Urteil des FG Hessen vom 29.10.2010

FG Frankfurt: private vermögensverwaltung, vorbehalt des gesetzes, gestaltung, einkünfte, geschäftsführung, wahlrecht, buchführungspflicht, gesellschafter, vollziehung, personengesellschaft

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Gericht:
Hessisches
Finanzgericht 11.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2007
Aktenzeichen:
11 V 252/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 32b EStG 2002, § 15b EStG
2002, § 4 Abs 3 EStG 2002, §
4 Abs 1 EStG 2002, § 69 FGO
Gewinnermittlungsart - Wahlrecht der inländischen
Gesellschafter auch bei Bilanzierung der ausländischen
Gesellschaft - Steuerstundungsmodell und
Progressionsvorbehalt
Leitsatz
Gewinnermittlungsart - Wahlrecht der inländischen Gesellschafter auch bei Bilanzierung
der ausländischen Gesellschaft - ; Steuerstundungsmodell und Progressionsvorbehalt.
Tenor
1. Der Einkommensteuerbescheid 2007 vom 29.09.2008 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 17.11.2009 wir ab Fälligkeit in Höhe von
Einkommensteuer … Euro
Solidaritätszuschlag …Euro
von der Vollziehung ausgesetzt.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
3. Die Aussetzung der Vollziehung endet einen Monat nach Bekanntgabe einer,
das Hauptsacheverfahren 11 K 3175/09 abschließende Entscheidung.
Gründe
I.
Die Antragsteller sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt
werden. Der Antragsteller, der als Investmentbanker in leitender Position für eine
Bank, die sich insbesondere im Handel mit Gold und Edelmetallen engagiert, tätig
ist, plante, ebenfalls in den Bereich des Edelmetallhandels geschäftlich
einzusteigen. Zu diesem Zwecke gründete er nach Beratung durch Rechtsanwälte
und Steuerberater und Kontaktierung von Banken zum Zwecke der
Unternehmensfinanzierung am 13.12.2007 mit einer Einlage von 1.400.000,- Euro
die A mit Sitz in London, an der neben ihm lediglich die in Großbritannien
ansässige B als kapital- und vermögensmäßig nicht beteiligte Komplementärin
beteiligt war. Nach der Satzung besteht der Gegenstand des Unternehmens der A
im Handel mit Edelmetallen, Rohstoffen und Wertpapieren.
Im Dezember 2007 investierte die A in Edelmetalle und erwarb für umgerechnet
1.398.565,13 Euro Goldbarren, wobei der Ankauf durch die Bank C (Schweiz) im
Auftrag einer D für die A erfolgte. Weitere Geschäfte wurden im Streitjahr nicht
getätigt.
Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2007 begehrten die Antragsteller die
Berücksichtigung eines Verlustanteils aus der Beteiligung des Antragstellers an
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Berücksichtigung eines Verlustanteils aus der Beteiligung des Antragstellers an
der A in Höhe von 1.387.314,- Euro im Wege des negativen
Progressionsvorbehalts nach § 32b des Einkommensteuergesetzes - EStG -.
Dieser begehrte Verlustanteil resultierte daraus, dass der sich aus der nach
britischem Recht für die A zur erstellenden Bilanz für das Rumpfwirtschaftsjahr bis
31.12.2007 ergebende, aus Währungsdifferenzen resultierende Gewinnanteil von
46,22 Euro für Zwecke des negativen Progressionsvorbehalts im Wege einer
Überleitungsrechnung nach § 4 Abs.3 EStG unter sofortigem
Betriebsausgabenabzug der Anschaffungskosten des erworbenen
Umlaufvermögens (Goldbarren) abweichend von der nach britischem Recht
erfolgten Gewinnermittlung der A angesetzt werden sollte. Dem folgte der
Antragsgegner nicht und erließ am 29.09.2008 einen Einkommensteuerbescheid
für 2007, in dem er neben dem Gewinnanteil von 46,- Euro noch
Sonderbetriebsausgaben von 400,- Euro, mithin lediglich einen Verlust von 354,-
Euro in Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts berücksichtigte. Den
hiergegen am 06.10.2008 erhobenen Einspruch wies der Antragsgegner mit
Einspruchsentscheidung vom 17.11.2009 zurück.
Am 17.12.2009 erhoben die Antragsteller Klage mit der sie die Berücksichtigung
des Verlustanteils aus der Beteiligung an der A im Wege des negativen
Progressionsvorbehalts in der erklärten und umgerechneten Höhe mit der Folge
einer Steuerfestsetzung von null Euro begehren. Das Klageverfahren ist beim
Senat unter dem Az.: 11 K 3175/09 anhängig.
Mit Bescheid vom 29.01.2010 lehnte der Antragsgegner die Aussetzung der
Vollziehung des Einkommensteuerbescheids ab, worauf die Antragsteller am
02.02.2010 dessen gerichtliche Aussetzung der Vollziehung beantragt haben.
Die Antragsteller sind der Auffassung, es ergebe sich weder aus dem Gesetz, noch
aus Verwaltungsrichtlinien, noch aus der Rechtsprechung, dass eine auf Ebene
einer ausländischen Gesellschaft für ausländische Steuerzwecke gewählte
Gewinnermittlungsart immer auch für inländische Steuerzwecke eines
Gesellschafters verbindlich sei. Aus dem Gesetz - § 4 Abs.3 EStG - ergebe sich das
Wahlrecht der Gewinnermittlung, ohne dass es auf die Gewinnermittlung der
ausländischen Gesellschaft ankomme. Das Bestehen eines solchen Wahlrechts
werde durch seine ausdrückliche Aufnahme in Richtlinie R 4.1 Abs.4 Satz 1 EStR
bestätigt. Der Richtlinie komme auch keine einschränkende Natur dahingehend zu,
dass sie lediglich ausschließe, dass eine Gewinnermittlung, die weder § 4 Abs.1
noch § 4 Abs.3 EStG entspreche, für inländische Steuerzwecke herangezogen
werde.
Eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs.3 EStG sei auch dann zulässig, wenn im
Ausland auf Grund dort geltender Vorschriften Bücher geführt würden. Soweit §
140 der Abgabenordnung - AO - von einer Buchführungspflicht nach „anderen
Gesetzen“ spreche, umfasse dies nur inländische Gesetze. Entsprechendes gelte
für den Begriff „gesetzliche Vorschriften“ in § 4 Abs.3 EStG. Dies ergebe sich u.a.
aus den Urteilen des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. September 1989 I R
117/87 (BStBl II 1990, 57) und vom 16. Februar 1996 I R 43/95 (BStBl II 1997, 128).
