Urteil des FG Hessen vom 13.12.2010

FG Frankfurt: unbeschränkte steuerpflicht, zustand, kirchensteuer, ferien, bad, durchschnitt, wohnfläche, eltern, einspruch, aufenthalt

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Gericht:
Hessisches
Finanzgericht 3.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahre:
2005, 2006
Aktenzeichen:
3 K 1060/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 Abs 1 EStG 2002, § 8 AO, §
39d EStG 2002
Unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland bei "Standby-
Wohnung" einer Flugbegleiterin
Leitsatz
Bei der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 AO ist allein auf objektive
Merkmale abzustellen. Sind diese erfüllt, so wird ein inländischer Wohnsitz unterhalten.
Die subjektive Einschätzung des Steuerpflichtigen, bei den Räumlichkeiten handele es
sich nicht um eine Wohnung, sondern um eine bloße Schlafstelle bzw. Hotelersatz, ist
unbeachtlich.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin im Streitzeitraum in Deutschland
einen Wohnsitz hatte und damit unbeschränkt steuerpflichtig war. Dem
Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die Klägerin ist seit … 2002 Flugbegleiterin bei …( Fluglinie ) mit Einsatzflughafen A
( im Bundesgebiet ). Bis zum 31.05.2004 wohnte die Klägerin in einer
angemieteten 1-Zimmer-Wohnung in B ( im Bundesgebiet ). Zum 01.06.2004 zog
sie zu ihrem damaligen Verlobten und jetzigen Ehemann, Herrn O, nach … (
europ. Ausland ). Dieser ist gleichfalls bei der … als … beschäftigt, sein
Einsatzflughafen ist ebenfalls A.
Ab dem 01.08.2004 mietete die Klägerin gemeinsam mit Herrn O eine Wohnung in
der …-Straße … in C ( im Bundesgebiet ) an. Dabei handelt es sich um eine 1,5-
Zimmerwohnung mit Küche und Bad und einem 1,20 m breiten Bett; die
Wohnfläche beträgt 26m² beträgt. Die Wohnung wird von der Klägerin und ihrem
Ehemann als so genannte „Standby-Wohnung“ genutzt. Aufgrund dienstlicher
Vorschriften verlangt die … ( Fluglinie ) von ihren Besatzungsmitgliedern, den
Flugdienst pünktlich und ausgeruht anzutreten. Zu diesem Zweck müssen die
Besatzungsmitglieder im Einzugsbereich ihrer Einsatzorte, das heißt in einer
maximalen Entfernung von 50 km zum Flughafen, über eine Unterkunft verfügen,
wobei hierfür auch ein Hotel ausreichen würde. Um einerseits den dienstlichen
Anforderungen zu genügen und andererseits Hotelkosten zu vermeiden, teilte sich
die Klägerin die oben genannte Wohnung mit ihrem damaligen Verlobten.
In den Streitjahren verbrachte die Klägerin im Schnitt zwei bis drei Nächte im
Monat in der Wohnung; meistens alleine, teilweise aber auch zusammen mit Herrn
O, wenn es dessen dienstliche Belange erforderten. Außer zum Zweck der
gelegentlichen Übernachtung vor bzw. nach dem Dienst, während des
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gelegentlichen Übernachtung vor bzw. nach dem Dienst, während des
Bereitschaftsdienstes und bei mehrtägigen Schulungen, wurde die Wohnung von
den Mietern nicht genutzt. Ihre freie Zeit verbrachte die Klägerin an ihrem
Familienwohnsitz in … ( europ. Ausland ). Alle 6-8 Wochen besucht sie ihre Eltern in
Deutschland.
Die Klägerin erhielt auf ihren Antrag für die Jahre 2005 und 2006 vom Finanzamt …
in … -Lohnsteuerarbeitgeberstelle- Bescheinigungen für beschränkt
steuerpflichtige Arbeitnehmer gemäß § 39 d Einkommensteuergesetz (EStG). Die
… ( Fluglinie ) behandelte sie in der Konsequenz als beschränkt steuerpflichtig; es
wurde nur der so genannte Inlandsanteil ihres Lohns der Besteuerung in
Deutschland unterworfen.
