Urteil des FG Hessen vom 25.11.2010

FG Frankfurt: gerichtshof der europäischen gemeinschaften, zollrechtliche tarifierung, alkoholisches getränk, einreihung, produkt, ernährung, lebensmittel, steuersatz, ware, unternehmer

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Gericht:
Hessisches
Finanzgericht 7.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2008
Aktenzeichen:
7 K 3205/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 12 Abs 2 Nr 1 UStG 2005,
Pos 2202 KN
Einreihung von Sondennahrung
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Streitig ist die zolltarifliche Einreihung der von der Klägerin hergestellten und
vertriebenen Produkte A und Produkt B, weil davon der anzuwendende
Umsatzsteuersatz (im Streitfall für das Jahr 2008) abhängt.
Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz i.V.m. Nr. 33 der Anlage 2
unterfallen Lebensmittelzubereitungen im Sinne von Kapitel 21 der Kombinierten
Nomenklatur (KN) dem ermäßigten Umsatzsteuersatz im Jahr 2008 von 7 %.
Sofern die Produkte als Getränke in Kapitel 22 KN einzureihen wären, würde dies
zur Anwendung des Regelsteuersatzes (in 2008 = 19 %) führen.
Das Produkt A ist zur diätetischen Behandlung von Mangelernährungen bei
Kindern ab fünf Jahren, Heranwachsenden und Erwachsenen mit weitgehend
intakter Verdauungs- und Resorptionsfunktion geeignet. Der Einsatz dieser
Nahrung empfiehlt sich insbesondere bei fehlender oder eingeschränkter Fähigkeit
zur ausreichenden normalen Ernährung, während oder nach Antibiotikatherapie,
bei entzündlichen Darmerkrankungen nach Ende der akuten Phase,
Darmfunktionsstörungen sowie nach längerer totaler parenteraler Ernährung.
Produkt B ist zur diätetischen Behandlung von Mangelernährung bei Kindern ab 12
Jahren, Heranwachsenden und Erwachsenen mit weitgehend intakter Verdauungs-
und Resorptionsfunktion geeignet. Der Einsatz empfiehlt sich insbesondere bei
fehlender oder eingeschränkter Fähigkeit zur ausreichenden normalen Ernährung,
normalem Energie- und Nährstoffbedarf, Langzeiternährung mit Ballaststoffen
sowie Unverträglichkeiten gegenüber anderen Sondennahrungen.
Beide Produkte werden in den Handelsformen einer Weithalsflasche oder im
Flexibag angeboten. In den Produktblättern der Klägerin, auf die insoweit wegen
der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, werden beide Produkte als diätetisches
Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diät) bezeichnet.
Beide stellen nach Angabe der Klägerin eine gebrauchsfertige, Nährstoff definierte
bilanzierte Diät zur ausschließlichen Ernährung dar.
Für Produkte unter der Bezeichnung X sowie Y, die in ihrer Zusammensetzung
einerseits Produkt A und andererseits Produkt B entsprechen, hat die damalige
Oberfinanzdirektion, Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt, jeweils unter dem
29. Oktober 2002 unverbindliche Zolltarifauskünfte für Umsatzsteuerzwecke. Die
Einreihung in die Zollnomenklatur erfolgte für beide als Sondennahrung
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Einreihung in die Zollnomenklatur erfolgte für beide als Sondennahrung
beschriebenen Waren unter Pos. 2202 9000 00 0 KN als Getränk und nicht als
Lebensmittelzubereitung. Die Tarifauskünfte waren von der X- GmbH beantragt
worden.
