Urteil des FG Köln vom 23.02.2002

FG Köln: deutsche bundespost, juristische person, unternehmer, öffentliches unternehmen, berufliche tätigkeit, vermietung, option, vorsteuerabzug, gewalt, herstellungskosten

Finanzgericht Köln, 4 K 3030/95
Datum:
23.02.2002
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 3030/95
Tenor:
Anmerkung: Die Klage wurde abgewiesen.
Tatbestand:
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Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin aus Herstellungskosten für das
Gebäude A-Straße in K für die Jahre 1990 bis 1992 den Vorsteuerabzug geltend
machen kann.
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Dem Streit liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin betreibt eine
Grundstücks- und Wohnungsverwaltung und Wohnungsvermittlung. Durch Vertrag vom
8.5. bzw. 10.5.1990 vermietete die Klägerin der Bundesrepublik Deutschland, Deutsche
Bundespost Telekom (Telekom) ein noch zu errichtendes mehrgeschossiges
Bürogebäude an der A-Straße. Als Mietzweck ist in § 2 des Mietvertrages "Betrieb einer
Fernmeldefachschule und Büronutzung" angegeben. Die Nutzung des Gesamtobjektes
entfällt zu 87 % auf die Telekom, zu 13 % erfolgte eine Vermietung an andere
unternehmerisch tätige Personen.
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Im Rahmen einer in 1993/1994 durchgeführten Prüfung durch die Groß-BP K (BP) stellte
diese fest, daß in dem vermieteten Gebäude überwiegend eine Fernmeldeschule
betrieben wurde. Die BP vertrat daraufhin die Auffassung, daß die Vorsteuern, soweit
sie auf die Herstellungskosten entfallen, die für den an die Telekom vermieteten
Gebäudeteil aufgewandt wurden, nicht abzugsfähig seien, da die Telekom das Objekt
nicht unternehmerisch nutze, die diesbezüglichen Umsätze demnach umsatzsteuerfrei
seien. Eine Option komme nicht in Betracht, da eine unternehmerische Nutzung durch
die Bundespost Telekom nicht nachgewiesen worden sei.
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Der Beklagte änderte infolgedessen die bisher unter Anerkennung der erklärten
Vorsteuerbeträge durchgeführten Umsatzsteuerfestsetzungen indem er die auf die
Gebäudeherstellungskosten entfallenden Vorsteuern um 87 % kürzte. Die von der
Klägerin unstreitig offen ausgewiesene Umsatzsteuer bezüglich dieser Umsätze
berücksichtigte der Beklagte weiterhin, allerdings unter Hinweis auf § 14 Abs. 3 des
Umsatzsteuergesetzes (UStG). Dementsprechend erlies der Beklagte für die Streitjahre
1990-1992 auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) gestützte Änderungsbescheide.
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Gegen den Sammeländerungsbescheid vom 17.3.1995 erhob die Klägerin Einspruch.
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Zur Begründung führte sie aus, sie habe für die nach § 4 Nr. 12a UStG steuerfreien
Umsätze eine Option nach § 9 UStG ausgeübt, könne mithin auch die diese Umsätze
betreffenden Vorsteuern geltend machen. Die Option sei zulässig gewesen, da die
Telekom als Mieter Unternehmer im Sinne des § 9 UStG gewesen sei. Aus § 1 des
Poststrukturgesetzes vom 8.6.1989 (PostStruktG)ergebe sich, daß der Deutschen
Bundespost in den Streitjahren unternehmerische oder betriebliche Aufgaben des Post-
und Fernmeldewesens oblagen. Auch die Bundespost sei davon ausgegangen, daß sie
Unternehmerin sei.- Die Auffassung der Klägerin werde auch durch die Schreiben des
Bundesministers für Finanzen vom 1.10., 26.11. und 11.12.1990 an den Bundesminister
für Post und Telekom (vgl.Bl.14 - 18 der FG-Akte)bestätigt. Danach gehörten auch
schon in den Streitjahren zu den Betrieben gewerblicher Art im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr.
