Urteil des FG Köln vom 02.06.2004

FG Köln: entschädigung, rechtsgrundlage, treu und glauben, vergleich, auskunft, kapitalabfindung, pilot, zusage, abfindungsbetrag, einkünfte

Finanzgericht Köln, 7 K 735/02
Datum:
02.06.2004
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 735/02
Tenor:
Unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1994 vom 4. Juni
1999 und unter Aufhebung der hierzu ergangenen
Einspruchsentscheidung wird dem Beklagten aufgegeben, die
Einkommensteuer 1994 unter Anwendung der Tarifermäßigung auf die
Abfindungszahlung i.H.v. ......... DM neu zu berechnen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung
vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des
Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der
Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der dem Kläger im Streitjahr 1994 von seinem
Arbeitgeber gezahlte "Abfindungsbetrag" i.H.v. ......... DM (abzüglich Anwaltskosten
i.H.v. ...... DM) gemäß § 34 EStG tarifermäßigt zu besteuern ist.
2
Der Kläger war bereits seit den 70er Jahren als Berufssoldat bei der Luftwaffe tätig. Seit
April 1981 war er als Pilot auf dem Flugzeugtyp Boing 707 tätig. Zuvor war er Co-Pilot.
Die Berechtigung zum Fliegen diesen Typs erwarb er bereits im Jahre 1974. Seit dieser
Zeit war er ständig auf diesen Maschinen eingesetzt. Der Kläger hatte seine fliegerische
Grundausbildung sowie seine Transportflugzeugführerausbildung jeweils in
Ausbildungseinheiten der ........... .......... absolviert, bei der die Bundeswehr die
Transportflugzeugführer ständig ausbilden ließ. Da der Kläger die Absicht hatte, zur
zivilen Luftfahrt zu wechseln, bewarb er sich in 1979 und 1980 bei der ...... ............... Die
Bewerbungen wurden jedoch abgelehnt. Zur Zeit der Bewerbungen des Klägers bei der
......... ............. bestanden zwischen der Bundeswehr und der ................... mündliche
Absprachen, wonach die ..................... keine Piloten der Bundeswehr zu der einer
Einstellung vorgeschalteten Eignungsprüfung zuließ, solange der Bewerber bei der
Bundeswehr statusrechtlich gebunden war.
3
Nachdem der Kläger dies in Erfahrung gebracht hatte, klagte er gegen die
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister der Verteidigung, auf
Ersatz desjenigen Schadens, der ihm durch die Nichteinstellung bei der ................
entgangen war. Im Berufungsverfahren gegen das erstinstanzliche Urteil des
Landgerichts ..... vom 9. November 1983, Az.: 1 O 670/82, stellte das Oberlandesgericht
....... mit Grundurteil vom 16. September 1985, Az.: 7 U 14/84, u.a. fest, dass dem Kläger
gegen die Bundesrepublik Deutschland ein Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 Abs. 1
BGB i.V.m. Artikel 34 Grundgesetz zustehe, da es die Bundesrepublik Deutschland im
Hinblick auf die Absprachen mit der .............. verhindert habe, dass der Kläger dort tätig
werden und einen deutlich höheren Verdienst erzielen konnte. Dieser
Schadensersatzanspruch wurde in dem genannten Urteil in den Entscheidungsgründen
dem Grunde nach festgestellt. Dabei wurde in dem Urteil davon ausgegangen, dass
dem Kläger der Schadensersatzanspruch spätestens ab dem 1. Januar 1980 zusteht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf das vorgenannte Urteil
des Oberlandesgerichts ...... vom 16. September 1985.
4
Gegen dieses Urteil legte die Bundesrepublik Deutschland Revision ein, die vom
Bundesgerichtshof mit Urteil vom 18. Dezember 1986, Az.: III ZR 214/85,
zurückgewiesen wurde. Dabei führte der Bundesgerichtshof aus, dass die Vorinstanz zu
Recht davon ausgegangen sei, dass der Kläger die Eignungsprüfung bestanden hätte
und spätestens zum 1. Januar 1980 von der ............... eingestellt worden wäre. Wegen
der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf das vorgenannte Urteil des
Bundesgerichtshof vom 18. Dezember 1986.
5
Nachdem die Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts ...... vom
Bundesgerichtshof zurückgewiesen worden war, erging sodann am 31. März 1988 eine
Entscheidung des Oberlandesgerichts ....... im Betragsverfahren über die Höhe des dem
Kläger zustehenden Schadensersatzanspruchs. In dieser Entscheidung führte das
Oberlandesgerichts ....... im Tatbestand aus, dass aufgrund des Grundurteils des
Oberlandesgerichts ..... vom 16. September 1985 sowie des Revisionsurteils des
Bundesgerichtshof vom 18. Dezember 1986 feststehe, dass die Bundesrepublik
Deutschland dem Kläger vollen Schadensersatz dafür schulde, dass dieser nicht zum 1.
Januar 1980 bei der .......... als Pilot eingestellt worden sei und dass dieser deshalb
Anspruch auf die Differenz zwischen dem Gehalt eines ..........piloten und dem ihm von
der Bundeswehr gezahlten Gehalt für die Jahre 1980 bis einschließlich 1982 habe.
Nach dem Tatbestand des Urteils habe die Bundesrepublik Deutschland in der
mündlichen Verhandlung die vom Kläger angenommene Erklärung abgegeben, dass
sie (BRD) auf der Basis des Grundurteils alle weiteren Schäden und Ausfälle des
Klägers ersetzen werde und insoweit auf die Einrede der Verjährung verzichte (S. 8 des
Urteils). Im Rahmen des Verfahrens vor dem Oberlandesgerichts ...... habe der Kläger
dann in der letzten mündlichen Verhandlung seinen Leistungsantrag auf
Schadensersatz auf die Jahre bis einschließlich 1987 ausgedehnt. Insoweit gelangte
das Oberlandesgericht ...... in der Entscheidung vom 31. März 1988 zu dem Ergebnis,
dass dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar 1980 bis zum 31. Dezember 1987 gegen die
Bundesrepublik Deutschland wegen Amtspflichtverletzung ein
Schadensersatzanspruch i.H.v. .......,06 DM zustehe. Wegen der weiteren tatsächlichen
und rechtlichen Ausführungen des Oberlandesgerichts ..... wird auf das Schlussurteil
vom 31. März 1988 Bezug genommen.
6
Im Anschluss an das Urteil des Oberlandesgerichts ....... vom 31. März 1988, in dem die
7
Ansprüche des Klägers gegen die Bundesrepublik Deutschland für den Zeitraum 1.
Januar 1980 bis 31. Dezember 1987 ausgeurteilt worden waren, kam es zu intensiven
Verhandlungen zwischen dem Kläger und der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich
des Umfanges seiner Schadensersatzansprüche ab dem 1. Januar 1988. Dabei waren
u.a. die nachfolgenden Punkte zwischen dem Kläger und der Bundesrepublik
Deutschland im Streit:
a) Fraglich war, von welchem Zeitpunkt an der Kläger bei der ................. als erster
Offizier nach der Stufe 9 des Tarifvertrages zzgl. Typenzulage für das Flugzeugmuster B
747 besoldet worden wäre.
8
b) Fraglich war desweiteren, zu welchem Zeitpunkt eine Einstufung in die Stufen 9 - 11
erfolgt wäre.
9
c) Fraglich war auch, zu welchem Zeitpunkt der Kläger zum Senior-First-Officer und zum
Flugkapitän mit entsprechenden Gehaltsverbesserungen befördert worden wäre.
10
d) Weiterhin war zu klären, bis zu welchem Zeitpunkt man eine Dienstzeit des Klägers
bei der ................. unterstellen konnte.
11
e) Ermittelt werden musste desweiteren im Rahmen der hypothetischen
Schadensermittlungen die Höhe der jährlichen Gewinnbeteiligungen des Klägers bei
der ..............., an der der Kläger als Pilot ebenfalls partizipiert hätte.
12
f) Streitig war desweiteren die Frage, wie die Überstundenvergütung des Klägers
ermittelt werden sollte, so wie diese regelmäßig den ............piloten gezahlt wurde.
13
g) Verhandelt werden musste weiterhin die Höhe der geldwerten Nebenleistungen, die
die ............ ihren Piloten regelmäßig gewährte.
