Urteil des FG Köln vom 10.12.2008

FG Köln: berufliche tätigkeit, unentgeltliche tätigkeit, ausarbeitung, seminar, dozent, international, präsenz, berufsbild, steuerpflichtiger, veranstaltung

Finanzgericht Köln, 7 K 97/07
Datum:
10.12.2008
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 97/07
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Aufwendungen für sein häusliches
Arbeitszimmer in den Streitjahren 2004 und 2005 unbegrenzt als Betriebsausgaben
abziehen kann.
2
Der Kläger wurde in den Streitjahren zusammen mit seiner Ehefrau zur
Einkommensteuer veranlagt. Er ist pensionierter Beamter und erzielte neben seinen
Versorgungsbezügen unter anderem Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Dozent
sowie aus einer schriftstellerischen und beratenden Tätigkeit. Darüber hinaus ist er seit
dem Jahr 1977 als Rechtsbeistand zugelassen.
3
Der Kläger betrieb seine Kanzlei in seinem häuslichen Arbeitszimmer. Dort übte er auch
seine schriftstellerische und beratende Tätigkeit aus. Zudem bereitete er sich in seinem
Arbeitszimmer auf die Lehr- und Vortragsveranstaltungen vor und erstellte und
aktualisierte die entsprechenden Lehrgangs- und Unterrichtsmaterialien. Er nutzte das
Arbeitszimmer darüber hinaus, um sich durch die Lektüre der von ihm abonnierten
Fachzeitschriften fortzubilden, Loseblattsammlungen zu aktualisieren und seine Akten
zu verwalten bzw. verwahren.
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Seine freiberufliche Tätigkeit erstreckte sich auf das Abhalten und Vorbereiten von
steuerjuristischen Vorträgen und Lehrveranstaltungen bzw. Seminaren, das Verfassen
steuerjuristischer Fachgutachten und Fachaufsätze sowie die Kommentierung von
Steuergesetzen. Darüber hinaus erstellte er Unterrichtsmaterialien für einen
Fernlehrgang und war zudem als deutscher Korrespondent für die Zeitschrift " ... " tätig,
wobei er in diesem Zusammenhang unentgeltlich etwa zwei Zeitschriftenbeiträge pro
Jahr verfasste.
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Die einzelnen Tätigkeitsfelder der freiberuflichen Arbeit ließen sich nicht eindeutig
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voneinander abgrenzen. Die schriftstellerische Tätigkeit war eng mit der Vortrags- und
der Lehrtätigkeit verknüpft, da der Kläger einerseits als Dozent engagiert wurde, weil er
Fachbeiträge veröffentlichte und er andererseits publizierte, weil ihm die
Dozententätigkeit hierfür einen Anlass gab. Die Vortrags- und Beratungstätigkeit wurde
insgesamt höher vergütet als die schriftstellerische Arbeit, wobei die aus der
schriftstellerischen Tätigkeit erzielten Einnahmen dem Kläger nicht stets schon im Jahr
der Leistungserbringung, sondern teilweise erst in einem Folgejahr zuflossen.
Die unstreitigen Gesamteinnahmen des Klägers aus selbständiger Arbeit belaufen sich
ausweislich der jeweiligen Gewinnermittlungen für das Jahr 2004 auf ......,29 Euro und
für das Jahr 2005 auf ......,66 Euro. Darin enthalten sind Einnahmen aus der
schriftstellerischen Tätigkeit in Höhe von .....,72 Euro für 10 Veröffentlichungen in 2004
bzw. in Höhe von ...,22 Euro für 5 Veröffentlichungen in 2005 sowie Einnahmen aus
zwei Beratungsleistungen im Jahr 2004 in Höhe von .....,31 Euro. Die Einnahmen aus
den Vortrags- und Lehrveranstaltungen betrugen ...... Euro für 15 Veranstaltungen im
Jahr 2004 und ...... Euro für 22 Veranstaltungen im Jahr 2005.
7
Die Gesamteinnahmen setzen sich im wesentlichen wie folgt zusammen:
8
Art der Einnahmen
2004
2005
Autorenhonorare
….. Euro
… Euro
Vorträge, Referate, Seminare etc.
