Urteil des FG Köln vom 13.05.2004

FG Köln: berufliche tätigkeit, wohnung, begriff, professor, fachhochschule, ausstattung, beschränkung, einspruch, verfügung, einkünfte

Finanzgericht Köln, 10 K 1408/99
Datum:
13.05.2004
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 K 1408/99
Tenor:
Unter Änderung des Einkommensteuerbescheides für 1996 vom 3.
Februar 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Februar
1999 wird die Einkommensteuer mit der Maßgabe herabgesetzt, dass
bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit weitere
Werbungskosten in Höhe von DM 1.692,00 zu berücksichtigen sind. Im
Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Neuberechnung der
Einkommensteuer wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Aufwendungen des Klägers für ein
Arbeitszimmer in vollem Umfang oder nur beschränkt abzugsfähig sind.
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Die Kläger sind zusammenveranlagte Eheleute. Der Kläger ist Professor an der
Fachhochschule ..., die Klägerin Oberärztin an einem akademischen Lehrkrankenhaus
.... Beide erzielen aus diesen Tätigkeiten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der
Kläger ist des weiteren schriftstellerisch tätig, woraus er Einkünfte aus selbständiger
Arbeit erzielt.
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In der Einkommensteuererklärung für das Jahr 1996 machten die Kläger Kosten für ein
vom Kläger genutztes häusliches Arbeitszimmer mit 6.564,25 DM, höchstens DM 2.400,-
- als Werbungskosten geltend. Unstreitig sind zumindest Aufwendungen in Höhe von
5.504,01 DM entstanden. Nach den mit der Einkommensteuererklärung eingereichten
Unterlagen sind für das gesamte Gebäude an Zinsen DM 20.694,14, an Grundsteuer
701,78 DM, an AfA gemäß § 82a EStDV 614,33 DM und übrige Kosten mit 11.835,95
DM = 33.846,20 DM angefallen. Der Kläger war im Streitjahr Alleineigentümer des
Grundstücks.
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An weiteren Werbungskosten machte der Kläger u.a. für 230 Tage Fahrten zwischen der
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Wohnung und seiner Arbeitsstätte in ... geltend.
Das Grundstück ist mit einem dreigeschossigen Gebäude bebaut. Das Erdgeschoss mit
einer Fläche von 93 qm wird von den Klägern zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Das
erste Obergeschoss mit 97 qm ist fremdvermietet. Im zweiten Obergeschoss
(Dachgeschoss) mit 58 qm befinden sich die Arbeitsräume der Kläger. Die einzelnen
Etagen werden von einem Treppenhaus aus erreicht. Im Dachgeschoss ist der Raum 1,
der von der Klägerin genutzt wird, ohne Abtrennung zu erreichen. Die weiteren
Räumlichkeiten, die vom Kläger genutzt werden, sind demgegenüber durch eine
geschlossene Wohnungseingangstür zu erreichen. Wegen der Einzelheiten wird auf die
zu den Gerichtsakten gereichten Skizzen (Blatt 142 ff.) Bezug genommen. Danach
entfallen auf die berufliche Nutzung durch die Klägerin 12 qm (das entspricht 5 % der
Gesamtnutzfläche) und auf den Kläger 39 qm (das entspricht 16 % der Gesamtfläche
von 248 qm).
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Der Beklagte veranlagte die Kläger erklärungsgemäß unter Vorbehalt der Nachprüfung.
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Die Kläger legten gegen den Einkommensteuerbescheid Einspruch ein. Sie
beantragten nunmehr, die Kosten für das Arbeitszimmer in voller Höhe als
Werbungskosten zu berücksichtigen.
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Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 5. Februar 1999, in
der er dem Vorbehalt der Nachprüfung aufhob, als unbegründet zurück. Zur Begründung
führte er im wesentlichen aus:
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Den Überlegungen des Klägers, dass sich der Mittelpunkt seiner gesamten
betrieblichen und beruflichen Betätigung im Arbeitszimmer befinde, könne nicht gefolgt
werden. Von entscheidender Bedeutung sei, dass bei einem Professor neben der
Forschung auch die Lehre ein maßgeblicher Teil seiner Arbeit sei. Die Lehre werde
aber in der Hochschule ausgeübt. Ein Abzug der Aufwendungen in voller Höhe komme
deshalb nicht in Betracht.