Die Finanzverwaltung hatte bis zum Jahre 2003 die Anwendung des ermäßigten
Umsatzsteuersatzes auf Sondennahrung als sonstige Lebensmittelzubereitung
nicht beanstandet. Ab diesem Zeitpunkt wurde die Sondennahrung zolltariflich den
Getränken zugeordnet und die Umsätze deshalb dem Regelsteuersatz
unterworfen. Dies führte mehrfach zu sozialgerichtlichen Streitverfahren, weil die
Sozialversicherungsträger die Zahlung des in den Rechnungen enthaltenen
Regelsteuersatzes ablehnten. Die Sozialgerichte hielten die von der Zollverwaltung
vertretene und von der Finanzverwaltung übernommene Tarifauffassung für
unzutreffend. Da sie sich selbst für befugt hielten, die Einreihung vorzunehmen,
bewerteten sie die Sondennahrung weiterhin als Lebensmittel, für das der
begünstigte Steuersatz anzuwenden sei. Die entsprechenden Urteile z.B. des
Landesozialgerichtes Rheinland-Pfalz (vom 02.08.2007 L 5 KR 200/05 – Juris) und
des Bayerischen Landessozialgerichtes (vom 12.07.2008 L 5 KR 223/06 – Juris)
wurden dann allerdings vom Bundessozialgericht aufgehoben (Urteile des
Bundessozialgerichtes vom 17. Juli 2008 B 3 KR 16/07 R – Juris – und vom
03.03.2009 B 1 KR 7/08 R – Juris). Das Bundessozialgericht hat in Abs. 13 des
erstgenannten Urteils klargestellt, dass das Entscheidungsrecht über die
Besteuerung nach dem System der Abgabenordnung ausschließlich bei den
Finanzbehörden liegt. Nur diese würden verbindliche Entscheidungen über die
Steuerpflicht treffen. Meinungsunterschiede über Grund und Höhe der
Umsatzsteuerpflicht seien zwischen dem Unternehmer als Steuerschuldner und
dem Steuerfiskus als Steuergläubiger zu klären. Entscheidungen der Zivilgerichte
oder – wie vorliegend – der Sozialgerichte im Verhältnis zwischen Unternehmer
und Abnehmer entfalten in der öffentlich-rechtlichen Beziehung zwischen
Unternehmer und Steuerfiskus keine Bindungswirkung. Es müsse deshalb allein
den Finanzbehörden und ggf. den zuständigen Finanzgerichten überlassen bleiben,
die aufgeworfenen steuerrechtlichen Fragen zu klären. Nur die Entscheidungen
dieser Behörden und Gerichte würden alle Beteiligten binden und müssten, wenn
sie bestandskräftig geworden seien, in den anderen, davon abhängigen
Streitverfahren beachtet werden. Grundsätzlich sei daher die von der
Finanzverwaltung bindend getroffene Festsetzung der Umsatzsteuer im Verhältnis
zwischen Unternehmer und Abnehmer ebenfalls als verbindlich anzusehen.
Unter Hinweis auf das Urteil des Landessozialgerichtes Rheinland-Pfalz vom
02.08.2007 legte die Klägerin mit Schreiben vom 10. Juli 2008 gegen die
Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat Juni 2008 Einspruch ein. Die Klägerin
hatte mit Rechnung vom 30.06.2008 an die Apotheke beide genannten Produkte
geliefert und dabei in der Rechnung einen Umsatzsteuersatz von 7 %
ausgewiesen. In der Voranmeldung hatte sie dann diesen Umsatz - wie auch die
übrigen Umsätze mit Sondennahrung – mit 19 % berechnet. Mit ihrem Einspruch
begehrte die Klägerin die Änderung der Voranmeldung.
Die Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2008 ging am 02.06.2010 bei der
beklagten Verwaltungsbehörde ein. Mit Verfügung vom 16.07.2010 stimmte sie
dieser Erklärung zu. Die mit Sonden- und Trinknahrung erzielten Umsätze der
Klägerin betrugen in 2008 ca. 206 Millionen EURO.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, bei Sondennahrung und damit auch bei den
hier genannten Produkten handele es sich um diätetische Lebensmittel, die unter
Position 2106 KN einzureihen seien. Sondennahrung könne zwar in bestimmten
Fällen ähnlich einem Getränk zu sich genommen werden, dennoch handele es sich
um ein Produkt, dessen eigentlicher Sinn und Zweck der Ersatz fester Nahrung sei
und deren Verabreichung im Regelfall anders erfolgen würde als bei einem
Getränk. Sondennahrung sei gerade für diejenigen geschaffen worden, die feste
Nahrung auf natürlichem Wege nicht mehr zu sich nehmen könnten. Sie
ermögliche die Versorgung Schwerstkranker mit allen lebenswichtigen
Substanzen. Ausgenommen sei hiervon die Versorgung mit Flüssigkeit, die
zusätzlich zu allen auf dem Markt erhältlichen Sondennahrungen den Kranken
zugeführt werden müsste. Nach ihrem Zweck erfolge die Versorgung mit
Sondennahrung in erster Linie durch Magen- und Darmsonden. Die Nahrung
müsse in flüssiger Form zugeführt werden, weil der Körper anders die
lebensnotwendigen Substanzen nicht über den Darm aufnehmen könne und
zudem die Zuführung der Nahrung über medizinische Schläuche und Magen- und
Darmsonden ohne Verflüssigung nicht möglich sei. Die Sondennahrung sei in ihrer
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Darmsonden ohne Verflüssigung nicht möglich sei. Die Sondennahrung sei in ihrer
Zusammensetzung bestimmt und geeignet, sämtliche lebensnotwendigen
Substanzen zu enthalten. Eine orale Verabreichung komme nur bei solchen
Menschen in Betracht, bei denen die Nahrungsaufnahme über Mund und
Speiseröhre noch möglich sei. Deswegen seien verschiedenen
Sondennahrungsprodukten Geschmacksstoffe zugesetzt. Dennoch würden
gesunde Menschen diese Sondennahrung aus geschmacklichen Gründen nie zu
sich nehmen.