14
h) Keine Einigung bestand weiterhin darüber, in welchem Umfang seitens der
Bundesrepublik Deutschland ein Schadensausgleich dafür gewährt werden musste,
dass die ............. für bei ihr beschäftigte Piloten Zahlungen an die VBL vornahm.
15
i) Bei der Schadensberechnung war weiterhin zu berücksichtigen, dass .............piloten
eine steuerfreie Fliegerzulage zustand.
16
j) Zu klären war weiterhin die Frage, wie die Schadensberechnungen mit Rücksicht
darauf zu erfolgen hatte, dass der Kläger für den Fall der Übernahme durch die ............
seine Ehefrau bei der ................ Krankenasse zu besonders günstigen Bedingungen
hätte versichern können.
17
k) Zu berücksichtigen war weiterhin, dass der Kläger auch dadurch einen Schaden
erlitten hatte, dass er die Steuerfreiheit für die 16,3 %ige Schichtzulage nicht in
Anspruch nehmen konnte.
18
l) Ein weiterer Schaden erstand dem Kläger dadurch, dass er Steuervorteile nicht in
Anspruch nehmen konnte, die ............piloten dadurch genießen, dass sie z.B. bei Flügen
über Italien Teile ihres Lohnes nicht zu versteuern brauchten.
19
m) Weiterhin war streitig, wie der Schaden insoweit zu berechnen war, dass der Kläger
20
bei der ........... einen Anspruch darauf gehabt hätte, bei einer Invaliditätsversicherung
und einer loss of licence Versicherung versichert zu werden.
n) Streitig blieb schließlich auch, wie der Schaden für die Zeit nach Eintritt des Klägers
in den Ruhestand zu ermitteln war.
21
Nachdem zwischen dem Kläger und der Bundesrepublik Deutschland über diese und
noch weitere Fragen im Zeitraum zwischen Frühjahr 1988 und Ende 1994 keine
Einigung erzielt werden konnte und die Schadensersatzansprüche des Klägers gegen
die Bundesrepublik Deutschland ab dem 1. Januar 1988 weiterhin umfassend streitig
geblieben waren, schloss der Kläger dann unter dem 30. Dezember 1994 mit der
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium der Verteidigung,
dieses vertreten durch die Wehrbereichsverwaltung III in ........... einen
"Abfindungsvergleich", der u.a. folgende Regelungen vorsah:
22
a. Zur Abfindung aller Ansprüche, die Herrn ......................... aufgrund der Urteile des
Oberlandesgerichts ....... vom 16. September 1985, des Bundesgerichtshof vom 18.
Dezember 1986 und des Oberlandesgerichts ...... vom 31. März 1988 gegen die
Bundesrepublik Deutschland zustehen, zahlt der Bund an Herrn ........ ............ einen
abschließenden Restbetrag i.H.v. ......... DM bis zum 31. Dezember 1994.
23
1. Die vertragschließenden Parteien sind sich darüber einig, dass mit diesem
Vergleich alle Ansprüche des .................., die sich aus den genannten
Gerichtsentscheidungen ergeben, abgefunden sind, und zwar auch zukünftige und
unvorhergesehene Ansprüche. Eine Abänderung dieses Vergleichs wegen
Wegfalls oder Veränderung der Berechnungsgrundlage für die Schadenshöhe
kann vom Bund nur verlangt werden, wenn ..... ............. aus von ihm zu vertretenen
Gründen vorzeitig aus der Bundeswehr ausscheidet und höhere Erwerbseinkünfte
bezieht als ihm als ................. der Bundeswehr zustehen würde."
24
Dieser Abfindungsbetrag ist dem Kläger noch zum Ende des Streitjahres 1994 gezahlt
worden.
25
Mit Einkommensteuerbescheid vom 19. Februar 1996 wurde der Kläger
erklärungsgemäß veranlagt. Dabei wurden Anwaltskosten i.H.v. ...... DM für die
Verhandlungen mit der Bundesrepublik Deutschland als Werbungskosten berücksichtigt
und die "Abfindungszahlung" i.H.v.................. DM (......... DM ./. ......... DM Anwaltskosten)
ermäßigt besteuert. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung
26
Im Anschluss an eine vom Landesrechnungshof beim Beklagten durchgeführte Prüfung
und die sich daraus ergebenden Beanstandungen änderte der Beklagte am 28. Mai
1998 gemäß § 164 Abs. 2 AO den streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheid
und unterwarf den Abfindungsbetrag nunmehr als laufende Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit der Regelbesteuerung. Dies wurde damit begründet, dass zum
einen schon keine Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1 a EStG vorliege und es zum
27
anderen an der Zusammenballung fehle. Nach Einholung einer Stellungnahme der
zuständigen Oberfinanzdirektion führte der Beklagte zur Begründung an, dass zwar eine
Entschädigung gegeben sei, diese jedoch nicht auf einer neuen Rechtsgrundlage
beruhe.
Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde in diesem Bescheid aufgehoben. Der Bescheid
wurde an den Kläger persönlich sowie an ihn als Gesamtrechtsnachfolger seiner
zwischenzeitlich verstorbenen Ehefrau gerichtet.
28
Mit Schreiben vom 28. April 1999 hob der Beklagter sodann den geänderten
Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 a AO auf, da der
geänderte Bescheid nicht ordnungsgemäß bekanntgegeben worden sei. Dabei behielt
sich der Beklagter den Erlass eines neuen Bescheides ausdrücklich vor.
29
Mit Bescheid vom 4. Juni 1999 erließ der Beklagter sodann einen erneut nach § 164
Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1994, der nunmehr
an den Kläger gerichtet war und des weiteren im Betreff aufführte, dass dieser
Steuerbescheid an den Kläger zugleich als Alleinerbe nach seiner Ehefrau ergehe. In
diesem geänderten Steuerbescheid wurde erneut der Abfindungsbetrag als laufende
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit dem Regelsteuersatz unterworfen.
30
Hiergegen legte der Kläger erneut fristgerecht Einspruch ein (am 15. Juni 1999), den der
Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 16. Januar 2002 als unbegründet
zurückwies. Die Begründung stützte der Beklagte darauf, dass keine Zusammenballung
gegeben sei und es zudem an dem Erfordernis der neuen Rechtsgrundlage fehle, da als
Rechtsgrundlage das BGH-Urteil vom 8. Dezember 1986 in Betracht komme.
31
Hiergegen erhob der Kläger am 14. Februar 2002 Klage.
32
Der Kläger trägt vor, dass die Abfindungszahlung eine Entschädigung i.S.d. § 24 Nr. 1a
EStG darstelle. Insofern sei unerheblich, ob er ohne in einer Zwangslage zu sein, an der
Vereinbarung mitgewirkt habe. Denn die Rechtsprechung, die das Erfordernis der
Zwangslage statuiert habe, betreffe Ausgleichszahlungen anlässlich der Aufhebung
eines Arbeitsverhältnisses und habe der Erweiterung des Entschädigungsbegriffs
gedient. Im Streitfall gehe es jedoch um eine Ausgleichszahlung mit Blick auf einen
gesetzlichen Schadensersatzanspruch. Dies sei ein erheblicher Unterschied, so dass
die Rechtsprechung nicht übertragbar sei. Denn ein gesetzlicher
Schadensersatzanspruch sei bereits seinem eigentlichen Charakter nach als
Entschädigung zu qualifizieren.
33
Desweiteren beruhe die Abfindungszahlung auf einer neuen Rechtsgrundlage. Es sei
jedoch fraglich, ob dieses Erfordernis überhaupt bestehe. Denn für die Schaffung einer
neuen Grundlage bestehe im Rahmen des Schadensersatzanspruches nach § 839 BGB
keine Notwendigkeit, da der ursprüngliche Anspruch durch die Vereinbarung einer
Einmalzahlung ausgeglichen werde. Jedenfalls sei diese Voraussetzung jedoch erfüllt.