6 des Körperschaftsteuergesetzes die Unternehmensbereiche der Deutschen
Bundespost, Postbank und Telekom, was zum Ausschluß der Steuerfreiheit der
Aufwandsentschädigung nach § 3 Nr. 12 des Einkommensteuergesetzes führen sollte
bzw. tatsächlich geführt habe. Zwar beziehe sich dieser Schriftverkehr auf die
Einkommensteuer bzw. Lohnsteuer, bestätige aber die in § 2 Abs. 3 UStG genannten,
für die Unternehmereigenschaft der Deutschen Bundespost Telekom erforderlichen
Kriterien. - Die Argumentation der Finanzverwaltung, für die Streitjahre ergebe sich die
fehlende Unternehmereigenschaft aus § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr.1 UStG, überzeuge nicht, da
die Telekom bereits nach § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG als Unternehmerin zu behandeln sei. -
Auch nach dem Recht der Europäischen Gemeinschaft (EG-Recht) sei die Telekom
schon in den Streitjahren Unternehmerin im Sinne des UStG. Dies ergebe sich aus Art.
4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie. Danach seien juristische Personen des öffentlichen
Rechts in Bezug auf ihre in Anhang D genannten Tätigkeiten, wozu nach Nr.1 auch das
Fernmeldewesen gehöre, umsatzsteuerpflichtig, sofern der Umfang dieser Tätigkeiten
nicht unbedeutend sei. Obwohl demnach die Umsetzung der Richtlinie geboten
gewesen sei, sei im Gesetzesentwurf für das Umsatzsteuergesetz 1989 die volle
Einbeziehung der Telekom in die Umsatzsteuer aus fiskalischen Gründen unterblieben.
- Unbeachtlich für die Optionsmöglichkeit der Klägerin sei der Umstand, daß die
Mieterin nur teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen sei.
Der Beklagte wies den Einspruch durch Entscheidung vom 15.5.1995 als unbegründet
zurück. Die Klägerin habe bezüglich der Vermietung an die Telekom nicht optieren
können, da die Umsätze nicht an einen Unternehmer erfolgt seien. Die Telekom sei
nach § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 28 UStG nur insofern Unternehmerin, als sie die
Überlassung und Instandhaltung von Endstelleneinrichtungen durchführe. Im übrigen
sei die Deutsche Bundespost dem Hoheitsbereich und damit dem
nichtunternehmerischen Bereich zuzuordnen. Hieran habe das PostStruktG nichts
geändert. Danach sei die Deutsche Bundespost zwar in drei selbständige Bereiche
aufgeteilt worden. Das Fernmeldemonopol sei aber zunächst weiterhin bei der
Deutschen Bundespost verblieben, die dadurch bedingt weiterhin Hoheitsaufgaben in
diesem Bereich wahrgenommen habe. Eine Nichtumsetzung einer EG-Richtlinie könne
von der Finanzverwaltung nicht beachtet werden. Für die Umsetzung sei der
Gesetzgeber verantwortlich.