Es liege mithin ein diätetisches Produkt vor, für das es eine speziellere Zuordnung
gäbe, so dass auf Position 2202 KN nicht zurückzugreifen sei. Dies sei in den
bisher ergangenen unverbindlichen Zolltarifauskünften regelmäßig verkannt
worden.
Darüber hinaus erwachse aus dem Sozialstaatsprinzip und dem Gebot der
Gleichbehandlung der Anspruch, Sondennahrung als ein zur Befriedigung der
grundlegenden Lebensbedürfnisse von Kranken erforderliches Nahrungsmittel
entsprechend der tariflichen Einordnung der anderen Grundnahrungsmittel dem
ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen.
Es sei ferner zu bedenken, dass die Zuordnung zum Kapitel 21
(Lebensmittelzubereitung) auch deswegen sachgerecht sei, weil die
Sondennahrung durchaus mit den in diesem Kapitel erfassten anderen Waren wie
Suppen und Brühen vergleichbar sei. Zwar könne vom Wortlaut her die
Sondennahrung nicht den Suppen und Brühen zugeordnet werden, dennoch weise
sie vergleichbare Eigenschaften wie Suppen auf, was für ihre Zuordnung als
Lebensmittelzubereitung zu diesem Kapitel sprechen würde. Denn genauso wie
eine Suppe diene auch die Sondennahrung der menschlichen Ernährung. Dabei sei
im Hinblick auf die bisher zur Abgrenzung ergangenen Entscheidungen weiter zu
bedenken, dass es sich bei Sondennahrung nicht um ein
Nahrungsergänzungsmittel handeln würde, sondern vielmehr für den darauf
angewiesenen Personenkreis die einzige Möglichkeit der Ernährung darstellen
würde.
Die Klägerin beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid für 2008 dahingehend zu ändern, dass die
Umsätze für die Produkte A und Produkt B zum ermäßigten Steuersatz von 7 %
versteuert werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Bei den beiden genannten Produkten handele es sich um flüssige diätetische
Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke. Diese seien, wie sich aus den
für Vorprodukte ergangenen unverbindlichen Zolltarifauskünften ergäbe, als
Getränke dem Kapitel 22 zuzuordnen. Für die Auslegung der einzelnen Regelungen
der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Umsatzsteuergesetz komme es allein auf
die zolltariflichen Vorschriften und Begriffe an, so dass die Auslegung des Zolltarifs
für die Umsatzsteuer verbindlich sei.
Das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren sei nach
der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes wie auch des
Bundesfinanzhofes allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu
suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und in den
Anmerkungen zu den Abschnitten und Kapiteln des gemeinsamen Zolltarifs
festgelegt sind.
Die von der Klägerin erstrebte Einreihung in Position 2106 KN als
Lebensmittelzubereitung anderweit weder genannt noch inbegriffen scheide
deswegen aus, weil die Produkte als Getränke dem Kapitel 22 zuzuordnen seien.
Damit seien sie an anderer Stelle im Zolltarif genannt, so dass die Position 2106
ausgeschlossen sei, falls die Sondennahrung als Getränk zu tarifieren wäre.
Maßgebliches Kriterium für die Frage, ob ein Getränk vorliegt, sei die Flüssigkeit
und die Genussfähigkeit der Ware. Beide Voraussetzungen seien durch die
Sondennahrung erfüllt, wobei es auf besondere mit dem Trinken der Flüssigkeit
verbundene Zwecke nicht ankomme.
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Da in der Anlage 2 zu § 12 Umsatzsteuergesetz das Kapitel 21 vollständig in der
laufenden Nummer 33 übernommen worden sei, komme es für die Beurteilung
einer Ware allein auf die Einordnung nach dem Zollrecht an. Mithin komme weder
eine Einreihung in Kapitel 30 als pharmazeutische Erzeugnisse noch eine solche zu
Unterposition 2104 1090 KN als Suppen und Brühen in Betracht. Zu den
pharmazeutischen Erzeugnissen könnte die Sondennahrung deswegen nicht
gehören, weil diätetische Lebensmittel nicht unter Kapital 30 subsumiert werden
könnten. Dies gelte entsprechend für die weitere genannte Unterposition, weil
nach dem Wortlaut der Position bezogen auf die hier zu betrachtende
Sondennahrung nicht von einer Suppe oder Brühe ausgegangen werden könne. In
diesem Punkt gebe es auch keinen Dissens mit der Klägerin.
