbescheides gem. § 48 DVStB
verfassungsgemäß und einfach gesetzlich vertretbar geregelt ist, scheidet eine
Nichtigkeit des Prüfungsbescheides gem. § 125 Abs. 1 AO wegen des vom Kläger
gerügten Schriftformverstosses aus (vgl zur Nichtigkeit von Verwaltungsakten bei
Verstoß gegen konstitutive Schriftlichkeit: Tipke/Kruse, AO, FGO, § 157 AO Tz. 4, 6 m.
w. N.).
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4. Der wirksame Prüfungsbescheid vom 15.03.2000 ist formell bestandskräftig
(unanfechtbar).
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a. Unstreitig hat der Kläger die einmonatige Klagefrist für eine Anfechtungsklage gem. §
47 FGO, die mit Bekanntgabe des Prüfungsbescheides am 15.03.2000 angelaufen ist,
mit Klageerhebung entsprechend seinem Hilfsantrag am 07.02.2001 nicht eingehalten.
Wie bereits unter Bezugnahme auf die höchstrichterliche Rechtsprechung dargelegt, ist
mit Bekanntgabe des mündlichen Prüfungsbescheides zu Recht keine
Rechtsbehelfsbelehrung erfolgt und die Nichtanwendung des § 55 FGO entsprechend
seinem eindeutigen Wortlaut einfach gesetzlich vorgegeben und nicht
verfassungswidrig. Für den Beginn der Klagefrist kommt es nicht auf die spätestens mit
Schreiben des Beklagten vom 18.10.2000 erfolgte schriftliche Bestätigung des
mündlichen Prüfungsbescheides vom 15. 03. 2000 an (Tipke/Kruse, aaO, § 119 AO Tz.
9).
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b. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 56 FGO betreffend die
(Anfechtungs-) Klagefrist ist nicht möglich. Der Kläger muss sich das Verschulden
seines Prozessbevollmächtigten bei der Versäumung der Klagefrist zurechnen lassen
(vgl. BFH-Beschluss vom 14.5.1987 V B 52/87, BFH/NV 1988, 39).
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Nach § 56 FGO ist demjenigen, der ohne Verschulden gehindert war, eine gesetzliche
Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Auch
Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Frist von zwei Wochen für den Antrag auf
Wiedereinsetzung kann entsprechend § 56 FGO gewährt werden.
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Im Streitfall kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand schon deswegen nicht
gewährt werden, weil sie entgegen § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO nicht innerhalb von zwei
Wochen nach Wegfall des Hindernisses beantragt worden ist.
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Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat eine Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand gem. § 56 FGO bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung nicht beantragt,
41
obwohl sich dies spätestens nach dem Schreiben des Beklagten vom 18.10.2000 an ihn
angeboten hätte. Dort hatte der Beklagte den nach Aktenlage seit Ende Mai 2000
anwaltlich den Kläger vertretenden Prozessbevollmächtigten u. a. explizit auf die
abgelaufene Klagefrist gegen den Prüfungsbescheid vom 15.03.2000 hingewiesen.
Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen gem. § 56 Abs. 2 Satz 4 FGO ohne
Antragstellung scheidet gleichfalls aus, da die versäumte Rechtshandlung in Gestalt der
Klageerhebung bzw. eines Antrags auf Wiedereinsetzung in die Frist gem. § 56 FGO
nicht innerhalb der nach dem Zugang des Schreibens des Beklagten vom 18.10.2000
angelaufenen Wiedereinsetzungsfrist nachgeholt worden ist.
Hinzukommt, dass der Kläger nicht dargelegt und glaubhaft gemacht hat, dass sein
Prozessbevollmächtigter ohne Verschulden verhindert war, fristgerecht Klage zu
erheben bzw. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzgl. der Wiedereinsetzung gem.
§ 56 FGO zu beantragen. Von dem (prüfungs- und verwaltungs-) rechtskundigen
Prozessbevollmächtigten war spätestens nach Zugang des Schreibens des Beklagten
vom 18.10.2000 bei vorauszusetzender Kenntnis der höchstrichterlichen
Rechtsprechung zur Verfassungsgemäßheit der Mündlichkeit von (negativen)
Prüfungsbescheiden zu erwarten, dass er innerhalb der Zweiwochenfrist gem. § 56 FGO
Wiedereinsetzung beantragen und Klage erheben würde (vgl. BFH-Beschluss vom
19.8. 1992 V B 27/92, BFH/NV 1993,480 und Urteil vom 20.2.2001 IX R 48/98, BFH/NV
2001,1010).
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II. Für die mit dem Hilfsantrag gestellte Anfechtungsklage folgt aus den obigen
Ausführungen unter I.B.4. zur formellen Bestandskraft des Prüfungsbescheides vom
15.3.2000 ihre Unzulässigkeit wegen Nichteinhaltung der Klagefrist; dass die zusätzlich
mit dem Hilfsantrag gestellte Verpflichtungsklage ebenfalls unbegründet ist, folgt im
Hinblick auf die Bestandskraft des wirksamen Prüfungsbescheides vom 15.03.2000 aus
den Ausführungen unter I.B. der Entscheidungsgründe.
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Der Kläger trägt die Kosten des Rechtssteits gem. § 135 Abs. 1 FGO.
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