Urteil des FG Köln vom 15.12.2009

FG Köln (kläger, einstellung des verfahrens, verwertungsverbot, bezug, unterlagen, wohnung, höhe, inhalt, tätigkeit, unverletzlichkeit der wohnung)

Finanzgericht Köln, 8 K 2933/06
Datum:
15.12.2009
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 K 2933/06
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage um die
Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens des Beklagten.
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Der Kläger - ... - war in den Jahren 1990 bis 2000 Mitinhaber des S "Q", deren
Geschäftsführer der Sohn des Klägers war. Dieser betrieb den S ab März 2000
gemeinsam mit Herrn O. Seit dem Jahr 1995 hatte der S
Umsatzsteuerjahreserklärungen abgegeben, die zu Vorsteuererstattungen geführt
hatten; für die Jahre 1998 und 1999 reichte der S keine Umsatzsteuererklärungen ein.
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Der Kläger erzielte Einnahmen aus einer Tätigkeit für ... E (folgend nur: E) ... Diese hatte
er in den Einkommensteuererklärungen in Höhe von 15.233 DM für 1997, 20.793 DM für
1998, 10.871 DM für 1999, 19.297 DM für 2000 und 21.647 DM für 2001 erklärt.
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Anlässlich von Ermittlungen bei Herrn O wurde dem Beklagten bekannt, dass der Kläger
von der GbR Q im Jahr 1999 insgesamt 230.000 DM erhalten hatte. Ferner ergab sich
aus den Steuerakten des Klägers, dass er im Jahr 1997 eine vermietete
Eigentumswohnung für 210.000 DM verkauft hatte, für die er keine Schuldzinsen
geltend gemacht hatte. Schließlich ging der Beklagte aufgrund eines bestehenden
Telefonanschlusses des Klägers auf Teneriffa davon aus, dass er dort Eigentümer einer
Immobilie sein könnte.
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Aufgrund dieser Erkenntnisse beantragte die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht ... die
Durchsuchung bei verschiedenen Banken, beim Kläger persönlich und beim E. Mit
Beschlüssen vom 4. November 2002 erließ das Amtsgericht ... entsprechende
Durchsuchungsbeschlüsse (Az.: ...) und führte hierzu aus, es bestünden hinreichende
Anhaltspunkte dafür, dass sich der Kläger als Gesellschafter der GbR G und O – S "Q" –
der Steuerverkürzung zugunsten der GbR in noch festzustellender Höhe schuldig
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gemacht habe. Aus den bereits im Verfahren gegen den Beschuldigten O wegen
eigener Steuerhinterziehung erhobenen Unterlagen des E sei erkennbar, dass die GbR
auch in den Jahren 1998 und 1999 Umsätze aus Teilnahmen an ...veranstaltungen
erzielt habe. Zumindest hinsichtlich der in den Jahren 1998 und 1999 erzielten Umsätze
- ...gewinne - sei die GbR verpflichtet gewesen, die entsprechenden
Umsatzsteuererklärungen abzugeben. Es bestünden auch hinreichende Anhaltspunkte
dafür, dass sich der Beschuldigte der Einkommensteuerverkürzung in noch
festzustellender Höhe schuldig gemacht habe. Der Verbleib von Vermögenswerten von
zumindest 440.000 DM sei bisher ungeklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu
wird auf den Inhalt des Beschlusses zum Aktenzeichen ... (Bl. 13 f. d.A. 8 V 7399/06)
Bezug genommen.
Der Steuerfahnder ... suchte hierauf mit ORR ... und einer Fahndungsprüferin am 12.
November 2002 die Wohnung des Klägers auf. Nach dem Inhalt des Vermerks hierzu
vom 15. November 2002 konnte der Kläger bei dieser Gelegenheit durch die Vorlage
von diversen Unterlagen im Wesentlichen schlüssig darlegen, dass er den
Verkaufserlös aus der Eigentumswohnung für den Erwerb einer Immobilie auf Teneriffa
und die Zahlung der GbR Q für die Renovierung der im Jahr 1999 bezogenen Wohnung
in ... verwendet habe. Hierauf beschlossen die Vertreter des Beklagten, den
Durchsuchungsbeschluss nicht zu vollziehen. Der Kläger hatte bei dieser Gelegenheit
der Steuerfahndung diverse Unterlagen - u.a. auch Unterlagen zu den vom Kläger
erzielten Nebeneinnahmen beim E - freiwillig überlassen und auch die Einsichtnahme
in ein Bankschließfach freiwillig gewährt. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Verlauf
dieses Aufsuchens der Wohnung des Klägers wird auf den Inhalt des Vermerks vom 15.
November 2002 und auf die eidesstattliche Versicherung der Ehefrau des Klägers vom
3. Juli 2006 Bezug genommen (Bl. 65 d.A. 8 V 2730/06).
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Eine erste Sichtung der freiwillig überlassenen Unterlagen führte u.a. zu geringfügigen
Differenzen zwischen den erklärten Einnahmen des Klägers aus seiner
nebenberuflichen Tätigkeit als ... beim E in der Größenordnung zwischen rund - 600 DM
(zu Ungunsten des Klägers) und 4.900 DM. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu
wird auf eine Aufstellung laut Schreiben der Steuerfahndung an das Finanzamt L vom
19. Januar 2006 (Bl. 627 der Steuerfahndungsakte) Bezug genommen. Mit Schreiben
vom 19. November 2002 forderte der Beklagte daher den Kläger u.a. auf, hinsichtlich der
Konten beim E Bescheinigungen vorzulegen, welche Konten auf den klägerischen
Namen für welche Zeiträume geführt worden seien sowie um Angaben zu möglichen
Bevollmächtigungen für andere Konten. Daneben erbat er Erträgnisaufstellungen aus
Geschäftsbeziehungen des Klägers zu verschiedenen Banken, u.a. für die C-Bank.
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Dem kam der Kläger in der Folgezeit nicht nach, sondern legte - nunmehr vertreten
durch den Rechtsanwalt ... – gegen die Durchsuchungsbeschlüsse Beschwerde ein.
Das Landgericht ... hob hierauf mit Beschluss vom 13. Mai 2003 die Beschlüsse des
Amtsgerichts ... vom 4. November 2002 mangels des Vorliegens eines
Anfangsverdachts auf. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf den Inhalt des
Beschlusses (Bl.17-19 d.A. 8 V 739/06) Bezug genommen.
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Die dennoch weitergeführten Ermittlungen gegen den Kläger führten am 3. November
2004 zur Einstellung des Verfahrens gemäß § 170 Abs. 2 StPO. In der entsprechenden
Verfügung des Staatsanwalts heißt es hierzu, – soweit hier von Belang – soweit gegen
den Kläger der Vorwurf der Einkommensteuerhinterziehung bezüglich der Zeiträume
1997 bis 2001 bestehe, da sich Abweichungen bezüglich der Einnahmen des
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Beschuldigten aus seiner Tätigkeit für E sowie als ... ergeben hätten, habe sich der
Kläger dahin eingelassen, dass bezüglich dieser Unterlagen ein Verwertungsverbot
bestünde und zudem es sich lediglich um Erfassungsirrtümer handeln könne, da er
ohne Steuerberater seit 30 Jahren unbeanstandet seine Nebentätigkeiten versteuere
und nicht ausschließe, dass er sich zu seinen Lasten geirrt haben könne. Im Hinblick auf
das bisher untadelige Verhalten des Klägers und seine Lebensleistung als ... könnten
mangels weiterer Beweismittel Zweifel am vorsätzlichen Verhalten des Klägers nicht
überwunden werden. Allerdings sei nicht auszuschließen, dass der Kläger leichtfertig
i.S. des § 378 AO gehandelt habe.
Soweit sich der Verdacht ergebe, dass es sich bei dem vom Kläger mit betriebenen S
"Q" um eine Geschäftstätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht handele, so dass ein
anteiliger Gewinn bei der Einkommensteuer des Klägers hätte Berücksichtigung finden
müssen, könne dem Kläger nicht widerlegt werden, er habe, gestützt auf eine frühere
Feststellung des Finanzamts L, das Betreiben des S sei als Liebhaberei anzusehen, die
Gewinne und Verluste für steuerlich unbeachtlich gehalten.
