Urteil des FG Hessen vom 07.10.2010

FG Frankfurt: wirtschaftliche identität, stille reserven, nahestehende person, vollziehung, verlustverrechnung, körperschaft, steuerrecht, einspruch, verlustvortrag, gesetzesmaterialien

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Gericht:
Hessisches
Finanzgericht 4.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2009
Aktenzeichen:
4 V 1489/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 8c Abs 1 S 2 KStG 2002 vom
22.12.2009, § 69 Abs 2 S 2
FGO, § 69 Abs 3 S 1 FGO, Art 2
Nr 2 WBG
(Keine Beschränkung der Verlustverrechnung mit bis zur
schädlichen unterjährigen Anteilsveräußerung
erwirtschafteten Gewinn nach § 8c KStG)
Tenor
1. Die Vollziehung des Bescheides zur Festsetzung von Vorauszahlungen auf die
Körperschaftsteuer und den Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer für 2009
vom 03.03.2010 wird insoweit aufgehoben, als über einen Betrag von Euro hinaus
Vorauszahlungen festgesetzt worden sind, die Vollziehung des Bescheides für
2009 über den Gewerbesteuermessbetrag für Zwecke der Vorauszahlungen vom
03.03.2010 wird insoweit aufgehoben, als über einen Betrag von … Euro hinaus ein
Gewerbesteuermessbetrag festgesetzt worden ist.
2. Die Vollziehung dauert bis einen Monat nach Zustellung eines Urteils in dem
finanzgerichtlichen Verfahren 4 K 3153/09, längstens bis zur Bestandskraft der
oben bezeichneten Bescheide für Zwecke der Vorauszahlung.
3. Die Kosten des Verfahrens hat das Finanzamt zu tragen.
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob im Falle einer unter § 8 c Abs. 1 S. 2 des
Körperschaftsteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (KStG)
fallenden Anteilsübertragung auf der Ebene der Kapitalgesellschaft während des
Kalenderjahres eine Verrechnung der festgestellten früheren Verluste mit dem bis
zu diesem Zeitpunkt aufgelaufenen Gewinnen stattfindet.
Die Antragstellerin wurde 1993 unter der Firma X-GmbH errichtet und ist seit einer
Sitzverlegung im Handelsregister des Amtsgerichts A eingetragen. Sie hat ein
abweichendes Wirtschaftsjahr vom 01.10 bis 30.09. Gegenstand des
Unternehmens sind Dienstleistungen im Bereich des Anwerbens von Mitarbeitern
für Unternehmen. Sämtliche Gesellschaftsanteile an der Antragstellerin wurden
durch notariellen Kaufvertrag vom 06.05.2008 von der Y an die Z mit Wirkung zum
23.05.2008 veräußert. Aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vom 22.10.2008
trägt die Antragstellerin ihre heutige Firmenbezeichnung.
Wegen des Beteiligungswechsels erstellte die Antragstellerin auf den 23.05.2008
einen Zwischenabschluss. Aus diesem Zwischenabschluss und aus dem
Jahresabschluss für die Zeit vom 01.10.2007 bis 30.09.2008 ergibt sich für das
Geschäftsjahr vom 01.10.2007 bis 23.05.2008 ein positives zu versteuerndes
Einkommen in Höhe von Euro. Für die Zeit vom 23.05.2008 bis 30.09.2008
erwirtschaftet die Antragstellerin ein negatives zu versteuerndes Einkommen in
Höhe von - Euro. Insgesamt ergibt sich damit für das Geschäftsjahr 01.10.2007
bis 30.09.2008 ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von Euro.
Das Finanzamt bat die Antragstellerin aufgrund der Anteilsübertragung zum
Zwecke der Anpassung der Körperschaftsteuer- und
Gewerbesteuervorauszahlungen für die Wirtschaftsjahre 2007/2008 und 2008/2009
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Gewerbesteuervorauszahlungen für die Wirtschaftsjahre 2007/2008 und 2008/2009
um Mitteilung der voraussichtlichen Besteuerungsgrundlagen. Darauf hin teilte die
Antragstellerin mit Schreiben vom 15.05.2009 mit, dass sie voraussichtliche ein zu
versteuernde Einkommen in Höhe von Euro sowie ein Gewerbeertrag in
entsprechender Höhe (ohne Berücksichtigung der Verlustvorträge zum
31.12.2007) erzielen werde. Das Finanzamt passte daraufhin die Vorauszahlungen
an und erließ am 21.07.2009 entsprechende Vorauszahlungsbescheide hinsichtlich
der Gewerbesteuer und einen Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für
Zwecke der Vorauszahlungen.