….-Seminare
…… Euro
…… Euro
.......-............-Seminare
..... Euro
... Referat ...
...... Euro
...... Euro
...-Lehrgang
..... Euro
..... Euro
Beratungsleistungen
.............export
..... Euro
..... & ........
... Euro
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Nach einer am Gesamtzeitaufwand orientierten und vom Beklagten nicht beanstandeten
Schätzung war der Kläger im Hinblick auf seine freiberufliche Tätigkeit im Jahr 2005 an
etwa 60 Tagen außerhalb seines Arbeitszimmers und an etwa 200 Tagen in seinem
Arbeitszimmer tätig. Dabei benötigte er nach seiner Einschätzung für die Ausarbeitung
von Beiträgen für die Zeitschriften "...-........... International" und "...-............ International
.........." jeweils etwa zwei Wochen und für die Kommentierung zum ...steuergesetz einen
"erheblichen Teil" seiner Arbeitszeit. Auf die Überarbeitung des ...-Fernlehrganges
entfielen im Jahr etwa zwei Arbeitstage und auf die Vorbereitung dieser
Lehrgangsveranstaltung jeweils etwa eine Woche. Der Vorbereitungsaufwand für die
....-Seminare betrug etwa einen Tag pro Seminar, wobei der Kläger für die Erstellung
des Skriptes nebst der Übungsmaterialien im Jahr 2004 "mit Unterbrechungen" etwa
sechs Monate und für eine im Jahr 2005 vorgenommene Aktualisierung dieses Skriptes
etwa eine Woche benötigte. Die Vorbereitungszeit für die ......-.............-Seminare betrug
jeweils etwa zwei Wochen (100 Stunden), für die Assessorenkurse an der ... und für ein
10
Referat vor ... etwa einen Tag pro Lehrgang/Vortrag, für die Fortbildungsseminare an der
... belief er sich auf etwa eine Woche je Seminar. Die Ausarbeitung von zwei Referaten
zum ...abkommen nahm jeweils etwa eine Woche in Anspruch. Für die Lektüre seiner
Fachzeitschriften veranschlagte der Kläger pro Woche etwa 15 Stunden. Für nähere
Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichten Aufstellungen vom 18.5.2008 (Bl. 48 f.
d.A.) und vom 1.6.2008 (Bl. 55 f. d.A.) sowie die in der Rechtsbehelfsakte befindliche
Übersicht vom 17.1.2006 Bezug genommen.
In den für die Streitjahre eingereichten Einkommensteuererklärungen begehrte der
Kläger unter anderem den Abzug von Aufwendungen für sein häusliches Arbeitszimmer
in Höhe von 1.610,07 Euro (2004) bzw. 1.602,47 Euro (2005) als Betriebsausgaben. Der
Beklagte ließ diese Aufwendungen bei den jeweiligen Einkommensteuerveranlagungen
nur in beschränktem Umfang in Höhe von jeweils 1.250 Euro zum Abzug zu.
11
Gegen die Steuerbescheide legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein und begehrte
den unbeschränkten Abzug der für das Arbeitszimmer geltend gemachten
Aufwendungen, da das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen
Betätigung bilde. Bei einer Vortragstätigkeit sei die Vorbereitung des Vortrags der
wichtigste Teil der Arbeit. Der Vortrag selbst sei lediglich die "Frucht" der Vorbereitung
und mache nur einen kleinen Teilbereich der eigentlichen Arbeit aus. Vor diesem
Hintergrund sei das Arbeitszimmer selbst dann als Mittelpunkt der gesamten
betrieblichen und beruflichen Arbeit anzusehen, wenn lediglich eine Vortragstätigkeit
und nicht zusätzlich noch eine schriftstellerische Tätigkeit ausgeübt werde. Im übrigen
sei die im Arbeitszimmer ausgeübte schriftstellerische Betätigung ohnehin
umfangreicher als die Vortragstätigkeit.
