Urteil des FG Köln vom 24.04.2008

FG Köln (kläger, einkünfte, anfechtung, einspruch, verlust, höhe, gegenstand, klagebegehren, gewinn, betrieb)

Finanzgericht Köln, 6 K 2496/06
Datum:
24.04.2008
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 2496/06
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Tatbestand
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Streitig ist, ob der in einem Klageverfahren erlassene Änderungsbescheid
außergerichtlich mit dem Einspruch angefochten werden kann.
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Die Klägerin zu 2) und der Kläger zu 3) sind Eheleute und beide Diplom-Pädagogen.
Zusammen mit dem Kläger zu 4), dem Sonderschullehrer S, erwarben sie als
Miteigentümer 1988 das Grundstück
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zu 1) eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Sie richteten das Objekt als
Tagungshotel her und führten dort gegen Entgelt verschiedenste Aus- und
Fortbildungsveranstaltungen durch. Der Beklagte stellte die Einkünfte der Klägerin zu 1)
jeweils einheitlich und gesondert fest.
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Seit 1990 erwirtschaftete die Klägerin zu 1) durchgehend Verluste. Für das Streitjahr
1999 ermittelte die Klägerin einen laufenden Verlust von x DM. Am 21. Oktober 1999
wurde das Grundstück für x DM einer fremden – GbR zugeschlagen. Die Klägerin zu 1)
war mit x DM bilanziell überschuldet. Hauptgläubiger waren die Bank T und die
Eheleute D, die Erwerb und Umbau des Objektes finanziert hatten. Von den x DM
Verbindlichkeiten konnten nur x DM durch den Versteigerungserlös getilgt werden, der
den Buchwert des Grundstückes (x DM) deutlich unterschritt. In der Folgezeit schlossen
die Kläger zu 2) bis 4) mit den beiden Hauptgläubigern der GbR
Vergleichsvereinbarungen. Danach sollten mit der Zahlung näher bestimmter Beträge
alle Ansprüche im Wege des Verzichtes abgegolten sein. Im Ergebnis wurden von den x
DM Verbindlichkeiten x DM gezahlt oder von anderen Gläubigern weiterhin kreditiert.
Die restlichen x DM erloschen Anfang 2002 aufgrund der Vergleichsvereinbarungen.
Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass die Gläubiger die Schulden im
Sinne des § 397 Abs. 1 BGB erlassen haben.
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Bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte der Klägerin zu 1) aus
Gewerbebetrieb für 1999 folgte der Beklagte zunächst mit Bescheid vom 26. Oktober
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2001 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung im Wesentlichen der Erklärung der GbR.
Den laufenden Verlust stellte der Beklagte mit x DM fest. Außerdem nahm der Beklagte
an, dass die Versteigerung am 00.00.0000 als Betriebsveräußerung im Sinne des § 16
Abs. 1 Nr. 1 EStG zu behandeln sei und legte dafür im Wesentlichen den Verlust aus
der Aufgabeschlussbilanz (x DM) zugrunde.
Nach späterer Überprüfung vertrat der Beklagte die Auffassung, dass sich aufgrund des
nachträglichen Erlasses der Verbindlichkeiten durch die Bank T und der Eheleute D per
Saldo für die Klägerin zu 1) im Jahr 1999 rückwirkend ein Veräußerungsgewinn
ergeben habe und stellte diesen unter Aufhebung des Vorbehaltes der Nachprüfung
durch Bescheid vom 15. März 2004 mit x DM
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Dagegen hat die Klägerin zu 1) hat am 6. April 2004 durch den
Prozessbevollmächtigten mit Zustimmung des Beklagten die unter dem Aktenzeichen 6
K 1864/04 geführte Sprungklage erhoben und beantragt, in dem vorgenannten Bescheid
einen Veräußerungsgewinn nicht zu berücksichtigen, hilfsweise gemäß § 163 Satz 1
AO von dem Veräußerungsgewinn x DM bei der Feststellung unberücksichtigt zu lassen
und mithin nur x DM als Veräußerungsgewinn festzustellen. Mit Schriftsatz vom 16.
Dezember 2004 hat die Klägerin die Klage dahin erweitert, dass der Beklagte
verpflichtet werde, nach § 163 AO aufgrund sachlicher Unbilligkeit gemäß dem BMF-
Schreiben vom 27. März 2003 (BStBl I 2003, 240) einen Sanierungsgewinn in Höhe von
insgesamt x DM festzustellen.
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Zur Begründung hat die Klägerin geltend gemacht, dass die Feststellung eines
Veräußerungsgewinns für 1999 bereits deshalb nicht rechtens sei, weil sie den Betrieb
bereits in 1998 aufgegeben habe und allenfalls dort ein Betriebsaufgabegewinn
verwirklicht worden sei. In 1998 sei der letzte Versuch einer Verpachtung gescheitert.