In der Folgezeit führte die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts … gegen die
Klägerin Ermittlungen durch. In ihrem Bericht vom ...12.2007 kommt sie zu dem
Ergebnis, dass die Klägerin mit der „Standby-Wohnung“ einen Wohnsitz gemäß § 8
Abgabenordnung (AO) begründet habe und daher in Deutschland unbeschränkt
einkommensteuerpflichtig sei.
Die im Bericht getroffenen Feststellungen machte sich der Beklagte (das
Finanzamt) zu Eigen und erließ am ...12.2007 Nachforderungsbescheide
hinsichtlich Lohnsteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag für die Jahre 2005
und 2006. Gegen die Bescheide legte die Klägerin mit Schreiben vom ...12.2007
Einspruch ein.
Nachdem die Klägerin im Einspruchsverfahren weitere Werbungskosten und
Sonderausgaben geltend gemacht hatte, half das Finanzamt dem Einspruch durch
Änderungsbescheid vom ...09.2008 insoweit teilweise ab. Der Änderungsbescheid
wurde Gegenstand des Einspruchsverfahrens. Mit Bescheid vom ...03.2009 wies
das Finanzamt die Einsprüche als unbegründet zurück. Dagegen hat die Klägerin,
vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, am ...04.2009 vor dem
Hessischen Finanzgericht Klage erhoben.
Die Klägerin ist der Auffassung, durch die Nutzung der „Standby-Wohnung“ habe
sie keinen Wohnsitz in Deutschland begründet. Es handele sich lediglich um eine
neben dem im Ausland belegenen Familienwohnsitz bestehende Schlafstelle im
Inland. Es sei bereits keine „Wohnung“ im Sinne von § 8 AO gegeben, da die
Zimmer nur zum Zweck der gelegentlichen Übernachtungen vor bzw. nach dem
Dienst oder während des Bereitschaftsdienstes genutzt worden seien, der
Aufenthalt damit ausschließlich beruflich veranlasst und bereits das semantisch
vom Begriff der Wohnung vorausgesetzte Elemente des Wohnens nicht gegeben
sei. Dies werde auch daran deutlich, dass die Klägerin kaum persönliche
Gegenstände in der Wohnung aufbewahrt habe. Die Räumlichkeiten seien mit
einem Hotelzimmer vergleichbar, das ebenfalls keinen Wohnsitz begründe.
Auch die Dauer des Aufenthalts spräche gegen eine Wohnsitznahme. In diesem
Kontext beruft sich die Klägerin auf die zu Besuchs- und Erholungszwecken
ergangene Rechtsprechung. Danach reiche es zur Begründung eines Wohnsitzes
in Deutschland einer im Ausland lebenden Person nicht aus, wenn die inländische
Wohnung lediglich wenige Wochen im Jahr genutzt werde.
Des Weiteren scheide die Annahme eines Wohnsitzes wegen der Ausstattung und
Einrichtung der Wohnung aus. Diese beiden Faktoren seien nach der
Rechtsprechung ein geeignetes Indiz dafür, ob jemand eine Wohnung unter
Umständen inne habe, die den Rückschluss auf eine dauerhafte Benutzung zu
Wohnzwecken zuließen. Die „Standby-Wohnung“ sei von ihrer Art her weit unter
dem Niveau, das eine Familie mit den Einkommensverhältnissen eines … und
einer Stewardess als Wohnung wählen würde. Das spräche gegen eine dauerhafte
Benutzung zu Wohnzwecken.
Schließlich seien auch der Familienstand und die Intensität der persönlichen
Bindung an den Ort der Belegenheit der Wohnung zu berücksichtigen. Wenn ein
Steuerpflichtiger, der bereits einen festen Familienwohnsitz habe, neben diesem
an einem anderen Ort berufsbedingt eine Wohnung nehme, in der er sich nur
wenige Tage aufhalte, müssten zur Begründung eines weiteren Wohnsitzes
strenge Anforderungen gelten. Zur Annahme eines Wohnsitzes müsse ein zweiter
Lebensmittelpunkt geschaffen werden, was im Streitfall nicht gegeben sei.