Am 08.07.2009 gingen dann bei dem Finanzamt die Steuererklärungen für das
Jahr 2008 unter Hinweis auf die Unvollständigkeit wegen Nichtberücksichtigung der
Anteilsübertragung ein und im Nachgang zu diesen Erklärungen teilte die
Antragstellerin mit, die Angaben in den Steuererklärungen seien insoweit unrichtig,
als zum 31.12.2007 bestehende Verlustvorträge (im Bereich der
Körperschaftsteuer: Euro und im Bereich der Gewerbesteuer Euro) bis zum
Veräußerungsstichtag weiter genutzt werden könnten. Unter Bezugnahme auf
diese Einwendung legte die Antragstellerin gegen die Vorauszahlungsbescheide
und den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für Zwecke der
Vorauszahlungen Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens erließ das
Finanzamt am 06.10.2009 Bescheide hinsichtlich der Körperschaftsteuer und
hinsichtlich des Solidaritätszuschlages 2008 sowie hinsichtlich des
Gewerbesteuermessbetrages 2008. Gegen die Bescheide über die Feststellung
des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2008 und
über die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes zum 31.12.2008 legte
die Antragstellerin mit Schreiben vom 20.10.2009 Einspruch ein. Das Finanzamt
wies die Einsprüche durch Einspruchsentscheidung vom 07.12.2009 als
unbegründet zurück. Die dagegen erhobene Klage ist bei dem Hessischen
Finanzgericht unter dem Aktenzeichen 4 K 3153/09 anhängig.
Das Finanzamt erließ am 03.03.2010 ein Vorauszahlungsbescheid für die
Körperschaftsteuer 2009 und den Solidaritätszuschlag und einen Bescheid über
den Gewerbesteuermessbetrag 2009 für Zwecke der Vorauszahlung, in denen es
die Verlustvorträge zum 31.12.2007 nicht berücksichtigte. Dagegen erhob die
Antragstellerin Einspruch und beantragte die Aussetzung der Vollziehung, was von
dem Finanzamt durch Bescheid vom 09.04.2010 abgelehnt wurde. Den gegen die
Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung erhobenen Einspruch wies das
Finanzamt durch Einspruchsentscheidung vom 27.05.2010 als unbegründet
zurück.
Zur Begründung der bei Gericht beantragten Aufhebung der Vollziehung bringt die
Antragstellerin unter Bezugnahme auf ihre Schriftsätze in dem Klageverfahren 4 K
3153/09 vor, für die Anwendung des § 8 c KStG sei das entscheidende Kriterium
das Datum des Beteiligungserwerbs. Altverluste sollten nach dem Sinn und Zweck
der Vorschrift nicht auf Neugesellschafter übertragen werden können.
Entsprechend müssten aber Gewinne bis zum Übertragungsstichtag, die während
der Beteiligung der Altgesellschafter entstanden seien, mit Verlusten aus der
Beteiligungszeit der Altgesellschafter kompensierbar sein. Im konkreten Fall heiße
das, dass der bestehende Verlustvortrag zum 31.12.2007 mit dem Gewinn des
Geschäftsjahres bis zum Übertragungsstichtag, dem 23.05.2008, verrechenbar
seien müsste. Diese Argumentation gelte in gleichen Maßen für die
Gewerbesteuer, da § 10 a S. 10 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) auf § 8 c
KStG verweise. Die Argumentation der Antragstellerin werde auch durch das Urteil
des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22.01.2009, IV R 90/05, das zwar zur Thematik
des gewerbesteuerlichen Verlustvortrages ergangen sei, aber auf § 8 c KStG
durchaus übertragbar sei, gestützt (wegen der diesbezüglichen Ausführungen der
Antragstellerin wird auf ihren Schriftsatz vom 15.12.2009 in dem Verfahren 4 K
3153/09, Seite 5 f. verwiesen).
Die Rechtsansicht der Antragstellerin werde auch durch den Wortlaut des § 8 c
Abs. 1 S. 2 KStG bestätigt, danach gehe der Betrachtungszeitraum für den
Altgesellschafter wörtlich bis zum Beteiligungsübergang. Das Gesetz regle
ausschließlich den Wegfall von Verlusten, die bis zum Beteiligungsübergang
entstanden seien, gehe aber auf Gewinne überhaupt nicht ein. Die Auslegung des
Bundesministeriums der Finanzen in seinem Schreiben vom 04.07.2008 (BStBl. I
2008, 736 Rz. 31), wonach ein bis zum Übergangszeitpunkt entstandene Gewinn
nicht mit abgelaufenen Verlusten verrechenbar sein soll, könne weder aus dem
Gesetzestext selbst noch aus den Gesetzesmaterialien abgeleitet werden.