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Bezüglich des Verdachts der Umsatzsteuerhinterziehung könne nicht ausgeschlossen
werden, dass der Kläger geglaubt habe, dem Finanzamt entstünde kein Schaden, weil
er geglaubt habe, der S verzichte zumindest zeitweise auf Rückerstattungen.
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Mit der Verfügung übersandte der Staatsanwalt die Akten an das Finanzamt für
Steuerstrafsachen – Straf- und Bußgeldstelle – (StraBuSt) mit der Bitte um
Kenntnisnahme bezüglich der Verfahrenseinstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO sowie
weiterer Veranlassung gemäß § 378 AO. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird
auf den Inhalt der Verfügung Bezug genommen (Bl. 20 - 24 d.A. 8 V 739/06).
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Mit Schreiben vom 5. Januar 2005 teilte die StraBuSt dem Rechtsanwalt des Klägers
mit, es sei geprüft worden, ob dem Kläger eine leichtfertige Steuerverkürzung i.S. des §
378 AO vorgeworfen werden könne. Die Prüfung habe zum Ergebnis geführt, dass dies
nicht der Fall sei (Bl. 24 d.A. 8 V 739/06).
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In der Folgezeit wurde der Beklagte in Bezug auf den Kläger im steuerlichen
Ermittlungsverfahren weiterhin tätig. Von der E1-Bank forderte er im Februar 2005 u.a.
Erträgnisaufstellungen und Kontoverdichtungen für den Zeitraum 1997 bis 2000 an.
Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf Bl. 28 d.A. 8 V 739/06 Bezug
genommen.
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Im März 2005 erhob der Kläger gegen dieses Vorgehen Dienstaufsichtsbeschwerde und
wandte sich in einem Brief persönlich an den damaligen Finanzminister des Landes
NRW ... Nachdem dieser Brief über die OFD Düsseldorf ― ... ― beantwortet worden
war, teilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 7. Oktober 2005 mit, es treffe
zwar zu, dass das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren gemäß 170 Abs. 2 StPO
eingestellt und auch ein Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen leichtfertiger
Steuerverkürzung nicht eingeleitet worden sei. Diese Entscheidungen seien allerdings
alleine zum Strafverfahren und nicht zum steuerlichen Ermittlungsverfahren getroffen
worden. Gemäß § 393 Abs. 1 Satz 1 AO sei das Schicksal beider Verfahren
voneinander unabhängig. Das Auskunftsersuchen unmittelbar gegenüber der E1-Bank
sei gerechtfertigt gewesen, weil angesichts der bisherigen Einlassungen davon
ausgegangen habe werden müssen, dass eine weitere Mitwirkung des Klägers nicht
erfolge. Der Kläger werde nunmehr erneut aufgefordert, die bereits im November 2004
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angeforderten Unterlagen hinsichtlich der C-Bank vorzulegen, nämlich
Bescheinigungen, welche Konten auf den Namen des Klägers geführt werden und
wurden und ggf. Erträgnisaufstellungen für die Zeiträume der Kontenführung für alle
Konten vorzulegen. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf den Inhalt dieses
Schreibens Bezug genommen (Bl. 33 f d.A. 8 V 739/06).
Nachdem der Kläger von einer anlässlich einer Besprechung mit dem
Oberfinanzpräsidenten ... getroffenen Vereinbarung, Unterlagen bezüglich der C-Bank
beizubringen, mit Schreiben vom 28. November 2005 wieder abgerückt war, beantragte
er im Februar 2006 im Wege der einstweiligen Anordnung, dem Beklagten zu
untersagen, steuerliche Auskünfte bei der C-Bank betreffend seine Person einzuholen.
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Diesen Antrag lehnte das Finanzgericht Köln mit Beschluss vom 7. April 2006 ab (Az.: 8
V 739/06) und führte hierzu im Wesentlichen aus, wenn dem Beklagten mit der
Einstellung des Steuerstrafverfahrens gemäß § 170 Abs. 2 StPO
Ermittlungsmöglichkeiten gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 verwehrt seien, stünden ihm
die Ermittlungsmöglichkeiten nach Nr. 3 der Vorschrift zu. Nachdem der Kläger im Jahr
1997 21 Mio. Peseten nach Spanien transferiert habe, dort aber nachweislich lediglich
14 Mio. Peseten für den Erwerb einer Immobilie aufgewandt habe, bestehe auch
hinreichender Anlass zur Aufklärung des Verbleibs der Differenz. Aufforderungen
seitens des Gerichts, der Kläger möge seine Behauptungen hierzu, er habe die
erworbene Immobilie mit erheblichen Aufwand ausstatten und möblieren müssen, durch
die Vorlage von Belegen nachzuweisen, sei der Kläger nicht nachgekommen. Wegen
der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf den Inhalt des Beschlusses (Bl. 99 bis 114
d.A. 8 V 739/06) Bezug genommen.
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Der nachfolgende Antrag des Klägers, nachträglich die Beschwerde gegen diesen
Beschluss zuzulassen, blieb ebenso erfolglos, wie die gleichzeitig erhobene
Anhörungsrüge und Gegenvorstellung sowie der Tenorberichtigungs- und
Tenorergänzungsantrag. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf den Inhalt
des Beschlusses des Finanzgerichts Köln vom 22. Mai 2006 (Az.: 8 V 739/06, Bl. 145 ff.
der dortigen Akte) Bezug genommen. Auch die nachfolgende Verfassungsbeschwerde
des Klägers beim Bundesverfassungsgericht – verbunden mit einem Eilantrag – (Az.: ...)
blieb mit Nichtannahmebeschluss vom 22. Juni 2006 erfolglos.
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Am 7. Juni 2006 richtete der Beklagte das hier streitgegenständliche Auskunftsersuchen
an das E. Darin heißt es, in dem im Betreff genannten steuerlichen Ermittlungsverfahren
werde das E gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO i.V.m. §§ 93, 97 AO aufgefordert, die
folgenden Fragen wahrheitsgemäß und erschöpfend schriftlich zu beantworten bzw. die
nachfolgend näher bezeichneten Unterlagen zu übersenden:
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Welche Konten bzw. welche Verrechnungskonten wurden in den Jahren 1998 bis
2001 für Herrn Dr. G geführt?
Für die festgestellten Geschäftsbeziehungen bitte ich Sie, die entsprechenden
Kontoverdichtungen zu übersenden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf den Inhalt des Auskunftsersuchens (Bl.
15 f. d.A. 8 V 2730/06) Bezug genommen.
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Den hiergegen eingelegten Einspruch vom 20. Juni 2006 wies der Beklagte mit
Einspruchsentscheidung vom 4. Juli 2006 als unbegründet zurück. Darin führte er aus,
er sei gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO grundsätzlich zuständig für die Ermittlung
steuerlicher Sachverhalte. Die Norm erfasse auch die Ermittlung unbekannter
steuerlicher Sachverhalte. Gehe man mit dem Kläger davon aus, dass hinsichtlich der
Erkenntnisse aus den am 12. November 2002 freiwillig überlassenen Unterlagen ein
Verwertungsverbot bestehe, müsse der Sachverhalt konsequenterweise als unbekannt
angesehen werden. Für das Auskunftsersuchen bestehe auch ein hinreichender Anlass.
Aus den freiwillig überlassenen Unterlagen ergebe sich nämlich eine Diskrepanz zu
den erklärten Beträgen, die einer Aufklärung bedürfe. Das Verwertungsverbot entfalte
keine Fernwirkung in der Weise, dass die erhaltenen Erkenntnisse nicht als Anlass
benutzt werden könnten, nunmehr auf verfahrensrechtlich zulässiger Weise den
relevanten Sachverhalt zu ermitteln.
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Das Auskunftsersuchen sei auch ermessensgerecht. Es sei geeignet, die Höhe der
Nebeneinnahmen des Klägers aus der Tätigkeit für das E festzustellen. Es sei auch
notwendig, weil der Kläger nicht zur Mitwirkung bereit sei. Verhältnismäßig sei es, weil
nicht "ins Blaue hinein" ermittelt werde, sondern Auskünfte von der einzig denkbaren
Auskunftsperson erbeten würden.
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Auch die vom Kläger behaupteten relativ geringen steuerlichen Auswirkungen stünden
dem nicht entgegen. Diese ließen sich erst nach der Feststellung der tatsächlichen
Höhe der Einnahmen bzw. Einkünfte beurteilen. Diese unterlägen entgegen der
Auffassung des Klägers auch nicht dem Durchschnitts- sondern dem Spitzensteuersatz.