Denn die Abfindungszahlung beruhe nicht auf dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom
18. Dezember 1986. Der Beklagte unterstelle insoweit, dass durch ein zivilrechtliches
Urteil ein von einer Partei behaupteter Anspruch praktisch materiell erneut zur
Entstehung gelange und daher, was spätere Abfindungszahlungen anbelange, wie ein
ursprünglicher Erfüllungsanspruch behandelt werden müsse. Hierbei werde jedoch die
Wirkung der materiellen Rechtskraft eines zivilrechtlichen Urteils verkannt. Dieses habe,
34
abgesehen von Gestaltungsurteilen, auf das materielle Recht keinen Einfluss. Es sei
lediglich im Hinblick auf ein mögliches späteres Verfahren zu beachten, dass die zur
Entscheidung anstehende Rechtsfrage bereits einmal rechtskräftig entschieden worden
sei. Schon aus diesem Grund könne das Urteil des Bundesgerichtshofs niemals Rechts-
und Billigkeitsgrundlage für den am 30. Dezember 1994 abgeschlossenen Vergleich
sein.
Der Annahme der mangelnden neuen Rechtsgrundlage durch den Beklagten stehe
entgegen, dass die Rechtslage nach Abschluss der beiden Verfahren vor dem OLG
........ und dem Verfahren vor dem BGH für die Zeit ab dem 1. Januar 1988 völlig offen
gewesen sei. So sei die Bundesrepublik Deutschland durch das Urteil des BGH vom 18.
Dezember 1986 nicht verurteilt worden, an den Kläger ab dem 1. Januar 1988 die
Differenz zwischen seinen beamtenrechtlichen Bezügen und dem fiktiven Gehalt, das er
bei der ............ hätte erzielen können, zu zahlen. Vielmehr habe sich das Urteil des
Bundesgerichtshofs mit dem Grundurteil des Oberlandesgerichts ...... vom 16.
September 1985 befasst. In diesem Grundurteil habe das Oberlandesgericht ...... jedoch
lediglich festgestellt, dass die bis dahin geltend gemachten Schadensersatzansprüche
bis einschließlich 1982 dem Grunde nach gerechtfertigt seien. Dieser Streitgegenstand
sei auch durch die Klageanträge des Klägers genau bestimmt gewesen. Der
Bundesgerichtshof habe insofern nur feststellen können, dass das Grundurteil des
Oberlandesgerichts ....... Bestand haben müsse. Zu diesem Zeitpunkt habe also
lediglich festgestanden, dass dem Kläger dem Grunde nach für die Zeit bis Ende 1982
Schadensersatzansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland zustünden. Wie
hoch diese waren und ob für die Zeit danach Schadensersatzansprüche gegeben
waren, sei auch nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs offen geblieben. Das
zweite Urteil des Oberlandesgerichts ......., vom 31. März 1988, habe sich lediglich
dahingehend vom ersten Urteil unterschieden, dass der Kläger die Klage wegen der
zwischenzeitlich neu entstandenen Schadensersatzforderungen bis Ende 1987
erweitert habe. Nur über diesen Zeitraum habe das OLG ...... in seinem Urteil vom
31.03.1988 eine Entscheidung zu treffen gehabt. Nach Erlass des Urteils des OLG .......
vom 31. März 1988 sei die Rechtslage für die Zeit ab dem 1. Januar 1988 wiederum
völlig offen gewesen. Die Bundesrepublik Deutschland sei trotz der genannten
rechtskräftigen Entscheidung nicht gehindert gewesen, für den Fall, dass der Kläger
seine Ansprüche für die Folgezeit erneut gerichtlich geltend gemacht hätte, diese
Ansprüche sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu bestreiten. Alle späteren
Bemühungen des Klägers, auch durch Einschaltung seines Rechtsanwalts, mit der
Bundesrepublik Deutschland eine vergleichsweise Regelung herbeizuführen, hätten
hauptsächlich dem Zweck gedient, einen erneuten Rechtsstreit, in dem die
Bundesrepublik Deutschland alles wieder hätte in Frage stellen können, zu vermeiden.
35
Darüber hinaus sei auch die für die Anwendung des § 34 EStG erforderliche
Zusammenballung der Zahlungen gegeben. Denn durch den Vergleich seien alle
Ansprüche ab dem 1. Januar 1988 zu regeln gewesen, und diese hätten durch die
Vereinbarung eines einzigen Abfindungsbetrages endgültig ihre Erledigung finden
sollen. Auf die früher ausgeurteilten Beträge habe es daher für die Frage, ob eine
Zusammenballung vorliege, nicht ankommen können. Soweit in dem Vergleich vom 30.
Dezember 1994 von einer "Restzahlung" gesprochen werde, sei diese Formulierung
ungenau.
36
Im übrigen sei der Schadensersatzanspruch nicht als eine Einheit zu sehen, sondern als
mehrere Einheiten, die je nach Zeitabschnitt entständen. Denn für die Zeit ab Januar
37
1988 bis 1994 und für die weitere Zukunft sei jeweils monatlich ein
Schadensersatzanspruch in wechselnder Höhe entstanden, die sich auf der Grundlage
der Differenzen zwischen den Verdienstmöglichkeiten bei der ............. einerseits und
den tatsächlichen Bezügen bei der Bundeswehr andererseits bestimmt habe. Daher
habe der Abfindungsvergleich nur die Schadensersatzansprüche ab 1988 betroffen.
Frühere Zahlungen auf zurückliegende Schadensersatzansprüche könnten daher auch
nicht als Teilleistungen bezeichnet werden. Wenn also in dem Vergleich aus dem Jahre
1994 Schadensersatzansprüche ab 1988 bis 1994 und gleichzeitig mögliche
Schadensersatzansprüche für die Zukunft geregelt worden seien, so könnten diese nicht
in Bezug gesetzt werden zu den Schadensersatzansprüchen, die durch die
Entscheidungen des OLG ...... und des BGH bis 1987 geregelt worden seien.
Unschädlich sei, dass die Bundesrepublik Deutschland, ohne dass der Kläger hierüber
mit dieser eine Vereinbarung getroffen hätte, einseitig bestimmte Akontozahlungen auf
einen möglichen Schadensersatzanspruch des Klägers in der Folgezeit geleistet habe.
Denn diese Zahlungen seien keine Erfüllungshandlungen. Dies folge auch daraus, dass
sie unter Vorbehalt erfolgt seien. Insoweit beruft sich der Kläger auf das Schreiben der
Wehrbereichsverwaltung .......... vom 20. Juli 1989 (Bl. 41 f. der Gerichtsakte).
38
Würde man diese Auffassung nicht teilen, so könnte ein Schadensersatzpflichtiger, wie
hier die Bundesrepublik Deutschland, durch eine einmalige á-Konto-Zahlung auf einen
weder dem Grund noch der Höhe nach noch nicht festgestellten
Schadensersatzanspruch dem Ersatzberechtigten die vom Steuergesetzgeber
eigentlich zugedachte Steuerermäßigung gemäß § 34 EStG unbewusst oder vielleicht
sogar bewusst zunichte machen. Dies könne nicht rechtens sein.
39
Es komme daher auch nicht darauf an, dass rückschauend nochmals festgestellt werde,
welche Teilzahlungen seit dem Jahre 1988 bis zum Abschluss des Vergleiches
geleistet worden seien.
40
Darüber hinaus bestehe eine verbindliche Zusage des Beklagten, die
Abfindungszahlung tarifbegünstigt zu besteuern. Er, der Kläger, habe ca. sechs Monate
vor Abschluss des Vergleiches vom 30. Dezember 1994, als die
Vergleichsverhandlungen bereits liefen, anlässlich der Abgabe der
Einkommensteuererklärung 1993 an Amtsstelle den seinerzeit zuständigen
Sachbearbeiter ......... befragt, wie eine Abgeltung seiner Schadensersatzansprüche
durch eine Einmalzahlung steuerlich behandelt würde und ob der ermäßigte Steuersatz
zur Anwendung gelange. Dabei habe er, der Kläger, Herrn .............. den Sachverhalt
erläutert, so dass dieser in die Lage versetzt worden sei, die Rechtslage korrekt zu
beurteilen. Herr .......... habe die Frage nicht sofort beantwortet, sondern erklärt, dass er
sich mit seinem Sachgebietsleiter, Herrn ......., besprechen müsse. Nach entsprechender
Rücksprache habe Herr ........ ihn, den Kläger, angerufen und eindeutig erklärt, dass auf
die Abfindungszahlung für die streitigen Schadensersatzansprüche der ermäßigte
Steuersatz anzuwenden sei. Dass dies nicht schriftlich erfolgt sei, sei unschädlich. Der
Sachzusammenhang spreche dafür, dass es ihm, dem Kläger, nicht nur um eine
unverbindliche Auskunft gegangen sei. Wenn er nur eine solche erfragt hätte, hätte ihm
Herr ........... auch unmittelbar seine eigene Ansicht mitteilen können. Hätte die Auskunft
trotz Mündlichkeit keinen verbindlichen Charakter haben sollen, hätte Herr ........... ihn,
den Kläger, ausdrücklich darauf hinweisen müssen. Dies sei jedoch nicht geschehen.