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Dagegen richtet sich die Klage. Zur Begründung wiederholt die Klägerin ihren Vortrag
aus dem Einspruchsverfahren, weist im übrigen auf zwischenzeitlich ergangene
Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) und des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf
zur Unternehmereigenschaft der Deutschen Bundespost Postdienst hin, im übrigen auf
die Entscheidung des Hessischen Finanzgerichts zur Deutschen Bundespost Telekom
(Beschluß vom 20.10.1997 6 V 3557/97, EFG 1998, 338).- Der BFH hatte am 31.5.1994
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unter Az. V B 136/93 (BFH/NV 1995, 455) die Entscheidung des FG Düsseldorf, einem
Aussetzungsantrag stattzugeben, bestätigt. Das beklagte Finanzamt hatte in diesem
Verfahren die Auffassung vertreten, nur die Tätigkeit der Deutschen Bundespost
Telekom sei seit dem 1.7.1990 eine unternehmerische Tätigkeit. - Der BFH sah es als
ernstlich zweifelhaft an, daß das beklagte Finanzamt die Unternehmereigenschaft der
Deutschen Bundespost Postdienst verneint hatte, da diese seit dem Inkrafttreten des
PostStruktG mit ihrer ganz überwiegenden Tätigkeit einen Betrieb gewerblicher Art im
Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG unterhalte. Es sei noch nicht geklärt, ob und in
welchem Umfange nach Durchführung der Poststrukturreform durch das PostStruktG
eine andere Beurteilung als bisher, das heißt die Behandlung der Deutschen
Bundespost als Hoheitsbetrieb, angezeigt sei. Die Rechtsbeziehungen, die durch die
Inanspruchnahme der Einrichtung des Postwesens entstünden, sollten jedenfalls nach
Art. 2 § 7 Poststrukturgesetz nunmehr privatrechtlicher Natur sein. Eine juristische
Person öffentlichen Rechts betätige sich unternehmerisch, wenn sie Tätigkeiten
ausführe, wie sie auch von einem privaten Unternehmen ausgeführt werden könnten.
Dies decke sich mit der Vorgabe in Art. 4 Abs. 5 der 6.EG-Richtlinie. Nach der
Rechtsprechung des EuGH liege bereits dann keine Tätigkeit im Rahmen öffentlicher
Gewalt durch öffentliche Einrichtungen vor, wenn diese Tätigkeit unter den gleichen
Bedingungen ausgeübt werde wie durch private Wirtschaftsteilnehmer.- Die Revision,
die gegen das im entsprechenden Hauptsacheverfahren vor dem FG Düsseldorf
stattgebende Urteil (vom 15.11.1995 5 K 5395/92 U, EFG 1996, 1127) eingelegt worden
war, ist durch Rücknahme seitens der Finanzverwaltung rechtskräftig geworden.
Das Hessische Finanzgericht hat in einem Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung in
Anlehnung an die zitierte Entscheidung des BFH vom 31.5.1994 die Verneinung der
Unternehmereigenschaft der Deutschen Bundespost Telekom ab dem 1.1.1989 als
ernstlich zweifelhaft angesehen.
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Die Klägerin beantragt,
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die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide vom 17.3.1995 mit der Maßgabe zu
ändern, daß die geltend gemachten Vorsteuerbeträge in voller Höhe anerkannt
werden,
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hilfsweise Revision zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das PostStrukturG habe nicht zur Änderung des hoheitlichen Charakters der
Postdienste geführt. Die Deutsche Bundespost sei vielmehr bis zum 31.12.1994 als ein
einheitliches hoheitliches Sondervermögen des Bundes anzusehen. Dies bestätige
auch die gesetzliche Fiktion nach § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 UStG in der für die Jahre 1990
bis 1992 gültigen Fassung zur partiellen Unternehmereigenschaft des Teilvermögens
Deutsche Bundespost Telekom vom 1.7.1990 bis zum 31.12.1992. Danach sei die
Deutsche Bundespost Telekom nur insoweit Unternehmer als sie die Überlassung und
Instandhaltung von Endstelleneinrichtungen durchführe. Diese Regelung würde ins
Leere laufen, folgte man der Auffassung der Klägerin, die Unternehmereigenschaft der
Telekom ergäbe sich bereits aus § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist unbegründet.
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Der Beklagte hat zu Recht bei den Umsatzsteuerfestsetzungen für die Klägerin für die
Jahre 1990 bis 1992 den Abzug von Vorsteuern versagt, soweit diese auf
Herstellungskosten entfallen, die dem an die Deutsche Bundespost Telekom
vermieteten Teil des Gebäudes A-Straße in K zuzurechnen sind.
