Urteil des FG Köln vom 17.01.2000

FG Köln: verfassungsbeschwerde, einspruch, bemessungsgrundlage, veranlagung, belastung, durchschnitt, aussetzen, gewährleistung, aussetzung, teilung

Finanzgericht Köln, 3 K 9331/97
Datum:
17.01.2000
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 K 9331/97
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Tatbestand
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Die Kläger bezogen im Kalenderjahr 1989 Einnahmen aus unterschiedlichen
Einkunftsarten in Höhe von rd. 17,7 Mio DM, von denen Werbungskosten in Höhe von
rd. 1,4 Mio DM abzuziehen waren. Nach Abzug von Sonderausgaben in Höhe von rd.
2,5 Mio DM und Freibeträgen in Höhe von 2.280,00 DM ergab sich lt.
Einkommensteuerbescheid vom 12.08.1996 eine Einkommensteuer in Höhe von rd. 6,4
Mio DM, das entspricht 36,1 % ihrer Einnahmen. Über den von den Klägern gegen den
Einkommensteuerbescheid eingelegten Einspruch ist noch nicht rechtskräftig
entschieden. Die Kläger haben für 1989 Verlustvor- und Rückträge geltend gemacht, die
nach ihrer Auffassung zu einer Herabsetzung der Einkommensteuer auf 0,00 DM führen.
Für die Kalenderjahre 1990 bis 1992 ist die Einkommensteuer bereits auf 0,00 DM
festgesetzt worden. Die Einnahmen der Kläger in den Jahren 1990 bis 1992 beliefen
sich auf Gesamtbeträge zwischen über 10 Mio DM und über 2 Mio DM.
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Die Vermögensteuer für die mit ihren Kindern zusammenveranlagten Kläger wurde für
die Streitjahre wie folgt festgesetzt:
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1989 .......,00 DM 1990 .......,00 DM 1991 .......,00 DM 1992 .......,00 DM. Die
Veranlagungen ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
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Mit Schreiben vom 20.12.1996 beantragten die Kläger die Änderung der
Vermögensteuerbescheide nach § 164 Abs. 2 AO. Sie machten geltend, nach dem
Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 22.06.1995 (2 BvL 37/91, BStBl II 1995,
655) sei es verfassungswidrig, Steuern festzusetzen, die insgesamt bei einem
Steuerpflichtigen eine übermäßige Belastung hervorrufen würden. Die Vermögensteuer
dürfe deshalb zu den übrigen Steuern auf den Ertrag nur hinzutreten, soweit die
steuerliche Gesamtbelastung des Sollertrages bei typisierender Betrachtung von
Einnahmen, abziehbaren Aufwendungen und sonstigen Entlastungen in der Nähe von
50 % liege (sog. Halbteilungsgrundsatz).
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Der Beklagte lehnte den Änderungsantrag mit Bescheid vom 20.01.1997 ab und wies
den von den Klägern hiergegen eingelegten Einspruch mit Entscheidung vom
06.11.1997 zurück. Zur Begründung führte er aus, aus dem Beschluß des
Bundesverfassungsgerichts vom 22.06.1995 lasse sich kein Anspruch auf Aufhebung
der Vermögensteuerveranlagungen oder eine Herabsetzung der Vermögensteuer für
Veranlagungszeiträume bis zum 31.12.1996 herleiten. Das Bundesverfassungsgericht
habe es unter Hinweis auf die Erfordernisse einer verläßlichen Haushaltsplanung und
eines gleichmäßigen Verwaltungsvollzuges für Zeiträume einer weitgehend schon
abgeschlossenen Veranlagung für zulässig erklärt, die Regelungen zur
Vermögensbesteuerung für zurückliegende Jahre wie bisher weiter anzuwenden. Im
übrigen liege die steuerliche Gesamtbelastung des sog. Sollertrages in den Streitjahren
unter 50 %.