Wegen der weiteren Einzelheiten des jeweiligen Vortrages wird auf die
gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Die Produkte A und Produkt B (künftig: Produkte) sind als andere nicht
alkoholhaltige Getränke in die Position 2202 KN einzureihen und unterliegen damit
dem Regelsteuersatz der Umsatzsteuer (2008 = 19 %). Denn sie können nach
Maßgabe der zu beachtenden zolltariflichen Kriterien nicht den in der Liste der
dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden Gegenstände (Anlage 2) gemäß § 12
Abs. 2 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz genannten sonstigen
Lebensmittelzubereitungen (Nr. 33) zugeordnet werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften (EuGH) sowie der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der sich
der Senat anschließt, ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche
Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften
zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen der KN und in
den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind. Dazu gibt es
nach dem Übereinkommen zum Harmonisierten System Erläuterungen und
Einreihungsavise, die ebenso wie die Erläuterung zur KN ein wichtiges, wenn auch
nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen
darstellen. Auf den sich aus den objektiven Merkmalen und Eigenschaften
ergebenden Verwendungszweck einer Ware darf nur dann abgestellt werden, wenn
im Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterungen dazu ausdrücklich auf
dieses Kriterium Bezug genommen wird (Bundesfinanzhof Urteil vom 10.02.2009
VII R 22/08 in BFH/NV 2009, 1285 m.w.N. aus der Rechtsprechung).
Die Position 2202 KN hat folgenden Wortlaut:
„Wasser, einschließlich Mineralwasser und kohlensäurehaltiges Wasser, mit Zusatz
von Zucker, anderen Süßmitteln oder Aromastoffen und andere nicht
alkoholhaltige Getränke, ausgenommen Frucht- und Gemüsesäfte der Position
2009“.
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat in seinem Urteil vom
26.03.1981 Rs. 114/80 EuGHE 1981, 895, 903 zum Begriff „Andere nicht
alkoholische Getränke“ im Sinne der Tarifnummer 2202 folgendes ausgeführt:
„Nach dem System des gemeinsamen Zolltarifs muss der Ausdruck „andere
Getränke“ in der Tarifnummer 22.02 als Gattungsbegriff verstanden werden, mit
dem alle zum menschlichen Genuss bestimmten Flüssigkeiten gemeint sind,
soweit sie nicht von einer anderen spezifischen Einteilung erfasst werden.
Der Inhalt dieses Begriffs ist nach objektiven und nachprüfbaren Kriterien zu
bestimmen. Folglich darf seine Tragweite nicht von rein subjektiven und
veränderlichen Faktoren abhängig gemacht werden, wie z.B. von der Art und
Weise, in der ein Erzeugnis eingenommen wird oder vom Zweck seiner Einnahme.
Die Einstufung einer Ware als Getränk i.S.d. Tarifnummer 22.02 darf auch nicht von
den verwendeten Ausgangsstoffen abhängen.
Unter Getränken im Sinne der Tarifnummer 22.02 sind alle Flüssigkeiten zu
verstehen, die zum menschlichen Genuss geeignet und bestimmt sind, ohne dass
es auf die eingenommene Menge oder die besonderen Zwecke ankommt, denen
die verschiedenen Arten genießbarer Flüssigkeiten dienen können.“
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Den Begriff der Eignung und Bestimmung hat der Bundesfinanzhof in seinem Urteil
vom 4. Mai 1993 (VII R 103/92 in BFH/NV 1994, 283) dahingehend präzisiert, dass
beide Voraussetzungen nach der Beschaffenheit des betreffenden Erzeugnisses
zu beurteilen sind. „Trinkbar“ sei eine Flüssigkeit nur dann, wenn sie unmittelbar
genussfertig ist.
Die Anwendung dieser Kriterien auf die beiden streitgegenständlichen Produkte
führt unproblematisch zu dem Ergebnis, dass es sich in beiden Fällen um andere
nicht alkoholische Getränke i.S.d. Position 2202 KN handelt.
Die Beschreibung der Waren wurde ausführlich im Tatbestand dargestellt. Es
handelt sich danach in beiden Fällen um eine Flüssigkeit. Diese ist sowohl zum
unmittelbaren menschlichen Genuss geeignet und auch bestimmt. Die Klägerin
teilt dazu selbst mit, dass verschiedenen Sondennahrungsprodukten, die auch als
Trinknahrung bezeichnet werden, Geschmacksstoffe zugesetzt werden, die diesen
einen natürlichen Geschmack von Vanille, Schokolade oder anderen
Geschmacksrichtungen geben sollen. Die genannten Kriterien sind objektiv an den
Produkten feststellbar.