Die Erstellung eines Jahresabschlusses durch die A nach den UK-GAAP habe auch
nicht zu einer Ausübung des Wahlrechts zur Bilanzierung seitens des
Antragstellers geführt. So ergebe sich aus § 10 Abs.3 des Außensteuergesetzes -
AStG - und dem BFH-Urteil vom 13. September 1989 I R 117/87, dass das
Wahlrecht den inländischen Gesellschaftern für die Gesellschaft zustehe,
wenngleich es von den inländischen Gesellschaftern nur einheitlich ausgeübt
werden könne. Daher habe im Streitfall allein der Antragsteller das Wahlrecht
ausüben können und in seiner Einkommensteuererklärung zu Gunsten einer
Einnahme-Überschuss-Rechnung ausgeübt. Das Wahlrecht nach § 4 Abs.3 EStG
sei auch nur dann ausgeschlossen, wenn ganz freiwillig Bücher geführt würden,
nicht wenn diese nach ausländischen Vorschriften geführt werden müssten.
Entsprechendes ergebe sich aus Tz. 1.1.5.4 des Betriebsstättenerlasses vom 24.
Dezember 1999 (BStBl I 1999, 1076).
Auch aus § 146 Abs.2 Satz 2 und 3 AO - wonach Ergebnisse der ausländischen
Buchführung bei Betriebsstätten außerhalb Deutschlands in die Buchführung
hiesiger Unternehmen übernommen werden müssten - ergebe sich unter
Berücksichtigung des BFH-Urteils vom 16. Februar 1996 I R 43/95 (BStBl II 1997,
128) nichts anderes. Diese Vorschrift begründe keine materiell-rechtliche
Buchführungspflicht im Inland; eine Betriebsstätte oder ein Unternehmen im Inland
sei nicht vorhanden. Entgegen der auf eine Literaturmeinung gestützten
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sei nicht vorhanden. Entgegen der auf eine Literaturmeinung gestützten
Auffassung des Antragsgegners beziehe sich die Regelung einer
Buchführungspflicht nach § 5 Abs.1 EStG allein auf deutsches Handels- und
Steuerrecht, was auch der Auffassung des BFH (Urteile in BStBl II 1990, 57; 1992,
94) entspreche. § 4 Abs.1 EStG erstrecke sich zudem nur auf Einkünfte aus Land-
und Forstwirtschaft bzw. selbständiger Tätigkeit (Schmidt/Heinz, GmbHR 2008,
581, 584; Heinicke in Schmidt, EStG, 2009, § 4, Rdnr.3).
Vorliegend handele es sich auch nicht um ein Steuerstundungsmodell im Sinne
des § 15b EStG. Eine modellhafte Gestaltung - im Sinne der Vorschrift ein
produktreifes, vorgefertigtes Konzept - liege nicht vor. Die Gestaltung sei vom
Antragsteller individuell entwickelt und ausgehandelt worden. Für die Beteiligung
sei auch kein Bündel von Leistungen durch z.B. Vermarktung, Anlagevermittlung,
Finanzierung, Vermögensverwaltung und Steuerberatung von einer fremden
Person angeboten worden. Unerheblich sei, dass die steuerliche Wirkung in einigen
Fachzeitschriften dargestellt oder auch beworben worden sei. Dies reiche nicht
aus, um von einem konkret vorgefertigten Konzept auszugehen. Denn eine solche
Sichtweise reduziere die Tatbestandsanforderungen des § 15b Abs.2 EStG in einer
mit dem Vorbehalt des Gesetzes, Art. 19, 20 und 80 des Grundgesetzes - GG -,
nicht mehr zu vereinbarenden Art und Weise. Das Bestehen eines rein abstrakten
Modells reiche nicht aus, eine modellhafte Gestaltung im Sinne des § 15b EStG zu
begründen. Dies entspreche auch der Auffassung des BMF im Erlass vom 17. Juli
2007 zu § 15b EStG (BStBl I 2007, 542, Tz.10) sowie der Rechtsauffassung des
BFH (Beschluss vom 8. April 2009 I B 223/08, BFH/NV 2009, 1437; Beschluss vom
2. August 2008 IX B 92/07, DStR 2007, 2150; Sächsisches FG, Urteil vom 19.
Dezember 2007 2 K 954/07, DStRE 2008, 795). Das Vorliegen eines
Steuerstundungsmodells setze nach einhelliger Auffassung im Schrifttum zudem
ein gewisses Maß an Passivität des Steuerpflichtigen voraus. Im Streitfall sei
jedoch der Antragsteller Initiator der Gründung der A gewesen. Ihm seien auch die
in Auftrag gegebenen rechtsberatenden Tätigkeiten zuzurechnen. Unschädlich sei
auch, dass die Administration der B und der A bei deren Gründung zunächst auf
die in London ansässige E übertragen wurde, die Buchhaltung durch die D. erfolgte
und in der Vermögensverwaltung zusätzlich das Bankhaus C per
Vermögensverwaltungsvertrag von der A eingeschaltet gewesen sei. Hierbei habe
es sich um ein branchenübliches „Outsourcing“ gehandelt. Zudem habe der
Antragsteller bereits Anfang 2008 auf Grund schlechter Erfahrungen mit einigen
der Dienstleister den Großteil der Funktionen wieder sukzessive selbst
übernommen und sei nach Beendigung des Vermögensverwaltungsvertrags mit
dem Bankhaus C durch Gesellschafterbeschluss vom 19.11.2008 neben der B
auch formell zum Mitgeschäftsführer der A bestellt worden. Zumindest in 2007
habe daher eine gewerbliche Prägung der A bestanden, da zu diesem Zeitpunkt
auch noch keine faktische Geschäftsführung durch den Antragsteller vorgelegen
habe.
Zudem handele es sich bei der B nicht um eine für steuerliche Zwecke nicht
anzuerkennende Briefkastenfirma im Sinne des BFH-Urteils vom 29. Januar 2008 I
R 26/06 (BStBl II 2008, 978). Die B habe am 12.12.2007 von der E einen Büroraum
angemietet, der mit Kommunikationsmitteln (Telefon, Fax, Computer) ausweislich
entsprechender Telefon- und Faxrechnungen für die Tätigkeit der B hinreichend
ausgestattet gewesen sei. Auch habe die B eine Homepage betrieben und über
eine tatsächliche Geschäftsführung verfügt und an den
Gesellschafterversammlungen der A teilgenommen. Dass durch den Büroraum ein
Fluchtweg verlaufe, sei gebäudebedingt begründet, da auf allen Stockwerken an
den rückwärtigen Fensterseiten Feuerleitern verliefen. Dass der Geschäftsführer
der B Angestellter der E gewesen sei, spreche nicht gegen die tatsächliche
Geschäftsführung und die Substanz der Gesellschaft. Mithin sei für das Streitjahr
von einer gewerblichen Prägung der A auszugehen; im Übrigen sei auch deren
Tätigkeit als gewerbliche zu qualifizieren, zumal die A ihre Dienste - allgemein
Managementleistungen in Bezug auf Portfolios - grundsätzlich auch einer breiteren
Öffentlichkeit über die in 2009 eingerichtete Homepage anbiete.