12
Der Beklagte wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung zurück und führte zur
Begründung aus, dass der Schwerpunkt der selbständigen Arbeit in der Vortrags- und
Lehrtätigkeit liege, da der Kläger hierdurch "rund 85 %" der gesamten Einnahmen aus
selbständiger Arbeit erziele. Die Durchführung der Vortrags-/Lehrveranstaltungen vor
Ort sei für das Berufsbild des Klägers prägend. Bei einer Lehr- und Vortragstätigkeit
stehe der Vortrag bzw. die Lehre im Vordergrund, nicht aber die vorherige Ausarbeitung
des Redekonzepts bzw. Skriptes. Dies gelte auch dann, wenn eine umfangreiche
Vorbereitung der Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer erfolge.
13
Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Begehren weiter und trägt unter
Vertiefung seines bisherigen Sachvortrags vor, dass seine schriftstellerische Betätigung
von "ganz erheblicher Bedeutung" sei und den überwiegenden Teil seiner gesamten
freiberuflichen Tätigkeit ausmache. Die schriftstellerische Tätigkeit dürfe nicht bereits
deswegen als im Verhältnis zur Lehr- bzw. Vortragstätigkeit geringfügiger eingeschätzt
werden, weil die Vergütungen hierfür geringer seien. Aus der Höhe der erzielten
Einnahmen dürfe nicht darauf geschlossen werden, ob ein Arbeitszimmer den
Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit bilde.
14
Der Kläger beantragt,
15
die Aufwendungen für das Arbeitszimmer in vollem Umfang als Betriebsausgaben zu
berücksichtigen und das zu versteuernde Einkommen in 2004 um 361 Euro und in 2005
um 353 Euro zu verringern sowie die Einkommensteuer 2004 und 2005 entsprechend
herabzusetzen,
16
im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
17
Der Beklagte beantragt,
18
die Klage abzuweisen.
19
Er verweist zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung.
20
Entscheidungsgründe:
21
Die Klage ist unbegründet.
22
1.
23
Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die geltend gemachten Aufwendungen für das
häusliche Arbeitszimmer des Klägers in den Streitjahren über die bereits
berücksichtigten 1.250 Euro hinaus als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus
selbständiger Arbeit anzuerkennen.
24
a)
25
Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3, 2. Halbsatz Einkommensteuergesetz (EStG) in
der für das Streitjahr geltenden Fassung kann ein Steuerpflichtiger die Aufwendungen
für sein häusliches Arbeitszimmer nur dann uneingeschränkt als Betriebsausgaben
geltend machen, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen
und beruflichen Betätigung bildet. Dabei darf dem Steuerpflichtigen für seine berufliche
Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehen, § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2
EStG.
26
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist der "Mittelpunkt" im
Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3, 2. Halbsatz EStG nach dem inhaltlichen
(qualitativen) Schwerpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung eines
Steuerpflichtigen zu bestimmen (vgl. BFH-Urteile vom 15.3.2007 VI R 65/05, BFH/NV
2007, 1133 m.w.N. und vom 13.11.2002 VI R 28/02, BStBl. II 2004, 59; BFH-Beschluss
vom 22.10.2007 XI B 12/07, BFH/NV 2008, 47 m.w.N.). Wo dieser Schwerpunkt liegt, ist
im Rahmen einer umfassenden Wertung der Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen
festzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 15.3.2007 VI R 65/05, BFH/NV 2007, 1133 m.w.N.).
Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob die Tätigkeit im Arbeitszimmer für das
Berufsbild prägend ist (vgl. BFH-Urteile vom 29.4.2003 VI R 34/01, BFH/NV 2004, 319
und vom 15.3.2007 VI R 65/05, BFH/NV 2007, 1133). Dem zeitlichen (qualitativen)
Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers kann in diesem Zusammenhang
lediglich eine indizielle Bedeutung beigemessen werden, so dass das häusliche
Arbeitszimmer selbst dann (noch) den Mittelpunkt einer beruflichen Betätigung bilden
kann, wenn die außerhäuslichen Tätigkeiten überwiegen (vgl. BFH-Urteil vom
15.3.2007 VI R 65/05, BFH/NV 2007, 1133 m.w.N.). Den außerhäuslichen Tätigkeiten
darf dabei im Verhältnis zu den im Arbeitszimmer verrichteten Tätigkeiten allerdings nur
eine untergeordnete Bedeutung zukommen; die im Arbeitszimmer verrichteten
Tätigkeiten müssen weiterhin für den ausgeübten Beruf so maßgeblich sein, dass sie
diesen prägen (vgl. etwa BFH-Urteil vom 28.8.2003 IV R 34/02, BStBl. II 2004, 53 und
vom 23.3.2005 III R 17/03, BFH/NV 2005, 1537). Alleine der Umstand, dass die
Tätigkeiten im Arbeitszimmer zur Erfüllung der außerhäuslichen Tätigkeit – etwa vor-
27
oder nachbereitend – erforderlich sind, genügt in diesem Zusammenhang nicht (vgl.