Jedenfalls sei der vom Beklagten für 1999 ermittelte Veräußerungsgewinn aus
Rechtsgründen auf x DM herabzusetzen. Die Feststellung eines
Veräußerungsgewinnes von über x DM sei aus persönlichen und sachlichen Gründen
unbillig, da ein Sanierungsgewinn vorliege.
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Der Beklagte hat sich der Auffassung der Klägerin zu 1) angeschlossen, dass der
Gewerbebetrieb bereits 1998 – nämlich mit dem Antrag der Bank T vom 24. November
1998 auf Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens – aufgegeben worden sei.
Ferner hat er angenommen, dass dies zu einer neuen rechtlichen Beurteilung der bisher
berücksichtigten laufenden Einkünfte führe. Sie seien als nachträgliche Einkünfte zu
berücksichtigen, sofern die Klägerin zu 1) den Abfluss nachweise.
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Am 4. April 2005 hat der Beklagte den Bescheid für 1999 insgesamt geändert. Unter
Hinweis auf § 172 Abs. 1 Nr. 2 a AO hat er den Veräußerungsgewinn mit 0 DM und
gestützt auf § 174 AO hat er die laufenden Einkünfte nunmehr mit 0 DM festgestellt. In
den Erläuterungen heißt es, dass aufgrund der nachgewiesenen Betriebsaufgabe zum
24. November 1998 für 1999 kein Veräußerungsgewinn mehr anzusetzen sei.
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Die Klägerin zu 1) meint, dass infolge der Aufhebung des Veräußerungsgewinns das
Klageverfahren 6 K 1864/04 in der Hauptsache erledigt sei. Es habe sich nämlich nicht
gegen den Bescheid insgesamt, sondern nur gegen die inzwischen aufgehobene
Feststellung des Veräußerungsgewinnes gerichtet. Mangels Anfechtung der
Feststellung der laufenden Einkünfte könne insoweit der Änderungsbescheid nicht nach
§ 68 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens werden.
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Ausgehend von diesem Rechtsstandpunkt legten die Kläger gegen den geänderten
Gewinnfeststellungsbescheid für 1999 vom 4. April 2005 durch den
Prozessbevollmächtigten am 15. April 2005 beim Beklagten Einspruch ein, soweit im
Bescheid die laufenden Einkünfte von x DM aufgehoben worden waren. Diesen
Einspruch verwarf der Beklagte am 11. Mai 2006 unter Hinweis auf § 68 Satz 2 FGO als
unzulässig. Am 14. Juni 2006 haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben.
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Die Kläger beantragen,
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den Bescheid für 1999 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen vom 4. April 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 11. Mai 2006 insoweit zu ändern, als laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb
aus § 15 EStG mit einem Verlust von x DM berücksichtigt werden, hilfsweise, die
vorgenannten Verwaltungsentscheidungen aufzuheben und den Beklagten zu
verpflichten, einen negativen Feststellungsbescheid für 1999 zu erlassen, im
Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage hat mit keinem der gestellten Anträge Erfolg.
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I. Der Hauptantrag ist zulässig, aber nicht begründet.
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Der angefochtene Feststellungsbescheid vom 4. April 2005 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 11. Mai 2006 ist im Sinne von §§ 100 Abs. 1 Satz 1, 44
Abs. 2 FGO nicht rechtswidrig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Denn der
Beklagte hat den Einspruch zu Recht als unzulässig verworfen.
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Die Zulässigkeit des Einspruches ist Voraussetzung für eine inhaltliche Überprüfung der
Rechtmäßigkeit des zugrundeliegenden Verwaltungsaktes durch das Finanzgericht.
Wenn der Einspruch unzulässig ist, ist die gegen den Verwaltungsakt gerichtete Klage
ohne weitere Sachprüfung abzuweisen (vgl. BFH, Urteil vom 24. Juli 1984 VII R 122/80,
BStBl II 1984, 791 [793]; Beschluss vom 1. April 1992 VII S 15/92, BFH/NV 1993, 173).
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Die Verwerfung des Einspruches beruht im Streitfall auf § 358 Satz 2 AO in Verbindung
mit § 68 Satz 2 FGO. Nach der letztgenannten Vorschrift ist der Einspruch gegen einen
neuen Verwaltungsakt insoweit ausgeschlossen, als dieser nach § 68 Satz 1 FGO
Gegenstand eines laufenden Klageverfahrens wird. Diese Voraussetzung ist erfüllt. Der
Feststellungsbescheid vom 4. April 2005 hat den Feststellungsbescheid vom 15. März
2004 geändert, der mit der Klage zu Aktenzeichen 6 K 1864/04 angefochten ist.
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Entgegen der Auffassung der Kläger umfasste das Klagebegehren von Anfang an die im
Bescheid vom 15. April 2004 durchgeführte Feststellung der Einkünfte aus
Gewerbebetrieb in Höhe von x DM für das Jahr 1999 insgesamt, bestehend aus dem
laufenden Verlust von x DM und dem Veräußerungsgewinn von x DM. Dieses
Klagebegehren ist durch den Änderungsbescheid vom 4. April 2005 mit einer
Feststellung von 0 DM Einkünfte aus Gewerbebetrieb – laufender Verlust und
Veräußerungsgewinn beide 0 DM - nicht gegenstandslos geworden. Gegen diese
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gesamte Feststellung der Einkünfte wendet sich nach wie vor auch die Klägerin.