Zudem könne sich der Antragsgegner auch deshalb nicht auf § 15b EStG berufen,
da diese Norm wegen einer Ansammlung unbestimmter Rechtsbegriffe gegen das
Grundgesetz, insbesondere den Bestimmtheitsgrundsatz, verstoße, wobei die zur
Vorgängervorschrift des § 2b EStG a.F. vom BFH im Beschluss vom 2. August
2008 IX B 92/07 (a.a.O.) geäußerten ernstlichen Zweifel an der
Verfassungsmäßigkeit übertragbar seien, und zudem weder vom Wortlaut noch
von der Gesetzessystematik der § 15b EStG im Rahmen des § 32b EStG entgegen
dem BMF-Schreiben vom 17. Juli 2007 anwendbar sei. Denn bei § 15b EStG
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dem BMF-Schreiben vom 17. Juli 2007 anwendbar sei. Denn bei § 15b EStG
handele es sich um eine Einkommensermittlungsvorschrift, bei § 32b EStG
hingegen um eine Tarifvorschrift. Der Progressionsvorbehalt von nach
Doppelbesteuerungsabkommen freigestellten Einkünften sei - unter Berufung auf
Naujok, DStR 2007, 1601, und Seeger in Schmidt, EStG, 29. Aufl., 2009, § 15b,
Rdnr.3; Kaeser in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 15b, Rdnr.B42 u.a. - auch kein
Ausgleich mit anderen Einkünften, wie es § 15b EStG voraussetze. Im Übrigen sei
der Antragsteller als Firmengründer tätig geworden, auf die § 15b EStG auch nach
Tz.1 des BMF-Schreibens vom 17. Juli 2007 nicht anwendbar sei.
Auch ein Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO liege nicht vor. Zudem
ergebe sich aus der bis 2012 vorgelegten und bei der Gründung der A
angefertigten Prognoserechnung, dass ein Totalgewinn angestrebt sei, wobei aber
nicht beabsichtigt gewesen sei, dass die A lediglich für diesen Zeitraum tätig sein
solle. Soweit nach BFH-Urteil vom 13. September 1989 (I R 117/89, a.a.O.) die
nach DBA steuerfreien Gewinne betragsmäßig identisch mit den
Progressionsvorbehaltseinkünften sein müssten, beträfe dies nicht die
Gewinnermittlungsart, da der Gesamtgewinn identisch bleibe. Zudem sei als nach
DBA steuerfreier Gewinn der bereits nach § 4 Abs.3 EStG ermittelte Gewinn des
Antragstellers anzusehen.
Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
den Einkommensteuerbescheid 2007 vom 29.09.2008 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 17.11.2009 von der Vollziehung auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antragsgegner ist der Auffassung, die umgerechneten Verluste seien nicht zu
berücksichtigen.
Zum einen habe die A nach britischem Recht Bücher geführt und eine Bilanz
erstellt, so dass - unbeachtlich aus welchem Grund - ein Jahresabschluss im Sinne
des § 4 Abs.1 EStG erstellt worden sei, was auch bei den Antragstellern zu einem
Ausschluss der Wahlmöglichkeit einer Gewinnermittlung durch Einnahmen-
Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs.3 EStG führe. Auch aus § 146 Abs.2 Satz 2
und 3 AO ergebe sich, dass die Ergebnisse der ausländischen Buchführung in die
Buchführung des hiesigen Unternehmens - hier der Beteiligung des Antragstellers
an der A - übernommen werden müssen, wenn eine ausländische Betriebsstätte
besteht und der Betriebsstättenstaat nach seinen handels- und steuerrechtlichen
Vorschriften die Buchführung fordere. Zudem sei nach dem Wortlaut des § 4 Abs.3
EStG diese Gewinnermittlung bereits dann nicht mehr möglich, wenn - gleich aus
welchem Grund - tatsächlich Bücher geführt und Abschlüsse erstellt worden seien.
Die Regelung in Richtlinie R 4.1 Abs.4 EStR habe bereits nach ihrem Wortlaut ( ist
statt kann ) eine einschränkende Wirkung. Auch beschränke sich die
Gewinnermittlung nach § 4 Abs.1 EStG nicht nur auf Steuerpflichtige mit
Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft bzw. aus selbständiger Tätigkeit, sondern
sei der Regelfall (vgl. Frotscher, EStG, § 4, Rdnr.8). Im Übrigen entspreche es der
einschlägigen Kommentarliteratur (Piltz in Wassermeyer, DBA-Kommentar, Rdnr.7
zu Art.7 MA, u.a.), dass der Gewinn einer ausländischen Personengesellschaft für
Zwecke des Progressionsvorbehalts nach den Grundsätzen des § 4 Abs.1 EStG zu
ermitteln sei. „Andere Vorschriften“ im Sinne des § 5 Abs.1 EStG könnten auch
ausländische Rechtsvorschriften sei (Mathiak, DStR 1990, 255); der BFH habe noch
nicht über den Wortsinn „andere Gesetze“ im Sinne des § 140 AO befunden
(Schmidt/Heinz, GmbHR, 2008, 581). Die Wahl der Gewinnermittlungsart obliege
zudem auch dann der Gesellschaft, wenn nur ein inländischer Gesellschafter
vorhanden und deshalb keine einheitliche und gesonderte Feststellung zu erfolgen
habe. Denn auch in diesen Fällen bestehe ein zwischen den Gesellschaftern
aufzuteilender Gewinn, der ein einheitlicher der Gesellschaft sei. Die
spezialgesetzliche Regelung des § 10 AStG betreffe nur einen
Hinzurechnungsbetrag und könne daher nicht analog auf das EStG und den
„Gewinn“ angewendet werden.
Im Übrigen werde durch das geltend gemachte Wahlrecht das System der
Doppelbesteuerungsabkommen ad absurdum geführt. Aus dem Urteil des BFH
vom 13. September 1989 I R 117/87, a.a.O., folge zudem, dass der in einem Staat
der Besteuerung unterworfene Gewinn mit dem im anderen Staat freigestellten
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der Besteuerung unterworfene Gewinn mit dem im anderen Staat freigestellten
Gewinn konform gehen müsse. Dies sei auf den jeweiligen Veranlagungszeitraum
bezogen, da ein Gesamtgewinnausgleich - z.B. bei Wegzug ins Ausland - nicht
garantiert sei.
