Urteil des FG Hessen vom 15.03.2017

FG Frankfurt: eingliederung, geschäftsführung, geschäftsführer, juristische person, unternehmen, personalunion, vollziehung, härte, mehrheit, krankheit

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Gericht:
Hessisches
Finanzgericht 6.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2006
Aktenzeichen:
6 V 3776/06, 6 V
3776/06, 6 V
3859/06, V
3872/06, 6 V
3859/06, 6 V
3872/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 2 Abs 2 Nr 2 UStG 2005, §
191 Abs 1 AO, Art 11 Abs 1
EGRL 112/2006, § 69 Abs 2 S 2
FGO, § 69 Abs 3 S 1 FGO
Organisatorische Eingliederung durch Personalunion in der
Geschäftsführung und Haftung für Umsatzsteuerschuld
Tatbestand
(Überlassen von Datev)
Der Antragsteller begehrt die Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheides
vom 03.08.2006, mit dem er vom Antragsgegner (dem Finanzamt - FA - für
Umsatzsteuern und steuerliche Nebenleistungen der A GbR in Anspruch
genommen wird.
Der Antragsteller ist - neben D (37,5%) und C (25%) - mit 37,5% an der A GbR
beteiligt. Die Geschäftsführung obliegt allen Gesellschaftern gemeinschaftlich.
Einziger Geschäftszweck der A GbR ist die Verpachtung von Grundstücken an die B
GmbH, auf denen diese ein Speditionsunternehmen mit Lagerei betreibt. An der B
GmbH ist der Antragsteller - zusammen mit C - jeweils zur Hälfte beteiligt.
Geschäftsführer der B GmbH ist seit dem 01.03.1992 C. Nach § 1 Abs. 1 des
Geschäftsführervertrages ist dieser berechtigt, die Gesellschaft allein zu vertreten.
Mit Wirkung zum 01.01.2006 wurde daneben Herr E zum Geschäftsführer bestellt.
Ausweislich § 1 Nr. 2 des Geschäftsführervertrages vertritt er die Gesellschaft nach
Maßgabe des Gesetzes und des Gesellschaftsvertrages. Die Beteiligten gingen
von einer Eingliederung der B GmbH in das Unternehmen der A GbR und damit
vom Vorliegen einer umsatzsteuerlichen Organschaft aus.
Nachdem die B GmbH am 09.05.2006 einen Antrag auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens gestellt hatte, wurde noch am selben Tage ein vorläufiger
("schwacher") Insolvenzverwalter bestellt. Durch Ergänzungsbeschluss vom
12.05.2006 übertrug das Amtsgericht dem vorläufigen Insolvenzverwalter die
Verfügungsbefugnis über das Vermögen der B GmbH. Das Insolvenzverfahren ist
am 01.07.2006 eröffnet worden.
Aus den von der A GbR abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen (April 2006
bis 12. Mai 2006) ergaben sich Umsatzsteuerschulden von 59.084,35 EURO, die
ganz überwiegend auf Vorsteuerkorrekturen nach § 17 UStG wegen nicht
beglichener Rechnungen der B GmbH beruhten. Da die A GbR diese
Steuerschulden nicht beglich, nahm das FA den Antragsteller sowie die beiden
anderen GbR-Gesellschafter nach § 191 AO i.V.m. §§ 421, 427 BGB in Haftung.
Dagegen legte der Antragsteller erfolglos Einspruch ein und beantragte - ebenfalls
erfolglos - Aussetzung der Vollziehung. Auch der gegen die Ablehnung des
Aussetzungsantrages eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Mit seinem
gerichtlichen Aussetzungsantrag verfolgt der Antragsteller sein
Rechtsschutzbegehren weiter. Er ist der Ansicht, der Haftungsbescheid sei
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Rechtsschutzbegehren weiter. Er ist der Ansicht, der Haftungsbescheid sei
rechtswidrig, weil das Organschaftsverhältnis in den Monaten April und Mai nicht
mehr bestanden habe.