Soweit die vergleichsweise Geringfügigkeit zu der gesamten Steuerlast geltend
gemacht werde, sei nicht ersichtlich, dass die Höhe dessen, was steuerlich
unermittelbar zu bleiben habe, mit der Höhe des Einkommens oder der Steuer des
Steuerbürgers zu steigen habe.
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Das Erteilen der Auskunft sei für das E auch zumutbar, weil der Aufwand hierfür
überschaubar sein dürfte, zumal hierfür eine Kostenerstattung erfolge. Das
Auskunftsersuchen sei auch nicht etwa rechtswidrig, weil dessen Ergebnis steuerlich
nicht ausgewertet werde könne. Insbesondere sei die Festsetzungsfrist für die Jahre ab
1998 noch nicht abgelaufen, weil deren Ablauf gemäß § 171 Abs. 5 Satz 1 AO gehemmt
gewesen sei. Mit Schreiben vom 19. November 2002 habe er mit Ermittlungen der
Besteuerungsgrundlagen begonnen, indem er den Kläger im steuerlichen
Ermittlungsverfahren gebeten hatte, die Bescheinigung vorzulegen, welche Konten
beim E auf seinen Namen geführt würden. Dass sich das Strafverfahren hierauf nicht
bezogen habe, sei daraus erkennbar gewesen, dass während des gesamten Verfahrens
keine Erweiterung erfolgt sei. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf den
Inhalt der Einspruchsentscheidung Bezug genommen.
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Das Verfahren betreffend die Aussetzung der Vollziehung des Auskunftsersuchens
erklärten die Beteiligten übereinstimmend für erledigt, nachdem das E bereits vor Ablauf
der für die Erteilung der Auskünfte gesetzten Frist die erbetene Auskunft erteilt hatte. Die
erteilte Auskunft bestätigt die vom Beklagten ermittelten Differenzen zwischen erklärten
und tatsächlichen Nebeneinnahmen des Klägers bei E; weitere Erkenntnisse ergeben
sich aus der Auskunft nicht.
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Der Kläger hat am 19. Juli 2006 die vorliegende Klage erhoben.
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Zur Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage macht er geltend, er habe ein
berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des
Auskunftsersuchens, weil er ein Verwertungsverbot hinsichtlich der erteilten Auskunft
nur geltend machen könne, wenn die Rechtswidrigkeit der zugrundeliegenden
Ermittlungsmaßnahme zuvor in dem dafür vorgesehenen Verfahren festgestellt werde.
Darüber hinaus diene die Fortsetzungsfeststellungsklage auch dem berechtigten
Interesse des Betroffenen, eine gewisse Genugtuung für erlittenes Unrecht zu erlangen.
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Zur Begründetheit der Klage bezieht er sich zunächst auf seine Ausführungen im
Verfahren 8 V 2730/06. Dort hatte er geltend gemacht, es fehle bereits an der
Zuständigkeit des Beklagten nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, weil er die steuerlichen
Ermittlungen nach Abschluss des Steuerstraf- und Bußgeldverfahrens bereits im Januar
2006 an das Finanzamt L abgegeben habe. In einer Mitteilung der OFD ... habe es
geheißen: "Hinsichtlich der bisher getroffenen Feststellungen zu den Einkünften aus
freiberuflicher Tätigkeit …. ist eine Zwischenmitteilung an das Finanzamt L erfolgt, die
dort ausgewertet werden wird." Deswegen habe im April 2006 eine Besprechung im
Finanzamt L mit dem Ergebnis stattgefunden, dass seitens seiner – des Klägers –
Person wegen der Nebeneinkünfte aus seiner freiberuflichen Tätigkeit beim E nichts
veranlasst werden müsse. Für weitere Maßnahmen in dieser Sache sei daher
ausschließlich das Finanzamt L zuständig gewesen.
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Auch habe keine Zuständigkeit des Beklagten für weitere Ermittlungen gemäß § 208
Abs.1 Satz 1 Nr. 3 AO mehr bestanden. Verfahrensgegenstand des Steuerstraf- und
Ermittlungsverfahrens seien in zeitlicher Hinsicht der Ermittlungszeitraum 1997 bis 2001
und in gegen- ständlicher Hinsicht die steuerstrafrechtlichen Vorwürfe der vorsätzlichen
Umsatzsteuerverkürzung im S "Q" 1998 und 1999 und Einkommensteuerverkürzung
1997 bis 2001 wegen nicht versteuerter Kapitaleinkünfte sowie die
Steuerordnungswidrigkeitsvorwürfe der leichtfertigen Einkommensteuerverkürzung
wegen zu Unrecht geltend gemachter außergewöhnlicher Belastungen für den
studierenden Sohn ..., wegen zu hoher Freistellungsaufträge und wegen Differenzen bei
den deklarierten Nebeneinnahmen aus der Tätigkeit beim E gewesen. Nachdem die
Ermittlungen gemäß § 201 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 AO mit der Einstellung des
Verfahrens gemäß § 170 Abs. 2 StPO und mit der Mitteilung, ein
Ordnungswidrigkeitsverfahren werde nicht eingeleitet, beendet gewesen seien, habe
eine Zuständigkeit des Beklagten nach § 208 Abs. 1 Satz 1 AO unter keinem rechtlichen
Gesichtspunkt und hinsichtlich keines Vorwurfs mehr bestanden. Dies habe auch das
Finanzgericht Köln im Beschluss vom 7. April 2006 so erkannt, wenn es dort heiße, ein
Tätigwerden der Steuerfahndung nach den Vorschriften des § 208 Abs.1 Satz 1 Nr. 1
und 2 komme nicht in Betracht, wenn das Steuerstrafverfahren nach §170 Abs. 2 StPO
eingestellt worden sei, und – so sei für den vorliegenden Fall zu ergänzen – der
Verdacht der leichtfertigen Steuerordnungswidrigkeit fallen gelassen und dies dem
Betroffenen mitgeteilt worden sei.
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Auch liege kein Fall des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO vor, weil im hier streitigen
Auskunftsersuchen sowohl der Steuerschuldner als auch der Steuerfall bekannt
gewesen sei. Hinzu komme, dass die mit dem Auskunftsersuchen abgefragten
Kontounterlagen dem Beklagten bereits vollständig vorgelegen hätten und der Steuerfall
hinsichtlich seiner Grundlagen bereits vollständig ausermittelt gewesen sei.
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Das Auskunftsersuchen sei auch in materieller Hinsicht rechtswidrig, weil hinsichtlich
der Erkenntnisse des Beklagten zu möglichen Abrechnungsfehlern bei seinen
Nebeneinnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit beim E ein Verwertungsverbot bestehe.
Bei dem Durchsuchungstermin am 12. November 2002 habe der Ermittler des
Beklagten diejenigen Aktenordner bezeichnet, die er habe mitnehmen wollen, darunter
auch die Kontoauszüge über sein Verrechnungskonto ... beim E. Als er – der Kläger –
sich gegen die Herausgabe entrüstet habe, sei er darauf hingewiesen worden, dass im
Falle einer Weigerung die Unterlagen aufgrund des Durchsuchungsbeschlusses
mitgenommen würden. Daraufhin habe er die Unterlagen überlassen. Nachdem das
Landgericht ... sämtliche Durchsuchungsbeschlüsse aufgehoben habe, stammten die
Erkenntnisse des Beklagten zu den Nebeneinnahmen aus einer rechtswidrigen
Ermittlungsmaßnahme. Dies führe zu einem Verwertungsverbot dergestalt, dass der
Beklagte sich so zu verhalten habe, als gäbe es die aus dem Durchsuchungstermin vom
12.11.2002 gewonnenen Erkenntnisse nicht.
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Auch lägen die Voraussetzungen des § 93 AO nicht vor. Das Auskunftsersuchen sei
eine Ermessensentscheidung; danach müsse es insbesondere erforderlich,
verhältnismäßig und zumutbar sein und dürfe nicht gegen das Willkür- und
Übermaßverbot verstoßen.
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Das Auskunftsersuchen sei bereits nicht erforderlich, weil sämtliche Kontoauszüge
betreffend das Verrechnungskonto ... beim E dem Beklagten bereits vorgelegen hätten
und ausgewertet worden seien. Es gebe keinerlei Hinweise dafür, dass die
Kontoauszüge unvollständig gewesen seien oder zusätzliche Erkenntnisse hätten
gewonnen werden müssen.