Des Weiteren handele es sich vorliegend um ein Steuerstundungsmodell im Sinne
des § 15b EStG, welcher zudem der Regelung des § 32b EStG vorgehe, so dass
negative Einkünfte aus einem Steuerstundungsmodell nicht im Rahmen des
Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen seien (vgl. BMF-Schreiben vom 17. Juli
2007 Rdnr.24; Heinicke in Schmidt, EStG, § 32b, Rdnr.5; Lindberg in Frotscher,
EStG, § 15b, Rdnr.23). Auch für Zwecke des Progressionsvorbehalts seien die
steuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften anzuwenden (vgl. BFH-Urteil vom 22.
Mai 1991 I R 32/90, BStBl II 1992, 94). Im Streitfall liege auch ohne typisches
Anlegerkonzept mit Vermarktungsinstrumenten ein Steuerstundungsmodell vor,
weil diese Gestaltung bundesweit in einer Vielzahl von Fällen durchgeführt und in
Zeitschriften (Beilage zu GmbH intern 2006, Nr.47/06; Steuertip Nr.45/06)
beworben werde. Eine Einschränkung, dass das vorgefertigte Konzept von außen
an den Steuerpflichtigen herangetragen werden müsse, enthalte § 15b EStG nach
dem Gesetzeswortlaut nicht. Der von den Antragstellern herangezogenen
Rechtsprechung hätten andere Fallkonstellationen zu Grunde gelegen. Der
Antragsteller habe sich auch hinreichend passiv im Sinne des § 15b EStG
verhalten, da er nicht zur Geschäftsführung der A befugt gewesen sei und sich zur
Ausführung der wesentlichen Aktivitäten (Ankauf der Edelmetalle) der C Bank
bedient habe, die wiederum im Auftrag der D tätig geworden sei. Da es sich bei
den von der A angemieteten Räumlichkeiten nach Angaben des
Bundeszentralamtes für Steuern (vgl. Bl. 155 d.A.) um eine Domiziladresse
handele, sei fraglich, welche Geschäftsführertätigkeit der Antragsteller in den
Büroräumen vorgenommen haben will bzw. ob diese Räume überhaupt dazu
geeignet waren. Zudem ergebe sich aus der vorgelegten Prognoseberechnung,
dass bis 01.03.2012 das gesamte Umlauf- und Anlagevermögen der A veräußert
sein solle, was gegen die Behauptung des Aufbaues eines langfristigen beruflichen
Standbeins spreche.
Zudem spreche die Aussage des Antragstellers, ab 2008 selbst die Geschäfte der
A geführt zu haben - was nicht dem Partnership Agreement vom 13.12.2007
entspreche und für die Richtigkeit der Feststellungen der Abfrage der
Informationszentrale für steuerliche Auslandsbeziehungen (IZA), wonach die B
eine Briefkastenfirma sei, spreche - gegen eine gewerbliche Prägung der A, so
dass es sich bei dem An- und Verkauf des Goldes nach Art und Umfang der auf
eigene Rechnung erfolgten Transaktionen um eine private Vermögensverwaltung
handeln dürfte mit der Folge, dass auch aus diesem Grunde die geltend
gemachten Verluste nach Maßgabe des § 23 EStG nicht zu berücksichtigen wären,
da nach Art. 7 Abs.3 DBA Großbritannien der Bundesrepublik Deutschland das
Besteuerungsrecht für private Veräußerungsgewinne zustünde. Die von den
Antragstellern vorgelegten Fotos und Rechnungen seien kein Beleg für eine
tatsächliche Aktivität der B, insbesondere nicht in 2007, wobei den Antragstellern
eine erhöhte Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs.2 AO obliege. Es sei auch nicht
glaubhaft, dass der Antragsteller tatsächlich die Entscheidungen über die
Verwendung des von ihm eingelegten Kapitals einem bei gleichzeitig weiteren 177
Firmen als Massengeschäftsführer tätigen Geschäftsführer der B überlassen
haben will. Die tatsächliche Geschäftsführung durch den Antragsteller werde auch
durch den Vortrag belegt, dass der Antragsteller das Bankhaus C beauftragt
haben und zudem an 10 Tagen in 2008 wegen der A nach London geflogen sein
will. Sollte trotzdem von einer gewerblichen Prägung auszugehen sein, so läge
zumindest nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 17. Dezember 1997 I R
34/97, BStBl II 1998, 296) unter Berücksichtigung der tatsächlich
vermögensverwaltenden Tätigkeit der A - wenngleich entgegen der
Verwaltungsauffassung gemäß BMF-Schreiben vom 16. April 2010 IV B 2 - S
1300/09/1003, Tz.2.2 - keine gewerbliche Betätigung im Sinne des DBA vor. Die
Tätigkeit der A - die einen Eigenhandel betrieb - sei dem Grunde nach private
Vermögensverwaltung und entspreche nicht dem Bild eines Gewerbebetriebs.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze in der Akte
verwiesen.
Dem Gericht lagen neben der gerichtlichen Verfahrensakte 11 K 3175/09 die für
die Antragsteller beim Antragsgegner geführte Einkommensteuerakte 2007 und
zwei Sonderbände Rechtsbehelfsverfahren und AdV-Verfahren vor. Diese waren
Gegenstand des Verfahrens.
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II.
Der Antrag ist begründet.
1. Gemäß § 69 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 FGO kann das Finanzgericht die Vollziehung
eines angefochtenen Steuerbescheides auf Antrag aussetzen, wenn ernstliche
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen.
Die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheides ist ernstlich zweifelhaft, wenn bei
Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund der präsenten Beweismittel, der
gerichtsbekannten Tatsachen und des unstreitigen Sachverhalts erkennbar wird,
dass aus gewichtigen Gründen Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der
Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von
Sachverhaltsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der
Bescheid als rechtswidrig erweisen könnte (std. Rechtsprechung vgl. z.B. BFH-
Beschluss vom 27. Januar 2004 X B 116/03, BFH/NV 2004, 913).