Die Auskunft sei für ihn, den Kläger, dafür maßgeblich gewesen, die
Vergleichsverhandlungen mit der Bundesrepublik Deutschland fortzusetzen. Dies sei
41
Herrn .......... bewusst gewesen. Im Vertrauen auf die Richtigkeit der ihm erteilten
Auskunft habe er sodann den Vergleich vom 30. Dezember 1994 abgeschlossen. Die
von Herrn ........... erteilte Auskunft sei zudem durch den Steuerbescheid vom 19. Februar
1996 bestätigt worden. Es verstoße gegen Treu und Glauben, wenn der Beklagte
nunmehr den Sachverhalt anders beurteilte als seinerzeit. In diesem Zusammenhang
hat der Kläger beantragt, Herrn ........... und Herrn ....... zum Beweis als Zeugen zu hören.
Der Kläger beantragt,
42
die Abfindungszahlung i.H.v. ......... DM tarifermäßigt zu besteuern und die
Einkommensteuer 1994 entsprechend herabzusetzen;
43
im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
44
Der Beklagte beantragt,
45
die Klage abzuweisen;
46
im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
47
Der Beklagte trägt vor, dass der Vergleich mit der Bundesrepublik Deutschland vom 30.
Dezember 1994 keine neue Rechts- und Billigkeitsgrundlage darstelle, so dass die
"Abfindungszahlung" nicht auf einer neuen Rechtsgrundlage beruhe. Denn als
Rechtsgrundlage komme das BGH-Urteil vom 8. Dezember 1986 in Betracht, mit
welchem der Ersatzanspruch des Klägers begründet worden sei. Der Vergleich mit der
Bundesrepublik Deutschland vom 30. Dezember 1994 erfülle den Begriff der neuen
Rechts- und Billigkeitsgrundlage dagegen nicht. Er begründe keinen neuen, vom
ursprünglichen Schuldverhältnis losgelösten Anspruch und damit keine neue
Zahlungspflicht der Bundesrepublik Deutschland, sondern ändere nur die
Zahlungsmodalitäten des ursprünglichen Ersatzanspruchs des Klägers. Denn es hätten
nach dem Wortlaut des Vergleichs alle Ansprüche abgefunden werden sollen, die sich
aus den Gerichtsentscheidungen (BGH und OLG Köln) ergeben hätten, und zwar auch
zukünftige und unvorhergesehene Ansprüche. Die Vertragsparteien seien sich also
darüber einig gewesen, dass die grundsätzliche Schadensersatzpflicht der
Bundesrepublik Deutschland gegenüber dem Kläger durch die Gerichtsentscheidungen
zweifelsfrei festgestellt worden sei.
48
Allerdings könne die Frage nach der neuen Rechtsgrundlage offen bleiben. Denn der
BFH prüfe diese Voraussetzung, um abzugrenzen, ob es sich (schon) um eine
Entschädigung iSd § 24 EStG oder (noch) um den ursprünglichen vertraglichen oder
gesetzlichen Erfüllungsanspruch handele. Im Streitfall hingegen habe ein solcher
ursprünglicher Erfüllungsanspruch weder gegen die Bundesrepublik Deutschland noch
gegen die ............. vorgelegen, so dass von vornherein alle von der Bundesrepublik
Deutschland seit 1980 geleisteten Zahlungen Entschädigungsleistungen für
entgangene Einnahmen des Klägers bei der ................ darstellten.
49
Gehe man hingegen davon aus, dass eine neue Rechts- und Billigkeitsgrundlage schon
deshalb vorlag, weil der gesetzliche Schadensersatzanspruch nach § 839 BGB auf
wiederkehrende Zahlungen in einen Anspruch auf eine einmalige Zahlung
umgewandelt worden sei, so bleibe fraglich, ob durch diese neue Rechts- und
Billigkeitsgrundlage der Charakter als gesetzlicher Entschädigungsanspruch i.S.d. § 24
50
EStG verloren gehe. Der BFH verneine nämlich eine Entschädigung dann, wenn der
Steuerpflichtige insofern an der Entstehung des Schadens in Gestalt des
Einnahmeausfalls mitwirke, als er Vereinbarungen über eine Ausgleichsleistung und
deren Höhe treffe. Das FG Münster (EFG 2000, 319) habe diesen Gedanken
aufgegriffen und eine ermäßigte Besteuerung verneint, wenn der Steuerpflichtige an der
Kapitalisierung laufend zu erbringender Zahlungen mitwirke, ohne in einer Zwangslage
zu sein. Er, der Beklagte, neige jedoch selbst dazu, nicht - wie das FG Münster - den
Begriff der Entschädigung zu verneinen, sondern nur solche Einkünfte unter den Begriff
der außerordentlichen Einkünfte i.S.d. § 34 EStG einzuordnen, die dem
Steuerpflichtigen ohne sein Zutun zusammengeballt zugeflossen seien, da er es bei
einem Mitwirken in der Hand gehabt habe, die Zusammenballung zu verhindern.
Aber auch unabhängig hiervon liege schon keine Zusammenballung von Einkünften
vor. Denn die seit 1980 von der Bundesrepublik Deutschland geleisteten Zahlungen
seien zur Erfüllung eines zivilrechtlich einheitlichen Schadensersatzanspruches nach §
839 BGB erfolgt. Dieser einheitliche Schadensersatzanspruch sei nach dem Urteil des
BGH vom 18. Dezember 1986 spätestens zum 1. Januar 1980 entstanden, auch wenn
dieser Anspruch prozessual (z.B. durch Feststellungsklage) nicht sofort in vollem
Umfang geltend gemacht und ausgeurteilt worden sei. Zivilrechtlich sei der
Schadensersatzanspruch in Teilleistungen mit Ablauf des jeweiligen Monats fällig
geworden, da erst nach dessen Ablauf festgestanden habe, ob und in welcher Höhe
dem Kläger ein Schaden entstanden sei. Alle Leistungen seien steuerlich als eine
einzige einheitliche Entschädigung zu erfassen, da sie auf einem einheitlichen
Lebenssachverhalt beruhten, nämlich der von der Bundeswehr verhinderten Einstellung
des Klägers als Pilot bei der .............. Dem Grunde nach habe die Bundesrepublik
Deutschland den Anspruch des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 18. Januar
1988 vor dem OLG ....... anerkannt (S. 8 des Tatbestandes des entsprechenden Urteils).
Lediglich die Höhe des Schadens habe noch nicht festgestanden. Zweifel an der Höhe
des Schadens lägen jedoch in der Natur des Schadensersatzanspruches, da oft nicht
feststehe, ob und in welcher Höhe Schaden entstanden seien (wie im Streitfall bei
Dauerschäden oder z.B. bei körperlichen Spätschäden). In solchen Fällen bestünden
bekanntlich mehrere Möglichkeiten zur Anspruchsdurchsetzung: Die Parteien können
sich auf einen Einmal-Betrag einigen, den eingetretenen Schaden nach bestimmten
Perioden festlegen und abrechnen, ein Feststellungsurteil anstreben etc. (vgl. Palandt,
BGB, vor § 149 Rz. 9). All diesen Sachverhaltsgestaltungen sei gemeinsam, dass der
Schadensersatzanspruch dem Grunde nach entstanden sei, aber noch nicht feststehe,
ob und in welcher Höhe der Schaden eingetreten sei oder noch eintreten werde. Im
Gegensatz zur Auffassung des Klägers handele es sich aber gerade nicht um
verschiedene Schadensersatzansprüche. Auch bei "gestreckten Schadensbildern" habe
der BFH, soweit ersichtlich, bei Entschädigungsleistungen, die auf einem einheitlichen
Lebenssachverhalt beruhen, für die Frage der Zusammenballung nie darauf abgestellt,
ob die Entschädigung für bereits eingetretene oder noch bevorstehende
Vermögensschäden geleistet werde.