a) Die organisatorische Eingliederung der B GmbH in die A GbR sei bereits zum
06.03.2006 beendet worden. Seit diesem Tage sei C infolge einer sehr erheblichen
und nachhaltig schweren Erkrankung nicht mehr zur Führung der anstrengenden
laufenden Tagesgeschäfte in der Lage gewesen. Diese seien seitdem faktisch
nahezu ausschließlich durch den Fremdgeschäftsführer (Herrn E) wahrgenommen
worden. Nur bei wenigen außergewöhnlichen Maßnahmen habe sich C vom
Sachstand unterrichten lassen und die zu treffenden Entscheidungen im Rahmen
seiner Möglichkeiten mitverantwortet. Zur Glaubhaftmachung hat der Antragsteller
ein Schreiben des C vom 04.09.2006 mit folgendem Inhalt vorgelegt: "Hiermit
versichere ich an Eides statt, dass ich seit 6. März 2006 krankgeschrieben bin und
somit meine Geschäftsführertätigkeit seit diesem Termin nicht mehr
wahrgenommen habe." Außerdem hat der Antragsteller Kopien der von Dr....(Arzt
für Allgemeinmedizin) stammenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für C
(Diagnose: "Anpassungsstörung mit gestört-depressiver Symptomatik") vorgelegt
(Bl. 8 ff Gerichtsakte).
b) Für die organisatorische Eingliederung komme es maßgeblich auf die
tatsächliche Einflussnahme des Organträgers in Bezug auf die laufende
Geschäftsführung der Organgesellschaft an. Entgegen der Ansicht des FA sei nicht
entscheidend, dass für solche Geschäfte, die über die gewöhnliche
Geschäftsführung hinausgehen, ein expliziter Zustimmungsvorbehalt in der
Satzung der B GmbH implementiert wurde und damit alle wesentlichen
unternehmerischen Entscheidungen, welche die Struktur und den
organisatorischen Rahmen der Gesellschaft betreffen, einer vorherigen
Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedurft hätten. Die Willensbildung
für die laufende Geschäftsführung der B GmbH sei aber nach Beginn der
Erkrankung von Herrn C vom Fremdgeschäftsführer E vollkommen selbständig im
Rahmen seiner Vertretungsbefugnis wahrgenommen worden.
c) § 6 Abs. 5 der GmbH-Satzung, wonach für alle über den gewöhnlichen Betrieb
des Unternehmens hinausgehenden Geschäfte die vorherige Einwilligung der
Gesellschafterversammlung erforderlich sei, greife nicht in den Kernbereich der
laufenden Geschäftsführung ein und begründe daher auch keine
Weisungsabhängigkeit.
Das FA hält den Aussetzungsantrag für unbegründet und hat daher beantragt, den
Aussetzungsantrag abzulehnen. Zur Begründung trägt es im Wesentlichen vor:
a) Das Organschaftsverhältnis sei nicht am 06. März 2006 beendet worden,
sondern habe bis zum 12.05.2006 fortbestanden. Eine organisatorische
Eingliederung könne durch Personalunion der Geschäftsführer begründet werden,
aber auch - wie im vorliegenden Fall - auf andere Weise. Nach § 6 Abs. 5 des
GmbH-Gesellschaftsvertrages sei die Vertretungsbefugnis des bzw. der
Geschäftsführer auf solche Handlungen beschränkt, die der gewöhnliche
Geschäftsverkehr mit sich bringe. Diese Einschränkungen seien in den
Geschäftsführerverträgen des C und des E bekräftigt worden. Die wesentlichen
unternehmerischen Entscheidungen hätten somit der vorherigen Zustimmung der
Gesellschafterversammlung bedurft. Dadurch habe der Organträger sichergestellt,
dass sein Wille in der B GmbH bei gewichtigen Entscheidungen auch tatsächlich
ausgeübt wurde.
b) Davon abgesehen habe sich C nicht gänzlich als GmbH-Geschäftsführer
zurückgezogen: Er sei er gegenüber dem Amtsgericht bei der Beantragung des
Insolvenzverfahrens im Mai 2006 aufgetreten, habe die Umsatzsteuer-
Voranmeldung für den Zeitraum 1.5.-9.5.2006 unterschrieben und zudem am
29.08.2006 neben den beiden anderen GbR-Gesellschaftern an einer
mehrstündigen Besprechung mit Vertretern des FA teilgenommen. Der
Organträger habe seinen Willen somit auch nach dem 06.03.2006 über die
Personalunion der Geschäftsführer in beiden Gesellschaften umgesetzt. Hinzu
komme, dass der Geschäftsführer C in seiner Klage (6 K 3338/06) einräume, seit
Beginn seiner Krankheit noch in begrenztem Umfang Einfluss auf die
Geschäftsführung ausgeübt zu haben. Auch sei er während seiner Krankheit
fortlaufend über die Sachlage der B GmbH unterrichtet gewesen. Dies spreche
dafür, dass eine ständige Kontrolle der Handlungen des Fremdgeschäftsführers
stattgefunden habe und somit die Durchsetzung des unternehmerischen Willens
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stattgefunden habe und somit die Durchsetzung des unternehmerischen Willens
des Organträgers sichergestellt gewesen sei. Die Behauptung, dass sich C wegen
seiner Krankheit ab dem 06.03.2006 vollständig aus der laufenden
Geschäftsführung zurückgezogen habe, sei daher unzutreffend.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist unbegründet.
Gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das
Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheides
auf Antrag aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen
oder wenn seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige und nicht durch
überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die
Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheides ist ernstlich zweifelhaft, wenn die Prüfung
der Sach- und Rechtslage auf Grund der präsenten Beweismittel, der
gerichtsbekannten Tatsachen und des unstreitigen Sachverhaltes in
entscheidungserheblicher Weise zu Unsicherheiten in der Beurteilung der
Rechtslage oder zu Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen führt (vgl. Urteil
des Bundesfinanzhofs vom 17. Mai 1978 I R 50/77, BFHE 125, 423, BStBl II 1978,
579; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 69 Anm. 86 ff. m.w.N.). Eine
unbillige Härte im Sinne des § 69 Abs. 2 FGO ist anzunehmen, wenn dem
Steuerpflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Bescheides
wirtschaftliche Nachteile drohen, die über die eigentliche Steuerzahlung
hinausgehen und die nicht oder nur schwer wieder gutzumachen sind (vgl. BFH-
Beschluss vom 24.11.1988 IV S 1/86, BFH/NV 1990, 295).
1. Aufgrund dieses Beurteilungsmaßstabes bestehen keine ernstlichen Zweifel an
der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Haftungsbescheides. Das FA hat den
Antragsteller zu Recht für Steuerschulden und steuerliche Nebenleistungen der A
GbR in Haftung genommen.
Nach § 191 Abs. 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen
werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Davon wird unstreitig auch die
Haftung nach bürgerlichem Recht erfasst. Im Streitfall haftet der Antragsteller als
Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts für die Umsatzsteuern und
steuerlichen Nebenleistungen der A GbR in entsprechender Anwendung des § 128
HGB. Das umsatzsteuerliche Organschaftsverhältnis endete nicht am 06.03.2006,
sondern dauerte bis zum 12.05.2006 fort, sodass die steuerrelevanten Vorgänge
der B GmbH (v.a. Umsätze und Berichtigungsansprüche nach § 17 UStG) bis zu
diesem Zeitpunkt bei der Antragstellerin als Organträgerin zu berücksichtigen
sind. Eine umsatzsteuerliche Organschaft liegt vor, wenn eine juristische Person
nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und
organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (§ 2 Abs. 2
Nr. 2 UStG).
a) Eine finanzielle Eingliederung liegt nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs insbesondere dann vor, wenn der Organträger unmittelbar in
einer Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen (durch
Mehrheitsbeschlüsse) durchsetzen kann. Die Mehrheit der Stimmrechte aus
Anteilen an der Organgesellschaft muss über 50% der gesamten Stimmrechte
betragen, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für Beschlüsse in der
Organgesellschaft erforderlich ist (BFH-Urteil vom 22.11.2001 V R 50/00, BStBl II
2002, 167/168). Eine derartige Beherrschung liegt im Streitfall zwar nicht vor, weil
die A GbR als solche nicht an der B GmbH beteiligt ist. Es entspricht jedoch
allgemeiner Ansicht, dass eine finanzielle Eingliederung auch durch mittelbare
Beteiligung einer Personengesellschaft an einer Kapitalgesellschaft begründet
werden kann. Eine finanzielle Eingliederung bei mittelbarer Beteiligung liegt vor,
wenn die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte an der Organgesellschaft von den
Gesellschaftern der Organträgergesellschaft gehalten wird, sodass in beiden
Gesellschaften dieselben Gesellschafter zusammen über die Mehrheit der Anteile
oder Stimmrechte verfügen und damit der Organträger mittelbar seinen Willen
auch in der Organgesellschaft durchsetzen kann (BFH-Urteil vom 20.01.1999 XI R
69/97, BFH/NV 1999, 1136). Im Streitfall sind diese Voraussetzungen gegeben.