Ob die genannten Voraussetzungen vorliegen, ist unter summarischer Würdigung
der (aktenkundigen) Sach- und Rechtslage zu entscheiden. Unter einem
summarischen Verfahren ist ein Verfahren zu verstehen, in dem wegen der
Eilbedürftigkeit nur auf Basis der vorliegenden Unterlagen, d.h. nur nach Aktenlage
und aufgrund von präsenten Beweismitteln (§ 155 FGO i.V.m. 294 Abs.2 der
Zivilprozessordnung - ZPO -) entschieden wird; weitergehende
Sachverhaltsermittlungen durch das Finanzgericht sind - unter Einschränkung des
sonst geltenden Untersuchungsgrundsatzes - nicht erforderlich (vgl. BFH,
Beschluss vom 21. Juli 1994 IX B 78/94, BFH/NV 1995, 116). Die Beteiligten haben
die entscheidungserheblichen Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen (§
155 FGO i.V.m. §§ 920 Abs.2, 294 Abs.1 ZPO), soweit ihre Mitwirkungspflicht reicht
(vgl. BFH, Beschluss vom 12. Mai 1999 IV B 120/98, BFH/NV 1999, 1489). An die
Stelle eines Vollbeweises tritt eine Sachverhaltsfeststellung mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit. Im summarischen Verfahren ist es nicht Aufgabe des Gerichts,
Feststellungen aus umfangreichen Akten und Belegen zu treffen, ohne dass diese
zuvor von den Beteiligten detailliert aufbereitet worden sind (vgl. BFH, Beschluss
vom 28. Juli 1987 V B 68/86, BFH/NV 1988, 198), insbesondere hat die Verwaltung
den Streitstoff und das Aktenmaterial so aufzubereiten, dass es dem Gericht
ermöglicht wird, sich in angemessener Zeit und unter zumutbarem
Arbeitsaufwand ein eigenes Urteil zu bilden (vgl. hierzu FG Hamburg, Beschluss
vom 28. März 1994 I 26/94, EFG 1994, 755).
2. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze ergibt sich, dass die
Ablehnung der Anwendung des negativen Progressionsvorbehalts bei der
Ermittlung der Steuer zumindest im Rahmen der in diesem Verfahren gebotenen
summarischen Prüfung ernstlich zweifelhaft ist. Die Ausführungen der Antragsteller
zur Gewerblichkeit (nachfolgend unter a.)), zur Anwendung des § 4 Abs. 3 EStG
(nachfolgend unter b.)) und zur Nichtanwendung des § 15 b EStG (nachfolgend
unter c.)) sind jedenfalls bei vorläufiger Prüfung nicht unerheblich.
a.) Soweit der Antragsgegner der Auffassung ist, es liege unabhängig von der
Frage einer gewerblichen Prägung lediglich eine vermögensverwaltende Tätigkeit
der A vor, so dass es auf die gewerbliche Prägung nicht ankomme, konnte dem bei
summarischer Prüfung nicht gefolgt werden. Bei summarischer Prüfung war für das
Streitjahr von der ernstlichen Möglichkeit des Vorliegens gewerblicher Einkünfte
aus der Beteiligung an der A gemäß §§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2 EStG
auszugehen.
aa.) Nach § 15 Abs.3 Nr.2 EStG gilt unabhängig davon, ob ein gewerbliches
Unternehmen ausgeübt wird, als Gewerbebetrieb in vollem Umfang die mit
Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer Personengesellschaft,
bei der ausschließlich eine oder mehrere Kapitalgesellschaften persönliche
haftende Gesellschafter sind und nur diese oder Personen, die nicht Gesellschafter
sind, zur Geschäftsführung befugt sind (gewerbliche geprägte
Personengesellschaft). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen war - jedenfalls bei
summarischer Prüfung - im Streitjahr seitens der A ernstlich möglich. Denn nach
dem Gesellschaftsvertrag war allein die B zur Geschäftsführung befugt, wenngleich
die tatsächlichen Anlagegeschäfte der A über das beauftragte Bankhaus C
vorgenommen wurden. Soweit sich im Folgejahr 2008 durch eine Übernahme der
faktischen Geschäftsführung durch den Antragsteller oder spätestens durch
dessen Bestellung zum Mitgeschäftsführer der A eine Beendigung einer etwaigen
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dessen Bestellung zum Mitgeschäftsführer der A eine Beendigung einer etwaigen
gewerblichen Prägung ergeben haben dürfte, war dies für das Streitjahr ohne
Belang. Denn erst für 2008 wäre zu beurteilen, ob es durch eine Beendigung der
gewerblichen Prägung zu einer Betriebsaufgabe gekommen sein könnte, falls die
Betätigung der A nicht originär als gewerblich im Sinne des § 15 Abs.1 Nr.1 und
Abs.2 EStG zu werten wäre.
bb.) Die Anwendung des § 15 Abs.3 Nr.2 EStG wäre auch für den Streitfall nicht
ausgeschlossen, wenn die A tatsächlich nur eine vermögensverwaltende Tätigkeit
ausgeübt haben sollte. Die im Streitfall gegründete A entspricht im Wesentlichen
einer GmbH & Co. KG. Die B ist eine ausländische Kapitalgesellschaft, die nach
ihrem rechtlichen Aufbau und ihrer wirtschaftlichen Gestaltung einer inländischen
Kapitalgesellschaft entspricht, und mithin geeignet wäre, eine
Personengesellschaft gewerblich im Sinne der Vorschrift zu prägen. Für die
Anwendung der Vorschrift kommt es nicht darauf an, ob die
Kommanditgesellschaft nach in- oder nach ausländischem Recht errichtet wurde
oder ob sie im In- oder Ausland gewerblich tätig geworden ist (vgl. BFH, Urteil vom
17. Dezember 1997 I R 34/97, BStBl II 1998, 296). Die Fiktion eines Gewerbetriebs
gilt auch bei einer vermögensverwaltenden ausländischen Personengesellschaft,
wenn sie nach ihrem rechtlichen Aufbau und ihrer wirtschaftlichen Gestaltung einer
inländischen Personengesellschaft entspricht (vgl. BFH, Urteil vom 14. März 2007
XI R 15/05, BStBl II 2007, 924). Ohne Belang ist insoweit auch, dass auf die
Vorschrift des § 15 Abs.3 Nr.2 EStG regelmäßig auf Grund des Vorrangs der
Abkommensdefinitionen der Doppelbesteuerungsabkommen nicht zurückgegriffen
werden kann. Denn hieraus folgt lediglich, dass diese Vorschrift nicht für eine
abkommensrechtliche Abgrenzung der Einkunftsarten herangezogen werden kann,
d.h. die Bestimmung der Einkunftsart im Sinne des
Doppelbesteuerungsabkommens für die Frage der Zuweisung des
Besteuerungsrechts losgelöst von dieser Vorschrift zu erfolgen hat (vgl. hierzu
insbesondere FG Düsseldorf, Urteil vom 28. April 2009 17 K 1070/07 F, EFG 2009,
1395 unter II.1.b) der Gründe, m.w.N.; BFH, Urteil vom 17. Dezember 1997 I R
34/97, a.a.O.). Eine weitergehende Einschränkung erfährt die Anwendbarkeit des §
15 Abs.3 Nr.2 EStG hierdurch aber nicht, so dass die Vorschrift für die
Qualifizierung der Einkünfte nach innerstaatlichem Recht gültig bleibt.
cc.) Für den Streitfall war es auch ernstlich zweifelhaft, ob eine gewerbliche
Prägung der A deshalb zu verneinen sein könnte, weil es sich bei der B um eine
steuerlich unbeachtliche „Briefkastenfirma“ im Sinne des § 42 AO handeln könnte.