51
Desweiteren müssten die bereits geleisteten Zahlungen in die Beurteilung
miteinbezogen werden, so dass es sich bei der Zahlung vom 31. Dezember 1994
lediglich um eine Restzahlung gehandelt habe. Denn der Kläger habe bereits auf der
Grundlage der Urteile des Oberlandesgerichts ....... sowie des Bundesgerichtshofs
Schadensersatzleistungen erhalten, die zunächst jährlich vereinnahmt worden und
letztendlich durch den Abfindungsvergleich vom 30. Dezember 1994 abgelöst worden
seien.
52
Im Einzelnen habe es sich dabei zum Teil um Nachzahlungen für mehrere
Kalenderjahre, zum Teil um laufende Abschlagszahlungen mit jährlicher Abrechnung
gehandelt. Beispielhaft beruft sich der Beklagte auf die Einzelabrechnungen für die
Jahre 1988 bis 1990 (Bl. 41 ff. der Gerichtsakte).
53
Damit seien die Zahlungen nicht zusammengeballt erfolgt (vgl. FG Düsseldorf, Urt. v.
16.5.2002, 14 K 3263/99, EFG 2002, 1169).
54
Dem Einwand des Klägers, die Abschlagszahlungen seien nicht im Einvernehmen und
unter Vorbehalt erfolgt, sei entgegenzuhalten, dass zu bezweifeln sei, dass im Zeitpunkt
der Abschlagszahlungen zwischen der Bundesrepublik und dem Kläger streitig
gewesen sei, ob Schadensersatz zu leisten sei. Fakt bleibe, dass der Kläger
Schadensersatz gefordert und die Bundesrepublik Deutschland auf diesen Anspruch
geleistet habe, wenn auch unter Vorbehalt. Nach Aktenlage habe die Bundesrepublik
Deutschland erstmals am 1. Januar 1987 eine Zahlung i.H.v. 10.000 DM geleistet, zu
einem Zeitpunkt also, als die Bundesrepublik Deutschland wegen der vorliegenden
Urteile offenbar dem Grunde nach die Schadensersatzpflicht nicht mehr bestritten habe.
Differenzen hätten zu diesem Zeitpunkt wohl nur noch wegen der Höhe bestanden.
Wegen der Einzelheiten verweist der Beklagte auf die von ihm erstellte Zeittafel (Bl. 62
der Gerichtsakte). Darüber hinaus verweist der Beklagte auf das Urteil des OLG ...... vom
18. Januar 1988, Seite 8, wonach die Bundesrepublik Deutschland die Erklärung
abgegeben habe, dass sie (BRD) auf der Basis des Grundurteils alle weiteren Schäden
und Ausfälle des Klägers ersetzen werde.
55
Die von dem Kläger angestellten Billigkeitsüberlegungen könnten allenfalls bei
aufgedrängten Zahlungen oder bei besonderen Umständen greifen. Der BFH habe auch
nur in einem Fall eine Ausnahme zugelassen (Nachweise bei Schmidt, EStG, § 34, Rn.
19), in dem wegen einer Notlage des Gläubigers die Entschädigung in zwei
Veranlagungszeiträumen geflossen sei. Im Streitfall sei hingegen die
Gesamtentschädigung in zwei Veranlagungszeiträumen geflossen, ohne dass eine
Ausnahmesituation vorgelegen hätte.
56
Die Leistungen seien steuerlich auch als einheitliche Entschädigung zu erfassen, da sie
auf einem Vorgang beruhten, nämlich der von der Bundeswehr verhinderten Einstellung
des Klägers als Pilot bei der .................. Es handele sich damit nicht um mehrere
selbständig zu beurteilende Entschädigungen. Durch die auf die vielen Jahre verteilten
Zahlungen fehle es an einer für die Anwendung des § 34 EStG erforderlichen
Zusammenballung. Hieran ändere sich auch nichts aufgrund des Einwands des
Klägers, dass die Höhe des gesamten Schadensersatzes bis zum Abschluss des
Vergleichs vom 30. Dezember 1994 streitig geblieben sei. Insoweit wären dann die
Zahlungen bis einschließlich 1994 als Abschlagszahlungen zu beurteilen. Im übrigen
bliebe es bei einer Zahlung der Entschädigung in mehreren Jahren.
57
Auch der Einwand des Klägers, dass die Zahlungen zum Teil geleistet worden seien,
ohne dass hierüber eine Vereinbarung getroffen worden sei, sei unerheblich: Der Kläger
habe einen Schadensersatzanspruch gehabt, den die Bundesrepublik Deutschland
erfüllt habe; einer Vereinbarung habe es insoweit nicht bedurft.
58
Die vom entscheidenden Senat in dem Aussetzungsbeschluss vom 3. Juni 2002
getroffene Überlegung, bei einem "gestreckten Schadensbild" erscheine es
59
erwägenswert, einzelne Zeitabschnitte separat darauf zu untersuchen, ob eine
Zusammenballung in jeweils einem Kalenderjahr vorliege, finde in der Rechtsprechung
des BFH keine Stütze. Würde man diese Möglichkeit zulassen, hätten es die Parteien in
der Hand, allein durch geschickte Vertragsgestaltung die Steuervergünstigung des § 34
EStG (u.U. auch mehrfach) in Anspruch zu nehmen. Der BFH habe vielmehr, soweit
ersichtlich, stets Entschädigungsleistungen, die zivilrechtlich auf einem einheitlichen
Rechtsgrund basieren (hier die Amtspflichtverletzung), auch einheitlich hinsichtlich der
Frage der Zusammenballung beurteilt.
Es sei auch keine Entscheidung des BFH ersichtlich, in der - wie in dem
Aussetzungsbeschluss - für die Frage der Zusammenballung das Merkmal der neuen
Rechts- und Billigkeitsgrundlage herangezogen worden sei. Dieses Merkmal sei allein
für das Tatbestandsmerkmal der Entschädigungsleistung i.S.d. § 24 EStG relevant. Die
in dem Beschluss auf Seite 17 zitierten Entscheidungen würden dieses Ergebnis
bestätigen. In beiden Entscheidungen gehe es nur um die Frage, ob die Einmalzahlung
eine Entschädigung i.S.d. § 24 EStG gewesen sei oder ob es sich noch um die
ursprünglich geschuldeten Pensionsleistungen gehandelt habe. Die Frage der
Zusammenballung sei dagegen in diesen Entscheidungen unproblematisch. Sofern der
Senat die angeführten Entscheidungen gleichwohl für einschlägig halte, müsse er die
Klage abweisen, weil dann auch, wie vom BFH, die Frage zu prüfen wäre, ob der Kläger
unter erheblichem wirtschaftlichen, rechtlichen oder tatsächlichen Druck gestanden
habe, als er den Vergleich schloss. Dies sei nicht der Fall.
60
Die Besonderheit des vorliegenden Falles bestehe gerade darin, dass nicht
wiederkehrend zu entrichtende (ursprüngliche) Ansprüche bestanden, die weggefallen
seien, sondern von vornherein Entschädigungsleistungen i.S.d. § 24 EStG vorlagen, die
durch den Vergleich im Jahre 1994 in einen Einmalbetrag umgewandelt worden seien.
61
Mit Blick auf die Frage der Zusammenballung beantragt der Beklagte, die Akten der
Wehrbereichsverwaltung III in ........ beizuziehen, um die im Einzelnen geleisteten
Zahlungen und eventuelle Vereinbarungen zwischen dem Kläger und der
Wehrbereichsverwaltung III feststellen zu können.
62
Er bittet ferner darum, die Akten des LG ...... 10670/82 und des OLG ...... 7 U 14/84
beizuziehen.
63
Hinsichtlich des klägerischen Vortrages, es liege eine verbindliche Zusage vor,
bestreitet der Beklagte dies mit Nichtwissen. Die Akte enthalte hierfür keinerlei
Anhaltspunkte. Darüber hinaus stamme die vermeintliche Zusage nicht vom
zuständigen Sachgebietsleiter. Ob der Kläger ihn für zuständig gehalten habe, sei
unerheblich (Tipke/Kruse, AO, vor § 204 Rz. 11 m.w.N.).