Die Klägerin beantragt,
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die Bescheide über die Festsetzung von nachzufordernder Lohnsteuer,
Kirchensteuer sowie Solidaritätszuschlag für die Jahre 2005 und 2006 vom
...12.2007, geändert durch Teilabhilfebescheid vom ...09.2008, in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom ...03.2009 aufzuheben,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Finanzamt ist der Ansicht, durch die Anmietung und Nutzung des „Standby-
Zimmers“ habe die Klägerin einen inländischen Wohnsitz begründet. Unter einer
Wohnung seien alle Räumlichkeiten zu verstehen, die objektiv zum dauerhaften
wohnen geeignet seien. Insbesondere eine Zweitwohnung müsse nicht den
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen angemessen
sein; insoweit genüge eine Mindestausstattung mit einfachsten Mitteln. Diese
Voraussetzungen würden von der streitgegenständlichen Wohnung erfüllt.
Die Klägerin habe die Wohnung inne gehabt. Eine Nutzung an einer Mindestanzahl
von Tagen oder Wochen im Jahr sei dazu nicht erforderlich. Auch unregelmäßige
Aufenthalte in einer Wohnung könnten zur Aufrechterhaltung eines dortigen
Wohnsitzes führen. Dieses Erfordernis werde durch die im Durchschnitt zwei bis
drei Übernachtungen im Monat erfüllt.
Weiterhin lägen Umstände vor, die den Schluss zuließen, dass die Wohnung
beibehalten und benutzt wird. Das zwischen der Klägerin und der … ( Fluglinie )
geschlossene Arbeitsverhältnis sei unbefristet. An dem Einsatzflughafen A werde
sich auf absehbare Zeit nichts ändern. In der Konsequenz sei davon auszugehen,
dass die Klägerin das „Standby-Zimmer“ auch zukünftig nutzen werde.
Dem Gericht hat bei seiner Entscheidung ein Band Einkommenssteuerakten
vorgelegen.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist nicht begründet.
Die angefochtenen Bescheide über Lohn- und Kirchensteuer sowie
Solidaritätszuschlag sind zu Recht ergangen. Die Klägerin war im Streitzeitraum in
Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gem. § 1 Abs. 1 EStG, denn
sie unterhielt in der Wohnung in der …-Str. … in C einen inländischen Wohnsitz.
1. Der Wohnsitzbegriff wird in § 8 AO legaldefiniert. Danach besteht ein Wohnsitz
dort, wo jemand eine Wohnung unter Umständen inne hat, die darauf schließen
lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Der steuerrechtliche
Wohnsitzbegriff unterscheidet sich vom zivilrechtlichen dadurch, dass er nicht auf
den rechtsgeschäftlichen Willen des Steuerpflichtigen, sondern auf die tatsächliche
Gestaltung abstellt und damit an äußere Merkmale anknüpft. Subjektive Momente
sind dabei unbeachtlich. Maßgebend ist der objektive Zustand, das Innehaben
einer Wohnung und die Umstände, die darauf schließen lassen, dass die Wohnung
beibehalten und benutzt wird. Ist dieser Zustand objektiv gegeben, so ist ein
entgegenstehender Wille des Steuerpflichtigen unbeachtlich (ständige
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs- BFH-, vgl. Urteil vom 24.04.1964 VI 236/62
U, BStBl. III 1964, 462; vom 23.11.1988 II R 139/87, BStBl. II 182; Beschluss vom
05.11.2001 VI B 219/00, BFH/NV 2002, 311). Das Anknüpfen an objektive
Merkmale ist im Hinblick auf § 38 AO geboten. Nach dieser Vorschrift entsteht der
Steueranspruch allein dadurch, dass der gesetzliche Tatbestand verwirklicht wird
ohne Rücksicht auf subjektive Momente (vgl. Kruse in Tipke/ Kruse, AO-
Kommentar, § 8 Rz. 2). Der Steueranspruch entsteht ohne einen darauf
gerichteten Willen des Steuerpflichtigen. Damit sind auch bei Begründung,
Beibehaltung oder Aufhebung des Wohnsitzes subjektive Momente unbeachtlich.
a) Grundvoraussetzung eines Wohnsitzes ist damit das Vorhandensein einer
Wohnung. Darunter sind Räumlichkeiten zu verstehen, die objektiv zum
dauerhaften Wohnen geeignet und bestimmt sind. Sie müssen eine selbstständige
Lebensführung ermöglichen, also so ausgestattet sein, dass sie ihren Bewohnern
eine dauerhafte Bleibe bieten. Es genügt eine bescheidene Bleibe (Birk in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 8 AO Rz. 20). Eine abgeschlossene Wohnung i. S. d.