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Darüber hinaus sei die Gesetzestechnik des § 8 c KStG durchaus vergleichbar mit
der des § 8 Abs. 4 KStG a.F. da in beiden Vorschriften auf die rechtliche und
wirtschaftliche Identität der Gesellschaft abgestellt werde. Die wirtschaftliche
Identität entfalle von § 8 Abs. 4 KStG a.F., wenn bei einem Anteilseignerwechsel
von mehr als 50 % überwiegend neues Betriebsvermögen zugeführt werde. Für
Verluste im Rahmen dieser Altregelung sei im Urteil des BFH vom 05.06.2007, I R
9/06 (BStBl. II 2008, 988) entschieden worden, dass ein bis zum Tag der
Anteilsübertragung entstandener Gewinn mit dem bestehenden Verlustvorträgen
verrechnet werden könne.
Bei Zugrundelegung der Verwaltungsmeinung stelle sich die Situation der
Antragstellerin wie folgt dar: Die alte Gesellschafterin der Antragstellerin trage
mittelbar die Anfangsgewinne des Jahres 2008, könne diese aber nicht mit den von
ihr selbst mittelbar erwirtschafteten Verlusten ausgleichen. Unter der neuen
Gesellschafterin werde ab Mai mittelbar ein Verlust erwirtschaftet, der durch den
Gewinnvorverkauf kompensiert werde, im Ergebnis würden dadurch mittelbar für
die Gesellschafterin Gewinne der Altgesellschafterin besteuert.
Für die Rechtsansicht der Antragstellerin spreche auch die Gesetzesbegründung
bei Änderung bzw. Entschärfung des § 8 c KStG durch das
Wachstumsbeschleunigungsgesetz vom 22.12.2009 (Bundesgesetzblatt I 2009,
3950). Nachdem der Gesetzgeber die Brisanz der vollständig untergehenden
Verluste bei Anteilseignerwechsel erkannt habe, sei der Übergang von Verlusten
zugelassen worden, soweit diesen Verlusten stille Reserven gegenüberstehen
würden. Es solle lediglich kein zusätzliches Verlustpotential mit übergehen (unter
Hinweis auf Bundestagsdrucksache 17/15 vom 09.11.2009, S. 19). Laut
Gesetzestext werde auf die „zum Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs
vorhandenen stillen Reserven“ (§ 8 c Abs. 1 S. 6 KStG) abgestellt. So wohl bei der
Ermittlung der stillen Reserven als auch des Verlustes müsse daher auf die jeweils
am Übertragungsstichtag vorhandenen Werte zurückgegriffen werden. Die
Argumentation der Antragstellerin werde auch durch die Gewerbesteuerrichtlinien
2009 -hier R 10a 1 Abs. 3- bestätigt.
Das Finanzamt vertritt die Ansicht, ein bis zum Beteiligungserwerb im Sinne des
§ 8 c Abs. 1 S. 2 KStG erwirtschaftete Gewinn, der während der Beteiligung der
Altgesellschafterin entstanden sei, könne nicht mit nicht ausgenutzten Verlusten
verrechnet werden (unter Hinweis auf das BMF-Schreiben vom 04.07.2008, BStBl. I
2008, 736). Eine unterjährige Verlustverrechnung kenne das Steuerrecht nicht.
Unterjährig sei kein Gewinn entstanden, dieser entstehe erst zum Ende des
Wirtschaftsjahres. Zu diesem sei der Tatbestand des § 8 c Abs. 1 KStG aber
bereits verwirklicht, das heißt die bis dahin angefallenen Verluste seien
unabziehbar geworden. Bei der Übertragung von mehr als 50 % der Anteile einer
Körperschaft komme es daher zum vollständigen Untergang des Verlustabzugs.