Denn bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung steht
nicht zur hinreichend sicheren Überzeugung des Senats fest, dass es sich bei der
B lediglich um eine solche Briefkastenfirma gehandelt hat. Denn auch unter
Würdigung der erfolgten Auskunft des Bundesamtes für Finanzen - zu der
Verwertbarkeit einer solchen Auskunft im Rahmen der Beweiswürdigung vgl. BFH,
Beschluss vom 16. Januar 2003 VIII B 114/01 (BFH/NV 2003, 738) - und unter
Berücksichtigung der erhöhten Mitwirkungspflicht der Antragsteller bei der
Aufklärung von Auslandssachverhalten nach § 90 Abs.2 AO haben die Antragsteller
- hinsichtlich einer Anmietung existenten Büroraumes und einer Ausstattung mit
Kommunikationsmitteln - in einer zumindest für das Aussetzungsverfahren
ausreichenden Weise glaubhaft dargelegt, dass die B im Streitjahr wirklich
„greifbar“ vorhanden und existent war, zumal hinsichtlich der
Geschäftsgegenstände der A - auch in Anbetracht der in Anspruch genommenen
Dienstleistungen durch das Bankhaus C - keine besondere sächliche, räumliche
und personelle Ausstattung und kein besonderer „Apparat“ benötigt worden sein
dürfte, der es rechtfertigen könnte, die Substanzanforderungen am die B im
Einzelfall herabzusetzen (vgl. hierzu: BFH, Urteil vom 29. Januar 2008 I R 26/06,
BStBl II 2008, 978). Der Senat wird über die Frage einer „Briefkastenfirma“ daher
erst im Hautsacheverfahren 11 K 3175/09 abschließend zu befinden haben. Mithin
war für das Aussetzungsverfahren von der ernstlichen Möglichkeit auszugehen,
dass die B existent und keine unbeachtliche Briefkastenfirma war, so dass es
ernstlich zweifelhaft ist, nicht von einer gewerblichen Prägung der A im Streitjahr
auszugehen.
b.) Ernstlich zweifelhaft erscheint bei gebotener summarischer Prüfung auch, ob
die Antragssteller in Anbetracht der Erstellung eines Jahresabschlusses im Sinne
einer Bilanz durch die A in Großbritannien an der Ausübung eines Wahlrechts zur
Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs.3 EStG für die inländische Besteuerung
gehindert waren. Nach § 4 Abs.3 EStG können Steuerpflichtige, die nicht auf Grund
gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßige
Abschlüsse zu machen, und die auch keine Bücher führen und keine Abschlüsse
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Abschlüsse zu machen, und die auch keine Bücher führen und keine Abschlüsse
machen, als Gewinn den Überschuss der Betriebseinahmen über die
Betriebsausgaben ansetzen.
aa.) Eine Pflicht zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich für die A
bestand zwar nach britischen Recht, nicht aber im Sinne des § 5 Abs.1 EStG. Nach
der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 13. September 1989 I R 117/87, BStBl II
1990, 57) - der sich der erkennende Senat im summarischen Verfahren anschließt
- handelt es sich bei einem nach ausländischem Recht erstellten Jahresabschluss
nicht um einen solchen, zu dessen Aufstellung eine rechtliche Verpflichtung im
Sinne des § 5 Abs.1 EStG bestand bzw. der freiwillig im Sinne der Vorschrift
aufgestellt wurde, da sich die Vorschrift in beiden Alternativen nur auf einen
Jahresabschluss bezieht, der dem deutschen Handels- oder Steuerrecht
entsprechend aufgestellt wurde. Auch ist nicht ersichtlich, dass die A über eine
inländische Zweigniederlassung verfügte oder die Grenzen des § 141 AO
überschritten gewesen sein könnten. Ob im Übrigen eine ausländische
Buchführungspflicht zugleich eine inländische Buchführungspflicht nach § 140 AO -
wegen einer Verpflichtung nach anderen Gesetzen als den Steuergesetzen -
auslösen könnte, erscheint mangels entsprechender Rechtsprechung bei
summarischer Prüfung ernstlich zweifelhaft. Der BFH hat im Beschluss vom 9.
August 1989 I B 118/88 (BStBl II 1990, 175) entsprechende Zweifel an der dies
teilweise bejahenden Literaturmeinung (vgl. Drüen in Tipke/Kruse, AO, § 140,
Rdnr.7, m.w.N. zum Meinungsstand) geäußert und die Frage im Urteil vom 14.
September 1994 I R 116/93 (BStBl II 1995, 238) ausdrücklich offen gelassen. Der
erkennende Senat hat insoweit auch Bedenken, ob die Auslegung des Begriffs
„andere Gesetze“ zur gesetzlichen Begründung einer Buchführungspflicht im
Inland auch im Sinne beliebiger ausländischer Gesetze den Primat des
bundesdeutschen Gesetzgebers verletzen könnte und es sich daher zwingend um
(auch) im Inland gültige gesetzliche Vorschriften handeln muss.