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Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage machen die Kläger geltend, der Gedanke der
Sollerträge als Bemessungsgrundlage für die Beurteilung einer möglichen
Übermaßbesteuerung beziehe sich nur auf Fälle, in denen tatsächlich mit vorhandenem
Vermögen keine Erträge erzielt würden. Setze dagegen ein Steuerpflichtiger sein
Vermögen intensiv ein und erziele er hierdurch Gewinne oder Verluste, die sein zu
versteuerndes Einkommen beeinflussen, müsse dies bei der Beurteilung der
Halbteilungsbegrenzung als Bemessungsgrundlage herangezogen werden. Da sie, die
Kläger, ihr Vermögen intensiv einsetzten, sei bei ihnen auf das tatsächlich hierdurch
erzielte zu versteuernde Einkommen, das für die Kalenderjahre 1990 bis 1992 nicht zu
einer Einkommensteuerfestsetzung geführt habe, abzustellen. Wenn dennoch für diese
Jahre Vermögensteuer erhoben werde, sei jeder Betrag angesichts der fehlenden
ertragssteuerlichen Leistungsfähigkeit eine Übermaßbesteuerung, die nur unter Einsatz
der Vermögenssubstanz bezahlt werden könnte. Gerade das aber habe das
Bundesverfassungsgericht durch die Postulation des Halbteilungsgrundsatzes
verhindern wollen.
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Mit Schriftsatz vom 24.11.1999 haben die Kläger vorgetragen, gegen das BFH-Urteil
vom 11.08.1999 - XI R 77/97 (DStR 1999, 1845), wonach für die Entscheidung über die
Verfassungsmäßigkeit der Belastung durch Einkommen- und Gewerbeertragssteuer
keine Bindung gemäß § 31 Abs. 1 BverfGG an den Vermögensteuerbeschluß des BvG
vom 22.06.1995 bestehe, sei Verfassungsbeschwerde eingelegt worden (Az: 2 BvR
2194/99). Im Hinblick darauf werde beantragt, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.
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Diesem Antrag hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 06.12.1999 mit der Begründung
widersprochen, in dem betreffenden Verfahren gehe es um die Anwendbarkeit des sog.
Halbteilungsgrundsatzes auf Einkommensteuer, die vorliegend nicht strittig sei.
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Die Kläger beantragen,
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im Hinblick auf die anhängige Verfassungsbeschwerde 2 BvR 2194/99 das
Verfahren auszusetzen, hilfsweise die Vermögensteuerbescheide auf den
01.01.1989 vom 11.08.1995, auf den 01.01.1990 vom 16.02.1996, auf den
01.01.1991 vom 15.03.1996 und auf den 01.01.1992 vom 26.02.1996 in Gestalt
der Einspruchsentscheidung vom 06.11.1997 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hält an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzungen fest und verweist auf die
zwischenzeitlich zum sog. Halbteilungsgrundsatz ergangene Rechtsprechung.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist unbegründet. Die Vermögensteuerbescheide für die Streitjahre sind
rechtmäßig.
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1. Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt, berührt
eine in den Veranlagungszeiträumen vor dem 01. Januar 1997 durch die
Vermögensteuererhebung (möglicherweise) eintretende Verletzung des sog.
Halbteilungsgrundsatzes die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide nicht
(vgl. BFH-Beschluß vom 30.06.1999 - II B 110/98, BFH/NV 1999, 1653, m.w.N.). Die
dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht
durch Beschluß vom 20.01.1999 - 1 BvR 2136/98 nicht zur Entscheidung angenommen.