Denn die Geschäftsanteile an der B GmbH werden vom Antragsteller und C
gehalten. Da diese Gesellschafter über 62,5% an der A GbR verfügen, wird über sie
- und damit mittelbar - die finanzielle Eingliederung der B GmbH in das
Unternehmen der A GbR begründet.
b) Eine wirtschaftliche Eingliederung der Organgesellschaft in das Unternehmen
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b) Eine wirtschaftliche Eingliederung der Organgesellschaft in das Unternehmen
des Organträgers ist bei richtlinienkonformer Auslegung (Art. 4 Abs. 4 Unterabsatz
2 der 6. USt-Richtlinie; seit 01.01.2007: Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL) bereits dann
gegeben, wenn zwischen herrschendem und beherrschtem Unternehmen
"gegenseitige wirtschaftliche Beziehungen" bestehen, durch die die beteiligten
Personen "eng miteinander verbunden" sind (Urteil des Hessischen Finanzgericht
vom 17.02.2003 6 K 493/99, EFG 2003, 1046; Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch,
§ 37 Rz 62). Dabei kann im Regelfall bereits die Vermietung eines
Geschäftsgrundstückes von Seiten des beherrschenden Unternehmers eine
wirtschaftliche Eingliederung begründen (vgl. BFH-Urteil vom 13.03.1997 V R
96/96, BStBl II 1997, 580; FG München, Urteil vom 26.11.2003 - 3 K 1858/02 - EFG
2004, 456). Im Streitfall hat die A GbR der B GmbH die für ihren Speditionsbetrieb
erforderlichen Grundstücke und Gebäude vermietet. Die dadurch bedingten
mietvertraglichen Beziehungen zwischen ihr und der B GmbH reichen aus, um eine
wirtschaftliche Eingliederung der B GmbH in das Unternehmen der A GbR zu
begründen.
c) Entgegen der Ansicht des Antragstellers liegt bis zur Bestellung des vorläufig
"starken" Insolvenzverwalters am 12.05.2006 auch eine organisatorische
Eingliederung der B GmbH in das Unternehmen der A GbR vor. Auf das Merkmal
der organisatorischen Eingliederung kann zwar nicht verzichtet werden (vgl. BFH-
Urteil vom 27.08.1964 V 101/62 U, BStBl III 1964, 539), es ist jedoch nicht
erforderlich, dass alle drei Merkmale einer Eingliederung sich gleichermaßen
deutlich feststellen lassen. Eine Organschaft kann daher auch dann vorliegen,
wenn die Eingliederung auf einem der drei Gebiete nicht vollkommen ist (BFH-
Urteil vom 20.02.1992 V R 80/85, BFH/NV 1993, 133). Dabei ist zu berücksichtigen,
dass gerade das Merkmal der organisatorischen Eingliederung nur nach dem
Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse zu beurteilen ist, also nicht voll
ausgeprägt sein muss (vgl. BFH-Urteil vom 28.01.1999 V R 32/98, BStBl II 1999,
258; vom 17.01.2002 V R 37/00, BStBl II 2002, 373 unter II. 1.c. bb).
aa) Eine organisatorische Eingliederung erfordert, dass die Organgesellschaft den