Der Neureglung des § 8 c KStG liege der Gedanke zu Grunde, dass sich die
wirtschaftliche Identität einer Gesellschaft durch das wirtschaftliche Engagement
eines anderen Anteilseigners ändere. Eine Körperschaft solle demnach
aufgelaufene Verluste nur dann mit Gewinn verrechnen dürfen, wenn die
Körperschaft, die den Verlust erlitten habe, mit der Körperschaft, die den Gewinn
erzielt habe, wirtschaftlich als identisch anzusehen sei. § 8 c KStG solle zu einer
wesentlichen Vereinfachung der Rechtslage gegenüber § 8 Abs. 4 a.F. KStG führen.
Das bedeute für den hier zu beurteilenden Fall, dass allein die Anteilsveräußerung
dazu führe, dass die wirtschaftliche Identität der Gesellschaft nicht mehr gegeben
sei. Dies bedeute weiter, dass nach dem Gesetzeszweck der neue Anteilseigner
nicht in den Genuss der alten Verluste kommen solle. Demnach seien für die
Antragstellerin die bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht genutzten
Verluste vollständig nicht mehr abziehbar.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze der
Antragstellerin vom 15.12.2009, 15.02.2010 und 29.06.2010 sowie auf den
Schriftsatz des Finanzamtes vom 28.01.2010 in dem Verfahren 4 K 3153/09
verwiesen.
Entscheidungsgründe
II. 1. Der Antrag ist begründet. Die Vollziehung der Vorauszahlungsbescheide zur
Körperschaftsteuer und zu dem Solidaritätszuschlag für 2009 und des Bescheides
für 2009 über den Gewerbesteuermessbetrag für Zwecke der Vorauszahlungen
war insoweit aufzuheben, als für die Körperschaftsteuer Verluste in Höhe
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war insoweit aufzuheben, als für die Körperschaftsteuer Verluste in Höhe
von Euro und für den Bereich des Gewerbesteuermessbetrages Verluste in Höhe
von Euro gemäß der Berechnung der Antragstellerin vom 18.08.2010 nicht
berücksichtigt worden sind. Insoweit bestehen ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide, weil das Finanzamt die Vorschrift
des § 8 c Abs. 1 S. 2 KStG so angewandt hat, dass auch für die bis zum
23.05.2008 erwirtschafteten Gewinne der Antragstellerin kein Ausgleich mit dem
bis zum 31.12.2007 erwirtschafteten Verluste zugelassen wurde.
Ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 FGO
bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes
anhand des aktenkundigen Sachverhaltes neben für die Rechtmäßigkeit
sprechenden Umständen, gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende
Umstände zu Tage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der
Beurteilung von Rechtsfragen oder Unsicherheit in der Beurteilung von Tatfragen
bewirken. Insoweit sind bei einer notwendigen Abwägung der im Einzelfall
entscheidungsrelevanten Umstände und Gründe die Erfolgsaussichten des
Rechtsbehelfs zu berücksichtigen (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. nur
Beschlüsse vom 10.02.1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182 und vom
07.01.2004 I B 197/03, BFH/NV 2004, 635).
Nach summarischer Prüfung bestehen erhebliche Zweifel, ob § 8 c Abs. 1 S. 2
KStG in der Weise auszulegen und anzuwenden ist, dass bei einer unterjährigen
Anteilsveräußerung bisher nicht genutzte Verluste auch mit bis zur
Anteilsveräußerung erwirtschafteten Gewinnen nicht mehr verrechnet werden
können. Der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte und die Rechtssprechung des
BFH zum gewerbesteuerlichen Verlustvortrag und zu § 8 Abs. 4 a.F. KStG bewirken
insoweit eine Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen.
Nach § 8 c Abs. 1 S. 1 KStG sind bei einer mittelbaren oder unmittelbaren
Anteilsübertragung von 25 % der Gesellschaftsanteile die bis zum schädlichen
Beteiligungserwerb nicht ausgeglichenen oder abgezogenen negativen Einkünfte
(nicht genutzte Verluste) nicht mehr abziehbar. Nach § 8 c Abs. 1 S. 2 KStG sind
unabhängig von den Voraussetzungen des Satzes 1 bis zum schädlichen
Beteiligungserwerb nicht genutzte Verluste vollständig nicht mehr abziehbar, wenn
innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 50 % des
gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder der
Stimmrechte an einer Körperschaft an einen Erwerber oder diesen nahestehende
Person übertragen werden oder wenn ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt.