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Es sei auch unverhältnismäßig, weil die Differenzen für die Jahre 1998 bis 2001
lediglich rund 3.600 € betragen hätten, wobei er für diesen Zeitraum Einkommensteuer
in Höhe von 216.000 € gezahlt habe. Der Beklagte ermittele deswegen aus Anlass einer
Abweichung im Bereich von 6,7 Promille.
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Das Auskunftsersuchen verstoße auch gegen das Willkür- und Übermaßverbot, weil es
sachfremde Motive des Ermittlers des Beklagten offen zutage treten lasse. Nachdem
das Finanzamt L im April 2006 erklärt habe, er – der Kläger – müsse hinsichtlich der
Nebeneinnahmen nichts veranlassen, sei der Beklagte hieran nach dem Grundsatz der
Einheit der Verwaltung gebunden gewesen. Dem Beklagten hätte es vor dem
Auskunftsersuchen oblegen, ihn – den Kläger – von einer entsprechenden Absicht in
Kenntnis zu setzen, damit die Rechtmäßigkeit eines solchen Vorgehens zuvor
gerichtlich hätte geklärt werden können. Der treuwidrige Eingriff sei nicht nur eine durch
nichts zu rechtfertigende Rücksichtslosigkeit in Bezug auf seinen – des Klägers – Ruf,
sondern mache deutlich, dass der Steuerfahnder des Beklagten in seinem mit rationalen
Motiven nicht mehr zu erklärenden Feldzug gegen seine – des Klägers – Person jeder
Maßstab abhanden gekommen sei und ihm auch der Ruf der ... wohlfeil sei.
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Ergänzend macht er mit der Klageschrift geltend, der Versuch des Beklagten in der
Einspruchsentscheidung, seine erneuten Ermittlungen betreffend die Nebeneinnahmen
zu Grundlagenermittlungen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO umzufunktionieren,
könne nicht gelingen. Denn die Vorschrift normiere die Voraussetzungen eines
Fahndungsbeginns, setze also eine neue Zielrichtung voraus, entweder in Bezug auf
eine bisher unbekannte Person oder einen bisher unbekannten Steuerfall oder
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zumindest einen bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalt. Nichts von dem habe
hier vorgelegen, weil der Steuerfall bekannt und der steuerliche Sachverhalt ausermittelt
gewesen sei. Wenn der Beklagte geltend mache, ein Verwertungsverbot führe zur
Annahme, der Steuerfall sei unbekannt, müsse er sich konsequenterweise auch so
behandeln lassen, als hätte er von den Diskrepanzen zwischen deklarierten und
tatsächlichen Nebeneinnahmen keine Kenntnis. Dann aber hätte er ohne konkreten
Anhaltspunkt "ins Blaue hinein" ermittelt.
Soweit der Beklagte geltend macht, ein Verwertungsverbot entfalte keine Fernwirkung,
sei diese Frage lebhaft umstritten. Unabhängig von dem eingenommenen Standpunkt
hierzu gelte, dass die mittelbare Verwertung nur durch rechtmäßige
Ermittlungsmaßnahmen erfolgen dürfe. Das sei nicht der Fall, weil die Voraussetzungen
des § 93 AO nicht vorgelegen hätten. Eine mittelbare Verwertung sei jedenfalls auch
dann ausgeschlossen, wenn die Erstbeschaffung gegen wesentliche Rechte des
Betroffenen, etwa Grundrechte, verstoßen habe oder eine Informationsbeschaffung
durch Täuschung, z.B. des Vortäuschens der Erzwingbarkeit, erfolgt sei. So habe der
Fall hier gelegen: Die Durchsuchung sei ein rechtswidriger Eingriff in seine durch Artikel
13 und Artikel 1 und 2 GG geschützte Privat- und Persönlichkeitssphäre gewesen. Auch
habe sich der Durchsuchungsbeschluss ausschließlich auf die Vorwürfe der
Umsatzsteuerverkürzung im S "Q" und der Ertragssteuerverkürzung bezogen. Es habe
keine Ermittlungs- und Durchsuchungsberechtigung wegen der Nebeneinkünfte
gegeben. Dies habe er – der Kläger – nicht gewusst, weil ihm der
Durchsuchungsbeschluss weder gezeigt noch ausgehändigt worden sei. Deswegen
habe der Fahnder, der dies gewusst habe, die Herausgabe der E-Kontoauszüge nicht
verlangen dürfen, erst recht nicht durch den Hinweis auf die Erzwingbarkeit der
Herausgabe wegen des ihm vorliegenden Durchsuchungsbeschlusses.
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Soweit der Beklagte geltend mache, die Voraussetzungen des § 93 AO hätten
vorgelegen, weil langjährige Versuche der Sachverhaltsermittlung bei ihm – dem Kläger
– nicht zum Erfolg geführt hätten, gelte, dass seine Mitwirkung weder erforderlich noch
möglich gewesen sei. Seit der Durchsuchung sei der Beklagte im Besitz der
Kontounterlagen betreffend den E gewesen. Mehr habe es nicht gegeben, mehr habe
der Beklagte auch nicht durch die Auskunft des E vom 3. Juli 2006 bekommen.
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Soweit die Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens betroffen sei, gelte
selbstverständlich, dass der Steuerpflichtige "jeden Pfennig" zu deklarieren habe. Die
Relation der Höhe der Abweichungen zur gezahlten Steuer spiele aber sehr wohl eine
Rolle, wenn es darum gehe, mit welchen Mitteln die Steuerbehörden tätig werden dürfte
und zwar erst recht, wenn anerkanntermaßen nicht einmal leichtfertiges Handeln
vorliege. Für das Einschreiten der Steuerfahndung und die von ihr einzusetzenden
Mittel gebe es auch eine betragsmäßige Erheblichkeitsschwelle, die hier nicht
annähernd erreicht sei. Mag das Auskunftsersuchen gegenüber dem E auch zumutbar
gewesen sein, für ihn – den Kläger – war es das nicht.
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Der Kläger beantragt,
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festzustellen, dass das Auskunftsverlangen des Beklagten an E vom 7. Juni 2006
rechtswidrig ist,
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hilfsweise die Revision zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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hilfsweise die Revision zuzulassen.
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Er hält die Klage bereits für unzulässig, weil das besondere Feststellungsinteresse für
eine Fortsetzungsfeststellungsklage nicht vorliege. Für die Steuerbescheide für die
Jahre 1999 und 2000 gelte dies bereits schon deshalb, weil diese unter dem Vorbehalt
der Nachprüfung stünden. Unter Zugrundelegung der BFH-Entscheidungen in BStBl II
1996, 232 und BStBl II 1998, 461 sei er an der Verwertung der durch die Auskunft
erhaltenen Kenntnisse nicht gehindert. Auch die Verwertung für die Jahre 1998 und
2001 müsse zulässig sein. Die in den genannten Entscheidungen aufgeführte
Problematik der Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung spiele hier nämlich keine
Rolle, weil die Steuerfahndung für die Prüfung gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO
keiner Prüfungsanordnung bedürfe. Die entsprechenden Ermittlungen habe er – für den
Kläger erkennbar – mit dem Schreiben vom 19. November 2002 begonnen.
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Das Feststellungsinteresse lasse sich auch nicht aus der BFH-Entscheidung vom 29.
Juli 2003 VII R 39, 43/02 herleiten. Dort habe der BFH ein Feststellungsinteresse wegen
des erheblichen Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte des Klägers durch den Bruch des
Steuergeheimnisses bejaht. Das Steuergeheimnis sei hier aber naturgemäß nicht
betroffen, weil der Auskunftspflichtige nur über ihm bekannte Sachverhalte Auskunft zu
geben habe. Das Auskunftsersuchen habe auch keinen diskriminierenden oder
ehrverletzenden Charakter, weil mit ihm keine Aussage verbunden sei, der
Steuerpflichtige habe unrichtige Steuererklärungen abgegeben. Hier habe er
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich um Ermittlungen im
Besteuerungsverfahren handele.
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In materieller Hinsicht gelte, dass die vom Finanzgericht Köln im Verfahren 8 V 739/06
angestellten Erwägungen auch hier Geltung beanspruchten, mögen sie auch zu einem
anderen Teilaspekt des Falles ergangen sein.