64
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
65
Die Klage ist begründet.
66
Zu Unrecht hat der Beklagte die Anwendung der Tarifbegünstigung gemäß § 34 EStG
i.V.m. § 24 Nr. 1a EStG auf den dem Kläger im Streitjahr gezahlten Abfindungsbetrag
versagt. Denn die Voraussetzungen der §§ 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2; 24 Nr. 1a EStG sind
im Streitfall erfüllt.
67
I. Die Abfindungszahlung der Bundesrepublik Deutschland i.H.v. ......... DM an den
Kläger stellt eine Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1 a EStG dar.
68
1. Gemäß § 24 Nr. 1 a EStG gehören zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1
EStG Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende
Einnahmen gewährt werden. Zahlungen, die nicht an die Stelle weggefallener
Einnahmen treten, sondern bürgerlich-rechtliche Erfüllungsleistungen eines
Rechtsverhältnisses sind, gehören nicht zu den Entschädigungen.
Dementsprechend muss die an die Stelle der bisherigen Einnahmen tretende
Ersatzleistung auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruhen. Die
Abfindung darf sich nicht als die bloße - ggf. in der Zahlungsmodalität geänderte -
Erfüllung einer Leistung im Rahmen des bisherigen Rechtsverhältnisses
darstellen. Die Vorschrift des § 24 Nr. 1 a EStG betrifft Entschädigungen, die als
Ersatz für unmittelbar entgangene oder entgehende konkrete Einnahmen gezahlt
werden. Sie dient der Abgeltung und Abwicklung von Interessen aus einem
bisherigen Rechtsverhältnisses (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs,
aus neuerer Zeit Urteile vom 10. Oktober 2001 XI R 54/00, BStBl II 2002, 181; XI R
50/99, BFH/NV 2002, 698).
69
1. Zwar befasst sich die ganz überwiegende Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs
mit Abfindungszahlungen im Zusammenhang mit der Beendigung eines
Arbeitsverhältnisses bzw. mit der Abgeltung von einzelnen Ansprüchen -
Pensionsanwartschaften - im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses.
Dessen ungeachtet besteht jedoch weitgehend Übereinstimmung, dass die neue
Rechts- oder Billigkeitsgrundlage auch durch die Verwirklichung eines
gesetzlichen Schadensersatztatbestandes entstehen kann (vgl. Seeger, in
Schmidt, EStG, § 24 Rn. 10; Horn, in Hermann/Heuer/Raupach, EStG, Stand April
1998, § 24 Rn. 26; Schiffers, in Korn, EStG, § 24 Rn. 17). Die Rechtsgrundlage für
die Entschädigungsleistung kann daher nicht nur auf einer vertraglichen Regelung
beruhen, sondern vielmehr auch aus dem Gesetz folgen. Hierfür spricht, dass die
Erfüllung eines gesetzlichen Schadensersatzanspruches keine bürgerlich-
rechtliche Erfüllungsleistung eines bereits bestehenden Rechtsverhältnisses ist.
70
1. Insofern bestehen im Hinblick auf den gesetzlichen Schadensersatzanspruch des
Klägers gegen die Bundesrepublik Deutschland aus Amtshaftung gemäß § 839
Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG keine Bedenken, diesen Schadensersatzanspruch
als eine neue Rechts- und Billigkeitsgrundlage anzusehen, die an die Stelle eines
fiktiven Vergütungsanspruchs des Klägers gegen die ......................, als seinen
vermeintlichen zukünftigen Arbeitgeber getreten ist. Denn wäre es nicht zu der
schadensstiftenden Handlung der Bundesrepublik Deutschland gekommen, hätte
der Kläger ein Arbeitsverhältnis mit der .................... begründet und die
71
betreffenden vertraglichen Vergütungsansprüche erzielt, an deren Stelle nunmehr
im Wege der neuen Rechts- und Billigkeitsgrundlage der gesetzliche
Schadensersatzanspruch aufgrund des Amtshaftungstatbestandes getreten ist.
1. Die Tatsache, dass die Abfindungszahlung aber unmittelbar auf der
Abfindungsvereinbarung vom 30. Dezember 1994 beruht, ändert am
Entschädigungscharakter der Zahlung nichts.
72
Im Gegenteil entsteht hierdurch ein weiterer Anspruch, der auf einer neuen
Rechtsgrundlage beruht. Zwar tritt der Abfindungsanspruch an die Stelle des Anspruchs
auf wiederkehrende Schadensersatzansprüche. Er stellt aber insofern ein aliud dar, als
das mit der Ungewissheit über die Höhe der noch zu erbringenden Leistungen
verbundene Wagnis (ebenso wie die damit verbundene Chance) von dem Verpflichteten
auf den Berechtigten übergeht. Darin liegt keine bloße Änderung der Zahlungsmodalität,
sondern die Ersetzung des ursprünglichen Anspruchs durch einen anderen (vgl. Horn,
in Hermann/Heuer/Raupach, EStG, Stand April 1998, § 24 Rn. 28, zur Kapitalisierung
von wiederkehrenden Bezügen).
73
Unerheblich ist, ob der Kläger unter einem nicht unerheblichem rechtlichen,
wirtschaftlichen oder tatsächlichem Druck den Abfindungsvergleich geschlossen hat. Es
handelt sich hierbei um ein Erfordernis, das die Rechtsprechung geschaffen hat, um in
den Fällen der Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses den Entschädigungsbegriff zu
erweitern. Im Streitfall handelt es sich jedoch um eine Ausgleichszahlung mit Blick auf
einen gesetzlichen Schadensersatzanspruch, der bereits nach seinem eigentlichen
Charakter als Entschädigung zu qualifizieren ist. Würde man diesbezüglich fordern,
dass der Steuerpflichtige unter einem nicht unerheblichen rechtlichen, wirtschaftlichen
oder tatsächlichen Druck gehandelt hat, würde dies zu einer Verengung des
Anwendungsbereichs des Entschädigungsbegriffs führen. Denn während der
Arbeitnehmer vor dem einvernehmlichen Abschluss des Abfindungsvergleichs
(lediglich) einen vertraglichen Anspruch auf Lohnzahlung hat, hat derjenige, der sich
über einen gesetzlichen Schadensersatzanspruch vergleicht, bereits vor Abschluss des
Abfindungsvergleichs einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung. Diese beruht
auf einer unerlaubten Handlung, an der der Anspruchsberechtigte nicht mitgewirkt hat.
An einer solchen Konstellation mangelt es in den Fällen, für die die Rechtsprechung
das Erfordernis des nicht unerheblichen rechtlichen, wirtschaftlichen oder tatsächlichem
Drucks statuiert hat.
74
a. Der Senat kann nicht der Rechtsauffassung des Beklagten beipflichten, dass die
neue Rechts- und Billigkeitsgrundlage in den Urteilen des Oberlandesgerichts .....
bzw. des Bundesgerichtshofs besteht. Zum einen beziehen sich das erste Urteil
des Oberlandesgerichts ..... sowie das Urteil des Bundesgerichtshofs auf die
Schadensersatzverpflichtung der Bundesrepublik Deutschland für die Jahre 1981
und 1982 und das Urteil des Oberlandesgerichts ..... aus dem Jahre 1988 auf den
Zeitraum bis zum Ende des Jahres 1987. Darüber hinaus wird mit diesen Urteilen
lediglich der streitbefangene Amtshaftungsanspruch aufgrund der Weigerung der
75
Bundesrepublik Deutschland, ihrer Schadensersatzverpflichtungen
nachzukommen, ausgeurteilt.
Für den Zeitraum ab 1988 und insbesondere für die Zeit nach Vergleichsabschluss, also
nach dem 30. Dezember 1994, geben die vorgenannten Urteile zudem nichts her.
76
I. Die für die Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 EStG erforderliche
Zusammenballung ist im Streitfall gegeben.