Der Wortlaut des § 8 c Abs. 1 S. 1 und 2 KStG spricht dafür, dass bis zum
schädlichen Beteiligungserwerb erwirtschaftete Gewinne grundsätzlich miteinander
verrechnet werden können. § 8 c Abs. 1 S. 2 bezieht sich insofern eindeutig auf
„bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht genutzte Verluste“. Auch die
Gesetzesmaterialien sprechen dafür, dass § 8 c Abs. 1 S. 1 und 2 KStG lediglich
eine stichtagsbezogene Einschränkung der Verlustverrechnung regeln sollte. Nach
der Gesetzesbegründung zum Unternehmenssteuerreformgesetz 2008
(Bundestagsdrucksache 16/4841 vom 27.03.2007, S. 76) liegt der Neuregelung
des § 8 c „der Gedanke zu Grunde, dass sich die wirtschaftliche Identität einer
Gesellschaft durch das wirtschaftliche Engagement eines anderen Anteilseigners
(oder Anteilseignerkreises) ändert. Die in früherer Zeit erwirtschafteten Verluste
bleiben unberücksichtigt, soweit sie auf dieses neue wirtschaftliche Engagement
entfallen“. Diesem Gesetzeszweck würde nicht entsprochen, wenn bei einem
unterjährigen schädlichen Beteiligungserwerb die bis zum Stichtag
erwirtschafteten Gewinne und Verluste nicht miteinander verrechnet werden
können. Zu Recht weist die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 15.12.2009 auf
das sinnwidrige Ergebnis der Verwaltungsansicht hin. Denn sie würde dazu führen,
dass die früheren Anteilseigner mittelbar die jeweiligen Anfangsgewinne des
Übertragungsjahres erwirtschaftet würden, diese aber mit den von ihnen selbst
mittelbar erwirtschafteten Verlusten nicht ausgleichen könnten. Eine konsequente
Umsetzung des in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommenden
Gesetzeszweckes wäre nur dann gewährleistet, wenn die bis zum schädlichen
Beteiligungserwerb erwirtschafteten Gewinne und Verluste miteinander verrechnet
werden könnten. Diese Auslegung und Anwendung des § 8 c Abs. 1 S. 2 KStG wird
auch von der ganz überwiegenden Mehrheit der Meinungsäußerungen in der
steuerrechtlichen Literatur für zutreffend gehalten (vgl. nur Brandis in Blümich,
EStG, KStG, GewStG, § 8 c KStG Rz. 56; Roser in Gosch, Körperschaftsteuergesetz,
2. Auflage 2009, § 8 c Rz. 97 und Neyer, Verlustnutzung nach unterjährigem
Anteilserwerb: Verwertungsverbot und Verschonungsregeln, Deutsches
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Anteilserwerb: Verwertungsverbot und Verschonungsregeln, Deutsches
Steuerrecht 2010, 1600, jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Soweit das Finanzamt die Ansicht vertritt, dass bei einem schädlichen
Beteiligungserwerb während des laufenden Wirtschaftsjahres ein bis zu diesem
Beteiligungserwerb erzielter Gewinn nicht mit noch nicht genutzten Verlusten
verrechnet werden kann (BMF-Schreiben vom 04.07.2008, BStBl. I 2008, 736
Tz. 31) und sich zur Begründung dieser Ansicht darauf beruft, dass das
Steuerrecht eine unterjährige Verlustverrechnung nicht erkenne bzw. dass
unterjährig kein Gewinn entstehe (unter Berufung auf Frotscher in Frotscher/ Maas,
KStG/UmwStG, § 8 c KStG Rz. 78) kann dem nicht gefolgt werden. Insoweit ist es
zwar zutreffend, dass nach den Gewinnermittlungsvorschriften ein Gewinn erst
zum Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahres oder Veranlagungszeitraumes
festgestellt bzw. ermittelt wird, gleichwohl schließt diese Systematik der
Gewinnermittlung nicht aus, dass zur Berücksichtigung einzelner steuerrechtlicher
Vorschriften Gewinne und Verluste unterjährig zu einem bestimmten Stichtag in
dem jeweiligen Wirtschaftsjahr verrechnet werden. Insoweit weist die
Antragstellerin zu Recht auf das zum gewerbesteuerlichen Verlustvortrag
ergangene BFH-Urteil vom 22.01.2009, IV R 90/05 (BFH/NV 2009, 843) und auf das
zu § 8 Abs. 4 KStG a.F. ergangene BFH-Urteil vom 05.06.2007, I R 9/06 (BStBl. II
2008, 988), in denen zu verwandten rechtlichen Problembereichen eine
Verlustverrechnung für ein Teil des jeweiligen Wirtschaftsjahres ohne weiteres für
möglich gehalten wird.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.