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Wenn der Kläger behaupte, er habe dem Schreiben vom 19. November 2002 nicht
entnehmen können, dass sich die Ermittlungen auch auf Einnahmen aus dem E
bezogen hätten, überrasche dies angesichts des eindeutigen Inhalts des Schreibens.
52
Soweit der Kläger allerdings meine, der hier in Rede stehender Sachverhalt sei
Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen geworden, sei dies nicht der Fall gewesen. Auf
Einnahmen aus dem E hätten sich strafrechtliche Ermittlungen nie bezogen; insoweit
hätten lediglich steuerliche Ermittlungen stattgefunden. Aber selbst wenn strafrechtliche
Ermittlungen erfolgt sein sollten und das entsprechende Strafverfahren eingestellt
worden sei, so wären die steuerlichen Ermittlungen unabhängig hiervon fortgeführt
worden.
53
Soweit der Kläger behaupte, seine – des Beklagten – Ermittlungen seien
abgeschlossen und der Fall an das Finanzamt L abgegeben worden, erwähne der
Kläger nicht, dass er darauf hingewiesen worden sei, das steuerliche
Ermittlungsverfahren werde fortgeführt.
54
Dem Kläger könne auch nicht gefolgt werden, soweit er davon ausgehe, die zunächst
55
erlangten Erkenntnisse dürften nicht verwertet werden. Es habe kein gravierender
Rechtsverstoß vorgelegen, weil die beantragten Durchsuchungsbeschlüsse des
Amtsgerichts vorgelegen hätten. Auf deren Rechtmäßigkeit habe er – der Beklagte –
vertrauen dürfen.
Zu beachten sei auch, dass es sich bei der Auskunft seitens des E um ein anderes
Beweismittel handele, als die vom Kläger überlassenen Unterlagen. Das
Auskunftsersuchen sei auch erforderlich gewesen, weil davon hätte ausgegangen
werden müssen, dass der Kläger die Verwertung der Erkenntnisse aus den
überlassenen Unterlagen angreifen würde. Es sei daher notwendig gewesen, die
Erkenntnisse in verfahrensrechtlich verwertbarer Weise zu erlangen.
56
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt des
klägerischen Schriftsatzes vom 15. November 2006 (Bl. 92 ff. d.A.) und auf das Protokoll
der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2009 Bezug genommen.
57
Entscheidungsgründe
58
Die zulässige Klage ist unbegründet.
59
1.
60
Gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO – hebt das Finanzgericht,
soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig ist und den Kläger in seinen
Rechten verletzt, diesen und eine etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen
Rechtsbehelf auf. Hat sich dabei der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder
anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der
Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an
dieser Feststellung hat (sog. Fortsetzungsfeststellungsklage).
61
"Berechtigtes Interesse" i.S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO ist jedes konkrete,
vernünftigerweise anzuerkennende Interesse rechtlicher, tatsächlicher oder
wirtschaftlicher Art. Dieses kann sich daraus ergeben, dass die Feststellung der
Rechtswidrigkeit die Voraussetzung für den Eintritt einer vom Kläger erstrebten weiteren
Rechtsfolge ist, oder dass ein konkreter Anlass für die Annahme besteht, das Finanzamt
werde die vom Kläger für rechtswidrig erachtete Maßnahme in absehbarer Zukunft
wiederholen. Es kann auch unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitierung sowie deshalb
bestehen, weil die begehrte Feststellung voraussichtlich in einem beabsichtigten und
nicht völlig aussichtslosen Schadensersatzprozess erheblich sein wird. Die
Voraussetzungen hierfür sind substantiiert darzulegen (BFH Urteil vom 12. Januar 1995
IV R 83/92, BStBl II 1995, 488). Ein solches besonderes Feststellungsinteresse kommt
insbesondere nach einem erledigten Auskunftsersuchen in Betracht, wenn aus der
Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens ein Verwertungsverbot hinsichtlich der
erteilten Auskünfte geltend gemacht werden soll (vergl. Finanzgericht - FG - Münster,
Urteil vom 8. November 1999 4 K 154/98 E EFG 2000, 319). Bei einem erledigtem
Auskunftsersuchen hat der BFH allerdings nicht ohne weiteres das Vorliegen eines
besonderen Feststellungsinteresses angenommen. In seinem Beschluss vom 16.
Februar 2009 (VII B 175/08, BFH/NV 2009, 1128) hat er die Auffassung des FG Münster
in seiner Entscheidung vom 4. Juli 2008 11 K 387/07, Juris bestätigt, dass ein
besonderes Feststellungsinteresse zwar bestehe, wenn der Steuerpflichtige
beabsichtige, sich auf ein Verbot der Verwertung der aufgrund der Maßnahme
62
getroffenen Feststellung zu berufen, dies jedoch nicht gelte, wenn ein
Verwertungsverbot offensichtlich ausscheide. Im dortigen Fall schied ein solches
Verwertungsverbot aufgrund der Rechtsprechung des BFH, wonach die Verwertung von
im Rahmen einer Außenprüfung ermittelten Tatsachen bei erstmaligen
Steuerfestsetzungen oder bei Änderung eines unter dem Vorbehalt der Nachprüfung
ergangenen Steuerbescheids vor Ablauf der Festsetzungsfrist auch bei
Verfahrensmängeln zulässig ist, aus.
Dieser Gedanke liegt offensichtlich auch der Argumentation des Beklagten zugrunde,
wenn er von der Unzulässigkeit der Klage ausgeht, weil er wegen des bestehenden
Vorbehalts der Nachprüfung bei der Einkommensteuer 1999 und 2000 eine
grundsätzliche Verwertbarkeit der Erkenntnisse aus dem Auskunftsersuchen annimmt.
Dabei verkennt er allerdings, dass der BFH zwischen "einfachen" Verwertungsverboten
und qualifiziert materiellen Verwertungsverboten unterscheidet. Ein Verwertungsverbot
der letztgenannten Art kommt in Betracht, wenn die Ermittlung der Tatsachen einen
verfassungsrechtlich geschützten Bereich des Steuerpflichtigen verletzt. Die so
ermittelten Tatsachen sind schlechthin und ohne Ausnahme unverwertbar; der Verstoß
kann nicht durch zulässige, erneute Ermittlungsmaßnahmen geheilt werden (vergl. BFH-
Urteil vom 4. Oktober 2006 VIII R 54/04, BFH/NV 2007, 190; ebenso: FG Münster, Urteil
vom 4. Juli 2008 11 K 387/07, Juris).
63
Ausgehend hiervon ist das für die Fortsetzungsfeststellungsklage notwendige
besondere Feststellungsinteresse hier zu bejahen, weil sich der Kläger auf ein
qualifiziert materielles Verwertungsverbot aus den anlässlich des Erscheinens der
Steuerfahndung in seiner Wohnung am 12. November 2002 gewonnenen
Erkenntnissen beruft. Denn er hat in diesem Zusammenhang die Verletzung u.a. des
Artikels 13 des Grundgesetzes - GG - (Unverletzlichkeit der Wohnung) gerügt, der
tatsächlich auch – mag es auch nicht zu einer Durchsuchung gekommen sein - tangiert
ist. Deswegen kommt ein qualifiziert materielles Verwertungsverbot jedenfalls in
Betracht; das alleine reicht für die Annahme des besonderen Feststellungsinteresses
aus.
64
2.
65
Die Klage ist jedoch unbegründet.
66
Das inzwischen durch Erteilung der Auskunft erledigte Auskunftsersuchen war
rechtmäßig und verletzte den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Beklagte war nicht
gehindert, das streitgegenständliche Auskunftsersuchen an das E zu stellen.
67
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist zwischen der Aufgabenzuweisung für die
Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 der Abgabenordnung - AO -, im
Rahmen von Prüfungen unbekannte Steuerquellen aufzudecken und den zur Erfüllung
dieser Aufgaben verliehenen Befugnisse zu unterscheiden (BFH-Urteil vom 4. Oktober
2006 VIII R 54/04, BFH/NV 2007, 190).
68
a.