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Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen im Sinne des
§ 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen,
die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als
Vorsteuerbeträge bei seiner Umsatzsteuerfestsetzung in Abzug bringen. Vom
Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind jedoch gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG steuerfreie
Umsätze. Zu den steuerfreien Umsätzen gehören nach § 4 Nr.12a UStG unter anderem
solche aus der Vermietung von Grundstücken, sofern nicht der Unternehmer gemäß § 9
Abs. 1 UStG auf die Steuerfreiheit der Vermietungsumsätze verzichtet, das heißt zur
Steuerpflicht insoweit optiert hat. Eine Option nach § 9 Abs. 1 UStG ist jedoch nur dann
möglich, wenn der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen
ausgeführt wird. Unternehmer ist nach § 2 Abs. 1 UStG, wer eine gewerbliche oder
berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts
sind gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art
gewerblich oder beruflich tätig. Nach § 2 Abs. 3 Satz 2 UStG in der bis zum 1.7.1990
geltenden Fassung waren juristische Personen "auch wenn die Voraussetzungen des
Satzes 1 nicht gegeben sind" gewerblich oder beruflich tätig, unter anderem nach Nr.1
der Vorschrift soweit es sich bei der Tätigkeit um die Überlassung und Unterhaltung von
Fernsprechnebenstellenanlagen durch die Deutsche Bundespost handelte; nach der
Fassung des § 2 Abs.3 Nr.1 UStG ab dem 1.7.1990 sollte nur die Überlassung und
Instandhaltung von Endstelleneinrichtungen durch die Deutsche Bundespost Telekom
als gewerbliche oder berufliche behandelt werden.
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Dies berücksichtigend war die Klägerin, deren Unternehmereigenschaft als Vermieterin
nicht streitig, nach Aktenlage aber auch nicht zweifelhaft ist, grundsätzlich zum
Vorsteuerabzug berechtigt, jedoch gemäß § 15 Abs. 2 UStG nicht bezüglich der
Vorsteuerbeträge aus Rechnungen für Herstellungskosten für das Objekt A-Straße in K
(soweit diese auf den an die Deutsche Bundespost vermieteten Teil entfielen), da die
aus der Vermietung dieses Teils des Objektes erzielten Umsätze gemäß § 4 Nr. 12a
UStG steuerfrei waren. Die insoweit von der Klägerin durch Abgabe von
Steuererklärungen mit entsprechendem Vorsteuerabzug erklärte Option gemäß § 9 Abs.
1 UStG war nicht zulässig, da die Deutsche Bundespost Telekom in den Streitjahren
nicht als Unternehmerin im Sinne des Umsatzsteuergesetzes zu behandeln war.
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Die Deutsche Bundespost Telekom war durch das PostStruktG vom 8.6.1989 (BGBl.
1989 Teil I,S. 1026) als Teilbereich der Deutschen Bundespost ein öffentliches
Unternehmen, § 1 Abs. 2 PostStruktG. Das dem Fernmeldewesen gewidmete, unter
seiner Verwaltung erworbene Bundesvermögen wurde vom Bund als Sondervermögen
gehalten, § 2 Abs. 1 PoststruktG. Gemäß § 5 PostStruktG konnten die Unternehmen der
Deutschen Bundespost im Rechtsverkehr unter ihrem Namen handeln, klagen und
verklagt werden.