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Mit der Klage tragen die Kläger vor:
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Seine, des Klägers, Lehrverpflichtung betrage grundsätzlich 18 Wochenstunden. Sie sei
allerdings auch im Streitjahr geringer gewesen, weil er andere Verpflichtungen
übernommen habe, so z.B. die Durchführung von Seminaren und Projekten. Außerdem
sei er in der Selbstverwaltung tätig. An der Fachhochschule habe ihm kein
ausreichender anderer Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden. So habe er bis vor
kurzem sein Dienstzimmer mit zwei weiteren Kollegen teilen müssen. Auch habe bis
zum Jahr 2000 kein Computer auf seinem Dienstzimmer gestanden.
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Er habe im Streitjahr 1996 drei umfangreiche Lehrbücher geschrieben und am
Großkommentar ...., mitgearbeitet. Diese Arbeiten sowie die Vor- und Nacharbeiten für
seine Lehrtätigkeit könne er nur in seinem häuslichen Arbeitszimmer durchführen.
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Die Abzugsbeschränkung komme auch deshalb nicht zum tragen, da es sich bei seinem
Arbeitszimmer nicht um ein "häusliches" Arbeitszimmer handele. Es handele sich
vielmehr um getrennt von seinen privat genutzten Wohnräumen liegende
Räumlichkeiten. Dadurch das in dem dazwischenliegenden Geschoss fremde Personen
wohnten, könne nicht mehr von einem häuslichen Arbeitszimmer gesprochen werden.
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Erstmals mit der Klage begehren die Kläger des weiteren den Abzug von
Aufwendungen für ein Arbeitszimmer der Klägerin.
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Die Kläger beantragen,
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den Einkommensteuerbescheid für 1996 vom 3. Februar 1998 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 5. Februar 1999 abzuändern und hierbei
Aufwendungen der Kläger für Arbeitszimmer in Höhe von insgesamt 5.504,01 DM
als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu
berücksichtigen;
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hilfsweise, die Revision zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt,
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beim Kläger (wie bisher) DM 2.400,-- als Werbungskosten zu berücksichtigen und
bei der Klägerin den Betrag, der sich bezogen auf die Nutzung des Raumes 1 ergibt;
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hilfsweise, die Revision zuzulassen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige Anfechtungsklage ist nur insoweit begründet, als bei den Einkünften der
Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten für ein häusliches
Arbeitszimmer in Höhe von DM 1.692,-- (5 % der Gesamtkosten) zu berücksichtigen
sind. Da dies zwischen den Beteiligten unstreitig ist, sieht der Senat von einer
Begründung ab.
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Im übrigen ist die Klage unbegründet.
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Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist insoweit rechtmäßig, als der Beklagte
es abgelehnt hat, Aufwendungen des Klägers für ein Arbeitszimmer mit einem höheren
Betrag als DM 2.400,-- steuermindernd zu berücksichtigen
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Nach § 4 Abs. 5 Nr. 6b des Einkommensteuergesetzes in der ab dem Streitjahr 1996
geltenden Fassung - EStG -, der gemäß § 9 Abs. 5 EStG auch für die
Überschusseinkunftsarten gilt, sind Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer
sowie die Kosten der Ausstattung grundsätzlich nicht als Betriebsausgaben oder
Werbungskosten abziehbar. Das Gesetz sieht eine Ausnahme dann vor, wenn die
betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 v.H. der gesamten
betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit beträgt oder wenn für die betriebliche oder
berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesen Fällen wird
die Höhe der abziehbaren Aufwendungen jedoch auf DM 2.400,-- begrenzt.
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Da der Beklagte Aufwendungen des Klägers für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe
von DM 2.400,-- in dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid bereits
berücksichtigt hat und auch weiterhin anerkennt, sieht der Senat auch insoweit von
einer weitergehenden Begründung ab.
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Die Beschränkung der Höhe nach gilt nur dann nicht, wenn es sich
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1. entweder nicht um ein
häusliches
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2. das häusliche Arbeitszimmer den
Mittelpunkt
beruflichen Betätigung bildet.
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Nach Auffassung des zu erkennenden Senats liegen beide Voraussetzungen, unter
denen eine Beschränkung entfallen würde, im Streitfall nicht vor.