69
Der Beklagte hat hier seine Befugnis für das Auskunftsersuchen ausdrücklich auf die
Vorschrift des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO gestützt. Nach dieser Vorschrift ist Aufgabe
der Steuerfahndung die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. Soweit der
70
Kläger geltend macht, diese Vorschrift komme nicht mehr zur Anwendung, wenn der
Sachverhalt, hinsichtlich dessen ermittelt wird, bereits Gegenstand von Ermittlungen
gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 AO war und das Verfahren insoweit gemäß §
170 Abs. 2 StPO eingestellt worden und es auch nicht zur Einleitung eines
Bußgeldverfahrens gekommen ist, folgt der Senat dem nicht. Denn es existiert keine
Sperrwirkungen dergestalt, dass abgeschlossene strafverfahrensrechtliche Ermittlungen
gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 AO weitergehende steuerverfahrensrechtliche
Tätigkeiten der Steuerfahndung in Bezug auf den untersuchten Sachverhalt nach § 208
Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ausschlössen. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass es sich bei
den Maßnahmen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO um sog. "Vorfeldermittlungen"
handelt, die ggf. zu einen Anfangsverdacht für eine Straftat führen und dann weitere
Ermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 AO rechtfertigen (vergl. dazu Kock
in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 208 AO Rz. 32). Um solche Vorfeldermittlungen kann
es sich aber auch dann handeln, wenn die bisherigen strafverfahrensrechtlichen
Ermittlungen keinen strafrechtlichen oder ordnungswidrigen Tatbestand bestätigt haben.
So wäre es auch vorliegend denkbar gewesen, dass der Kläger neben den deklarierten
Einnahmen aus dem vorgefundenen Konto beim E weitere Einnahmen erzielt hat, die
auf anderen - bisher unbekannten - Konten gebucht waren und die der Kläger ggf. gar
nicht deklariert hatte. Hätte sich ein solcher Sachverhalt herausgestellt, hätte dieser ggf.
einen Anfangsverdacht für eine bisher gar nicht bekannt gewesene Straftat begründen
können. Dass das Auskunftsersuchen in diese Richtung ging, ergibt sich aus dessen
Inhalt selbst, weil dort nach verschiedenen Konten bzw. Verrechnungskonten gefragt
wird. Der Beklagte hat dies entsprechend in der mündlichen Verhandlung vom 15.
Dezember 2009 als eine der Zielrichtungen des Auskunftsersuchens bezeichnet.
Im Übrigen existiert die vom Kläger geltend gemachte Sperrwirkung der Ermittlungen
gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 AO für weitere Vorfeldermittlungen auf der
Grundlage des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO bereits deshalb nicht, weil nach den
strafprozessual geltenden Grundsätzen die Einstellung des Verfahrens gemäß § 170
Abs. 2 StPO keinen Strafklageverbrauch bewirkt. Entsprechend gilt, dass ein
Vertrauensschutz auf den Bestand der Einstellungsverfügung nicht besteht. Ein
abgeschlossenes Ermittlungsverfahren kann vielmehr jederzeit wieder aufgenommen
werden, wenn Anlass dazu besteht (Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage, § 170 Rz. 9
m.w.N.).
71
Weil deswegen keine Sperrwirkung des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 AO zu Lasten
weiterer Ermittlungen gemäß Nr. 3 der Vorschrift besteht, muss sich der Senat nicht mit
der Frage beschäftigen, ob die Höhe der Nebeneinnahmen des Klägers beim E bereits
Gegenstand strafverfahrensrechtlicher Ermittlungen war, mag hierfür auch entgegen der
Auffassung des Beklagten sprechen, dass dieser Sachverhalt - soweit er jedenfalls die
bereits aufgedeckten Differenzen bei den Nebeneinnahmen betraf - Gegenstand der
staatsanwaltlichen Einstellungsverfügung war.
72
Dem Tätigwerden des Beklagten steht auch nicht der Einwand des Klägers entgegen,
der Fall sei bereits an das Finanzamt L abgegeben worden, so dass keine Zuständigkeit
des Beklagten mehr bestanden habe. Abgesehen davon, dass dieser Vortrag die
tatsächlichen Vorgänge nur verzerrt wiedergibt, weil dem Kläger von dem Beklagten
fortwährend bedeutet worden ist, dass die steuerverfahrensrechtlichen Tätigkeiten der
Steuerfahndung fortgesetzt würden, entspricht es der – zutreffenden – Rechtsprechung
des BFH, dass die Finanzämter nicht daran gehindert sind, in derselben Sache tätig zu
werden, wie die Steuerfahndung (BFH-Urteil vom 4. Oktober 2006 VIII R 54/04, BFH/NV
73
2007, 190).
Kommt als Grundlage für das Auskunftsersuchen deshalb die Vorschrift des § 208 Abs.
1 Satz 1 Nr. 3 AO in Betracht, ist auch das konkrete Tätigwerden des Beklagten von der
Vorschrift gedeckt. Nach der Rechtsprechung des BFH gilt insoweit allerdings, dass die
Aufgabenerfüllung nach der genannten Vorschrift erst dann einzusetzen hat, wenn für
ein Tätigwerden ein hinreichender Anlass besteht. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund
konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung die Möglichkeit einer
Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art
angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen,
Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig
(vergl. dazu BFH-Beschluss vom 21. März 2002 VII B 152/01, BStBl II 2002, 495).
74
Dies zugrundegelegt geht der Beklagte zu Recht davon aus, dass bereits die ihm aus
den vom Kläger überlassenen Unterlagen bekanntgewordenen Differenzen, mögen sie
auch geringfügig gewesen sein, Anlass zur Prüfung boten, ob der Kläger seine
Nebeneinnahmen zutreffend und vollständig erklärt hat. Denn es handelte sich um
Nebeneinnahmen des Klägers, hinsichtlich derer kein Steuerabzug vorgenommen war
und hinsichtlich derer die Finanzverwaltung deshalb auf zutreffende Angaben des
Klägers angewiesen war. Nachdem sich die Erklärung des Klägers insoweit nicht als
einwandfrei herausgestellt hatte, war es angebracht, die Nebeneinahmen des Klägers in
Bezug auf das E einer genaueren Überprüfung zu unterziehen. Das gilt auch vor dem
Hintergrund, dass der Kläger neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit noch vielseitig
tätig war und es deswegen nicht auszuschließen war, dass er neben seiner Tätigkeit als
... noch anderweitig für das E tätig war und deshalb möglicherweise weitere Einnahmen
erzielt hatte, die er möglicherweise nicht deklariert hatte.
75
Zu Unrecht wendet der Kläger hiergegen ein, wegen der Rechtswidrigkeit der
Durchsuchungsbeschlüsse müsse der Beklagte sich so behandeln lassen, als seien
ihm die Differenzen zwischen erklärten und tatsächlichen Nebeneinnahmen in Bezug
auf das E nicht bekannt. Das wäre nämlich nur der Fall, wenn aus der Rechtswidrigkeit
der Durchsuchungsbeschlüsse ein Verwertungsverbot resultierte, dass sog.
"Fernwirkung" dergestalt entfaltete, dass dem Beklagten insoweit auch jede weitere
Ermittlungsmaßnahme unter Ausnutzung der Erkenntnisse aus der "Durchsuchung" am
12. November 2002 untersagt wäre. Das ist nach Auffassung des Senats indes nicht der
Fall:
76
Der Senat ist insoweit bereits der Auffassung, dass sich aus der Aufhebung der
Durchsuchungsbeschlüsse durch das Landgericht kein Verwertungsverbot ergibt. In der
strafrechtlichen Rechtsprechung resultiert aus der Missachtung des Richtervorbehalts
bei einer durchgeführten Wohnungsdurchsuchung bereits nicht zwingend ein
Verwertungsverbot. Insoweit gilt die sog. "Abwägungslehre", wonach im Einzelfall das
Interesse des Staates an der Tataufklärung gegen das Individualinteresse des Bürgers
an der Bewahrung seiner Rechtsgüter abzuwägen ist. Der Schweregrad des Verstoßes
ist ebenso zu beachten wie der Umstand, dass die Strafverfolgungsbehörden
einschließlich der Gerichte verpflichtet sind, Straftaten so weit wie möglich aufzuklären
(vergl. dazu etwa OLG Hamm, Beschluss vom 19. Oktober 2006 3 Ss 363/06, NStZ
2007, 355 m.w.N.). Diese Grundsätze sind nach Auffassung des Senats ebenso im
Steuerrecht anwendbar. Denn auch in diesem Bereich geht es um die Abwägung
zwischen den Individualinteressen von Steuerpflichtigen, nicht auf Grund
verfahrensfehlerhafter Ermittlungsmaßnahmen mit einer materiell-rechtlich an sich
77
zutreffenden Steuer belastet zu werden und der Pflicht des Staates, eine gesetzmäßige
und gleichmäßige Steuerfestsetzung zu gewährleisten (BFH-Urteil vom 4. Oktober 2006
VIII R 54/04, BFH/NV 2007, 190). Bei der Abwägung dieser Interessenlage folgt aus der
Aufhebung der Durchsuchungsbeschlüsse kein Verwertungsverbot:
Dabei ist zu beachten, dass mit dem Aufsuchen des Klägers in seiner Wohnung am 12.