77
1. Eine Entschädigung gemäß § 24 Nr. 1 a EStG ist nur dann gemäß § 34 Abs. 1 u.
Abs. 2 Nr. 2 EStG tarifbegünstigt, wenn sie zu einer Zusammenballung von
Einnahmen innerhalb eines Veranlagungszeitraums führt. Diese ist nur gegeben,
wenn der Steuerpflichtige in Folge der Entschädigung in einem
Veranlagungszeitraum mehr erhält, als er bei normalem Lauf der Dinge erhalten
hätte. Nur in diesem Fall ist die Ermäßigung des Steuersatzes gerechtfertigt (vgl.
BFH-Urteile vom 21. März 1996 XI R 41/95, BStBl II 1996, 416; vom 16. Juli 1997
XI R 13/97, BStBl II 1997, 753; vom 4. März 1998 XI R 46/97, BStBl II 1998, 787).
Vornehmlich für mit der Auflösung oder Beendigung eines Arbeitsverhältnisses im
Zusammenhang stehende Entlassungsentschädigungen und Abfindungen hat der
Bundesfinanzhof die Forderung erhoben, dass entsprechend dem Sinn und Zweck
der Steuerbegünstigung - nämlich einen Ausgleich von Progressionsnachteilen zu
bewirken - eine einheitliche Entschädigung innerhalb eines
Veranlagungszeitraums in einem Betrag gezahlt werden müsse, andernfalls die für
die Anwendung des § 34 EStG und damit der Tarifbegünstigung erforderliche
Zusammenballung nicht gegeben sei (vgl. BFH-Urteil vom 21. März 1996 XI R
41/95, a.a.O.).
78
1. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechungsgrundsätze, die sich der Senat zu
eigen macht, sind die Voraussetzungen der Zusammenballung im Streitfall
gegeben. Der Abschluss des Abfindungsvertrages als aliud (s.o. I.4.a) stellt eine
neue Rechtsgrundlage dar und ist als solche gesondert zu betrachten. Durch den
Abfindungsvergleich wurde eine Einigung jedenfalls über den Anspruch der Höhe
nach getroffen. Die laut Abfindungsvereinbarung geschuldete Abfindungszahlung
i.H.v. .........DM wurde in einem Betrag in einem einzigen Veranlagungszeitraum
gezahlt.
79
Zuvor geleistete Zahlungen sind unschädlich, da sie nicht Gegenstand des
Vergleichsvertrages als neuer Rechtsgrundlage waren. Sie beruhen zum Teil auf den
Urteilen des OLG ..... und des BGH und zum Teil, so die Akontozahlungen, unmittelbar
auf dem Gesetz. Jedenfalls finden diese in den Vorjahren geleisteten Zahlungen ihre
Grundlage nicht in dem Abfindungsvergleich. Dieser begründet ausschließlich eine
Zahlungsschuld i.H.v. ......... DM, die auch einheitlich im Streitjahr 1994 erfüllt wurde.
80
1. Diese Rechtsauffassung des Senats steht im Einklang mit der höchstrichterlichen
Rechtsprechung zur Kapitalabfindung von Versorgungsleistungen. Der BFH hat
nämlich bei der Ablösung einer Versorgungsleistung durch eine Kapitalabfindung
wiederholt eine tarifbegünstigte Entschädigungsleistung angenommen (vgl.
insbesondere Urt. v. 14.01.2004, X R 37/02, BFH/NV 2004, 706; s.a. BFH, Urt. v.
09.07.1992, XI R 5/91, BStBl II 1993, 27; Beschl. v. 11.03.1996, IV B 55/95,
BFH/NV 1996, 737) und dabei ausgeführt, dass die Ablösung der
Versorgungsleistungen durch eine an ihre Stelle tretende Kapitalabfindung eine
andersartige Leistung darstelle und diese Kapitalabfindung auf einer neuen
Rechtsgrundlage beruhe. Die Tatsache, dass zuvor bereits
Versorgungszahlungen erfolgt waren und nunmehr eine abschließende
Kapitalabfindung dieser Versorgungsansprüche erfolgte, stand einer
Zusammenballung der betreffenden Entschädigungszahlungen jeweils nicht
entgegen. Im Urteil vom 14. Januar 2004 (X R 37/02, BFH/NV 2004, 706)
beispielsweise bejahte der BFH die Zusammenballung von Einkünften im
Zusammenhang mit der Kapitalabfindung von Rentenansprüchen im Jahre 1998,
obwohl die Rente bereits seit 1987 gezahlt wurde (s. Abschn. II. 2. d. dd).
81
I. Selbst wenn man mit dem Beklagten davon ausgehen wollte, dass der
Schadensersatzanspruch als eine einheitliche Leistung zu beurteilen und
demzufolge die Zusammenballung nicht gegeben sei, wäre die Tarifermäßigung
anwendbar. Denn nach Auffassung des Senats ist in der Konstellation des
Streitfalls eine Ausnahme vom Erfordernis der Zusammenballung geboten.
82
1. Der BFH hat in seiner Rechtsprechung zwischenzeitlich anerkannt, dass für
bestimmte Zusatzleistungen das strenge Zusammenballungsprinzip nicht gilt.
83
a. So bleibt eine Entlassungsentschädigung auch dann steuerbegünstigt, wenn in
einem späteren Veranlagungszeitraum aus sozialer Fürsorge für eine gewisse
Übergangszeit ergänzende Entschädigungszusatzleistungen erbracht werden,
namentlich Leistungen, die der (frühere) Arbeitgeber dem Steuerpflichtigen zur
Erleichterung des Arbeitsplatz- oder Berufswechsels oder als Anpassung an eine
dauerhafte Berufsaufgabe und Arbeitslosigkeit erbringt (s. BFH, Urt. v. 24.01.2002,
XI R 2/01, BFH/NV 2002, 715; v. 24.01.2002, XI R 43/99, BFH/NV 2002, 717; v.
14.08.2001, XI R 22/00, BStBl II 2002, 180). Dabei wird unter Berufung auf den
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vorausgesetzt, dass diese Zusatzleistungen
auch betragsmäßig einen ergänzenden Zusatz zur Hauptleistung bilden.
84
85
a. Der BFH sieht eine Ausnahme vom Erfordernis der Zusammenballung aus
Billigkeitsgründen auch vor in besonders gelagerten Ausnahmefällen, wie z.B. in
Fällen finanzieller Existenznot (BFH, Urt. v. 06.09.2000, XI R 19/00, BFH/NV 2001,
431).
a. Weiterhin ist eine Ausnahme vom Erfordernis der Zusammenballung nach der
Rechtsprechung des BFH möglich, wenn ein Steuerpflichtiger im Zusammenhang
mit der Auflösung seines Arbeitsverhältnisses mehrere selbständige
Entschädigungen erhält (BFH, Urt. v. 21.03.1996 - XI R 51/95, BStBl II 1996, 416;
Beschl. v. 04.02.1998 - XI B 108/97, BFH/NV 1998, 1082). Das sei z. B. der Fall,
wenn neben eine Entschädigung i. S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG eine
Entschädigung für die Einhaltung eines Wettbewerbsverbots i.S.d. § 24 Nr. 1
Buchst. b EStG tritt (BFH, Beschl. v. 04.02.1998, a.a.O.) oder bei der Auflösung
mehrerer Arbeitsverhältnisse in einem Veranlagungszeitraum (Urt. v. 21.03.1996,
a.a.O.).
86
a. In dem Urteil vom 14. Januar 2004 (X R 37/02, BFH/NV 2004, 706) lässt der BFH
eine Ausnahme vom Erfordernis der Zusammenballung für die Tarifermäßigung
mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Übermaßverbot zu (s.
Abschn. II. 1. d. cc des Urteils).
87
1. Auch in der Rechtsprechung der Finanzgerichte ist eine Tendenz zur Statuierung
von Ausnahmen vom Erfordernis der Zusammenballung zu sehen, wobei sich der
BFH hierzu - soweit ersichtlich - noch nicht geäußert hat.
88
a. Der 10. Senat des FG Köln hält einen solchen Ausnahmefall für denkbar, wenn
Streit über die Höhe der Abfindung besteht und zunächst nur der unstreitig
geschuldete Betrag und der Restbetrag nach Beendigung des Rechtsstreits
gezahlt wird (FG Köln, Urt. v. 19.12.2001, 10 K 2834/97, EFG 2002, 469). Das
Vorliegen eines entsprechenden Ausnahmefalls lehnt der BFH jedoch bereits
dann ab, wenn die Teilbeträge aufgrund eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs in
Teilbeträgen geleistet werden, die sich über mehr als einen Veranlagungszeitraum
erstrecken, ohne dass zuvor die Zahlung als Einmalbetrag vereinbart war (BFH,
Urt. v. 28.07.1993 - XI R 74/92, BFH/NV 1994, 368).