bb.) Soweit der Antragsgegner meint, aus dem Urteil des BFH vom 13. September
1989 I R 117/87 (a.a.O.) ergebe sich, dass der in einem Staat der Besteuerung
unterworfene Gewinn mit dem im anderen Staat freigestellten Gewinn konform
gehen müsse, vermag der Senat bei summarischer Prüfung dem genannten Urteil
nur zu entnehmen, dass die nach einem Doppelbesteuerungsabkommen
steuerfreien Einkünfte mit den im Rahmen des Progressionsvorbehalts
einzubeziehenden betragsmäßig übereinstimmen müssen. Daraus folgt aber bei
summarischer Prüfung nicht zwingend, dass ein Gewinn - für den im Ausland eine
Bilanz erstellt wurde - für die Besteuerung im Inland nicht durch eine
Überschussrechnung ermittelt werden dürfte. Denn aus dem Sinnzusammenhang
des Urteils ergibt sich, dass sich diese Aussage auf den nach dem inländischen
Steuerrecht zu ermittelnden ausländischen Gewinn bezieht. Der BFH führt aus,
dass die steuerfreien Einkünfte nach dem deutschen Steuerrecht (§ 2 Abs.2 EStG)
zu ermitteln sind und - folglich in dieser ermittelten Höhe - beim
Progressionsvorbehalt zu berücksichtigen seien. Für den Streitfall ist aber gerade
streitig, nach welcher inländischen Vorschrift - § 4 Abs.1 oder 3 EStG - die
steuerfreien ausländischen Einkünfte zu ermitteln sind. Das Ergebnis der britischen
Gewinnermittlung der A ist hierfür bei summarischer Prüfung möglicherweise ohne
Relevanz, denn es müssen im Inland nur die ausländischen Geschäftsvorfälle nach
§ 4 Abs.1 oder Abs.3 EStG erfasst werden. Insoweit spricht die Aussage des BFH
unter II.5.b) Sätze 1 und 2 der Gründe, wonach die Gewinnanteile aus dem nach §
4 Abs.1 EStG zu ermittelnden Gewinn der Kollektivgesellschaft abzuleiten sei, da
die Kläger gewerbliche Einkünfte erzielten und keinen Antrag auf Gewinnermittlung
nach § 4 Abs.3 EStG stellten, zumindest bei summarischer Prüfung dafür, dass
dem Grunde nach ein entsprechendes Wahlrecht der inländischen Gesellschafter
auch dann bestehen könnte, wenn - wie im dortigen Streitfall - für die
Kollektivgesellschaft eine (ausländische) Bilanz erstellt wurde.
cc.) Bei summarischer Prüfung ist entgegen der Auffassung des Antragsgegners
auch dem Urteil des BFH vom 22. Mai 1991 I R 32/90, BStBl II 1992, 94, nicht
zwingend zu entnehmen, dass der Gewinn aus Gewerbebetrieb einer
ausländischen Personengesellschaft stets nach § 4 Abs.1 EStG ermittelt werden
müsse. Soweit sich der BFH dort unter II.3 der Gründe auf das Urteil vom 13.
September 1989 I R 117/87 bezieht, betraf der entschiedene Streitfall eine bereits
durch die Kläger erfolgte Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich.
Entsprechendes gilt für den BFH-Beschluss vom 4. April 2007 I R 110/05, BStBl II
2007, 521, wenngleich die diesbezüglichen Ausführungen unter III.2.a) a.E. der
Gründe zwar nicht gegen die Auffassung des Antragsgegners sprechen, sich
allerdings auch im Wesentlichen auf eine Bezugnahme auf die vorgenannten
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allerdings auch im Wesentlichen auf eine Bezugnahme auf die vorgenannten
Urteile erschöpfen. Auch die vom Antragsgegner in der Einspruchsentscheidung
genannten Literaturmeinungen (u.a. Piltz/Wassermeyer in Wassermeyer, DBA,
Art.7 MA, Rdnr.137; Stobbe in Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG, § 5, Rdnr.12; Wied
in Blümich, EStG, § 4, Rdnr.106) erschöpfen sich regelmäßig in einer bloßen
Bezugnahme auf die vorgenannte BFH-Rechtsprechung, wobei Frotscher in
Frotscher, EStG, § 4 Rdnr.12, am Ende zudem ausführt, dass bei Vorliegen der
Voraussetzungen auch eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs.3 EStG möglich sein
solle. Von dieser Möglichkeit geht auch Tz. 1.1.5.4 des Betriebsstättenerlasses
vom 24. Dezember 1999 (BStBl I 1999, 1076) aus.
dd.) Im Übrigen ist es bei summarischer Prüfung auch ernstlich zweifelhaft, ob sich
- wie der Antragsgegner meint - aus § 146 Abs.2 Sätze 2 bis 4 AO eine zwingende
Maßgeblichkeit der ausländischen Bilanz der A für die Zwecke der Besteuerung der
Antragsteller im Inland herleiten lässt. Soweit danach für den Fall, dass bei
ausländischen Betriebstätten nach dortigem Recht Bücher und Aufzeichnungen zu
führen sind, die Ergebnisse der dortigen Buchführung in die Buchführung des
hiesigen Unternehmens übernommen werden müssen, soweit sie für die
Besteuerung von Bedeutung sind, hat der BFH im Urteil vom 16. Februar 1996 I R
43/95, BStBl II 1997, 128, unter II.4.a). der Gründe ausgeführt, dass diese
Vorschrift keine materiell-rechtlichen Regelungen beinhalte, die die allgemeinen
innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften verdrängen würden, und sich die
Ermittlung ausländischer Einkünfte nach innerstaatlichen deutschen Recht richte.
Hieraus folgt bei lediglich summarischer Prüfung, dass die Gewinne aus der
Beteiligung an der A zwingend nach den innerstaatlichen Regelungen des § 4
(Abs.1 oder Abs.3) EStG zu ermitteln sind, ohne dass damit zwingend eine
Buchführungspflicht nach § 4 Abs.1 EStG selbst begründet wird.
ee.) Soweit die Parteien über die Auslegung der Richtlinie R 4.1 EStR
unterschiedliche Auffassungen vertreten, ist dies unerheblich und lediglich
anzumerken, dass die Richtlinienregelung der Verwaltung das Finanzgericht nicht
zu binden vermag, jedenfalls nicht zu Lasten der Antragsteller.
c.) Soweit der Antragsgegner der Auffassung ist, dass die nach § 4 Abs.3 EStG
ermittelten Verluste aus der Beteiligung an der A auch im Hinblick auf die
Regelung des § 15b EStG - welche auch im Rahmen des Progressionsvorbehalt
nach § 32b EStG anzuwenden sei - ausgeschlossen sei, begegnet dies bei
gebotener summarischer Prüfung ebenfalls ernstlichen Zweifeln.
aa.) Nach § 15b Abs.2 Satz 1 EStG liegt ein Steuerstundungsmodell im Sinne der
Vorschrift vor, wenn auf Grund einer modellhaften Gestaltung steuerliche Vorteile
in Form negativer Einkünfte erzielt werden sollen. Nach Satz 2 der Vorschrift ist
dies der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen auf Grund eines vorgefertigten Konzepts
die Möglichkeit geboten werden soll, zumindest in der Anfangsphase der
Investition Verluste mit übrigen Einkünften zu verrechnen.