November 2002 zwar der Schutzbereich des Artikels 13 Abs.1 GG berührt ist. Nach
dieser Vorschrift ist die Wohnung unverletzlich. Bereits das Betreten der Wohnung
tangiert den Schutzbereich des Grundrechts (Jarras in Jarras/Pieroth, GG, 9. Auflage,
Artikel 13 Rz. 7). Das gilt zwar dann nicht, wenn der Grundrechtsinhaber mit dem
Betreten der Wohnung einverstanden ist (Jarras in Jarras/Pieroth, GG, 9. Auflage, Artikel
13 Rz. 10). Von einem solchen Einverständnis geht der Senat indes zu Gunsten des
Klägers nicht aus, wenn die Steuerfahndung bei einem Steuerpflichtigen mit
Durchsuchungsbeschlüssen erscheint und zur Durchführung von steuerstrafrechtlichen
Ermittlungen Einlass begehrt, mag sie auch zunächst von den
Durchsuchungsbeschlüssen keinen Gebrauch machen. Denn in dieser Situation wird
der Steuerpflichtige nur nolens volens das Betreten der Wohnung gestatten, um eine
Eskalation der Situation zu vermeiden.
78
Andererseits ist hier aber zu berücksichtigen, dass es unstreitig jedenfalls nicht zu einer
Durchsuchung der Wohnung i. S. des Artikels 13 Abs. 2 GG gekommen ist.
Durchsuchung in diesem Sinne ist nämlich das ziel- und zweckgerichtete Suchen
staatlicher Organe nach Personen oder Sachen oder zur Ermittlung eines Sachverhalts,
um etwas aufzuspüren, was der Inhaber der Wohnung von sich aus nicht offenlegen
oder herausgeben will (Jarras in Jarras/Pieroth, GG, 9. Auflage, Artikel 13 Rz. 14). Dass
dies hier nicht der Fall war, ergibt sich aus dem Vermerk der Steuerfahndung vom 15.
November 2002 zum Aufsuchen des Klägers drei Tage zuvor. Danach hat der Kläger
sofort mit der Steuerfahndung in einer Art und Weise kooperiert, die sie veranlasst hat,
von den Durchsuchungsbeschlüssen keinen Gebrauch zu machen, so dass die
Durchsuchungsbeschlüsse dem Kläger auch nicht ausgehändigt wurden. Mag dies
auch unter dem "Zwang" der Existenz der Durchsuchungsbeschlüsse erfolgt sein, wobei
der Kläger wohlwissend nur deshalb kooperiert hat, weil die Steuerfahndung sonst von
den Durchsuchungsbeschlüssen Gebrauch gemacht hätte, lässt dies die Tatsache
unverändert, dass von einer Durchsuchung i.S. des Artikels 13 Abs. 2 GG nicht die
Rede sein kann. Aus derselben Erwägung lässt sich auch nicht in Abrede stellen, dass
die Herausgabe der Unterlagen freiwillig erfolgte, mag auch sie unter dem "Zwang" der
existierenden Durchsuchungsbeschlüsse erfolgt sein.
79
Ist damit der Schutzbereich des Artikels 13 GG zwar tangiert, aber nicht schwerwiegend
beeinträchtigt, ist zusätzlich festzustellen, dass die Steuerfahndung nicht etwa
eigenmächtig ohne Durchsuchungsbeschlüsse agiert hat (so aber in dem der
Entscheidung des OLG Hamm vom 19. Oktober 2006, 3 Ss 363/06, NStZ 2007, 355
zugrundeliegenden Fall), sondern richterliche Durchsuchungsbeschlüsse des
Amtsgerichts ... vorlagen, in deren Rechtmäßigkeit die Steuerfahndung am 12.
November 2002 noch ohne weiteres vertrauen durfte.
80
Der Senat teilt auch nicht den Ansatz des Klägers, die Steuerfahndung sei unter
Täuschung seiner Person über die Möglichkeit der ihr zustehenden Befugnisse tätig
geworden. Soweit der Kläger eine derartige Täuschung für sich reklamiert, weil die
vorliegenden Durchsuchungsbeschlüsse den Beklagten nicht berechtigt hätten, in
Bezug auf die Nebeneinnahmen des Klägers aus dem E zu ermitteln, folgt der Senat
81
ihm nicht. Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass sich der Tatvorwurf gegen ihn
ausweislich der Durchsuchungsbeschlüsse in erster Linie auf eine Steuerverkürzung in
Bezug auf seine Beteiligung an der GbR Q und auf eine Einkommensteuerverkürzung
wegen des ungeklärten Verbleibs von Vermögenswerten in Höhe von 440.000 DM
bezog. In den Durchsuchungsbeschlüssen sind jedoch als Straftaten bezeichnet die
Umsatzsteuerverkürzung 1998 und 1999 sowie die Einkommensteuerverkürzung 1999
bis 2001. War es deswegen dem Beklagten gestattet, im Zusammenhang mit diesen
Steuerarten zu ermitteln, bezog sich seine Befugnis zur Ermittlung dabei auch speziell
auf die Unterlagen des E in diesem Zeitraum. Eine Verbindung des seinerzeit noch
angenommenen Anfangsverdachts auch mit dem E ergibt sich nämlich aus dem
Durchsuchungsbeschluss selbst. Denn dort heißt es: "Aus den bereits im Verfahren
gegen den Beschuldigen O wegen eigener Steuerhinterziehung erhobenen Unterlagen
des E ist erkennbar ...". Angesichts dessen dem Beklagten vorzuhalten, Unterlagen
betreffend das E seien vom Durchsuchungsbeschluss nicht mit umfasst, hält der Senat
nicht für zutreffend.
Soweit der Kläger für sich beansprucht, das Aufsuchen seiner Wohnung am 12.
November 2002 durch den Beklagten habe ihn in seiner Privat- und
Persönlichkeitssphäre verletzt (Artikel 1 und 2 GG), ergibt sich hieraus nichts anderes.
Denn zum einen gilt, dass der Schutz der Privatsphäre in der Wohnung vornehmlich in
den Schutzbereich des Artikels 13 GG fällt (Jarras in Jarras/Pieroth, GG, 9. Auflage,
Artikel 13 Rz. 2); soweit sich der Kläger in seiner Ehre verletzt sieht, weil ihm als ...
Straftaten der Steuerhinterziehung zur Last gelegt wurden, ergibt sich nichts anderes.
Denn unberechtigt einer Steuerstraftat bezichtigt zu werden, ist ein Risiko, dem sich
jeder Bürger ausgesetzt sieht, mag er in herausgehobener oder weniger
herausgehobener Position im Gemeinwesen tätig sein. Speziell einen ... einer
Steuerhinterziehung zu bezichtigen bedingt angesichts der Tatsache, dass der
Tatbestand der Steuerhinterziehung verbreitet in allen Bevölkerungsschichten
vorzufinden ist, deshalb keinen qualifizierten Eingriff in dessen Persönlichkeitsrecht,
mag dieser Vorwurf sich in der Person des Klägers letztlich auch nicht bestätigt haben.
82
Aber selbst wenn man entgegen den obigen Ausführungen ein Verwertungsverbot
bezüglich der Ermittlungen des Beklagten am 12. November 2002 annähme, käme ihm
nach Auffassung des Senats jedenfalls keine Fernwirkung zu.