Das Klagebegehren, dessen Gegenstand die Klage nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO
bezeichnen muss, ist nicht identisch mit dem bestimmten Antrag, der gemäß § 65 Abs. 1
Satz 2 FGO nur ein Sollerfordernis darstellt. Der Unterschied wird auch in § 96 Abs. 1
Satz 2 FGO deutlich. Danach darf das Gericht über das Klagebegehren nicht
hinausgehen, es ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. Das verkennt die
Klägerin, soweit sie einwendet, nur die Aufhebung des Veräußerungsgewinns beantragt
zu haben.
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Bei einer Anfechtungsklage (§§ 40 Abs. 1, 100 Abs. 2 FGO) wie im Streitfall wird der
Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnet, indem der Kläger darlegt, ob das Gericht
den Verwaltungsakt aufheben oder - in hinreichend bestimmtem Umfang - ändern soll
(vgl. BFH-Beschluss vom 16. August 2005 XI B 235/03, BFH/NV 2005, 2239). Dazu
muss das Gericht in entsprechender Anwendung von § 133 BGB im Wege der
Auslegung den wirklichen Willen des Klägers erforschen und darf nicht beim
buchstäblichen Text der Klageschrift stehen bleiben. Deshalb spielt es keine Rolle,
dass die Klägerin dort auf den laufenden Gewinns nicht eingegangen ist.
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Ein Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von
einkommensteuerpflichtigen Einkünften mehrerer Personen nach §§ 179 Abs. 2 Satz 2,
180 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a AO enthält eine Zusammenfassung einzelner
Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen. Der Bescheid muss nicht notwendig
insgesamt angefochten werden. Nach § 157 Abs. 2 AO können auch die
Besteuerungsgrundlagen jeweils einzeln angefochten werden, was zu einer
Teilbestandskraft führen kann. Das gilt allerdings nur, wenn eine
Besteuerungsgrundlage eines rechtlich selbständigen Schicksals fähig ist. Daran fehlt
es, wenn eine Besteuerungsgrundlage mit einer anderen in einem Verhältnis
gegenseitiger Abhängigkeit steht und deshalb die Änderung der einen zwangsläufig
Auswirkung auf die andere hat. In diesem Fall erstreckt sich die Anfechtung immer auf
beide Besteuerungsgrundlagen und eine Teilbestandskraft ist ausgeschlossen (Brandis
in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 180 Rn. 11 m.w.N.).
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Für das im Streitfall interessierende Verhältnis von laufendem Gewinn und
Gesamtgewinn hat der BFH entschieden, dass eine Teilbestandskraft möglich ist, wenn
die Höhe des gesamten Gewinns fest steht und nur um die Qualifizierung als laufender
Gewinn oder Veräußerungsgewinn gestritten wird (BFH-Urteil vom 6. Dezember 2000
VIII R 21/00, BStBl II 2003, 194). Ist dagegen die Höhe von laufendem Gewinn und
Veräußerungsgewinn untrennbar miteinander verbunden, schließt die Anfechtung des
Veräußerungsgewinns die des laufenden Gewinns ein. Im Urteil vom 8. Juni 2000 (IV R
65/99, BStBl II 2001, 89) hat der BFH entschieden, dass die Anfechtung des
Aufgabegewinns für ein bestimmtes Streitjahr durch den dortigen Kläger mit der
Begründung, der Betrieb sei bereits im Vorjahr aufgegeben worden, nicht isoliert von
den Feststellungen des laufenden Gewinns für das Streitjahr anfechtbar sei. So liegt
auch der vorliegende Sachverhalt. Die Klägerin hat die Feststellung der x DM
Veräußerungsgewinn für 1999 im Bescheid vom 15. März 2004 in erster Linie darauf
gestützt, dass sie ihren Betrieb bereits 1998 aufgegeben habe und allenfalls dort der
Betriebsaufgabegewinn verwirklicht worden sei. Ist nach dem zitierten BFH-Urteil – dem
der Senat folgt - deshalb die isolierte Anfechtung des Veräußerungsgewinns 1999
rechtlich nicht möglich, entspricht es dem wirklichen Willen der Klägerin, die Anfechtung
mit der Klage auf den laufenden Gewinns zu erstrecken. Nur auf diesem Weg kann der
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Senat seine Verpflichtung aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG erfüllen, der Klägerin Schutz
gegen eine etwaige Rechtsverletzung durch den Beklagten zu gewähren.
II. Der Hilfsantrag ist aus dem gleichen Grund unbegründet wie der Hauptantrag.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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IV.Die Revision ist nicht zuzulassen, weil dafür kein Grund gemäß § 115 Abs. 2 FGO
ersichtlich ist.
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