Daneben kommt es auf die von der Klägerin vorgetragenen Gesichtspunkte der
Inhaltsstoffe und des Verwendungszweckes der Produkte nicht an. Die Tatsache,
dass beide Produkte in Folge ihrer sorgfältig auf das Ernährungsbedürfnis von
Menschen abgestellten Inhaltsstoffe dazu dienen, den Tagesbedarf von Kindern
und/oder Erwachsenen sowohl hinsichtlich der Nährstoffe wie auch der
Mineralstoffe, Spurenelemente und Vitamine zu decken, ist für die hier
vorzunehmende Einreihung deswegen unbeachtlich, weil es darauf nach dem
Wortlaut der Position nicht ankommt. An den tarifrechtlich maßgeblichen Kriterien
ändert auch die Möglichkeit, dass diese Flüssigkeit nicht nur zum unmittelbaren
menschlichen Genuss bestimmt und geeignet ist, sondern darüber hinaus über
eine Magen- oder Darmsonde dem Körper des jeweiligen Patienten zugeführt
werden kann, nichts. Denn die objektiv feststellbaren Kriterien der Produkte werden
dadurch nicht beeinflusst.
Eine Einreihung in Position 2106 KN kommt nicht Betracht, auch wenn die Produkte
unter Verwendung von Fleisch, Gemüse und Früchtepulver hergestellt werden.
Dabei handelt es sich zwar um Lebensmittel, so dass grundsätzlich die
Bezeichnung der Produkte als Lebensmittelzubereitung umgangssprachlich nicht
falsch wäre. Eine Einreihung dieser Produkte in die Position 2106 KN wäre jedoch
nach dem Wortlaut nur dann möglich, wenn die betreffende
Lebensmittelzubereitung anderweit weder genannt noch inbegriffen wäre. Ein
solcher Ausweisungsfall liegt aber für die hier zu betrachtenden Produkte vor, denn
sie sind von dem Wortlaut der Position 2202 KN als anderes nicht alkoholisches
Getränk erfasst. Damit kommt eine Einreihung in Position 2106 KN nicht in
Betracht (vgl. zur Systematik auch das Urteil des Gerichtshofs vom 17. Dezember
2009 in den verbundenen Rechtssachen C-410/08 bis C-412/08 Rdnr. 30-37 zitiert
nach curia europa.eu).
Nach der Warenbeschreibung scheidet eine Einreihung in die Position 3004 KN als
Arzneimittel aus, weil die Produkte ausschließlich zur Ernährung dienen und damit
keine therapeutischen oder prophylaktischen Zwecke verfolgt werden.
Ob die von den Beteiligten genannte Verordnung (EWG) Nr. 184/89 der
Kommission vom 25. Januar 1989 von Bedeutung sein könnte, kann dahin gestellt
bleiben. Denn soweit der Beklagte aus dieser Entscheidung herleitet, dass die
Verabreichung der Flüssigkeit mittels Sonde der Bewertung als anderes nicht
alkoholisches Getränk nicht entgegen steht, folgt dies für den Senat aus der
bereits genannten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 26. März
1981. Auf die unterschiedlichen Inhaltsstoffe zwischen dem in dieser Verordnung
beschriebenen Produkt und den Produkten der Klägerin kommt es mithin ebenfalls
nicht an.
Der von der Klägerin geltend gemachte Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz und
daraus folgend eine Pflicht des Senats zur Vorlage an das
Bundesverfassungsgericht liegt nicht vor. Denn nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichtes ist der Verweis des Umsatzsteuergesetzes auf den
Zolltarif verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (so Bundesfinanzhof, Urteil
vom 9. Februar 2006 V R 49/04 in BStBl II 2006, 694 mit Hinweis auf den Beschluss
des Bundesverfassungsgerichts vom 18. März 2005 1BvR 1822/00).
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Der Senat weicht mit der vorliegenden Entscheidung auch nicht von
obergerichtlichen Urteilen aus der Sozialgerichtsbarkeit ab. Insoweit hat das
Bundessozialgericht mit den genannten Entscheidungen die jeweils
vorangegangenen Urteile der Landessozialgerichte aufgehoben. Da diese Urteile
infolgedessen keine Rechtswirkungen entfalten, kann von ihnen nicht abgewichen
werden.
Die Kosten des erfolglosen Klageverfahrens hat die Klägerin gemäß § 135 Abs. 1
FGO zu tragen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.