83
Der BFH geht – für den Senat zutreffend – davon aus, dass eine Fernwirkung von
Verwertungsverboten allenfalls in Betracht kommt bei qualifizierten,
grundrechtsrelevanten Verfahrensverstößen. Fehle es an einem derart
schwerwiegenden Verfahrensmangel, sei es gerechtfertigt, eine Fernwirkung
eventueller Verwertungsverbote auch auf spätere, rechtmäßig erlangte
Ermittlungsergebnisse zu verneinen (BFH-Urteil vom 4. Oktober 2006 VIII R 54/04,
BFH/NV 2007, 190). Der Senat versteht diesen Ansatz dabei dahin – und nur so
verstanden hält er ihn auch für zutreffend - dass alleine die Tatsache, dass eine
verfahrensfehlerhafte Maßnahme den Schutzbereich eines Grundrechts tangiert, nicht
bereits zu einem schwerwiegenden Verfahrensmangel im o.g. Sinne führt. Sonst würden
Verfahrensfehler im Zusammenhang mit Wohnungsdurchsuchungen generell zu einem
Verwertungsverbot mit Fernwirkung führen; dies ist mit dem Gebot der Abwägung der
Individualinteressen des Steuerpflichtigen mit dem öffentlichen Interesse an der
gleichmäßigen Steuererhebung nicht zu vereinbaren. Vielmehr ist auch bei
Verfahrensfehlern mit Verletzung des Schutzbereichs eines Grundrechts die Intensität
des Verfahrensverstoßes unter Berücksichtigung der Schwere des Grundrechtseingriffs
84
zu untersuchen. Unter Zugrundelegung dieses Ansatzes liegt mit den obigen
Ausführungen jedenfalls kein derart schwerwiegender Verfahrensverstoß vor, der ein
Verwertungsverbot mit Fernwirkung rechtfertigte.
b.
85
War deswegen das Auskunftsersuchen des Beklagten von der Aufgabenzuweisung an
die Steuerfahndung gedeckt, hielt sie sich auch im Rahmen der der Steuerfahndung zur
Erfüllung dieser Aufgaben eingeräumten Befugnisse: Gemäß § 208 Abs. 1 Satz 2 AO
haben die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen und die Zollfahndungsämter
außer den Befugnissen nach § 404 Satz 2 erster Halbsatz AO auch die
Ermittlungsbefugnisse, die den Finanzämtern (Hauptzollämtern) zustehen. Nach Satz 3
der Vorschrift gelten in den Fällen der Nummern 2 und 3 u.a. die Einschränkung des §
93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht.
86
Gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben die Beteiligten und andere Personen der
Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts
erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Bei der Norm handelt es sich um eine allgemeine
Beweismittelvorschrift, von der nach pflichtgemäßem Ermessen Gebrauch zu machen
ist. Es ist deshalb der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten: Auskunft kann
deshalb nur verlangt werden, wenn die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und
seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (vergl.
Klein/Brockmeyer, AO, 10. Auflage, § 93 Rz 6).
87
Ausgehend von diesen Grundsätzen vermag der Senat keinen Ermessenfehler des
Beklagten erkennen, soweit er den E um Auskunft nach § 93 Abs. 1 AO ersucht hat.
88
Dass das Auskunftsersuchen erforderlich war, ergibt sich aus der Tatsache, dass der
Kläger, der sich anlässlich des Erscheinens der Steuerfahndung am 12. November
2002 noch als kooperativ gezeigt hat, in der Folgezeit jegliche Zusammenarbeit
verweigerte und es stattdessen vorzog, jedes erdenkliche Rechtmittel zur Behinderung
des Beklagten zu ergreifen. Insbesondere hat er sich seitdem auch hinsichtlich der
Frage der Klärung der Höhe der Nebeneinnahmen aus der Tätigkeit für das E auf ein
Verwertungsverbot berufen und demzufolge jegliche Aufklärung von seiner Seite aus
verweigert. Der Beklagte geht daher zu Recht davon aus, dass ein Auskunftsersuchen
gegenüber dem E die einzige Möglichkeit war, um insoweit den Sachverhalt vollständig
zu ermitteln.
89
Zu Unrecht wendet der Kläger hiergegen ein, das Auskunftsersuchen sei nicht
erforderlich gewesen, weil dem Beklagten der entsprechende Aktenordner bereits
vorgelegen und ihm deshalb der gesamte Sachverhalt bereits bekannt gewesen sei.
Dabei verkennt er nämlich wiederum die Zielrichtung des Auskunftsersuchens, das sich
nicht darauf beschränkte, die bereits aufgedeckten Differenzen zu verifizieren, sondern –
neben dem Motiv, die bisherigen Erkenntnisse verfahrensrechtlich abzusichern – zu
gewährleisten, dass der Kläger nicht zusätzlich zu den bereits bekannten Einnahmen
nicht noch weitere Einnahmen erzielt hatte, die bisher noch gar nicht deklariert worden
waren. Das ergibt sich aus der Anfrage über die Existenz mehrerer Konten bzw.
Verrechnungskonten.
90
Das dem E zumutbare Auskunftsersuchen - Einwendungen hiergegen sind jedenfalls
seitens des E nicht erhoben worden – war auch verhältnismäßig. Soweit der Kläger in
91
diesem Zusammenhang geltend macht, es verstoße gegen das Übermaßverbot und das
Willkürverbot, teilt der Senat diese Auffassung nicht:
Nicht mit Erfolg kann der Kläger geltend machen, die relativ geringfügigen
Abweichungen zwischen den erklärten und den vom Prüfer festgestellten Differenzen
ließen das Auskunftsersuchen als unverhältnismäßig erscheinen. Dabei verkennt er
nämlich wiederum die Zielrichtung des Auskunftsersuchens, das ggf. geeignet gewesen
wäre, weitere bisher gar nicht vom Kläger deklarierte Nebeneinnahmen - in unbekannter
Höhe - aufzudecken.
92
Der Senat vermag dem Prüfer des Beklagten auch kein willkürliches Verhalten
vorzuwerfen. Der Kläger leitet dies aus der Tatsache her, die Tätigkeiten des Prüfers
seien trotz der Tatsache, dass das Strafverfahren eingestellt war und auch die StraBuSt
kein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet hatte, nur mit dessen Drang zu erklären,
ihn – den Kläger – persönlich zu verfolgen. Der Kläger mag dies so empfinden. In der
Tat ist die Vorgehensweise des Steuerfahnders des Beklagten in seiner Hartnäckigkeit
bemerkenswert. Dem Kläger ist es auch zuzugeben, dass mit der Einstellung des
Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO und dem Nichttätigwerden der StraBuSt die
Einstellung auch jeder weiteren Tätigkeit der Steuerfahndung gerechtfertigt oder sogar
erwartet hätte werden können. Es ist aber in objektiver Hinsicht auch feststellbar, dass
trotz der Einstellung des Verfahrens Teilfragen offengeblieben waren. Nach wie vor
ungeklärt waren die Frage des Verbleibs von Teilen der nach Spanien transferierten
Vermögenswerte und die Frage der tatsächlich erzielten Höhe der Nebeneinnahmen
beim E. Angesichts der umgekehrten Hartnäckigkeit des Klägers, insoweit jegliche
weitere Ermittlungen des Beklagten zu unterbinden, ist durchaus verständlich, dass der
Beklagte insoweit auf eine endgültige Klärung drängte, um auszuschließen, dass der
Kläger insoweit "etwas zu verbergen" hatte. Angesichts dessen ist für den Senat nicht
erkennbar, dass der Fahnder lediglich aus persönlicher Aversion gegen den Kläger das
Auskunftsersuchen veranlasst hat. Soweit der Kläger in seinem Brief an den Minister ...
behauptet hat, der Steuerfahnder habe seinem Sohn im Originalton gesagt, "Machen
Sie Ihrem Vater doch mal klar, dass er aufhören soll, solchen Wind zu machen", hat der
Fahnder dies in einer dienstlichen Äußerung in Abrede gestellt. Auch die angebliche
Äußerung des Behördenleiters des Beklagten ... "Ihr Mandant ist wohl einer, der
erwartet, dass man ihm einen roten Teppich ausrollt" hat sich nicht bestätigt. Angesichts
dessen hält der Senat auch dieses Vorbringen des Klägers - bei allem Verständnis für
seine Verärgerung angesichts der tatsächlichen Vorgehensweise des Steuerfahnders –
nicht für geeignet, ein willkürliches Verhalten des Beklagten anzunehmen.
93
3.
94
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1.
95
4.
96
Die Revision war zur Klärung der Frage, wann ein zu einem Verwertungsverbot mit
Fernwirkung führender qualifizierter, grundrechtsrelevanter Verfahrensverstoß vorliegt,
gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.
97