Willen des Organträgers zu befolgen hat, zielt also auf die Beherrschung der
Geschäftsführung. Sie liegt insbesondere vor, wenn die Geschäftsführung bei
Organträger und Organgesellschaft durch dieselbe Person ausgeführt wird
(Personalunion). Dabei genügt es, dass nur einzelne Geschäftsführer des
Organträgers Geschäftsführer der Organgesellschaft sind (BFH-Urteil vom
28.01.1999 V R 32/98, BStBl II 1999, 258).
bb) Im Streitfall ergibt sich eine Beherrschung der Geschäftsführung der B GmbH
dadurch, dass C zu den Geschäftsführern der A GbR gehört und außerdem
Geschäftsführer der B GmbH ist. Als Mitgeschäftsführer der A GbR setzt er den
von den Gesellschaftern gebildeten Willen des Organträgers um und als
Geschäftsführer der B GmbH stellt er sicher, dass der Wille des Organträgers auch
in der B GmbH durchgeführt wird. Dem steht nicht entgegen, dass C seit dem
06.03.2006 wegen "Anpassungsstörungen" krankgeschrieben ist und das
Tagesgeschäft seitdem nahezu ausschließlich vom Fremdgeschäftsführer E
bewältigt wurde. Denn dies hatte nicht zur Folge, dass der Fremdgeschäftsführer E
die gewöhnlich anfallenden Geschäfte selbständig und eigenverantwortlich
ausüben konnte. Dessen Befugnisse erstrecken sich zwar nach § 1 Nr. 4 des
Geschäftsführervertrages auf alle Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb der
Gesellschaft mit sich bringt. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang jedoch,
dass ihm dabei keine Alleinvertretungsmacht eingeräumt wurde. Nach § 1 des
Geschäftsführungsvertrages ("Geschäftsführung und Vertretung") vertritt Herr E
die Gesellschaft nach Maßgabe der Gesetze und des Gesellschaftsvertrages. Da
dieser bei mehreren Geschäftsführern grundsätzlich eine Gesamtvertretung
vorsieht (§ 6 Abs. 1), bedurfte Herr E bei der Ausübung seiner
Geschäftsführungstätigkeit stets der Mitwirkung des Gesellschafter-
Geschäftsführers C. Dieser hat in seiner eidesstattlichen Versicherung zwar
behauptet, dass er seit der Krankschreibung am 06.03.2006 seine
Geschäftsführertätigkeit nicht mehr wahrgenommen habe, der Senat hält diese
Behauptung jedoch für nicht glaubhaft: Abgesehen davon, dass er im Rahmen
seiner Klage 6 K 3338/06 (Schriftsatz vom 11.12.2006) diese Behauptung
dahingehend eingeschränkt hat, dass er nur noch in "begrenztem Rahmen" habe
Einfluss nehmen können, steht aufgrund des unbestrittenen Vortrages des FA fest,
dass C auch nach dem 06.03.2006 noch in mehreren Fällen als Geschäftsführer
tätig gewesen ist. So hat er nicht nur am 09. Mai 2006 beim Amtsgericht die
Eröffnung des Insolvenzverfahrens der B GmbH beantragt und - für die A GbR - die
Umsatzsteuer-Voranmeldung Mai 2006 unterzeichnet, sondern am 29.08.2006
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Umsatzsteuer-Voranmeldung Mai 2006 unterzeichnet, sondern am 29.08.2006
auch an einer mehrstündigen Besprechung zur Problematik der Steuerschulden
und Gesellschafterhaftung teilgenommen. Gegen die tatsächliche und vollständige
Einstellung seiner Geschäftsführungstätigkeit spricht schließlich, dass C sein Amt
als Geschäftsführer nicht - wie es bei einer schweren und andauernden
Arbeitsunfähigkeit nahegelegen hätte - sofort niederlegte. Dies wäre ihm jedenfalls
gesellschaftsrechtlich ohne weiteres möglich gewesen (vgl. BGH-Urteil vom
14.07.1980 II ZR 161/79, BGHZ 78, 82).
cc) Ergänzend vertritt der Senat im Anschluss an den Beschluss des FG Saarland
vom 20.07.2004 - 1 V 131/04 - (EFG 2004, 1785) die Auffassung, dass bei einer
organisatorischen Eingliederung durch Personalunion nicht darauf abzustellen ist,
ob und inwieweit der Geschäftsführer sein Amt in der Organgesellschaft tatsächlich
auch ausübt. Wie das FG Saarland zutreffend ausführte, wäre andernfalls noch
festzustellen, inwieweit die Untätigkeit des Geschäftsführers darauf beruht, dass
die stattdessen mit der Geschäftsführung beauftragte Person ohnehin die
Geschäfte im Sinne des "untätigen" Geschäftsführers erledigt. Solche
Differenzierungen sind aber kaum zu treffen und würden überdies zur Ausuferung
des ohnehin schwer zu bestimmenden Merkmals der organisatorischen
Eingliederung führen.
2. Eine Aussetzung der Vollziehung kommt auch nicht wegen Vorliegens einer
"unbilligen Härte" in Betracht. Der Antragsteller hat nicht vorgetragen, geschweige
denn glaubhaft gemacht, dass die für eine unbillige Härte erforderliche
Existenzgefährdung durch den angegriffenen Haftungsbescheid drohe. Eine
Existenzgefährdung ist auch nicht aus den vorliegenden Akten ersichtlich.
Der Antrag war daher abzulehnen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.