89
a. Eine weitere Ausnahme wurde vom FG Niedersachsen und vom FG Düsseldorf für
den Fall zugelassen, dass die Leistung im zweiten Veranlagungszeitraum zur
gesamten Abfindung äußerst geringfügig ist (FG Niedersachsen, Urt. v.
21.05.2001, 15 K 800/98, EFG 2001, 1131; bestätigt durch BFH, 11.12.2002 - XI R
90
37/01, BFH/NV 2003, 747, jedoch mit der Begründung der sozialen Fürsorgepflicht
des Arbeitgebers; FG Düsseldorf, Urt. v. 23.04.2001, 7 K 7144/97 E, EFG 2001,
894, bestätigt durch BFH, Urt. v. 03.07.2002 - XI R 34/01, BFH/NV 2003, 448,
jedoch ebenfalls mit der Begründung der sozialen Fürsorgepflicht des
Arbeitgebers). Eine andere Meinung vertreten FG Baden-Württemberg (Urt. v.
11.10.2001, 6 K 233/98, EFG 2002, 402 und FG Berlin (Urt. v. 12.11.2001, 9 K
9111/00, EFG 2002, 538), die die Ausnahme der Geringfügigkeit nicht zulassen.
Diese Urteile wurden vom BFH aufgehoben, der die Ausnahme indes als "sozial
motivierte Ergänzungsleistung" begründete (Urt. v. 11.12.2002, XI R 54/01,
BFH/NV 2003, 607 zu FG Baden- Württemberg; Urt. v. 29.01.2003, XI R 1/02,
2003, 769 zu FG Berlin).
1. Der Streitfall wird zwar von keiner der bisher vom BFH zugelassenen Ausnahmen
vom Zusammenballungsprinizip erfasst. Jedoch hält der Senat auch im Streitfall
eine Ausnahme für geboten, wenn man mit dem Beklagten davon ausgehen
wollte, dass die Entschädigung einheitlich zu beurteilen sei. Denn im Streitfall ist
ein äußerst langfristiges, gestrecktes Schadensbild gegeben, für das die
Entschädigungsleistungen zu zahlen sind. Das Schadensbild erstreckt sich über
einen Zeitraum von 15 Jahren bis zum Vergleichsabschluss und würde ohne den
Vergleichsabschluss möglicherweise noch bis zum heutigen Tage fortdauern, da
jedenfalls über die Höhe des Schadensersatzanspruchs zwischen den Beteiligten
Streit bestand. In derartigen Fällen des gestreckten Schadensbildes, das zudem
unter den Beteiligten Anlass für Streitigkeiten bietet, hält es der Senat für geboten,
eine Ausnahme vom Zusammenballungsprinzip zuzulassen. Die Versagung der
Tarifbegünstigung in Fällen eines gestreckten und zudem streitigen
Schadensbildes wäre in seiner Bedeutung in Relation zum Zweck des § 34 Abs. 1
EStG nicht angemessen. Denn die Tarifermäßigung rechtfertigt sich daraus, dass
der Steuerpflichtige in Folge der Entschädigung in einem Veranlagungszeitraum
mehr erhält, als er bei normalem Lauf der Dinge erhalten hätte, und er deshalb
einen Progressionsnachteil erleiden würde. Wollte man also mit dem Beklagten
davon ausgehen, dass die Schadensersatzansprüche des Klägers als
einheitlicher Lebenssachverhalt zu bewerten seien, erscheint es nach Auffassung
des Senats infolgedessen gleichwohl geboten, einzelne Zeitabschnitte als
Grundlage der Entschädigungszahlung zu nehmen. Innerhalb dieser
Zeitabschnitte müsste dann jeweils separat untersucht werden, inwieweit insoweit
laufende Entschädigungszahlungen vorliegen, oder eine Zusammenballung von
Entschädigungszahlungen für mehrere Jahre innerhalb eines
Veranlagungszeitraums gegeben ist, die dann möglicherweise entsprechend
tarifbegünstigt besteuert werden könnte.
91
Dies würde für den Streitfall bedeuten, dass der Zeitraum 1980 bis 1987, der vorliegend
nicht zu beurteilen ist, als eigenständiger Zeitraum zu bewerten ist, da die auf diesen
Zeitraum entfallenden durch die Urteile des OLG ..... sowie des BGH abgeurteilt und
zwischen den Beteiligten bereits abgewickelt sind. Ab 1988 beginnt ein neuer
Zeitabschnitt. Dieser endet 1994 vor Abschluss des Abfindungsvergleichs. Innerhalb
dieses Zeitraums leistete die Bundesrepublik Deutschland Entschädigungszahlungen
unter Vorbehalt mit Blick auf den dem Grunde nach anerkannten gesetzlichen
92
Schadensersatzanspruch. Die Grundlage der Zahlungen bildet somit das Gesetz. Auch
dieser Zeitabschnitt ist selbständig zu beurteilen, jedoch nicht Streitgegenstand. Mit dem
30. Dezember 1994 und dem Vergleichsabschluss ist ein weiterer gesonderter
Zeitabschnitt gegeben und damit ein gesonderter Entschädigungsbetrag vereinbart
worden, der einheitlich gezahlt wurde und damit die Zusammenballung von
Entschädigungsleistungen vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses bis zu dem
unbestimmten Endzeitpunkt der Schadensersatzansprüche des Klägers bewirkt. Vor
diesem Hintergrund sah der Senat keine Veranlassung, wie vom Beklagten beantragt,
die Akten der Wehrbereichsverwaltung und die Akten des LG und des OLG
beizuziehen.
IV. Daneben weist der Senat darauf hin, dass die Auffassung des Klägers, es liege
eine verbindliche Zusage vor, zweifelhaft erscheint. Verbindliche Auskünfte bzw.
Zusagen werden in der Praxis im allgemeinen schriftlich gegeben. Der Umstand,
dass die vom Kläger behauptete Zusage mündlich erteilt wurde, legt die Annahme
nahe, dass nur eine unverbindliche Meinungsäußerung erstrebt und gegeben
worden ist (vgl. BFH, Urt. v. 06.08.1998, II R 33/95, BFH/NV 1998, 12). Unter
diesen Umständen sind an den Nachweis der eine Bindung des Finanzamtes
begründenden Merkmale strenge Anforderungen zu stellen (BFH, Urt. v.
06.08.1998, a.a.O.; Urt. v. 13.12.1989, X R 208/87, BStBl II 1990, 274). So müssen
die Umstände, die eine Bindung des Finanzamtes begründen sollen, bestimmt
und vollständig dargelegt und zweifelsfrei nachgewiesen werden (BFH, Urt. v.
22.04.1998, X R 4/95, BFH/NV 1998, 1221). Insbesondere muss zweifelsfrei
feststehen, dass der Sachverhalt und die steuerrechtliche Frage zutreffend
dargelegt sowie von dem Auskunft erteilenden Beamten richtig verstanden worden
sind, und dass dieser für die spätere Veranlagung des um Auskunft bittenden
Steuerpflichtigen zuständig war (BFH, Urt. v. 13.12.1989, a.a.O.). Unklarheiten im
Sachverhalt gehen zu Lasten dessen, der sich auf die Verbindlichkeit einer
Auskunft beruft (BFH, Urt. v. 22.04.1998, a.a.O.).
93
94
Insoweit bedarf es keiner weiteren Aufklärung, da der Klage ohnehin aus den
bereits oben genannten Gründen stattgegeben ist.
95
I. Der Senat gibt dem Beklagten auf, die Einkommensteuer 1994 gemäß § 100 Abs.
2 Satz 2 FGO unter Anwendung der Tarifermäßigung auf die Abfindungszahlung
i.H.v. 1.920.349 DM neu zu berechnen.
96
I. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151 Abs.
3, 155 FGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
97
I. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
98
I. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß §
115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.
99
100