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Hieraus folgt, daß die Telekom als Teil der Deutschen Bundespost als eine aufgrund
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öffentlichen Rechts mit Rechtsfähigkeit ausgestattete Person in den Streitjahren (noch)
als juristische Person des öffentlichen Rechts im Sinne des § 2 Abs. 3 UStG zu
behandeln war. Deren Tätigkeit in den Jahren 1990-1992 kann jedoch nicht als
unternehmerische im Sinne des § 2 Abs.3 Satz 1 UStG qualifiziert werden, obwohl der
Telekom gemäß § 1 Abs. 1 und 2 PostStruktG in Wahrnehmung ihres öffentlichen
Auftrages unternehmerische und betriebliche Aufgaben des Fernmeldewesens oblagen
und obwohl die Rechtsbeziehungen, die mit der Inanspruchnahme ihrer Einrichtungen
entstanden, gemäß § 9 des Gesetzes über Fernmeldeanlagen (in der Fassung des
Änderungsgesetzes vom 8.6.1989, BGBl 1989 Teil I, S.1045) privatrechtlicher Natur
waren. Vielmehr ist die Frage nach der unternehmerischen Tätigkeit der Telekom für die
Jahre 1990 bis 1992 unter Berücksichtigung des für diese Jahre geltenden Wortlautes
des § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 UStG zu beantworten. Nach dieser Vorschrift galt, wie bereits
ausgeführt, bis zum 1.7.1990 nur die Überlassung und Unterhaltung von
Fernsprechnebenanlagen durch die Deutsche Bundespost als gewerbliche oder
berufliche, das heißt als unternehmerische Tätigkeit im Sinne des UStG, ab dem
1.7.1990 nur die Überlassung und Instandhaltung von Endstelleneinrichtungen durch
die Deutsche Bundespost Telekom. Erst ab dem 1.1.1993 aufgrund der (erneuten)
Änderung des § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 UStG galt die Tätigkeit der Telekom insgesamt als
unternehmerische im Sinne des UStG. Mit der Umwandlung der Deutschen Bundespost
Telekom in die Deutsche Telekom AG zum 1.1.1995 und der Liberalisierung des
Telekommunikationsmarktes (Art.3 und 5 des Gesetzes zur Neuordnung des
Postwesens und der Telekommunikation -PTNeuOG-) konnte diese Vorschrift dann
endgültig aufgehoben werden, weil für die Deutsche Telekom AG § 2 Abs.3 UStG nicht
mehr einschlägig war.
Die Vermietung des Objektes der Klägerin an die Telekom erfolgte jedoch nach dem
unstreitigen Sachverhalt nicht im Zusammenhang mit den in § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1
UStG - in den bis zum 31.12.1992 geltenden Fassungen - spezifizierten Umsätzen,
sondern zwecks Nutzung durch die Telekom im wesentlichen für deren
Schulungszwecke, im übrigen als Büro. Die Vermietung seitens der Klägerin diente
somit den nichtunternehmerischen Zwecken der Telekom, für die eine Option nach § 9
Abs.1 UStG in den Streitjahren nicht zulässig war.
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Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Gesetzeswortlaut insoweit eindeutig. Der
Gesetzgeber wollte die Tätigkeit der Telekom für Umsatzsteuerzwecke offensichtlich nur
sukzessive, erst ab dem 1.1.1993 dann insgesamt, als unternehmerische behandelt
wissen. Hätte er der Unternehmereigenschaft der Telekom zeitgleich mit Erlaß des
PostStruktG Geltung verschaffen wollen, hätte es der Regelung in § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr.
1 UStG nicht bedurft. Hätte sich die Unternehmereigenschaft der Telekom ohne weiteres
aus dem PostStruktG i.V.m. der Regelung in § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG herleiten lassen,
hätte sich eine Sonderregelung in Satz 2 der Vorschrift erübrigt. Ggfls. hätte der
Gesetzgeber diesbezügliche Zweifel in Satz 2 ausräumen und dort den Bereich der
Telekom ohne Einschränkung aufnehmen können. Da dies jedoch ausdrücklich erst für
die Zeit ab dem 1.1.1993 geschehen ist, kann für die Zeit davor nicht angenommen
werden, die Unternehmereigenschaft der Telekom ergebe sich bereits aus § 2 Abs. 3
Satz 1 UStG.
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Eine andere Lesart des UStG ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch
nicht aus diversen ministeriellen Schreiben, da sich der gesetzgeberische Wille für den
Bereich des UStG nach Ansicht des erkennenden Senates eindeutig manifestiert hat.