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Der Begriff des
häuslichen
der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. Urteile vom 26. Februar 2003 VI R
125/01, VI R 130/01 und VI R 156/01, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2004, 72, 74 und
75), der sich der erkennende Senat anschließt, erfasst die Abzugsbeschränkung das
häusliche Büro, d.h. einen Arbeitsraum, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach
in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und vorwiegend der
Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dient.
Dabei ist das Arbeitszimmer in die häusliche Sphäre regelmäßig dann eingebunden,
wenn es sich in einem Raum befindet, der zur privat genutzten Wohnung bzw. zum
Wohnhaus des Steuerpflichtigen gehört. Nach Auffassung des erkennenden Senats
muss dabei typisierend davon ausgegangen werden, dass alle Räumlichkeiten, die sich
unter einem Dach mit der selbstgenutzten Wohnung befinden, als häuslich anzusehen
sind. Andere Abgrenzungskriterien sind kaum praktikabel, wie auch die vorgenannten
Urteile des Bundesfinanzhofs zeigen. Es kann nicht darauf ankommen, ob die
Räumlichkeiten von der übrigen Wohnung abgetrennt sind oder als eigene Wohnung
benutzt werden könnten. Ansonsten könnten leicht durch kleinere bauliche Maßnahmen
bisher "häusliche" Räume zu "außerhäuslichen" werden. Insbesondere ist es für das
Gericht, kommt es nach Jahren zum Rechtsstreit, kaum noch nachprüfbar, in welchem
Zustand sich die Räume im Streitzeitraum befanden. Auch kann es nicht von den
Mietmöglichkeiten abhängen, ob es sich um ein häusliches oder außerhäusliches
Arbeitszimmer handelt. Ist in einem Mehrfamilienhaus die gegenüberliegende Wohnung
gerade frei und mietet der Steuerpflichtige diese an, so liegt nach der Rechtsprechung
des Bundesfinanzhofs ein häusliches Arbeitszimmer vor. Etwas anderes kann auch
dann nicht gelten, wenn er ein oder zwei Stockwerke höher, weil gerade dort eine
Wohnung frei ist, diese anmietet. Solche Zufälligkeiten, die die Leistungsfähigkeit des
Steuerpflichtigen nicht verändern, können steuerlich nicht unterschiedlich behandelt
werden.
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Der Begriff "Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit" ist ein
eigenständiger Begriff, der im Gesetz ebenfalls nicht näher definiert worden ist. Der
Senat definiert im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. Urteil
vom 26. Februar 2003 VI R 125/01, a.a.O.) den Mittelpunkt qualitativ. Das bedeutet, dass
häusliche Arbeitszimmer bildet den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und
beruflichen Tätigkeit dann, wenn dort die für den ausgeübten Beruf wesentlichen und
prägenden Handlungen vorgenommen und Leistungen erbracht werden.
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Unter Zugrundelegung dieser Definition des Mittelpunktes kann die Klage keinen Erfolg
haben. Unabhängig vom Quantitativen Umfang der Arbeit des Klägers im häuslichen
Arbeitszimmer und an der Fachhochschule kann unter qualitativen Gesichtspunkten bei
einem Professor nicht angenommen werden, dass der Mittelpunkt der gesamten
Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer liegt. Ein qualitativer Schwerpunkt der Arbeit
eines Professors ist auch die Lehre, d.h., die Durchführung von Vorlesungen und
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Seminaren. Diese Tätigkeit wird zwangsläufig an der Dienststelle ausgeführt. Dieser hat
somit unter qualitativen Gesichtspunkten zumindest ein derartiges Gewicht, dass sie es
ausschließt, den Mittelpunkt der gesamten Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer
anzunehmen.
Der Senat überträgt gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - die
Neuberechnung der Einkommensteuer dem Beklagten. Die Beteiligten haben der
Anwendung dieser Vorschrift nicht widersprochen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 137 Satz 1
FGO. Die Kläger haben die Aufwendungen für das Arbeitszimmer der Klägerin erstmals
im Klageverfahren geltend gemacht.
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Der Senat lässt gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision zu, da sowohl die Frage
nach dem Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung eines
Professors als auch die Frage der Häuslichkeit von Räumen in einem Mehrfamilienhaus
grundsätzliche Bedeutung hat.
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