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Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 8 AO Rz. 20). Eine abgeschlossene Wohnung i. S. d.
Bewertungsgesetzes ist nicht erforderlich; entsprechendes gilt für eine eigene
Küche sowie sanitäre Einrichtungen (Birk in Hübschmann/Hepp/
Spitaler, § 8 AO Rz. 23). Darauf, ob die Räumlichkeiten mit eigenen oder fremden
Möbeln und Gerätschaften ausgestattet sind, kommt es nicht an (vgl. BFH-Urteil
vom 14.11.1969 III R 95/68, BStBl II 1970, 153). Es ist nur eine gewisse
Mindestausstattung und – Größe zu fordern. Dass die zur Verfügung stehende
Fläche ein Übernachten ermöglicht, ist nicht ausreichend. Es muss vielmehr
möglich sein, in der Räumlichkeit tatsächlich zu wohnen, was ein Mindestmaß an
Bewegungsfreiheit voraussetzt (vgl. Birk in Hübschmann/
Hepp/Spitaler, § 8 AO Rz. 22 m. w. N.).
b) Weiter muss der Steuerpflichtige die Wohnung inne haben. Das Innehaben setzt
voraus, dass er über die Wohnung tatsächlich verfügten kann und er sie mit einer
gewissen Regelmäßigkeit, wenn auch in größeren Zeitabständen, aufsucht (BFH-
Urteil vom 23.11.2000 VI R 107/99, BStBl. II 2001, 294 mit weiteren Nachweisen –
m.w.N. -). Eine Mindestzahl an Aufenthaltstagen im Jahr ist insoweit nicht
erforderlich (vgl. BFH-Urteil vom 28.01.2004 I R 56/02, BFH/NV 2004, 917); die
Nutzung der Wohnung muss jedoch zu Wohnzwecken erfolgen und sie muss in
Umfang und Regelmäßigkeit über gewöhnliche Ferien- und Erholungsaufenthalte
hinausgehen (vgl. Buciek in Beermann/Gosch, § 8 AO Rz. 27 m.w.N.).
c) Das Innehaben muss unter Umständen geschehen, die darauf schließen lassen,
dass die Wohnung beibehalten und benutzt wird. Maßgebend ist der objektive
Zustand, das Innehaben der Wohnung unter Umständen, die den Schluss
rechtfertigen, dass ihr Inhaber diese Wohnung für seine eigenen Zwecke
beibehalten und benutzen wird (BFH-Urteil vom 23.11.2000, a.a.O.). Bei der
hiernach erforderlichen Prognoseentscheidung müssen aus den äußeren
objektiven Tatsachen Schlüsse auf das künftige Verhalten gezogen werden (Kruse
in Tipke/ Kruse, a.a.O., § 8 Rz. 9).
2. Der erkennende Senat ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu der
Überzeugung gelangt, dass die Klägerin in der streitgegenständlichen Wohnung
einen inländischen Wohnsitz hatte.
a) Bei Übertragung der oben dargestellten Grundsätze auf den Streitfall erfüllt die
„Standby-Wohnung“ der Klägerin den Wohnungsbegriff des § 8 AO. Mit einer Größe
von 26 m² Wohnfläche, eigenem Bad und eigener Küche war die Wohnung objektiv
zum dauerhaften Wohnen geeignet und bestimmt. Daran ändert auch der
Umstand nichts, dass sie eher spartanisch ausgestattet war. Jedenfalls genügte
sie den Anforderungen an eine bescheidene Bleibe. Vor diesem Hintergrund geht
auch der Einwand der Klägerin, die „Standby-Wohnung“ sei von ihrer Art her weit
unter dem Niveau, das eine Familie mit den Einkommensverhältnissen eines …
und einer Stewardess als Wohnung wählen würde ins Leere (im übrigen auch
deshalb, weil die Klägerin im Streitzeitraum mit Herrn O noch nicht verheiratet war
und deshalb keine Familie vorlag).