BFH-Urteil vom 13.11.2002 VI R 28/02, BStBl. II 2004, 59).
Übt ein Steuerpflichtiger mehrere Tätigkeiten aus, ist der Mittelpunkt anhand einer
Gesamtbetrachtung aller von ihm ausgeübten Tätigkeiten zu bestimmen (vgl. BFH-Urteil
vom 16.12.2004 IV R 19/03, BStBl. II 2005, 212 m.w.N.). Im Rahmen der umfassenden
Gesamtbetrachtung sind dabei zunächst die jeweiligen Mittelpunkte der einzelnen
Tätigkeiten zu bestimmen, um sodann auf dieser Grundlage den qualitativen
Schwerpunkt der Gesamttätigkeit zu ermitteln (vgl. BFH-Urteil vom 16.12.2004 IV R
19/03, BStBl. II 2005, 212 m.w.N.). Der Schwerpunkt der Gesamttätigkeit wird durch den
Mittelpunkt der Haupttätigkeit indiziert (vgl. BFH-Beschluss vom 22.2.2006 IV B 10/05,
BFH/NV 2006, 1088). Bei mehreren selbständigen Tätigkeiten ist zur Bestimmung der
Haupttätigkeit auf alternativ oder kumulativ zu berücksichtigende Indizien
zurückzugreifen, wie etwa auf die Höhe der jeweils erzielten Einnahmen, das den
einzelnen Tätigkeiten nach der Verkehrsauffassung zukommende Gewicht und den auf
die jeweilige Tätigkeit insgesamt entfallenden Zeitaufwand. Dabei ist die Gewichtung
der einzelnen Indizien vom Finanzgericht als Tatsachengericht nach den Umständen
des Einzelfalles zu bestimmen (vgl. BFH-Urteil vom 16.12.2004 IV R 19/03, BStBl. II
2005, 212).
28
b)
29
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze, die sich der Senat zueigen macht,
bildet das Arbeitszimmer im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung nicht den
Mittelpunkt der gesamten Tätigkeit des Klägers.
30
Die im Arbeitszimmer verrichteten Tätigkeiten – insbesondere die schriftstellerische und
beratende Betätigung sowie die Vorbereitung der Vortrags- bzw. Lehrveranstaltungen –
bilden keinen qualitativen Schwerpunkt der Gesamttätigkeit und sind für die gesamte
Tätigkeit des Klägers nicht prägend. Dem Senat ist dabei vor dem Hintergrund der
Ausführungen des Klägers bewusst, dass die schriftstellerische und beratende
Betätigung sowie die Vorbereitung der jeweiligen Vortrags- und Lehrveranstaltungen
nebst der in diesem Zusammenhang erforderlichen Aus- und Überarbeitung der
Skripten und Übungsmaterialien durchaus anspruchsvoll, zeitintensiv und für die
Gesamttätigkeit des Klägers von wesentlicher Bedeutung sind.