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Auch die von der Klägerin zitierten Entscheidungen des BFH und des FG Düsseldorf
stehen der gesetzessystematischen Auslegung des § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 UStG durch
den erkennenden Senat nicht entgegen, da die genannten Entscheidungen zu
Tätigkeiten des Postdienstes ergangen sind, der Gesetzgeber aber gerade für diesen
Teilbereich der Deutschen Bundespost keine gesonderte Regelung in § 2 Abs. 3 UStG
eingeführt hatte, wobei dahinstehen kann, ob hierbei die Intention gegeben war, die
Tätigkeit des Postdienstes insgesamt nach § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG als die eines
Unternehmers einzuordnen.
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Soweit das Hessische Finanzgericht in der von der Klägerin zitierten Entscheidung in
einem summarischen Verfahren für Jahre vor 1993 in Anlehnung an die genannte BFH-
Entscheidung Zweifel an der Unternehmertätigkeit der Telekom geäußert hat, sieht der
erkennende Senat aufgrund dessen keine Veranlassung von seiner Auffassung
abzuweichen.
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Im Ergebnis erfolgte daher die von der Klägerin angefochtene Vorsteuerkürzung unter
Berücksichtigung des § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 UStG zu Recht.
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Dieser Entscheidung steht auch EG-Recht nicht entgegen. Insbesondere die
Berücksichtigung der 6. EG-Richtlinie "zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedsstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem:
einheitliche, steuerpflichtige Bemessungsgrundlage" vom 17.5.1977, die für den
deutschen Gesetzgeber nach Art. 249 Abs. 3 des Vertrages der Europäischen Union in
der Amsterdammer Fassung (EUV) verbindlich ist, führt im Streitfalle zu keinem anderen
Ergebnis. - Art. 4 des 6. EG-Richtlinie bestimmt, wer für Zwecke der Umsatzsteuer als
Steuerpflichtige, das heißt als Unternehmer zu behandeln ist. Nach Art. 4 Abs. 5 Abs. 1
der Richtlinie gelten Einrichtungen des öffentlichen Rechts nicht als Steuerpflichtige,
soweit sie Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der
öffentlichen Gewalt obliegen. Im Rahmen der öffentlichen Gewalt wird eine Einrichtung
des öffentlichen Rechts nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes
(EuGH) nur dann tätig, wenn sie im Rahmen der eigens für sie geltenden rechtlichen
Regelungen tätig wird (vgl. Urteil des EuGH vom 17.10.1989 Rs 231/87, 129/88, UR
1991, 77).Handelt sie unter den gleichen rechtlichen Bedingungen wie private
Wirtschaftsteilnehmer, ist sie als Steuerpflichtige, das heißt als Unternehmer im Sinne
des UStG zu behandeln. Vor Liberalisierung des Telekommunikationssektors war dies
bei der Telekom nicht der Fall.
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Aber auch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die im Rahmen öffentlicher Gewalt im
vorgenannten Sinne tätig werden, sollen nach Art. 4 Abs. 5 Satz 2 der Richtlinie als
Steuerpflichtige behandelt werden, sofern ihre Tätigkeit zu größeren
Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Sie gelten nach Art. 4 Abs. 5 Satz 3 der
Richtlinie in jedem Falle als Steuerpflichtige, wenn sie Tätigkeiten laut Anhang D, wozu
auch solche im Bereich des Fernmeldewesens gehören, in nicht unbedeutendem
Umfange ausführen.
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Hieraus folgt, daß unabhängig davon, ob die Telekom in den Streitjahren im Rahmen
der öffentlichen Gewalt oder wie ein privater Wirtschaftsteilnehmer tätig war, deren
gesamte Tätigkeit möglicherweise, anders als nach der nationalen Regelung,
insbesondere aufgrund des nicht unbedeutenden Umfanges ihrer Tätigkeit als
unternehmerische hätte behandelt werden müssen. Es ist jedoch zu beachten, daß eine
Richtlinie gemäß Art. 249 Abs. 3 EUV nur hinsichtlich des zu erreichenden Zieles
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verbindlich ist, den innerstaatlichen Stellen jedoch die Wahl der Form und der Mittel
läßt. Zweck des Art. 4 Abs. 5 ist bzw. war aber, den Umfang der Behandlung der
Einrichtungen des öffentlichen Rechts als Nichtsteuerpflichtige zu beschränken (vgl.