b) Die Klägerin hatte die Wohnung inne. Als Mieterin war sie aus eigenem Recht zur
Nutzung der Räumlichkeiten befugt. Sie besaß einen Schlüssel, so dass sie
jederzeit über die Wohnung verfügen konnte. Die Klägerin hat die Wohnung auch
tatsächlich zu Wohnzwecken genutzt. Sie hat die „Standby-Wohnung“ mit einer
gewissen Regelmäßigkeit vor bzw. nach dem Dienst, während des
Bereitschaftsdienstes und bei mehrtägigen Schulungen -in Abhängigkeit von ihrem
Dienstplan - im Durchschnitt zwei bis drei Tage im Monat zu
Übernachtungszwecken aufgesucht und sich dort aufgehalten. In Anbetracht der
Tatsache, dass insoweit keine Mindestanzahl an Aufenthaltstagen pro Jahr
vorausgesetzt wird, ist die relativ niedrige Zahl an Übernachtungen unschädlich.
Dass der Aufenthalt in der Wohnung (mittelbar) beruflich veranlasst war, spielt
keine Rolle. Das Übernachten stellt nämlich einen Wohnvorgang dar, so dass eine
Nutzung zu Wohnzwecken gegeben ist (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 10.07.2008 6
K 56/06, juris).
Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf die zu Besuchs-/Erholungszwecken und
zum Kindergeldrecht (Kinder gehen im Heimatland der ausländischen Eltern zu
Schule und kommen nur in den Ferien in die elterliche Wohnung nach
Deutschland) ergangene Rechtsprechung berufen. Dieser liegen andere
Sachverhalte als dem hier zu beurteilenden zu Grunde. Mangels Vergleichbarkeit
ist die rechtliche Würdigung dieser Sachverhalte nicht auf den Streitfall
übertragbar.
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c) Die Klägerin hatte die Wohnung auch unter Umständen inne, die den Schluss
zuließen, dass sie die Wohnung beibehalten und benutzen würde. Die Wohnung
sollte während der beruflichen Tätigkeit bei der … ( Fluglinie ) als Unterkunft
genutzt werden. Da das zwischen der Klägerin und der … ( Fluglinie ) bestehende
Arbeitsverhältnis ebenso unbefristet war wie der über die streitgegenständliche
Wohnung geschlossene Mietvertrag, ist davon auszugehen, dass die Nutzung der
Wohnung auf Dauer angelegt war. Entgegenstehende Anhaltspunkte sind nicht
vorgetragen worden.
Der Vortrag der Klägerin, die Voraussetzungen des § 8 AO lägen deshalb nicht vor,
weil es sich bei der Wohnung um eine bloße Schlafstelle mit Hotelcharakter
handele, überzeugt nicht. Bei der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des §
8 AO ist allein auf objektive Merkmale abzustellen. Im Streitfall erfüllt die Klägerin
mit der streitgegenständlichen Wohnung die für die Annahme eines Wohnsitzes
erforderlichen Tatbestandsmerkmale. Bei ihrer Qualifikation der Wohnung als
Schlafstelle bzw. Hotelersatz handelte es sich demgegenüber um ihre persönliche
(subjektive) Einschätzung. Da subjektive Merkmale bei der Beurteilung des
Wohnsitzes außen vor bleiben (siehe I.1.), ist die subjektive Wertung der Klägerin
unbeachtlich. Entsprechendes gilt für das Vorbringen, die Klägerin habe die
Wohnung mangels Bindung zu dieser nicht als häusliche Bleibe angesehen.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
III. Die Revision war zuzulassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat und
eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts erforderlich ist (§ 115 Abs.
2 Nr. 1 und 2 1. Alt. FGO). Dabei wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es
sich bei diesem Verfahren um eines von drei Musterverfahren handelt, deren
Ausgang für eine Vielzahl anderer bei den Finanzämtern anhängiger (ruhender)
Verfahren, denen ein vergleichbarer Sachverhalt zu Grunde liegt, von Bedeutung
ist.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.