31
Es mag in diesem Zusammenhang auch durchaus zutreffen, dass der Kläger in den
Streitjahren einen bedeutsamen Teil seiner beruflichen Tätigkeit in seinem
Arbeitszimmer ausgeübt hat. Gleichwohl ist der Senat bei einer umfassenden Wertung
der einzelnen Tätigkeitsmittelpunkte nicht der Auffassung, dass die vom Kläger in
seinem Arbeitszimmer verrichteten Tätigkeiten auch derart prägend sind, dass dort der
qualitative Schwerpunkt der Gesamttätigkeit liegt. Denn die Gesamttätigkeit des Klägers
zeichnet sich neben der im Arbeitszimmer verrichteten Arbeiten auch dadurch aus, dass
in nicht unerheblichem Umfang Vortrags- und Lehrveranstaltungen außerhalb des
Arbeitszimmers wahrgenommen werden, aus denen im übrigen der Großteil der
Gesamteinnahmen erzielt wird.
32
aa)
33
Hinsichtlich der vom Kläger ausgeübten Vortrags- bzw. Lehrtätigkeit bildet das
Arbeitszimmer keinen qualitativen Tätigkeitsmittelpunkt. Der qualitative Schwerpunkt
34
einer Vortrags- und Lehrtätigkeit liegt vielmehr dort, wo die jeweiligen Vorträge bzw.
Lehrveranstaltungen tatsächlich abgehalten werden.
Denn wesentlich und prägend für die Vortrags- bzw. Lehrtätigkeit ist die persönliche
Durchführung der jeweiligen Veranstaltung durch den Dozenten "vor Ort" und das in
diesem Zusammenhang durch die persönliche Präsenz des Vortragenden zwischen ihm
und seinen Zuhörern geschaffene Nähe- und Kommunikationsverhältnis sowie die
hierdurch ermöglichte Art und Weise einer konkreten und intensiven
Wissensvermittlung. In qualitativer Hinsicht sind die persönliche Durchführung der
Vortrags- bzw. Lehrveranstaltungen durch den Dozenten "vor Ort" bzw. die Präsenz des
Vortragenden für die dozierende Tätigkeit von grundlegender Bedeutung und stellen die
prägenden Hauptelemente dieser Tätigkeit dar, zumal ein Dozent regelmäßig gerade
aufgrund seiner besonderen Fähigkeiten und Fachkenntnisse zur (persönlichen)
Durchführung der Vortrags- bzw. Lehrveranstaltung verpflichtet wird (vgl. dazu auch FG
München, Urteil vom 13.12.2006 1 K 5264/05, juris; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom
25.9.2008 14 K 6286/04 B, Juris).
35
Dem steht nicht entgegen, wenn sich der Kläger in seinem häuslichen Arbeitszimmer
auf die jeweiligen Veranstaltungen vorbereitet und dort zudem die entsprechenden
Unterrichtsmaterialien bzw. Vortragsunterlagen verfasst hat. Denn diese
Vorbereitungshandlungen sind für die Lehr- und Vortragstätigkeit nicht prägend; sie
gehören als Nebenarbeiten mit lediglich dienendem Charakter (vgl. FG Berlin-
Brandenburg, Urteil vom 25.9.2008 14 K 6286/04 B, Juris) vielmehr dazu, zumal mit
einer Lehr- bzw. Vortragstätigkeit regelmäßig auch das Erstellen entsprechender
(Lehrgangs)Unterlagen verbunden ist. Das Erstellen der Unterlagen führt nicht dazu,
dass die Lehr- und Vortragstätigkeit hierdurch ihre schwerpunktmäßige und wesentliche
Prägung erfährt. Alleine der Umstand, dass eine – unter Umständen auch sehr
zeitintensive – Betätigung im Arbeitszimmer zur Vorbereitung der außerhäuslichen
Tätigkeit erforderlich ist bzw. vorgenommen wird, genügt nicht, um den Mittelpunkt der
jeweiligen Tätigkeit in das Arbeitzimmer zu verlagern (vgl. etwa BFH-Urteil vom
13.11.2002 VI R 28/02, BStBl. II 2004, 59). In qualitativer Hinsicht steht nach wie vor die
persönliche Durchführung der jeweiligen Veranstaltung "vor Ort" im Vordergrund.