Urteil des EuGH vom 17.10.1989 a.a.O.).
Wenn also der nationale Gesetzgeber in Erfüllung dieses Zweckes die
Unternehmereigenschaft der Deutschen Bundespost Telekom (wie zuvor dargestellt)
stufenweise und erst ab dem 1.1.1993 uneingeschränkt eingeführt hat - was sich nicht
nur aus dem Wortlaut der mehrfach geänderten gesetzlichen Vorschrift, sondern auch
aus dem in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommenden Vorverständnis des
Gesetzgebers ergibt (siehe hierzu ausführlich z.Bsp. Bülow in Vogel-
Schwarz,Kommentar zum UStG, § 2 Rdn.233; Bundestagsdrucksache 11/6420,16) - so
ist dies nicht zu beanstanden, da der Richtliniengeber für die Umsetzung der Richtlinie
in nationales Recht, bezogen auf die streitige Behandlung einer Einrichtung öffentlichen
Rechts als Unternehmer, keine Frist gesetzt hat, die in den Streitjahren bereits
abgelaufen gewesen wäre. Dies ergibt sich unmittelbar aus Art. 28 Abs. 2 der Richtlinie
in der bis zum 31.12.1992 maßgebenden Fassung, wonach unter anderem die
(nationalen) Steuerbefreiungen bis zu einem dort näher bezeichneten, konkret noch
festzulegenden Zeitpunkt beibehalten werden konnten.
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Dementsprechend hat der Beklagte den ursprünglich nach § 164 Abs. 1 AO gewährten
Vorsteuerabzug im Rahmen der Umsatzsteuerfestsetzungen für die Jahre 1990 bis 1992
zu Recht rückgängig gemacht, soweit er Vorsteuern betrifft, die auf Herstellungskosten
für das an die Telekom zu 87 % vermietete Objekt in der A-Straße in K entfallen.
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Die Berücksichtigung der Umsätze durch die Vermietung an die Telekom gemäß § 14
Abs. 3 UStG ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Der erkennende Senat war insoweit
trotz des eindeutigen Antrages der Klägerin zur Prüfung verpflichtet, um bei den
angefochtenen Umsatzsteuerfestsetzungen die zu Recht erfolgten Vorsteuerkürzungen
ggfls. mit Umsatzsteuer aus zu Unrecht einbezogenen Umsätzen zu saldieren.
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Bei der Feststellung, daß die Erfassung der Vermietungsumsätze an die Telekom
gemäß § 14 Abs. 3 UStG zu Recht erfolgt ist, konnte das Gericht von dem unstreitigen
Sachverhalt ausgehen, wonach die Klägerin die Umsatzsteuer für ihre
Vermietungsumsätze in unstreitiger Höhe offen ausgewiesen hat. Da jedoch der offene
Umsatzsteuerausweis nach § 14 Abs. 1 UStG nur zulässig ist bei steuerpflichtigen
Leistungen, die Vermietungsumsätze an die Telekom aber nach den vorangegangenen
Ausführungen mangels wirksamer Option gemäß § 9 Abs. 1 UStG steuerfrei waren,
greift § 14 Abs. 3 UStG ein, so daß die Klägerin die insoweit unberechtigt gesondert
ausgewiesenen Umsatzsteuern schuldet.
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Im Ergebnis konnte daher die Klage keinen Erfolg haben und mußte abgewiesen
werden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
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Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO genannten
Gründe gegeben ist. Insbesondere hat die Sache unter Berücksichtigung der nur
eingeschränkten Geltungsdauer des § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 UStG keine grundsätzliche
Bedeutung mehr, § 15 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Auch weicht der erkennende Senat nicht ab
von einer BFH-Entscheidung zur Unternehmereigenschaft der Telekom in den Jahren
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1990 bis 1992, § 115 Abs. 1 Nr. 2 FGO.