Nach der Begründung des Gesetzesentwurfs (BT-Drucksache 16/107 vom
29.11.2005) liegen Steuerstundungsmodelle immer dann vor, wenn dem
Steuerpflichtigen aufgrund eines vorgefertigten Konzepts die Möglichkeit geboten
wird, zumindest in der Anfangsphase der Investition die prognostizierten Verluste
mit übrigen positiven Einkünften zu verrechnen. Die Regelung solle aber auch
modellhafte Anlage- und Investitionstätigkeiten einzelner Steuerpflichtiger
außerhalb einer Gesellschaft oder Gemeinschaft erfassen. Für die Modellhaftigkeit
spreche ein vorgefertigtes Konzept, welches typischerweise - wenn auch nicht
zwingend - mittels eines Anlegerprospekts oder in vergleichbarer Form (z.B.
Katalog, Verkaufsunterlagen, Beratungsbögen usw.) vermarktet werde.
Charakteristisch sei zudem eine Bündelung von Verträgen und / oder Leistungen
durch den Anbieter. Weiterhin spreche für die Annahme eines
Steuerstundungsmodells, wenn der Anleger vorrangig eine kapitalmäßige
Beteiligung ohne Interesse an einem Einfluss auf die Geschäftsführung anstrebe.
Auch nach dem zu § 15b EStG ergangenen Anwendungsschreiben des BMF vom
17. Juli 2007 (BStBl I 2007, 542) sollen nach Tz.8 für die Frage der Modellhaftigkeit
vor allem das Kriterium eines vorgefertigten Konzeptes und gleichgerichteter
Leistungsbeziehungen, die im Wesentlichen identisch sind, maßgeblich sein.
Ferner - so Tz.7 a.E. - erfasse die Vorschrift auch modellhafte Anlage- und
Investitionstätigkeiten einzelner Steuerpflichtiger, z.B. die mit Darlehen gekoppelte
Lebens- und Rentenversicherung gegen Einmalbetrag.
bb.) Unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung erscheint es - jedenfalls bei
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bb.) Unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung erscheint es - jedenfalls bei
summarischer Prüfung - für den Streitfall ernstlich zweifelhaft, ob die Beteiligung
des Antragstellers an der A unter Würdigung der Gesamtumstände als ein
Steuerstundungsmodell im Sinne des § 15b EStG zu qualifizieren ist, insbesondere
eine modellhafte Gestaltung im Sinne der Vorschrift vorliegt. Charakteristisch für
die Modellhaftigkeit ist eine Passivität des Investors bei der Entwicklung der
Geschäftsidee und der Vertragsgestaltung (vgl. Seeger in Schmidt, EStG, 29. Aufl.,
§ 15b, Rdnr.4). Im Streitfall beruhte die Gründung der A aber auf einer individuellen
Gestaltung des Antragstellers. Zudem handelte es sich bei der Gründung der A
nicht um eine Beteiligung an einer Fondsgesellschaft, bei der eine Vermarktung
eines konkret vorgefertigten Konzeptes bzw. eine Bündelung von Verträgen
und/oder Leistungen erfolgte. Auch das Vorliegen einer modellhaften Investition
einer Einzelperson erscheint - jedenfalls bei summarischer Prüfung - ernstlich
zweifelhaft. Denn auch hier erfordert die Annahme einer Modellhaftigkeit
möglicherweise eine vorgefertigte, angebotene Konzeption (vgl. BFH, Beschluss
vom 8. April 2009 I B 223/08, BFH/NV 2009, 1437) im Sinne eines „Gesamtpakets“
unter dem Gesichtspunkt des in der Gesetzesbegründung angegebenen
Gesetzeszweckes der Vermeidung von Umgehungsgestaltungen und der
Gewährleistung der Gleichheit der Besteuerung. Ob es unter Umständen
ausreichend sein kann, die Modellhaftigkeit einer Investition im Sinne des § 15b
EStG bereits dann annehmen zu können, wenn - wie vom Antragsgegner dargelegt
- die Gestaltung zuvor allgemein in einschlägigen Zeitschriften mit steuerlichen
Spareffekten dargestellt, sodann von Steuerberatungsunternehmen geeigneten
Mandanten in einer Mehrzahl von Fällen „vorgeschlagen“ und auch unter im
Wesentlichen gleichartiger Gestaltung umgesetzt werde, kann jedenfalls bei einer
lediglich summarischer Prüfung - ungeachtet etwaig notwendiger tatsächlicher
Nachweise - nicht zweifelsfrei geklärt werden. Eine hierzu ergangene einschlägige
höchstrichterliche Rechtsprechung ist weder ersichtlich noch dargelegt worden.
Zudem ist äußerst fraglich, ob im Streitfall vorrangig lediglich eine kapitalmäßige
Beteiligung ohne Einfluss auf die Geschäftsführung angestrebt war, wobei sich eine
modellhafte Gestaltung in der Regel auch auf das einmalige Tätigen einer
Investition erstrecken dürfte. Soweit sich die Antragsteller auf das Urteil des
Sächsischen Finanzgerichts vom 5. Mai 2010 8 K 1853/09 beziehen, schließt sich
der erkennende Senat bei summarischer Prüfung der dort geäußerten
Rechtsauffassung an, dass eine Anwendung des § 15b EStG ohne Bezugnahme
auf konkrete Tatsachen immer dann, wenn das Zusammenwirken gesetzlicher
Bestimmungen einen Steuervorteil ergebe und häufig genutzt werde, nicht der
Absicht des Gesetzgebers entspreche.
cc.) Im Übrigen war es bei summarischer Prüfung auch ernstlich zweifelhaft, ob die
Vorschrift des § 15b EStG überhaupt zu einem Ausschluss des negativen
Progressionsvorbehalts führen kann. Soweit in der Literatur die Auffassung
vertreten wird, dass §15b EStG - da ein Steuerstundungsmodell auf die Erzielung
negativer Einkünfte gerichtet sein müsse - ausländische, nichtsteuerbare Verluste
nicht betreffe und damit bezüglich solcher Verluste auch ein negativer
Progressionsvorbehalt nicht ausgeschlossen sei (vgl. Naujok, DStR 2007, 1601, Tz.
2.2.7; Seeger in Schmidt, EStG, 29.Aufl., § 15b, Rdnr.3; Heinicke in Schmidt, EStG,
29. Aufl., § 32b, Rdnr.5; Kaeser in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff; EStG, § 15b, Rdnr.
B42), ist eine hierzu ergangene, ausdrücklich von dieser Literaturmeinung
abweichende Rechtsprechung nicht ersichtlich.
Mithin war der strittige Einkommensteuerbescheid 2007 von der Vollziehung
auszusetzen.
3. Von der Anordnung einer Sicherheitsleistung konnte abgesehen werden, da eine
Gefährdung des Steueranspruchs nicht ersichtlich ist.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs.1 FGO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.