36
Daran ändert sich auch dann nichts, wenn – wie vorliegend etwa im Hinblick auf das ....-
Seminar – das Abfassen eines Skriptes im Jahr 2004 mehrere Monate in Anspruch
genommen hat. Denn unabhängig davon, dass zeitliche Aspekte in diesem
Zusammenhang allenfalls eine Indizwirkung entfalten können (vgl. etwa BFH-Urteile
vom 15.3.2007 VI R 65/05, BFH/NV 2007, 1133 m.w.N. und vom 9.4.2003 X R 52/01,
BFH/NV 2003, 1172), ist zu berücksichtigen, dass das Skript nach den eigenen
Angaben des Klägers in den beiden Folgejahren (2005 und 2006) nur "gelegentlich"
aktualisiert wurde und erst in 2007 wieder "gründlich angepasst" werden musste. Vor
diesem Hintergrund wird deutlich, dass die in dem Skript behandelte Thematik
jedenfalls über zwei Jahre hinweg offensichtlich nur geringfügigen Veränderungen
unterworfen war und der Überarbeitung des Themas im Arbeitszimmer
dementsprechend sowohl in zeitlicher als auch in inhaltlicher Hinsicht enge Grenzen
gesetzt waren. Die nach einem längeren Zeitablauf erfahrungsgemäß gerade im
steuerrechtlichen Bereich erforderlich werdende grundlegende Überarbeitung von
Seminar- bzw. Vortragsmaterialien führt jedoch ebenso wenig wie die erstmalige
Ausarbeitung solcher Unterlagen dazu, dass die Vortragstätigkeit hierdurch ihre
Gesamtprägung erhielte.
37
bb)
38
An diesem Ergebnis ändert sich auch im Hinblick auf die im vorliegenden Fall bei
mehreren selbständig nebeneinander ausgeübten Tätigkeiten gebotene
Gesamtbetrachtung (vgl. dazu BFH-Urteil vom 16.12.2004 IV R 19/03, BStBl. II 2005,
212) unter Berücksichtigung der schriftstellerischen und beratenden Betätigung des
Klägers nichts.
39
Zwar liegt der Mittelpunkt der schriftstellerischen und beratenden Tätigkeit des Klägers
bei isolierter Betrachtung zweifellos im häuslichen Arbeitzimmer, zumal der Kläger dort
alle in diesem Zusammenhang anfallenden Arbeiten erledigte. Gleichwohl kann die
schriftstellerische und beratende Tätigkeit die wesentlichen und prägenden Elemente
der Vortrags- und Lehrtätigkeit im Rahmen einer Gesamtwürdigung nicht verdrängen.
Die schriftstellerische und beratende Tätigkeit stellt sich nach Auffassung des Senats im
Verhältnis zur Vortrags- und Lehrtätigkeit nicht als Haupttätigkeit des Klägers dar.
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Dabei ist zu berücksichtigen, dass die schriftstellerische Arbeit und die Vortrags- bzw.
Lehrtätigkeit nach dem Sachvortrag des Klägers eng miteinander verbunden sind und
sich nicht eindeutig voneinander abgrenzen lassen. Der Kläger hat nachvollziehbar
ausgeführt, dass er unter anderem auch wegen seiner (Fach)Veröffentlichungen für
Vortrags- bzw. Lehrveranstaltungen verpflichtet wird und er andererseits Fachbeiträge
verfasst, weil er als Dozent tätig ist und ihm die Dozententätigkeit hierzu einen Anlass
gibt. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, dass die in den jeweiligen Fachbeiträgen
behandelten Themenbereiche bzw. die in diesem Zusammenhang ausgearbeiteten
Ergebnisse – zumindest teilweise – vom Kläger im Rahmen der jeweiligen Vortrags-
und Lehrveranstaltungen verwertet bzw. berücksichtigt wurden. Die schriftstellerische
Betätigung bildet somit bei einer wertenden Gesamtbetrachtung – zumindest teilweise –
ein die Vortrags- und Lehrtätigkeit ergänzendes und unterstützendes Element. Darüber
hinaus spricht das bei mehreren selbständigen Einzeltätigkeiten im Hinblick auf die
Bestimmung der Haupttätigkeit als Abgrenzungskriterium in Betracht kommende
Verhältnis der aus der schriftstellerischen und der Lehr- bzw. Vortragstätigkeit erzielten
Einnahmen (vgl. zu den insoweit in Betracht kommenden Indizien: BFH-Urteil vom
19.12.2004 IV R 19/03, BStBl. II 2005, 212) für eine prinzipielle Nachrangigkeit der
schriftstellerischen und beratenden Betätigung. Denn die Einnahmen aus diesen beiden
Tätigkeitsfeldern beliefen sich im Jahr 2004 auf rund 15 % (..... Euro) und im Jahr 2005
lediglich auf rund 1 % (... Euro) der vom Kläger in dem jeweiligen Jahr erzielten
Gesamteinnahmen. Sowohl vor diesem Hintergrund als auch unter Berücksichtigung
einer vom Senat anhand der allgemeinen Verkehrsanschauung vorgenommenen
Gewichtung ist der vortragenden Tätigkeit als Dozent bei 15 bzw. 22 durchgeführten
Veranstaltungen pro Jahr in qualitativer Hinsicht ein höheres Gewicht beizumessen als
der schriftstellerischen und beratenden Betätigung, auch wenn die schriftstellerische
und beratende Tätigkeit quantitativ einen höheren Zeitaufwand im Arbeitszimmer in
Anspruch nahm.