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Zwar hat das BVerfG in dem Beschluß vom 22.06.1995 - 2 BvL 37/97 ausgeführt, daß
die Vermögensteuer zu den übrigen Steuern auf den Ertrag nur hinzutreten dürfe,
"soweit die steuerliche Gesamtbelastung des Sollertrags bei typisierender Betrachtung
von Einnahmen, abziehbaren Aufwendungen und sonstigen Entlastungen in der Nähe
einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand verbleibt". Das
Verfassungsgericht hat die Anwendbarkeit des VStG jedoch trotz des von ihm
festgestellten Grundrechtsverstoßes für das zum Zeitpunkt seiner Entscheidung
laufende und für das folgende Kalenderjahr ohne Einschränkung bestehen lassen und
dies mit der Gewährleistung einer stetigen Veranlagung und dem Erfordernis einer
verläßlichen Finanz- und Haushaltsplanung gerechtfertigt. Damit hat das Gericht
gleichzeitig klargestellt, daß eine in den Veranlagungszeiträumen vor dem 1. Januar
1997 durch die Vermögensteuererhebung eintretende Verletzung des
Halbteilungsgrundsatzes hinzunehmen ist (vgl. hierzu auch BFH-Beschluß vom
30.09.1998 II R 47/97, BFH/NV 1999, 452; Beschluß vom 30.06.1999 II B 110/98,
BFH/NV 1999, 1653).
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2. Unabhängig davon vermag der Senat im Streitfall nicht zu erkennen, daß die
Steuerpflicht bei einem Vermögensteuersatz von 0,5 v.H. die Kläger in den Streitjahren
übermäßig belastet, wenn man berücksichtigt, daß ihre Einkommensteuer für die Jahre
1990 bis 1992 bei Einkünften von jährlich über 2 Mio DM bis über 10 Mio DM wegen
Verlustabzügen aus anderen Jahren auf 0,00 DM festgesetzt wurde und für 1989 bei
Einkünften von über 17 Mio DM nach ihrem eigenen Vorbringen gleichfalls eine
Einkommensteuerfestsetzung von 0,00 DM zu erwarten ist. Insoweit verkennen die
Kläger, daß eine Einkommensteuerfestsetzung in Höhe von 0,00 DM infolge von
Verlustvor- und rückträgen nicht gleichbedeutend mit dem Fehlen von Sollerträgen im
Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22.06.1995 - 2 BvL 37/91
ist. Sollerträge sind dort (a.a.O., S. 661) nämlich als die "üblicherweise zu erwartenden,
möglichen Erträge" definiert. Geht man mangels Ausführungen der Kläger hierzu davon
aus, daß der potentielle Ertrag ihres Vermögens mit dem Durchschnitt ihrer
tatsächlichen Einnahmen in den Streitjahren (über 5 Mio DM jährlich) anzusetzen ist, so
liegt die steuerliche Gesamtbelastung des Sollertrags, die sich in den Streitjahren auf
Vermögensteuer in Höhe von rd. .......,00 DM bis rd. .......,00 DM beschränkt, weit unter
der vom Bundesverfassungsgericht angenommenen 50 %-Grenze.
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3. Der Senat hat eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO abgelehnt. Nach
dieser Vorschrift kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder
zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt,
das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, die Verhandlung
bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits aussetzen. Diese Voraussetzung ist im
Streitfall nicht erfüllt, da die von den Klägern angeführte Verfassungsbeschwerde gegen
das Urteil des BFH vom 11.08.1999 - XI R 77/97 die Geltung des sog.
Halbteilungsgrundsatzes für Einkommen- und Gewerbeertragsteuer, nicht dagegen für
die hier strittige Vermögensteuer, betrifft.
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Die Rechtsfrage, ob das Bundesverfassungsgericht die Anwendbarkeit des
Halbteilungsgrundsatzes in seinem Vermögensteuerbeschluß auf
Veranlagungszeiträume nach Ablauf des Jahres 1996 beschränkt habe, ist nach dem
BFH-Beschluß vom 30.06.1999 - II B 110/98 (a.a.O.) geklärt. Die dagegen erhobene
Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht durch Beschluß vom
20.01.1999 - 1 BvR 2136/98 nicht zur Entscheidung angenommen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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