41
Dem steht der vom Kläger jedenfalls für das Jahr 2005 angegebene zeitliche Umfang
der freiberuflichen Nutzung des Arbeitszimmers von etwa 200 Tagen bei rund 60
Abwesenheitstagen nicht entgegen. Denn insoweit ist zu berücksichtigen, dass sich die
200 Tage auf die gesamten im Arbeitszimmer verrichteten Tätigkeiten beziehen und
daher unter anderem sowohl den auf die Vorbereitung der Vortrags- und Lehrtätigkeit
nebst der Ausarbeitung und Aktualisierung der (Vortrags-/Seminar)Skripten als auch
den auf die unentgeltliche Tätigkeit für die Zeitschrift "... ............... International .........."
42
entfallenden Arbeitsaufwand umfassen. Der auf die Vortrags-/Lehrtätigkeit bzw. eine
unentgeltliche Betätigung entfallende Zeitaufwand kann jedoch bei der
Gesamtabwägung zur Bestimmung der Haupttätigkeit nicht zugunsten der
schriftstellerischen und beratenden Tätigkeit herangezogen werden. Da zudem die
einzelnen Betätigungsbereiche aufgrund ihrer inneren Verknüpfung nicht eindeutig
voneinander abgrenzbar sind, lässt sich eine konkrete Zuordnung des auf die jeweilige
Einzeltätigkeit entfallenden Zeitaufwands nicht mit der hierfür erforderlichen Sicherheit
vornehmen. Auch aus den Angaben des Klägers zu dem im Jahr 2004 für die einzelnen
Tätigkeiten angefallenen Zeitaufwand ergibt sich in diesem Zusammenhang nichts
abweichendes. Im übrigen überwiegt das rein zeitliche Moment im vorliegenden Fall
nicht die für die Vortrags- und Lehrtätigkeit als Haupttätigkeit sprechenden
Gesamtindizien, die sich bereits aufgrund der Höhe der jeweiligen Einnahmen und des
den einzelnen Tätigkeiten nach der Verkehrsanschauung beizumessenden Gewichts
ergeben.
Aus der Indizwirkung der Vortrags- und Lehrtätigkeit als Haupttätigkeit und dem
Umstand, dass sich deren qualitativer Schwerpunkt nicht im Arbeitszimmer befindet,
folgt dabei regelmäßig, dass auch der qualitative Mittelpunkt der Gesamttätigkeit nicht
im Arbeitszimmer des Klägers liegt (vgl. BFH-Urteil vom 19.12.2004 IV R 19/03, BStBl. II
2005, 212; BFH-Beschluss vom 22.2.2006 IV B 10/05, BFH/NV 2006, 1088). Konkrete
Anhaltspunkte dafür, dass sich der qualitative Schwerpunkt der Gesamttätigkeit
dennoch ausnahmsweise im häuslichen Arbeitszimmer befände, sind weder
vorgetragen noch ersichtlich.
43
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
44
3. Die Revision wird zur Fortbildung des Rechts nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO
zugelassen.
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